Qual der Wahl

[Ironiealarm EIN.] Wenn ein Thema die Fernsehzuschauer so wahnsinnig interessiert wie die bevorstehende Bundestagswahl, können die Sender gar nicht genug dazu zeigen. Sat.1 hat das große Glück, gleich zwei kompetente Polittalker in einer Sendung vereinen zu können. [Ironiealarm AUS.]

Die ehemalige ARD-Schwarzseherin Sabine Christiansen und der ehemalige Spiegel-Chef Stefan Aust, der bereits weiß, wie man bei Sat.1 am Sonntagabend scheitert, präsentieren Ihre Wahl! Die Sat.1-Arena, und obwohl Christiansen gar nicht mehr beim Ersten arbeitet, sorgte ihr Ex-Arbeitgeber für das, was ein perfekter Audience-flow hätte sein können, denn so schlecht gelaunt, wie am Sonntagabend 90 Minuten lang alle im Tatort waren, wirkt sogar Christiansen wie eine Stimmungskanone.

Premierengast ist Wirtschaftsminister zu Guttenberg, und das war noch eine andere Premiere: Es kommt sonst nicht vor, dass der Politiker, der in einer Politshow zu Gast ist, die Popularität der Moderatoren übertrifft, denn im Gegensatz zu Christiansen und Aust ist Guttenberg noch gar nicht lange genug bekannt, um besonders häufig negativ aufgefallen zu sein.

Aber warten Sie, der eigentlich Höhepunkt kommt noch: „Und dann schalten wir noch zu Sebastian Krumbiegel, dem Sänger der Prinzen, der sich heute Abend zusammen mit Freunden die Sendung im Fernsehen ansieht.“ Potztausend, Herr Aust. Zu mir hat noch nie jemand geschaltet. Und ich hatte auch Freunde zu Besuch. Die gingen allerdings sechs Minuten nach Sendungsbeginn nach Hause. Sollte ich das per SMS mitteilen?

Am unteren Bildschirmrand werden polternde SMS-Texte von Zuschauern eingeblendet, die sich auf der Ebene von „Das glaubt doch kein Mensch!“ und „Die Roten machen immer nur Mist!“ an der Diskussion beteiligen. Das ist ein raffinierter Schachzug, denn im Vergleich dazu wirkt Sabine Christiansen viel kompetenter als damals im Ersten, als sie eigentlich nur dadurch auffiel, dass sie ihre Gesprächspartner immer dann unterbrach, wenn es gerade interessant zu werden drohte. Diese Gefahr besteht diesmal nicht.

Nach der ersten Werbepause sitzt auch noch Oskar Lafontaine da. Logisch, Gysi ist ja auch bei Anne Will. Das geht alles von zu Guttenbergs Redezeit ab, der bestimmt gern noch ein paar Mal „gerüttelt Maß“ sagen würde. Und auch Christiansens Redezeit wird begrenzt, indem zwischendurch Fragen von Zuschauern eingespielt werden, die sich selbst mit einer Webcam aufgenommen haben. Das filmische Niveau kennen Sat.1-Zuschauer ja aus dem Vorabendprogramm.

Und dann kommt noch die Bauunternehmerin Claudia Sturm, die nach der nächsten Werbepause von Sabine Christiansen so angekündigt und behandelt wird, als sei sie eine Passantin, die zufällig des Weges gekommen war. Und dann ist die Sendung auch schon vorbei. Halt! Herr zu Guttenberg will es sich noch herausnehmen, auf die letzte gestellte Frage, die noch offen im Raum stand und nach der Christiansen sich verabschieden wollte, zu antworten. Ha! Dieser Amateur! Stefan Aust winkt nach wenigen Halbsätzen lachend ab, und dann ist aber auch wirklich vorbei.

Immerhin hatte die Sendung im Mittelteil einen erkennbaren Informationsgehalt — in den Werbepausen. Aber was genau haben wir nun von dieser weiteren Wahlvorfeldsendung? Oh, für die Antwort haben wir leider keine Zeit mehr.

Michael, 23. August 2009, 23:35.

