Effe verliert Heimspiel gegen sich selbst

Als Superreicher hat man’s auch nicht leicht. Was, zum Beispiel, hat der Münchner Wohnungsmarkt schon zu bieten in der Preisklasse „Geld spielt keine Rolle“? Dieses Penthouse in Harlaching zum Beispiel, 330 Quadratmeter, 4400 Euro Miete (kalt), sechs Balkone — aber eine Küche, die so klein ist, dass der Herr Effenberg sich den Kopf einziehen muss! Oder dieses Haus in Ismaning: 800 Quadratmeter, sieben Millionen Euro Kaufpreis, acht Schlafzimmer — aber keine Badewanne!


Foto: RTL

Stefan Effenberg, der früher ein berühmter Fußballspieler war und danach ein berühmter Fremdgeher und Seinem-Freund-die-Frau-Wegnehmer, sucht ein standesgemäßes Heim in München für sich und seine Frau Claudia, geschiedene Strunz, und ihre Kinder aus früheren Ehen. Er hat nämlich gemerkt, wie er dem Kamerateam von RTL sagt, „dass das doch wirklich meine Frau ist, mit der ich mein Leben verbringen möchte. Und das wird dann auch so ausgehen. Wenn ich das will.“ (Er fügt dann noch ein „Oder?“ an und lacht gequält, was wohl selbstironisch wirken soll.)

Wie sie so nach den enttäuschenden Wohnungsbesichtigungen im Nieselregen über den Mittleren Ring fahren, guckt Frau Effenberg aus dem Fenster, sieht die Wohnblöcke und kommt ins Philosophieren: „Manche wohnen in so’nem Hochhaus, und die fühlen sich auch pudelwohl. Die kennen das nicht anders.“ Sie fügt hinzu: „Ich könnt‘ nie an so ner Hauptstraße wohnen. Wenn schon Hochhaus, dann im Grünen.“

Es ist überhaupt toll, was Frau Effenberg den ganzen Tag redet. Wie sie sich produziert und sichtlich Mühe gibt, als ganz interessante Person zu wirken. Wie sie routiniert ihr Leibgericht zubereitet, also mit einer Gabel Löcher in die Fertig-Curry-Wurst-Verpackung stanzt, bevor sie sie in die Mikrowelle schiebt, und dabei erzählt, wie gern und gut sie kocht. Und vor allem der Stefan. Aber sie auch. Und der Stefan erst.

In sechs Teilen präsentiert RTL von heute an Effenbergs Heimspiel. Theoretisch handelt es sich um das furchtbare Genre, das uns schon am Scheinprivatleben von Menschen wie Sarah Connor teilhaben ließ, praktisch aber um Fernsehtrash der besten Art. Die Protagonisten sind so schrecklich, dass sie schon wieder toll sind. Nach ungefähr einer Viertelstunde ließ sogar mein Wunsch nach, Effenberg ununterbrochen zu schlagen, und ich konnte es genießen, ihm in seiner ganzen Unwahrscheinlichkeit und Unwirklichkeit zuzusehen. Das liegt auch daran, dass die Geschichte mit der gut gelaunten Ironie erzählt wird wie sonst das Perfekte Dinner auf Vox, sogar von demselben Sprecher: Daniel Werner. Autor Matthias Schmitt hat ihm schöne Kommentare geschrieben, die nichts mit der üblichen RTL-Exclusiv-Masche zu tun haben — und nachhelfen, wenn sich Herr und Frau Effenberg gerade allein nicht lächerlich genug machen. „Joa“, sagt der Sprecher, als sie das Stadtschloss betreten, dessen Preis so hoch sei, das man ihn im Fernsehen gar nicht nennen darf, „joa, wer Gold mag…“

Effenbergs Heimspiel, sonntags um 19.05 Uhr auf RTL.

(Ungekürzte Fassung eines Artikels für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung)

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Stefan, 12. Oktober 2008, 16:29.

