Kurz vor Knapp

Die neue Sat.1-Serie Kidnapped – 13 Tage Hoffnung hat eine Gemeinsamkeit mit den Klassikern Auf der Flucht und Das Geheimnis von Twin Peaks, aber auch mit den modernen Fernsehereignissen 24 und Damages – Im Netz der Macht, es ist aber vor allem eine formale: Der Fall, um den es in der Serie geht, lässt sich nicht so leicht in einer einzigen Episode lösen. Deshalb befasst sich die gesamte Staffel mit nichts anderem als der Entführung des reichen, 15-jährigen Leopold, dessen Eltern den draufgängerischen Freiberufler Knapp (Foto unten, rechts) engagiert haben, der den Jungen zusammen mit dem FBI (und manchmal gegen das FBI) zu befreien versucht.


Foto: Sat.1

Das ist ganz ansehnlich geworden, weil trotz durchgehender Handlung das alte Fernsehgesetz befolgt wird, dass gegen Ende einer Episode die Zuschauer mit einem Spannungshöhepunkt versorgt werden müssen. Zum Beispiel: Kann der Junge sich befreien? Nein, kann er natürlich noch nicht, weiß doch jeder, aber für ein paar Minuten macht es die Sache aufregend.

Gescheitert ist die Serie trotzdem, und in den USA wurde sie nach wenigen Folgen abgesetzt. Man muss den NBC-Verantwortlichen dennoch dankbar sein, dass hier ausnahmsweise mal eine Serie die Gelegenheit erhielt, die Handlung zu einem Ende zu bringen und alle wichtigen Fragen aufzulösen. Insofern ist es zumindest keine verschwendete Zeit, sich drei Monate lang jeden Donnerstag mit diesem Thriller zu befassen. Vermissen wird die Serie anschließend aber auch niemand.

Kidnapped – 13 Tage Hoffnung, heute ab 20.15 Uhr (2 Folgen), dann immer donnerstags ca. 23.15 Uhr in Sat.1.

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Michael, 31. Juli 2008, 06:31.

Die Stein der Anstoßes

Das Erste wiederholt ab heute die alte Lehrerserie Die Stein aus den frühen 90ern, die mir merkwürdigerweise bisher völlig unbekannt war. Es geht darin um eine Lehrerin, die an einer neuen Schule ihren Dienst beginnt und am ersten Tag ihren Mann beim…

Augenblick bitte.

Ich höre gerade, es handelt sich gar nicht um eine Wiederholung.

Verzeihung.

Noch mal von vorn:

Das Erste zeigt ab heute in Erstausstrahlung die alte Lehrerserie Die Stein mit Julia Stemberger, die aus unerfindlichen Gründen seit den frühen 90ern ungesendet im Archiv lag. Vergleicht man die Serie mit aktuellen Aufnahmen der Hauptdarstellerin, stellt man beeindruckt fest, wie fantastisch sich Julia Stemberger gehalten hat. Die lustigen alten…

Augenblick bitte noch einmal.

Ich höre gerade, die Serie stammt gar nicht aus den frühen 90ern, sondern ist neu.

Dann bin ich ratlos. Warum sollte jemand heute noch eine solche Serie drehen? Die Musik, das „Tempo“, die komplett vorhersehbare Handlung, hundertmal aufgesagte Fülldialoge, die obligatorische übergewichtige Freundin, die dauernd isst, und die Schulklischees aus antiken Paukerfilmen, die Anfang der 90er wenigstens erst 25 Jahre alt waren!

Andererseits läuft die Serie natürlich direkt nach der Tagesschau, die seit Jahrzehnten stoisch unverändert und erfolgreich ist. Vielleicht ist das die Lösung zur Rettung der deutschen Serie. Immer schön einen Schritt zurück, dann geht’s voran! Machen wir die Stichprobe mit zwei deutschen Serien der jüngeren Vergangenheit: Die Anwälte? Flop. Der Bergdoktor? Erfolg.

Dann haben wir’s ja. Also alles prima.


