Trompeten und Monster
Ein Atompilz steigt auf. Die Stadt ist von der Außenwelt abgeschnitten. Was ist passiert? Ein Unfall? Krieg? Außerirdische? Ein Anschlag? Es ist bemerkenswert, wie Pro Sieben das Spiel mit der Ungewissheit, das die neue Serie Jericho anfangs treibt, schon in der Titelzeile brutal zerstört, indem der Sender dem Originaltitel den deutschen Zusatz „Der Anschlag“ verpasst. Riesenidee, oder?
Jedes Jahr werden in den USA düstere, verworrene Serien wegen Erfolglosigkeit vorzeitig abgesetzt. Das sind die Serien, mit denen Pro Sieben wenig später seinen Mystery-Montag bestückt und das für ein Prestigeobjekt hält, seit in den 90er-Jahren mit Akte X mal eine Mysteryserie erfolgreich war.
Wer wissen will, welche Serien in einigen Monaten im Nachtprogramm von Pro Sieben oder bei Kabel 1 zu sehen sein werden, der muss sich nur das heutige Primetime-Programm anschauen. Dass Jericho für die Dauer der gesamten Staffel seinen Sendeplatz behalten wird, ist unwahrscheinlich. Das lässt sich so zuverlässig vorhersagen wie Regen. Die Regenwahrscheinlichkeit berechnet sich auch ausschließlich aus Erfahrungswerten in ähnlichen Situationen. Pro Sieben hat sich in den letzten zwei Jahren mit Las Vegas, Invasion, Numb3rs, Verrückt nach Clara, 5ive Days To Midnight usw. einen Namen als der Sender gemacht, der von den meisten Serien nur noch die ersten paar Folgen zeigt. Manche kommen auf einem ungünstigeren Sendeplatz zurück, andere gar nicht. Aber das steckt ja schon im Sendernamen, der erfüllt werden will. ZDF steht für „Zweites Deutsches Fernsehen“, RTL für „Radio Télé Luxembourg“ und Pro Sieben steht eben für „Pro Erfolg sieben Flops“.
Doch fangen wir vorn an. Der neue Mystery-Montag beginnt mit Primeval — Rückkehr der Urzeitmonster. Immerhin ist hier die Wahrscheinlichkeit des hartnäckigen Durchsendens auf dem 20.15-Uhr-Sendeplatz deutlich größer, denn es handelt sich um eine englische Serie, und deshalb ist die erste Staffel nur sechs Folgen lang.
Furchteinflößende Riesenmonster von vor Millionen von Jahren haben durch ein Magnetfeld ein Tor zur Gegenwart gefunden und halten nun die Menschheit in Schach. Es gibt noch die Suche nach der Erklärung für das Phänomen und die Geschichte einer verschwundenen Ehefrau, die der Wissenschaftlerdarsteller in der Hauptrolle aufspüren will, doch vordergründig geht es in der lauten Actionserie um nichts anderes als zu zeigen, wie geil echt die Viecher aussehen, die die Trickabteilung am Rechner gebastelt hat, und mit welch tollen Spezialeffekten die alles platt machen. Wer „Jurassic Park“ oder „Godzilla“ mochte, wird an Primeval Gefallen finden.
Und wer nach dieser aufwühlenden Stunde ein wenig runterkommen muss, kann gleich dranbleiben. Jericho — Der Anschlag zieht so sehr runter wie keine andere Fernsehsendung seit der Live-Übertragung der Terroranschläge vom 11. September 2001. Die Serie ist düster und deprimierend, apokalyptisch ohne jeglichen Hoffnungsschimmer und verschwendet keine Zeit damit, mal ein paar der vielen Rätsel wirklich aufzuklären. Und schließlich, ohne Inhaltliches vorwegzunehmen, wird sie auch offen mit einem Cliffhanger enden, der nie aufgelöst wird, und damit auch nicht das große Gesamträtsel, das hinter der Serie steckt, weil sie vor wenigen Wochen vom US-Sender CBS abgesetzt wurde. Nach 22 Folgen. So lange muss es Pro Sieben erst mal schaffen.
Primeval — Rückkehr der Urzeitmonster, montags um 20.15 Uhr auf Pro Sieben.
Jericho — Der Anschlag, montags um 21.15 Uhr auf Pro Sieben.