Der Traum vom eigenen Restaurant (und der erfolgreichen Restaurant-Doku)

Viele Fernsehsendungen scheitern schon daran, dass sie sich nicht einmal Mühe geben. Die neue Vox-Sendung Mein Restaurant ist da ganz anders. Sie scheitert daran, dass sie sich viel zuviel Mühe gibt.

Es soll die teuerste Vox-Sendung aller Zeiten sein. Und selbst wenn man das nicht weiß, ahnt man in jeder Minute, wie wichtig es ist, dass die Sendung unbedingt, auf jeden Fall, aber garantiert ein Erfolg wird. Die Macher haben sich nicht darauf verlassen, dass die eigentlich nette Idee schon trägt, dass zwei oder drei Teams um die Wette ein Restaurant gründen müssen. Es müssen gleich fünf Teams sein, in fünf verschiedenen Städten. Die leerstehenden Ladenlokale, die sie dafür bekommen, müssen auch noch kunstvoll verwüstet sein, mit tonnenweise Bauschutt und Graffiti und Schimmel und allem drum und dran. Die Kandidatenpaare müssen auch noch zwischendurch künstlich getrennt werden und einer von beiden wichtige Entscheidungen über die Realisierung des gemeinsamen Lebenstraum alleine treffen, während der andere an einem albernen Kochkurs teilnimmt (selbst wenn er später gar nicht kochen wird in seinem Restaurant). Und sie müssen auch noch ihr Konzept der Jury, die ihnen unterschiedlich viel Geld für die Umsetzung gibt, in nicht mehr als sechzig Sekunden vorstellen, was sie vorher nicht wussten.


Fotos: Vox

Das gehört vermutlich alles dazu, um aus der Doku-Soap mit Wettbewerb eine „Event-Doku“ zu machen, aber es ist ziemlich unentspannt, nicht nur für die Protagonisten, sondern auch für die Zuschauer.

Und auch die Kandidaten sind danach ausgesucht worden, dass es ganz flippige, extrovertierte Menschen sind, was dazu führt, dass in der ersten halben Stunde sich die Paare eigentlich ununterbrochen in den Armen lagen und vor Glück quietschten oder mit einander knutschten: Weil sie dabei sein durften. Weil der Bote mit dem Schlüssel kam. Weil sie endlich vor ihrem zukünftigen Restaurant standen. Weil sie endlich in ihrem Restaurant standen. Später, als die Jury ihnen zusetzte und bei den meisten vor Anspannung oder Enttäuschung die Tränen flossen, lagen sie sich dann auch noch über Kreuz ewig in den Armen, um einander zu trösten. Es menschelte ganz schrecklich – ich bin zu misanthropisch für sowas.

So crazy wie die Paare sind auch ihre Ideen. Keiner will einfach ein tolles Restaurant gründen, in dem man schön sitzen, essen und trinken kann. Die einen träumen von einem Alice-im-Wunderland-Themenpark mit drei Bereichen und Riesen- und Miniportionen, die nächsten stellen den Alptraum eines Familienrestaurants vor, in das Eltern ihre Klein- und Kleinstkinder mitbringen können (was Juror Tim Mälzer zu Recht sehr abwegig fand), die anderen denken, wie toll das wäre, wenn das Personal nicht nur kochen, spülen und bedienen, sondern zwischendurch auch noch tanzen, singen und Kunststücke vollführen würde.

Sie scheinen teilweise ihre alten Jobs gekündigt zu haben, um an diesem Spiel teilzunehmen, an dessen Ende, nach vielen Wochen Stress und dem Votum der Jury und der Zuschauer, nur ein Paar wirklich sein Restaurant behalten darf. Deshalb sind sie fast so unentspannt wie der Sender Vox, der ein Riesenproblem hat, wenn sich diese Investition und das Freiräumen von zwei Prime-Time-Sendeplätze pro Woche nicht lohnt.