Foto: ARD

Eine tolle Steilvorlage für die Schlusspointe eines Verrisses gibt übrigens der letzte Wortwechsel zwischen einem Schüler und der Lehrerin ab, mit dem die erste Episode endet:

„Dass es immer friedlich bei uns abläuft, das können wir nicht versprechen.“
„Das wäre für uns alle auch ein bisschen langweilig, oder?“

Na, dann wollen wir sie doch mal verwandeln:

Keine Sorge, das ist es auch so.

Die Stein, dienstags um 20.15 Uhr im Ersten.

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Michael, 29. Juli 2008, 06:39.

Schläfers Bruder

Man muss als Terrorist schon ziemlich dämlich sein, seinen Anschlag ausgerechnet auf die Stadt Los Angeles zu planen, denn selbst jedem Halblicht wäre klar, dass er gegen Jack Bauer ohnehin keine Chance hat.


Foto: RTL II/Showtime

Der hat aber nun offenbar gerade sein freies Halbjahr oder sitzt in irgendeinem chinesischen Kerker, und so ist es in der neuen Terroristenserie Sleeper Cell an Darwyn al-Sayeed, den Anschlag zu verhindern. Es fällt ihm relativ leicht, sich undercover in eine islamistische Schläferzelle einzuschleichen und als „Bruder“ aufgenommen zu werden, denn er ist selbst gläubiger Muslim. Zwischendurch erstattet er seinem Vorgesetzten beim FBI Bericht, der sich als Darwyns Bewährungshelfer tarnt. Die Zelle, in die er da hineingerät, ist im Gegensatz zu den Stereotypen in 24 eine bunt zusammengewürfelte Multikultitruppe mit einem französischen Skinhead, einem blonden Amerikaner und einem wütenden Bosnier, die alle zum Islam konvertiert sind. Wenigstens ihr Chef ist ein echter Araber, und er führt die Truppe wie ein mittelständisches Unternehmen.

Ich würde dich gern nach Hause fahren, aber dann scheißt Farik mich an. Das Dschihad-Mobil ist nur für Dienstfahrten.

 

Foto: RTL II/Showtime

Und wenn sie gerade niemanden umbringen, feiern sie im familiären Kreis Kindergeburtstag. Das wirkt schon eher wie Die Sopranos als wie 24, doch schnell genug geschehen Dinge, durch die es vermieden wird, die Terroristen auch nur annähernd wie Sympathieträger wirken zu lassen. Diese Rolle bleibt allein dem schwarzen Protagonisten Darwyn vorbehalten, der allerdings wie schon Jack Bauer so oft rasch in die Verlegenheit gerät, böse Dinge tun zu müssen, um sich nicht zu verraten. Dennoch lässt sich die Serie auch mit 24 eigentlich nicht vergleichen. Sleeper Cell ist zwar immer wieder spannend, hält aber nicht durchgehend dieses enorme Level, das 24 in den meisten Staffeln gelang, und legt es auch gar nicht darauf an. Stattdessen spielen auch menschliche Geschichten eine Rolle: Darwyn ist kein eiskalter, gefühlloser Superheld mit übermenschlichen Kräften, sondern zeigt seinem FBI-Kontaktmann gegenüber immer wieder, dass er Angst hat: Angst, aufzufliegen, Angst, den Anschlag nicht rechtzeitig verhindern zu können. Angst vor dem Tod. Darwyn ist sich bewusst, dass er sterblich ist und akzeptiert diese Tatsache, hat aber kein Interesse, sein Leben ernsthaft aufs Spiel zu setzen. Er wird wütend, wenn die Agenten, die ihn beschatten und beschützen sollen, sich so blöd anstellen, dass selbst der Dorftrottel sie bemerkt. Richtig: Darwyn ist kein Einzelkämpfer. Er ist undercover zwar allein, doch braucht und will den Schutz aus der Ferne. Das macht die Serie interessant.

