Markus Lanz wird Nachfolger von Jörg Pilawa

Wenn es bisher darum ging, das Gegenteil von dem zu tun, was man vorher angekündigt hatte, war Jörg Pilawa immer eine sichere Bank im Deutschen Fernsehen. Jahrelang hatte er regelmäßig erklärt, fortan weniger Sendungen moderieren zu wollen, und vor allem weniger Quizshows. Anschließend war er in immer wieder neuen und zusätzlichen Sendungen zu sehen, vor allem Quizshows. Deshalb überrascht es, dass Jörg Pilawa nach all seinen Ankündigungen, nicht Wetten, dass…? zu übernehmen, nicht neuer Wetten, dass…?-Moderator wird. Offenbar hat er sich von seiner langjährigen Gewohnheit verabschiedet. Sein Nachfolger ist Markus Lanz, der noch im November im „medium magazin“ erklärte, er wolle nicht in die Fußstapfen von Thomas Gottschalk treten.

Natürlich kitzelt es die Eitelkeit, wenn man bei solch einem bedeutenden Format im Gespräch ist. Aber man muss doch eine gesunde, professionelle Distanz zu sich und seiner Arbeit haben, und ich habe in den letzten Jahren einen Weg eingeschlagen, der von der großen Showbühne eher wegführt.

Das ZDF hat gestern Abend zugegeben: Markus Lanz wird der neue Moderator von Wetten, dass…?.

 

Was bedeutet Lanz für die Sendung?

Wetten dass…? war nie einfach eine Samstagabendshow. Es war DIE Samstagabendshow. Eine Sendung mit Sonderstellung. Eine Sendung, vor der jahrelang sogar die Konkurrenz kuschte, weil man sich ohnehin als chancenlos betrachtete. Diese Sonderstellung hatte Wetten dass…? nicht immer. Zu Beginn, vor dreißig Jahren, war sie eine unter vielen erfolgreichen Unterhaltungsshows. Die anderen sind nur inzwischen alle ausgestorben.

Deshalb ist es auch nicht schlimm, dass Wetten dass…? diese Sonderstellung jetzt aufgibt. Denn Markus Lanz wird diesen Status kaum halten können.

Markus Lanz ist kein Thomas Gottschalk. Lanz kann zum Beispiel Interviews führen. Er weiß sogar, wie seine Gäste heißen. Nach rein formalen, professionellen Gesichtspunkten wird Markus Lanz die Sendung wesentlich besser moderieren als Gottschalk. Das heißt aber nicht, dass es unterhaltsamer wird. Denn andererseits ist Lanz auch irgendwie egal.

Denn Gottschalk war immer auch ein Clown. Das musste Lanz nie sein. So professionell er ist, so stromlinienförmig ist er auch. Weichgespült und glattgebügelt.

Hape Kerkeling hätte die Sonderstellung von Wetten dass…? wahren können, Günther Jauch auch. Aber wenn man sich nach deren Absagen erst einmal mit dem Gedanken abgefunden hatte, Jörg Pilawa könne die Sendung übernehmen, ist es auch kaum noch ein Unterschied, ob es jetzt stattdessen Beckmann, Kerner oder Lanz macht.

Die Bedeutung des Moderators wird überschätzt. Zum Erfolg gemacht hat die Sendung Frank Elstner. Und der war noch nie lustig, locker oder schlagfertig. Auch die nachträgliche Wahrnehmung, mit Wolfgang Lippert sei Wetten dass…? ein Flop gewesen, stimmt nicht. Lippert hatte mehr Zuschauer als Gottschalk in seinen letzten Jahren im Durchschnitt.

Daran und an den katastrophalen Quoten von Gottschalks aktueller Vorabendtalkshow zeigt sich: Die Menschen schalten nicht wegen Gottschalk ein, sondern vielleicht doch eher, weil sie einen riesigen Bagger sehen wollen, der ein filigranes Kunststück ausführt.

Die Sonderstellung wird verlorengehen. Aber selbst wenn die Show noch zwei oder drei Millionen Zuschauer verliert, was mittelfristig wahrscheinlich ist, macht das nichts. Ihr Vorsprung war so groß, dass Wetten dass…? gemessen am Programmumfeld sogar dann noch ein Erfolg wäre.