Es ist ja schön, dass sich ein Sender etwas traut und ambitioniert ist, und missraten ist die Show sicherlich nicht. Aber mir ist das alles zu anstrengend. Und angesichts der durchwachsenen Quoten der ersten Sendung fürchte ich: anderen auch.

Mein Restaurant, dienstags und freitags, 20.15 Uhr, Vox.

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Stefan, 11. Oktober 2008, 22:56.

Tägliche Show endlich wöchentlich!


Plakat an der Fassade von Jon Stewarts Studio in New York

Hier. Oder hier. Oder zur Oscar-Verleihung.  Oder danach. Was ich damit sagen will: Über Jon Stewart wurde wirklich schon oft geschrieben, dessen amerikanische Daily Show with Jon Stewart online auf www.thedailyshow.com oder jedes Wochenende als „Global Edition“ auch hierzulande mehrfach bei CNN zu sehen ist. Die einzige Ausrede, sich das nicht anzuschauen, mag bisher die Sprachbarriere gewesen sein. Damit ist jetzt Schluss.

Endlich hat Comedy Central auch ein deutsches Nachrichtenquartier. Ab heute zeigt der gleichnamige deutsche Sender jeden Dienstag die Daily Show with Jon Stewart – Global Edition mit deutschen Untertiteln, einen Best-of-Zusammenschnitt der vier Ausgaben, die in der Vorwoche in den USA gezeigt wurden. Und zwar im Fernsehen!

The Daily Show with Jon Stewart (Global Edition) – dienstags um 23.30 Uhr bei Comedy Central.

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Michael, 22. Juli 2008, 06:46.

Verona, der Lanz ist da!

Wär es nicht billiger gewesen, die alten Kerner-Folgen noch einmal zu wiederholen, statt sie in neuem Studio mit schlechterem Moderator noch einmal nachdrehen zu lassen?


Foto: ZDF

Heute kommt Horst Lichter zu Markus Lanz, dem neuen Sommer-Ersatz-Johannes-B.-Kerner des ZDF. Das ist schön, Lichter war bestimmt schon seit einer halben Stunde nicht mehr im ZDF zu sehen, und seit seinem letzten Besuch bei Kerner sind auch schon fünf Wochen vergangen (die Kochshows nicht mitgerechnet). Aber er kommt, so hat es der neue ZDF-Moderator (und Lichter-Biograph) Markus Lanz angekündigt, erstmals mit seiner Mutter. Vermutlich wird er nächste Woche erstmals mit seinem Schwippschwager kommen, übernächste Woche erstmals mit der Putzfrau seines Nachbarn und die Woche darauf wird als große Premierenfeier angelegt: Erstmals seit vier Wochen wird Horst Lichter allein, ohne Nachbarn, Verwandte und Nachbarn der Verwandten als Gast in einer ZDF-Talkshow auftreten. Das wird ein Fest.


Foto: ZDF

Erster Gast gestern, in der Premierensendung von Markus Lanz, war Verona Pooth. Vor drei Monaten erst war sie bei Kerner, und ihr Auftritt damals war angekündigt als „das erste ausführliche Interview seit der finanziellen Krise ihres Mannes!“ Der Auftritt gestern war wahlweise das erste ausführliche Interview seit dem ersten ausführlichen Interview ihres Mannes seit dessen finanzieller Krise oder das erste ausführliche Interview seit dem Auftauchen des Urlaubsfotos von den beiden, das, wenn man Markus Lanz‘ Ansage glauben darf, die Republik erschüttert hat wie kaum ein Urlaubsfoto vor ihm.