Wer in Sleeper Cell hineingerät, muss weniger Zeit investieren als in 24. Zunächst mal minus 14. Die erste Staffel umfasst nur zehn Folgen. Der amerikanische Pay-TV-Kanal Showtime zeigte sie Ende 2005 innerhalb von 15 Tagen. RTL2 plant, die zweite Staffel mit acht Folgen nahtlos anzuschließen. Für sie brauchte Showtime ein Jahr später sogar nur acht Tage. Bei uns ist die Serie in Doppelfolgen zu sehen, heute geht’s los, morgen schon weiter, und dann immer mittwochs.

Sleeper Cell, heute und morgen ab 20.15 Uhr, und dann mittwochs ab 20.15 Uhr bei RTL2 (jeweils zwei Folgen).

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Michael, 25. Juli 2008, 06:37.

Schindluders Liste

Mit drei Jahren Verspätung kommt die viel gepriesene US-Comedyserie My Name Is Earl heute ins deutsche Fernsehen. Ein Kleinkrimineller versucht, sein Leben neu zu ordnen und Gutes zu tun, damit ihm Gutes widerfährt, weil er zum ersten Mal in seinem Leben von „Karma“ gehört hat – just nach einem fiesen Unfall, der ihn ins Krankenhaus brachte. Guter Zeitpunkt also. In ungeordneter Reihenfolge arbeitet er eine Liste seiner Schandtaten ab, sucht die Menschen auf, denen er Schlechtes antat und bemüht sich um Wiedergutmachung. Um diese Leute aufzutreiben, muss er manchmal seinen tumben Bruder unter einem Vorwand vorschicken.

Ich werde nervös, wenn ich lügen muss. Aber Randy ist ein Profi, solange er die richtige Menge Bier drin hat. Und vier scheint die Zauberzahl zu sein.

Als Ich-Erzähler aus dem Off ordnet Earl die Ereignisse historisch ein.

Randy war nicht mehr bei Kennys Eltern gewesen, seit wir sie in der High-School-Zeit ausgeraubt hatten.

Die Serie beginnt mit dieser völlig neuen, originellen Grundkonstellation und ist auch in der Umsetzung gelungen. Die Charaktere sind liebevoll kreiert: Alle sind sie Gauner, doch man fühlt Sympathie für sie, weil es ihnen selbst schlecht geht und sie es neuerdings gut meinen, und Earl tut einem schon fast leid, wenn er völlig überfordert mit der Situation ist, zum ersten Mal in seinem Leben in seiner kleinen Welt einem echten Schwulen zu begegnen. Manchmal drohen die Figuren zu klischeehaft zu werden, bergen dann aber gerade noch rechtzeitig eine Überraschung.

Man erkennt zwar sehr schnell das immer wiederkehrende Schema der Serie, aber der Spaß flaut nicht so schnell ab – und die Geschichten dürften auch noch sehr lange nicht ausgehen. Nach dem Ende der ersten Folge umfasst die Liste noch 258 zu bereinigende Vergehen.


Fotos: RTL

Leider versteckt RTL die Serie mutlos im Nachtprogramm um 23.30 Uhr im Sommer und kündigt vorsichtig nur 11 Folgen an, was nicht einmal der Hälfte der ersten Staffel entspricht. In den USA beginnt im September schon die vierte Staffel. 69 Episoden gibt es bisher – bei RTL2 würde das für eine werktägliche Ausstrahlung mit mindestens Doppelfolgen reichen. Der späte Sendeplatz ist umso enttäuschender, wenn man bedenkt, dass vorher noch Wiederholungen der 90er-Show von vor vier Jahren und von Mario Barth präsentiert die besten Comedians Deutschlands vom vergangenen Sommer laufen. Denn die Serie hat durchaus das Potenzial, auch deutsche Zuschauer zu befriedigen: Sie ist nicht das klassische amerikanische Sitcom-Format mit einer räumlich begrenzten Handlung, die auf einer Bühne vor Publikum gespielt wird, das man hierzulande traditionell ins Samstagnachmittagprogramm oder in die Nacht verbannt, und hat auch kaum popkulturelle Bezüge, die man nur versteht, wenn man sich mit amerikanischen Medien oder dem dortigen Leben als solchem auskennt.