„Man hätte sie entlassen sollen“

Der Schriftsteller Martin Walser, um den es jetzt hier nicht gehen soll, wühlte in der vergangenen Woche Erinnerung an die schlimmen Sonntagabende nach dem Tatort auf, die man doch so erfolgreich verdrängt hatte. Ohne die Journalistin beim Namen zu nennen, eröffnete er seine Rede mit der Schilderung einer vier Jahre alten Ausgabe dieser Polittalkshow. Walser sollte auf Einladung des Instituts für Sozialwissenschaften der Berliner Humboldt-Universität zum Thema „Kritik oder Zustimmung: Was hilft mehr?“ sprechen, änderte es aber kurzerhand in „Kritik, Zustimmung oder Geistesgegenwart“.
Der Deutschlandfunk strahlte die Rede am Wochenende aus.

Ein einfaches Beispiel: Clinton im deutschen Fernsehen. Die interviewende Journalistin fragt alles Mögliche, kommt dann aber dazu, den ehemaligen Präsidenten der USA nach jener Praktikantin zu fragen. Das ist eigentlich eine skandalöse Frage. Nicht der Skandal, der da irgendwann einmal war, ist jetzt skandalös, sondern diesen Gast in Deutschland mit diesem Thema zu belästigen. Es dient keinem Informationsinteresse! Wir haben alles, was man darüber wissen kann, wochenlang breitgetreten in unseren Medien wahrgenommen. Aber die Journalistin kommt sich sicher mutig und groß vor, wenn sie den Gast mit diesem Thema plagt! Sie verhält sich kritisch! Extrem kritisch! Dadurch fühlt sie sich, wie sich noch nie gefühlt hat!

Clinton war nach dieser peinlichen Anmache zu. Wir können gar nicht mehr fragen, wie wäre Clinton, wenn man ihn nicht durch diese dumme Kritikroutine verstimmt hätte, wie wäre er, wenn er sich nur herzlich als Gast aufgenommen gefühlt hätte, wie wäre er da vielleicht aus sich herausgegangen? Vermuten darf man, dass wir viel mehr von ihm erfahren hätte, wenn er nicht verstimmt worden wäre! Wahrscheinlich ist der Journalistin hinter den Kulissen nachher gratuliert worden zu ihrer ebenso sinnlosen wie unangenehmen Frage. Ich finde, man hätte sie entlassen sollen.

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Michael, 18. Februar 2008, 21:51.

Neuer Pilot für die Stewardess

Sollten Talkshowmoderatorinnen, die auf dem Laufenden bleiben müssen, nicht ab und zu die Zeitung lesen? Und sollte man daraus nicht schließen können, dass Sabine Christiansen der laute Jubel, als sie endlich aufhörte, kaum entgangen sein kann? Und sollte sie selbst daraus nicht eine ganz andere Konsequenz ziehen als die, schon wieder eine neue Talkshow zu pilotieren?
Nur so ein paar Gedanken.

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Michael, 13. Juli 2007, 17:57.

Christiansen Will aufhören

Heute Abend wird Sabine Christiansen zum letzten Mal Sabine Christiansen moderieren. 

Wer hoffte, noch ein letztes Mal erleben zu können, wie sie sich in der Vorstellung ihrer Gäste verheddert, einen „lustigen“ Filmbeitrag anmoderiert, die Beine übereinander schlägt, über ihre Brille blickt, die Fragen auf ihren Kärtchen einstudiert, während ihre Gäste reden, um sie dann auswendig zu stellen, egal, ob sie gerade passen oder nicht, und egal, ob sie schon in anderem Zusammenhang beantwortet wurden oder nicht, ihre Gesprächspartner immer dann unterbricht, wenn es endlich interessant wird, und wir am Ende alle keinen Deut schlauer sein werden, wird teilweise enttäuscht. Statt der üblichen munteren Stammtischrunde mit Guido Westerwelle und Jürgen Falter hofiert Sabine Christiansen heute den Mann, der laut Moderationskärtchen wohl das Staatsoberhaupt sein muss, und der ist selbstverständlich der einzige Gast.