Die Insolvenz von Pooths Firma Maxfield wurde von Lanz wie eine Staatskrise behandelt. Und immer wieder fragte er die ehemalige Frau Feldbusch, ob sie sich keine Sorgen mache, dass ihr Image darunter leide, und als sie sich zum hundertsten Mal um eine Antwort gedrückt hatte, erlöste er sie (und uns) und enthüllte eine Exklusiv-Umfrage, wonach die meisten Deutschen meinen, dass die Insolvenz von Herrn Pooths Firma keine Auswirkungen auf das Image von Frau Pooth habe.

Eine geschlagene halbe Stunde widmete Markus Lanz in Markus Lanz dem Thema, um am Ende festzuhalten: „Wir haben gelernt, Menschen leisten sich eine eigene Meinung.“ Immerhin räumte ein Schuldenberater mit den gröbsten Vorurteilen und abwegigsten Boulevardgeschichten über Insolvenzverfahren im allgemeinen und das der Firma Maxfield im Besonderen auf, aber aus irgendeinem Grund hatte er keinen Stuhl bekommen, sondern saß unglücklich im Rücken von Frau Pooth im Publikum, so dass sie sich verrenkte, um ihn zu sehen, und er, um den Moderator zu sehen. (Und da beklagen sich die Leute über Betroffenensofas?)

Während Verona Pooth davon redete, wie sehr sie ihre Karriere auch den Medien verdankt, konnte man darüber nachdenken, wie bemerkenswert es ist, dass es seit vielen Jahren schon kein Privatsender mehr ist, der ihr die Plattform dafür gibt, sondern das öffentlich-rechtliche ZDF. Hierhin kommt sie, zum Reden, Lachen, PR-Machen und Heulen. Und seit diesem Jahr muss sie nicht einmal im Sommer eine Pause machen. Seit diesem Jahr verzichtet das ZDF auch zwischen Juni und September, wenn Johannes B. Kerners Talkshow pausiert, auf die Möglichkeit, unter der Woche abends gegen 23 Uhr mal etwas anderes zeigen zu können als endloses, morgen vergessenes Geplauder. Und was soll man sonst in die Entscheidung lesen, die neue Sendung des von RTL geholten langjährigen Boulevardmanns (Explosiv) mit Verona Feldbusch-Pooth zu beginnen, als ein programmatisches Statement?

Kerners Produktionsfirma „Die Fernsehmacher“ produziert auch Markus Lanz, und abgesehen davon, dass das natürlich finanziell ganz schön ist, profitiert der Allesmoderator auch insofern davon, dass man plötzlich seine Art zu moderieren schätzen lernt. Lanz war in den vergangenen Jahren ungefähr immer auf dem Bildschirm und hat dabei ungefähr nie mit Menschen gesprochen — und das merkt man. Tough wollte er wirken, kritisch, auch mal konfrontativ, vor allem im Gespräch mit einem Ehepaar, das eine Kindertagesstätte betreibt, in der schon Dreijährige Lesen, Schreiben, Fremdsprachen und Details über die Anatomie des menschlichen Körpers lernen. Sie waren mit ihrer Art der teuren Elitenfrühförderung eigentlich alles andere als sympathisch, aber Lanz‘ Versuche, sich von ihnen zu distanzieren, waren solch hilflosen, dümmlichen, uninformierten Reflexe, dass es schwer war, am Ende nicht auf der Seite der merkwürdigen Kindererzieher zu stehen. Lanz wies sie bedeutungsschwanger darauf hin, dass Menschen ja nicht unbedingt studieren müssen, sondern auch Maurer werden können („Harrison Ford war mal Zimmermann“), und als Verstärkung hatte er sich den Talkshow-Hopper unter den Psychologen, Michael Thiel, geholt, der die Diskussion über frühkindliche Förderung abschließend auf ein Niveau brachte, das ihm selbst Vera am Mittag so nicht hätte durchgehen lassen: „Es gilt das Motto: Weniger ist mehr!“

Auch ein Satz, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich ihn je hinschreiben würde: Kann man nicht wirklich besser alte Kerner-Sendungen wiederholen?

Stefan, 4. Juni 2008, 01:35.


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