Die Serie ist wie ein Film gedreht, ist eine amüsante und charmante Kleinganovenkomödie und könnte einen schlüssigen Block mit der abgesetzten Eigenproduktion Herzog bilden. Leider ist eher zu erwarten, dass beide Serien sich im Archiv wiedersehen als auf benachbarten Sendeplätzen.

Aber warum so pessimistisch? Vielleicht hat RTL ja heimlich eine Liste mit 259 Programmsünden der letzten Jahre erstellt und beginnt heute mit der Wiedergutmachung. Es wäre ein gelungener Anfang.

My Name Is Earl, freitags um 23.30 bei RTL.

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Michael, 18. Juli 2008, 06:51.

Güllcan: Simpel live

Ich bin jetzt schon gespannt, wie vehement der Widerspruch in den Kommentaren sein wird, wenn ich behaupte, Gülcan Kamps sei nicht halb so nervig wie Paris Hilton.


Bild: ProSieben/Oliver S.

Der Vergleich zwischen Gülcan und Paris hinkt an vielen Stellen. Die offensichtlich durch The Simple Life mit Paris Hilton und Nicole Richie „inspirierte“ ProSieben-Reihe Gülcan und Collien ziehen aufs Land funktioniert schon im Ansatz nicht: Der Reiz, zwei verwöhnte Millionärstöchter, die ihr Leben lang keinen Finger rühren mussten, mitten im Mist zu sehen, ist nicht gegeben, wenn man bedenkt, dass Gülcan und Collien durchaus Finger rühren mussten. Beide sind Einwanderertöchter, Gülcans Vater ernährte die Familie mit seinem Einkommen als Taxifahrer in Travemünde. In Saus und Braus ist Gülcan Kamps, geborene Karahanci, mit Sicherheit nicht aufgewachsen, und den Reichtum, in dem sie seit einigen Jahren lebt, hat sie sich, so lustig es klingt, selbst erarbeitet. Ferner ist Gülcan, wie schon an anderer Stelle zu lesen war, die Älteren werden sich erinnern, nicht halb so nervig wie Paris Hilton, und abgesehen davon ist dies natürlich nicht die erste Fernsehsendung mit Gülcan oder Collien, in der viel Mist zu sehen ist.

In der Umsetzung funktioniert es dann trotzdem, weil die Sendung ausschließlich mit dem Holzhammer produziert wurde: Gülcan und Collien spielen die verwöhnten Dummchen, sagen Sätze wie „Ich will jemanden, der meinen Koffer trägt, so wie immer“, fürchten sich vor Spinnen, wissen nicht, wie man ein Ei aufschlägt und tragen auch im Stall tief ausgeschnittene Tops, was wahrscheinlich ebenso eine Anweisung des Senders war wie die an die Bauernfamilie Estermann, geschlossen in Tracht aufzutreten und dazu so tiefes Bayerisch zu sprechen, dass Untertitel nötig sind. Off-Sprecher und Schnitte amüsieren sich derweil über die Schnitten.

Leider funktioniert es maximal 20 Minuten, dann hat man im Grunde alles gesehen, was kommen kann. Da ist die Sendung aber noch nicht einmal halb zu Ende, und wenn sie es endlich ist, wird schmerzlich bewusst, dass dies erst die erste Folge einer ganzen Serie war. Stimmt, die Mädels müssen ja noch lernen, an welchem Ende man eine Mistgabel korrekt anpackt.

Natürlich ist es ein bisschen traurig, dass Gülcan und Collien für die Arbeit auf dem Bauernhof, die sie schlecht machen, vermutlich wesentlich großzügiger entlohnt werden, als die Bauern, die dieselbe Arbeit gut machen. Dabei darf man natürlich nicht vergessen, dass der eigentliche Beruf der beiden ja nicht die Landwirtschaft ist. Ihr eigentlicher Beruf, für den sie entlohnt werden, ist es, im Fernsehen reiche Tussis zu spielen. Und diesen Job machen sie vorbildlich und unterhalten damit Millionen.

Die Bauern ernähren uns ja nur.

