Ich sah es nur ohne Ton, aber da sprach heute Vormittag John Kerry auf CNN, und am unteren Bildrand wurde als Thema eingeblendet: „Kubanischer Präsident tritt zurück“.
Bewirbt er sich vier Jahre nach der Schlappe in den USA jetzt etwa um die Präsidentschaft in Kuba? Das wird doch wieder nix.
Alle noch verbliebenen Kandidaten im Rennen um die amerikanische Präsidentschaft haben eines gemeinsam: Humor. Sogar Hillary Clinton. Zwischen ihren Debatten, Reden und Vorwahlkämpfen finden sie immer wieder Zeit, sich für kurze Gags oder längere Gastauftritte in den Late-Night-Comedyshows herzugeben und erobern damit Sympathien beim jungen, aufgeschlossenen, gebildeten Publikum. Denn eigentlich werden in diesen Shows eher Witze über sie gemacht, und nicht mit ihnen.
John McCain
Der republikanische Senator John McCain, der bisher einzige quasi feststehende Präsidentschaftskandidat, besuchte schon elfmal die Daily Show with Jon Stewart — häufiger als jede andere Show, inklusive politischer Talkshows, und häufiger als jeder andere Gast die Daily Show besuchte. Bei seinem zehnten Gastauftritt im vergangenen August scherzte er bereits:
Haben Sie’s schon gehört, ich übernehme die Show, und Jon Stewart geht in den Senat!
In der Late Show with David Letterman zeigte er sich im Januar in einem kurzen Einspieler unter dem Titel „Candidate Spotlight“ und verkündete, während er hinter einem Schreibtisch vor der amerikanischen Flagge saß:
Meine lieben amerikanischen Mitbürger. Ich verwende kanadische Münzen, um mir am Süßigkeitenautomaten des Sensats Twix-Riegel zu ziehen. Was wollen Sie dagegen tun?
An einem anderen Tag erklärte er von gleicher Stelle, er habe mal wegen einer Wette einen halben Liter Motoröl getrunken und 40 Dollar gewonnen.
Es war auch bei David Letterman, wo John McCain vor einem Jahr erstmals bekannt gab, damals völlig im Ernst, dass er als Präsidentschaftskandidat antrete.
Barack Obama
Als Barack Obama 2004 als einziger schwarzer Politiker in den Senat gewählt worden war, wurde er von Jon Stewart einem landesweiten Comedypublikum vorgestellt. Seitdem ließ er sich mehrfach von Stewart befragen und erklärte dies gegenüber den CBS Evening News so:
In erster Linie bin ich ein Fan, denn Jon Stewart bringt die Absurdität des Wahlkampfs gut ans Tageslicht, und dadurch haben seine Inhalte manchmal mehr Substanz als in anderen Sendungen. (…) Außerdem ist das Publikum in solchen Sendungen da, um Spaß zu haben, es ist also meistens freundlich.
Bei David Letterman trug der Senator von Illinois seine Top 10 Wahlkampfversprechen vor, die wir hier schon gezeigt haben.
Hillary Clinton
Auch die New Yorker Senatorin Hillary Clinton präsentierte bei David Letterman eine Top-10-Liste mit Wahlkampfversprechen. Darunter:
Sie haben die Möglichkeit gegen das Finanzamt um Ihre Steuern zu würfeln: doppelt oder nichts.
Wenn Sie Schwierigkeiten haben, einen Flug zu buchen, und Air Force One ist gerade verfügbar, gehört sie Ihnen!
Ich ernenne ein Komitee, das herausfinden soll, was zum Teufel eigentlich bei Lost passiert.
Als David Letterman nach längerer Pause im Januar wieder auf Sendung ging, eröffnete Hillary Clinton die Show noch vor dem Vorspann:
Acht lange Wochen war David Letterman wegen des Autorenstreiks nicht auf Sendung. Jetzt ist er wieder da. Nun denn, alles Gute geht einmal zu Ende.
Mike Huckabee
Der ehemalige Gouverneur von Arkansas war der Überraschungssieger der ersten Vorwahl in Iowa Anfang Januar, und die Late-Night-Moderatoren Conan O’Brien, Stephen Colbert und Jon Stewart inszenierten einen mehrtägigen, sendungs- und senderübergreifenden Streit, wem Huckabee diesen Erfolg zu verdanken habe. Alle drei beanspruchten ihn aus unterschiedlichen Gründen für sich, weil Huckabee entweder bei ihnen zu Gast war oder sie ihm durch Zuspruch zum Sieg verholfen hätten. Der Streit gipfelte in einer fünfminütigen gespielten Schlägerei in Late Night with Conan O’Brien, die in erster Linie den Zweck erfüllte, sinnlos Sendezeit zu füllen, während die Autoren noch im Streik waren. Am Ende der Schlägerei meldete sich Huckabee schlichtend zu Wort:
Drei unserer größten Talkshow-Moderatoren haben sich windelweich geprügelt im Streit über die Frage, wem ich meinen Erfolg zu verdanken habe. Damit das klar ist: Keinem von ihnen. Ich habe ihn unserer großartigen Nation zu verdanken. Also wählen Sie mich. Gott segne Amerika, und vergessen Sie diese Idioten.