Es ist schade, dass Horst Köhler, der sich sonst gern ziert, Dinge zu unterschreiben, ausgerechnet den Gästevertrag für Sabine Christiansen doch unterschrieben hat. Der Mann hat Besseres verdient. Und weil wir Fernsehzuschauer das auch haben, erwartet uns ab Herbst Anne Will mit Anne Will, die seit der Will-Kür am 5. Februar als Christiansen-Nachfolgerin feststeht und heute im Anschluss an Sabine Christiansen ihre letzten Tagesthemen moderiert.

Sie werde die Hektik vermissen, die in der Aktuell-Redaktion aufkam, wenn sich die Nachrichtenlage kurzfristig veränderte, sagte Anne Will in einem Interview zum Tagesthemen-Abschied. Wieso? Hat sie etwa vor, ihre neue Talkshow auf die gleiche Weise wie ihre Vorgängerin anzugehen, deren Thema völlig unabhängig von der aktuellen Nachrichtenlage immer „Steht Deutschland am Abgrund?“ war? Immerhin wird Anne Will im Gegensatz zu Sabine Christiansen nicht mehr in der ARD-Abteilung „Unterhaltung“, sondern in der „Information“ angesiedelt sein.

Die ARD-Homepage freilich listet bereits Sabine Christiansen in der Navigation unter der Kategorie Information. Dort ist allerdings auch Nashorn, Zebra & Co. gelistet, was legitim ist, denn der Informationsgehalt beider Sendungen ist etwa gleich hoch.

Zum Abschied noch einmal eine Liste der 25 schönsten Themen aus Sabine Christiansen:

• „Adé Deutschland – Immer mehr Deutsche wandern aus“
(21. Juni 1998)
• „Schule, Uni, arbeitslos – Versagt unser Bildungssystem?“
(18. Juli 1999)
• „10 Jahre Wende – Frust ohne Ende?“
(26. September 1999)
• „Spitzentreffen – Wieviel Zukunft hat Deutschland?“
(29. Oktober 2000)
• „Steht der Osten auf der Kippe?“
(4. März 2001)
• „Wie krank ist Deutschland?“
(1. Juli 2001)
• „Polit-Gipfel: Wie kommt Deutschland aus der Krise?“
(25. November 2001)
• „Armes Deutschland – Bloß verwaltet, nicht gestaltet?“
(2. Dezember 2001)
• „Blauer Brief & rote Zahlen! Deutschland unter Druck“
(3. Februar 2002)
• „Korruption und Stillstand – wie kaputt ist Deutschland?“
(10. März 2002)
• „Wohin rollt der Ball – Deutschland AG vor dem Abstieg?“
(7. April 2002)
• „Wirtschaftsflaute, Streik – Bleibt Deutschland Schlusslicht?“
(5. Mai 2002)
• „Deutschland in Not: Krisen und keine Konzepte?“
(10. November 2002)
• „Neues Jahr, neue Chance: Kommt Deutschland endlich aus der Krise?“
(12. Januar 2003)
• „Ausbildungsmisere – Wer bietet jungen Menschen noch eine Chance?“
(27. Juli 2003)
• „Gewerkschaften, Beamte, Politiker – wer blockiert das Land?“
(31. August 2003)
• „Land ohne Kinder – Land ohne Zukunft?“
(7. September 2003)
• „Macht dieses Steuersystem Deutschland kaputt?“
(12. Oktober 2003)
• „Deutschland bankrott – Euro in Gefahr?“
(30. November 2003)
• „Europa bewegt sich – wer bewegt Deutschland?“
(2. Mai 2004)
• „Deutschlands Jugend – viele Chancen, wenig Perspektiven?“
(10. Oktober 2004)
• „Für ein paar Kröten arbeiten – Jobs nur noch zu Dumpingpreisen?“
(17. April 2005)
• „Koalition der leeren Kassen – Wer zahlt die Zeche?“
(23. Oktober 2005)
• „Steuer-Staat Deutschland: Fass ohne Boden“
(24. September 2006)
„Abstrampeln für Nichts – Lohnt sich Leistung noch?“
(29. Oktober 2006)

Michael, 24. Juni 2007, 06:57.

A.D.

Sabine Christiansen stellte Margarethe Schreinemakers gerade als „Fernsehmoderatorin“ vor. Das ist wahrscheinlich so eine Art Ehrentitel, den man wie „Bundespräsident“ ein Leben lang behält.

Michael, 25. Februar 2007, 21:53.


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