Michael, 25. Juni 2008, 00:19.

Äußerst liebes Tagebuch

Man würde sich wünschen, dass mal wieder eine Serie daherkommt, die auf den Ich-Erzähler aus dem Off verzichtet. Bei Ally McBeal und Sex And The City war das vor zehn Jahren originell, bei Malcolm mittendrin und Scrubs auch noch, aber dann wurde es allmählich langweilig und man fragte sich, ob diese Produzenten einfach nicht mehr in der Lage sind, eine Handlung so zu verfilmen, dass keine Erklärung mehr notwendig ist.

Nun ist eine Serie, die das Wort „Tagebuch“ im Titel trägt, vielleicht nicht gerade die richtige, um einen Verzicht auf die Off-Stimme zu erwarten. Genau genommen steht da natürlich nicht „Tagebuch“, sondern „Diary“, und warum das so ist, ist unklar. Es glaubt doch nicht ernsthaft jemand, dass die deutsche Serie zurück zum Erfolg geführt werden kann, indem man sie mit englischen Titeln tarnt, oder?


Foto: RTL

Doctor’s Diary ist bestimmt nicht die deutsche Serie, die den Erfolg zurückbringt. Dafür ist sie viel zu gut. Türkisch für Anfänger, wie Doctor’s Diary von Bora Dagtekin geschrieben, ist auch gut und hat leider auch nur wenige Fans.

Das Stilmittel der Ich-Erzählerin mag etwas überstrapaziert sein, stört aber eigentlich nicht, und der ganze Rest ist frisch und originell. Man fragt sich zwar schon aus reiner Gehässigkeit und Gewohnheit die ganze Zeit, wo die Serie zusammengeklaut wurde, und natürlich erinnern einzelne Elemente an andere Serien, doch es sticht nichts Dreistes ins Auge – und schon gar nicht Grey’s Anatomy, trotz der Ausgangskonstellation: Junge Ärztin Gretchen Haase kommt neu an eine Klinik und schwärmt für ihren Vorgesetzten. Doctor’s Diary ist wesentlich origineller und witziger als Grey’s Anatomy, und die Gags sind kurz und subtil, und dann geht es auch gleich weiter, ohne lange darauf herumzureiten.

Telefongespräch an Gretchens erstem Tag.

Dr. Fuchs: „Radiologie, Fuchs.“
Gretchen: „Ja, Dr. Fuchs, Dr. Haase hier.“
Dr. Fuchs: „Sehr witzig.“ (Legt auf.)

Der leichte, lockere, lustige, positive Grundton der Serie passt überhaupt nicht zu RTL, und wenn auch diese Serie floppt, liegt’s vielleicht immer noch daran, dass niemand mit einer solchen Serie rechnet. Umso mehr sollten die deutschen Sender ermutigt sein, in genau diesem Stil weiterzumachen. Irgendwann spricht es sich rum.

Die angenehmste Überraschung in der Serie ist Ursela Monn, die in den 80er-Jahren vor allem in ZDF-Serien zu sehen war. Sie ist als Gretchens betüdelnde, stets besorgte, spießige Mutter die realistischste Figur in der Serie und spielt die Rolle beängstigend überzeugend: Das Kindchen soll ja bloß nicht Karriere machen, sich lieber einen Mann suchen, und vor allem: Iss erst mal was, du bist ja ganz dünn. Während Gretchen, fast 30, Hobby: Schokolade essen, alle paar Minuten Bemerkungen über ihr Übergewicht macht und ihr ein Kleid nach dem anderen platzt, sagt Mutti:

Wir waren alle mal barock. Das verwächst sich.
 


Foto: RTL

Die Angst vor dem Flop ist bei RTL vermutlich wie üblich groß, sonst würde diese schöne Serie nicht im zuschauerarmen Sommer versendet. Da zum Start heute gleich zwei Folgen hintereinander laufen, dürfte aber gewährleistet sein, dass von Doctor’s Diary zumindest mehr Folgen laufen als von der letzten schönen RTL-Serie Die Anwälte.

Doctor’s Diary, montags um 20.15 Uhr bei RTL.