Jetzt aber wirklich. 92,5 Prozent der amerikanischen Gewerkschaftsautoren von Film und Fernsehen hat gestern Abend dafür gestimmt, den seit drei Monaten andauernden Streik sofort zu beenden. Heute gehen die Autoren wieder zur Arbeit, und erste Auswirkungen werden schon heute Abend spürbar sein: Die Late-Night-Moderatoren Jay Leno, Conan O’Brien, Jimmy Kimmel, Jon Stewart und Stephen Colbert werden weniger selbst schreiben und improvisieren müssen, weil ihr Team wieder da ist (David Letterman und Craig Ferguson hatten wegen einer eigenen Vereinbarung mit der Gewerkschaft schon seit Januar wieder auf ihre Autoren zurückgreifen können), und Stewart wird seiner Sendung den Titel zurückgeben. Während des Streiks hatte er den bestimmten Artikel aus dem Namen The Daily Show with Jon Stewart streichen lassen, denn The Daily Show sei die Show, die mit Autoren hergestellt würde. Seit Januar hieß die Sendung nur A Daily Show with Jon Stewart.
Wie genau es mit den lange brachliegenden Drama- und Comedyserien weitergeht, wird in den nächsten Tagen klarer werden. Von den meisten Serien werden laut TV Guide vermutlich in dieser Fernsehsaison (bis Mai) noch vier bis neun neue Episoden produziert, wodurch der Staffelumfang überall zwischen 16 und 22 Episoden liegen dürfte und damit letztlich sogar nur knapp unter dem Normalfall.
Nur 24 fällt dieses Jahr wohl aus. Die siebte Staffel hatte in den USA noch nicht begonnen, als der Streik anfing. Weil der Sender Fox keine halbe Staffel der Serie zeigen wollte und die Fertigstellung einer ganzen noch in dieser Saison so gut wie unmöglich ist, geht es mit 24 wohl erst nächstes Jahr im Januar weiter.
Sie erinnern sich an diesen Streik der amerikanischen Film- und Fernsehautoren, der in dieser Woche ein Vierteljahr Bestand feiern konnte? Nun, sieht so aus, als sei er vorbei.
Vor etwas mehr als einer Stunde wurde den Mitgliedern der Autorengewerkschaft WGA ein Dokument mit der vorläufigen Einigung zugestellt, die die Gewerkschaft und die Produzentenvereinigung AMPTP in der obligatorischen Nacht- und Nebelsitzung heute früh erzielten.
Die Einigung könnte bedeuten, dass schon am Montag die Autoren wieder zur Arbeit erscheinen. Damit bliebe die Dauer des Streiks deutlich unter der der letzten großen Arbeitsniederlegung der Autoren 1988. Sie dauerte 22 Wochen.
Das bedeutet natürlich nicht, dass sofort wieder neue Episoden der stillgelegten Serien produziert werden können – erst müssen sie ja mal geschrieben werden. Dennoch ist damit zu rechnen, dass noch vor dem Ende der regulären US-Fernsehsaison im Mai Nachschub zumindest von den Erfolgsserien wie CSI, Grey’s Anatomy und Dr. House auf Sendung gehen wird und die Staffeln doch noch ein paar mehr als die vor dem Streik fertiggestellten 12 Episoden umfassen werden. Einige quotenschwache Neustarts, über deren Fortsetzung in eine zweite Staffel noch nicht entschieden war, werden dagegen vermutlich gar nicht erst zurückkehren, weil sich der Aufwand nicht lohnt.
Unterdessen werden die ersten Auswirkungen des Streiks auch in Deutschland spürbar. Am kommenden Dienstag wollte RTL ursprünglich mit der Ausstrahlung der letzten zehn Episoden der dritten Staffel von Dr. House beginnen (wir berichteten). Stattdessen geht es nun erst drei Wochen später mit drei Episoden weniger los. Wegen der verkürzten vierten Staffel teilt sich RTL die Vorräte schon jetzt ein und plant, die verbliebenen drei Folgen der dritten Staffel erst im Herbst zu zeigen.
Eine Fernsehsendung benötigt heute nur noch halb so viele Zuschauer wie vor 15 Jahren, um als Erfolg zu gelten. Die Zahl der Sender nimmt stetig zu, die der Zuschauer nicht, und so verteilt sich die gleiche Menge Publikum auf immer Programme, was zur Folge hat, dass reihum die Quoten bröckeln und gigantische Zuschauerzahlen wie in 80er-Jahren für einzelne Sendungen heute eigentlich nicht mehr möglich sind. Das böse Internet und DVDs ziehen zusätzlich Zuschauer vom Fernsehen ab.
Da kommt die Nachricht aus den USA überraschend, wo der Super-Bowl-Sieg der New York Giants über die New England Patriots von 97,5 Millionen Menschen gesehen wurde. Noch nie hatte ein Super Bowl so viele Zuschauer, und überhaupt gab es in der Geschichte des amerikanischen Fernsehens nur eine einzige Sendung, die mehr Zuschauer hatte: 106 Millionen Menschen sahen 1983 das Finale von M.A.S.H.
Zusammengefasst: Quoten wie früher gibt’s heute nicht mehr. Es sei denn es kommt was Interessantes.