Schläfers Bruder
Man muss als Terrorist schon ziemlich dämlich sein, seinen Anschlag ausgerechnet auf die Stadt Los Angeles zu planen, denn selbst jedem Halblicht wäre klar, dass er gegen Jack Bauer ohnehin keine Chance hat.
Foto: RTL II/Showtime
Der hat aber nun offenbar gerade sein freies Halbjahr oder sitzt in irgendeinem chinesischen Kerker, und so ist es in der neuen Terroristenserie Sleeper Cell an Darwyn al-Sayeed, den Anschlag zu verhindern. Es fällt ihm relativ leicht, sich undercover in eine islamistische Schläferzelle einzuschleichen und als „Bruder“ aufgenommen zu werden, denn er ist selbst gläubiger Muslim. Zwischendurch erstattet er seinem Vorgesetzten beim FBI Bericht, der sich als Darwyns Bewährungshelfer tarnt. Die Zelle, in die er da hineingerät, ist im Gegensatz zu den Stereotypen in 24 eine bunt zusammengewürfelte Multikultitruppe mit einem französischen Skinhead, einem blonden Amerikaner und einem wütenden Bosnier, die alle zum Islam konvertiert sind. Wenigstens ihr Chef ist ein echter Araber, und er führt die Truppe wie ein mittelständisches Unternehmen.
Ich würde dich gern nach Hause fahren, aber dann scheißt Farik mich an. Das Dschihad-Mobil ist nur für Dienstfahrten.
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Und wenn sie gerade niemanden umbringen, feiern sie im familiären Kreis Kindergeburtstag. Das wirkt schon eher wie Die Sopranos als wie 24, doch schnell genug geschehen Dinge, durch die es vermieden wird, die Terroristen auch nur annähernd wie Sympathieträger wirken zu lassen. Diese Rolle bleibt allein dem schwarzen Protagonisten Darwyn vorbehalten, der allerdings wie schon Jack Bauer so oft rasch in die Verlegenheit gerät, böse Dinge tun zu müssen, um sich nicht zu verraten. Dennoch lässt sich die Serie auch mit 24 eigentlich nicht vergleichen. Sleeper Cell ist zwar immer wieder spannend, hält aber nicht durchgehend dieses enorme Level, das 24 in den meisten Staffeln gelang, und legt es auch gar nicht darauf an. Stattdessen spielen auch menschliche Geschichten eine Rolle: Darwyn ist kein eiskalter, gefühlloser Superheld mit übermenschlichen Kräften, sondern zeigt seinem FBI-Kontaktmann gegenüber immer wieder, dass er Angst hat: Angst, aufzufliegen, Angst, den Anschlag nicht rechtzeitig verhindern zu können. Angst vor dem Tod. Darwyn ist sich bewusst, dass er sterblich ist und akzeptiert diese Tatsache, hat aber kein Interesse, sein Leben ernsthaft aufs Spiel zu setzen. Er wird wütend, wenn die Agenten, die ihn beschatten und beschützen sollen, sich so blöd anstellen, dass selbst der Dorftrottel sie bemerkt. Richtig: Darwyn ist kein Einzelkämpfer. Er ist undercover zwar allein, doch braucht und will den Schutz aus der Ferne. Das macht die Serie interessant.
Wer in Sleeper Cell hineingerät, muss weniger Zeit investieren als in 24. Zunächst mal minus 14. Die erste Staffel umfasst nur zehn Folgen. Der amerikanische Pay-TV-Kanal Showtime zeigte sie Ende 2005 innerhalb von 15 Tagen. RTL2 plant, die zweite Staffel mit acht Folgen nahtlos anzuschließen. Für sie brauchte Showtime ein Jahr später sogar nur acht Tage. Bei uns ist die Serie in Doppelfolgen zu sehen, heute geht’s los, morgen schon weiter, und dann immer mittwochs.
Sleeper Cell, heute und morgen ab 20.15 Uhr, und dann mittwochs ab 20.15 Uhr bei RTL2 (jeweils zwei Folgen).