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Michael, 23. Juni 2008, 06:29.

Fahles Mondlicht


Bild: ProSieben
Keine Ahnung, was da bei dieser Leiche so absteht. Wahrscheinlich ist Pinocchio beim Lügen gestorben.

Man würde sich wirklich wünschen, dass mal wieder eine Serie daherkommt, die auf den Ich-Erzähler aus dem Off verzichtet. Doch auch die Vampirserie Moonlight tut es nicht. Anderseits blieben uns dann schöne Erklärungen wie diese vorenthalten:

Mein bester Freund Joseph. Einer der ältesten Vampire in L.A.. Er wird 400, benimmt sich aber wie 30. Er ist das lebende, na ja, untote Beispiel dafür, dass Paranoia niemals aus der Mode kommt.

Das ist ganz nett, aber besser als das wird es nicht mehr. Wir lernen noch, dass Null-positives Blut einen besseren Nachgeschmack hat als A-positives, fragen uns aber, wie weit die Autoren der Serie gegangen sind, um die Behauptung zu recherchieren.

Der Titelheld ist natürlich kein böser, sondern ein guter Vampir, der auf der Seite der Menschen steht und niemals einem Normalsterblichen Blut absaugen würde. Er klärt aufregende Kriminalfälle auf, verliebt sich in ein Menschenweibchen und nervt mit der künstlich cool-arroganten Intonation seiner Off-Erzählung.

In den USA ist die Serie schon wieder abgesetzt worden, und damit ist sie wie geschaffen für den Mystery-Montag auf ProSieben. Wer aber lieber lebensbejahende Kurzweile mag, sollte stattdessen zur gleichen Zeit Doctor’s Diary bei RTL schauen.

Moonlight, montags um 20.15 Uhr auf ProSieben.

Michael, 23. Juni 2008, 06:28.

König Heinrich gegen König Fußball

ProSieben zeigt ab heute das Kostümdrama Die Tudors – Mätresse des Königs. Leider war das Budget des amerikanischen Pay-TV-Senders Showtime offenbar zu knapp bemessen, um die Serie durchgehend mit den aufwändigen Kostümen aus dem 16. Jahrhundert auszustatten, weshalb einige Darsteller bedauerlicherweise in etlichen Szenen unbekleidet agieren müssen.


Foto: ProSieben

Es geht um das Leben des jungen Königs Heinrich Tudor, genannt Henry VIII., der kriegslüstern ist, aber noch mehr lüstern, und zwischen den Sachen, die man heute noch macht, machen die Menschen solche Sechzehntesjahrhundertsachen wie Reiten, Morden, Duellieren, Intrigieren und gestelzt Parlieren. Im ersten Teil lässt sich jedoch eine schöne Weisheit erlernen:

Kardinal: „Ich hoffe doch, Ihr behaltet meine Belange immer gut im Auge.“
Pace: „Gewiss, Eminenz. Wie ein Adler.“
Kardinal: „Ich will keinen Adler, Mr. Pace. Die fliegen viel zu hoch. Eine Taube müsst Ihr sein. Die scheißt auf alles.“
Pace: „Sehr wohl, Eminenz.“

Ich bin dann mal eine Taube und beende den Text vorzeitig. Und zwar mit einem SPOILER: Heinrich VIII. ist heute nicht mehr Amt.

Die Tudors – Mätresse des Königs; samstags ab 20.15 Uhr auf ProSieben (ProSieben verteilt die zehn Folgen der ersten Staffel auf vier volle Samstagabende, damit man in Ruhe im anderen Programm Fußball gucken kann).

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Michael, 7. Juni 2008, 06:20.

Spannungsstufe Falb

Allmählich scheinen dem deutschen Fernsehen die US-Serien auszugehen. Deshalb gräbt Sat.1 jetzt als Deutschlandpremiere einen Terrorthriller aus, der schon vor fünf Jahren gefloppt ist.

Threat Matrix – Alarmstufe Rot ist wieder so eine extrem amerikanische Serie im Stil von The Unit – Eine Frage der Ehre oder E-Ring – Military Minds und zum Teil auch in der Art, aber nicht in der Qualität von 24. Im Grunde geht es auch hier wieder darum, dass arabisch sprechende Terroristen die Welt (sprich: die USA) zerstören wollen und eine Gruppe mutiger Spezialkräfte die Welt (sprich: Amerika) retten muss. Doch so spezial diese Kräfte auch sein mögen, sie werden immer wieder davon überrascht, dass die Vereinigten Staaten nicht von einer Horde planloser Dreijähriger angegriffen werden, sondern von ausgebildeten Terrorkämpfern. Zumindest fallen Sätze wie „Wir haben es mit Profis zu tun“ in den ersten beiden Folgen auffallend häufig. Auch sonst ist die Serie sehr klischeehaft, wird aber in den letzten Minuten doch sehr spannend, wie es immer sehr spannend wird, wenn eine Bombe in letzter Sekunde entschärft oder ein Terrorist im letzten Augenblick überwältigt werden muss. Da ist es fast schon verschossen, dass diese Szenen immer nur wenige Minuten dauern. Daraus hätte man mehr machen können, und dann wäre die Serie vielleicht nicht schon nach 14 Folgen abgesetzt worden.


Foto: Sat.1

Ein nachträglicher Vorteil für die Serie von 2003 mag sein, dass nach all den Jahren die beiden Hauptdarsteller bei uns einigermaßen bekannt sind. James Denton kennen wir, oder zumindest Frauen, als Mike Delfino in Desperate Housewives, und Kelly Rutherford kennen wir, oder zumindest unerschütterliche Sat.1-Zuschauer, als Sonny Liston aus E-Ring – Military Minds. Beide Serien entstanden nach dem Threat-Matrix-Flop, wurden in Deutschland aber vorher gezeigt.

Threat Matrix – Alarmstufe Rot, donnerstags um 22.15 Uhr in Sat.1.

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Michael, 22. Mai 2008, 07:39.

Westgeld

Wer den neuen Bezahlsender Fox über ArenaSat oder sonstwie empfängt, kann endlich in Deutschland und deutscher Sprache die fantastische US-Politserie The West Wing sehen, die bisher keiner zeigen wollte, weil sie inhaltlich zu amerikanisch sei. Sie wissen schon, dieselben keinen, die 24, The Unit – Eine Frage der Ehre, E-Ring – Military Minds oder Threat Matrix – Alarmstufe Rot für völlig unamerikanisch hielten und nach Deutschland importierten.

Der Unterschied zu all diesen Serien aus der Bush-Ära, die zwar teilweise gut und spannend sind, aber Amerikagegner in ihrem Bild von Bushland bestätigen, ist, dass The West Wing noch aus Clintonland stammt. Jawoll, so alt ist dieses Meisterwerk schon, und so lange liegt es schon hierzulande ungesendet rum, obwohl vor allem Vox diese Qualitätsserie so wunderbar gestanden hätte. Hier agieren ein demokratischer Präsident und sein Team besonnen und diplomatisch in nationalen und internationalen Affären, es geht um die Strategen, Redenschreiber und Berater des Präsidenten, die gemeinsam Politik machen, und wenn mal eine schwere Entscheidung ansteht, dann wird der Gewissenskonflikt illustriert und nicht gleich alles plattgemacht.

Die Serie ist intelligent, schnell, subtil, informativ und oft witzig und gilt zusammen mit den Sopranos als die prägende Serie, die das Genre des amerikanischen TV-Dramas Ende der 90er-Jahre zurück zum Hochglanz geführt hat. Wer nicht längst das Geld für die Originalton-DVDs ausgegeben hat, aber für Fox, sollte dringend mal reinschauen.

Serienstart war schon vorgestern, aber weil Fox sonst nicht viel zu senden hat, wird die Pilotfolge bis nächste Woche noch zehnmal wiederholt (alle Termine hier).

The West Wing, neue Folgen montags um 21.00 Uhr bei Fox (Pay-TV).

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Michael, 21. Mai 2008, 20:36.
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