Nach all den öffentlichen Absagen weiß Markus Lanz, dass er nur die fünfte Wahl ist. Hoher Erwartungsdruck sieht anders aus. Da ist also viel Luft nach oben, um sich zu beweisen und die Zuschauer zu überraschen. Aus Sicht des ZDF ist es ebenfalls keine falsche Entscheidung, die Show fortzusetzen, egal mit wem. Denn es immer einfacher, eine bekanntes Format zu halten, selbst mit neuer Besetzung, als stattdessen ein neues Format zu etablieren. Fragen Sie nur mal Thomas Gottschalk.

(Ein großer Teil dieses Textes stammt aus einem Beitrag, den ich vor dreieinhalb Wochen für die Sendung SWR2 Journal verfasst habe, nachdem erste Meldungen erschienen waren, Markus Lanz werde Moderator von Wetten dass…?.)

Michael, 12. März 2012, 10:56.

Frag doch mal den Pilawa

Dass Jörg Pilawa, der für die ARD jedes Jahr rund 200 Sendungen moderiert und in den Sendungen, die er nicht moderiert, zu Gast ist, ankündigt, kürzertreten zu wollen, ist eine liebgewonnene Tradition, ähnlich wie Dinner For One oder Vollmond.

Schon im Januar 2004 deutete Pilawa im „Spiegel“ an:

Wenn man eine erfolgreiche tägliche Sendung hat, dann kann man nicht einfach plötzlich weniger machen. Allerdings habe ich im Herbst drei große Abend-Shows in einem Monat moderiert, das war eindeutig zu viel. Ich denke aber, dass man den Abend fünf bis sechsmal bedienen kann, allerdings übers Jahr verteilt. Sonst könnte es vielleicht wirklich so kommen, dass der Zuschauer sagt: ‚Das Gesicht von diesem Pilawa kann ich nun wirklich nicht mehr sehen‘.

Ende Mai 2005 berichtete die Deutsche Presseagentur:

Moderator Jörg Pilawa will der ARD auch über das Jahr 2007 die Treue halten, aber noch einmal etwas kürzertreten. Pilawa, der bereits die Moderation der Flirtshow „Herzblatt“ an Alexander Mazza abgab, denkt dabei über die Zukunft der Quizshow im ARD-Vorabendprogramm nach. Im Jahre 2006 werde die Sendung auf jeden Fall weiter Bestand haben. Denkbar wäre, daß Pilawa neben der Firma Grundy Light Entertainment weiter als Produzent für die Quizshow tätig bleibe und ein anderer Moderator das Format übernehme.

Nur wenige Tage später Anfang Juni 2005 sagte Pilawa der „Berliner Zeitung“:

Über Pfingsten haben meine Frau und ich über ein viertes Kind gesprochen. Das können wir uns beide gut vorstellen. Dann müsste aber einer von uns beruflich kürzer treten und länger daheim bleiben. Oder ich beginne erst nachmittags mit der Arbeit. (…) Bislang sind meine Entscheidungen aber immer für die Familie ausgefallen. Deshalb hatte ich auch die Moderation der Show „Herzblatt“ beendet, weil ich dafür immer einige Wochen im Jahr in München arbeiten musste. Ich werde auch ab diesem Herbst weniger machen und noch eine Sendung abgeben.

Dem Deutschen Depeschendienst sagte er im Juni 2007:

In mir breitet sich langsam so etwas wie Ermüdung aus. Aus diesem Grund mache ich bereits von Jahr zu Jahr weniger – auch 2007. Das sieht so aus, dass ich jährlich zwischen 15 und 20 Sendungen streiche. Es ist allerdings schwierig, sich von etwas zu trennen, denn alle meine Formate laufen erfolgreich.

Im gleichen Monat bemerkte der „Stern“ bereits:

Jedes Jahr erklärt Jörg Pi­lawa, in Zu­­kunft werde es weni­ger Pi­lawa im Fernsehen geben. Im vergangenen Jahr hat er 230 Sendungen mo­deriert, viel mehr als Stefan Raab, Günther Jauch oder Jo­­hannes B. Kerner. Er hat, was noch erschreckender klingt, mehr Sendungen mo­­deriert als Harald Schmidt, Reinhold Beckmann, Sabi­­ne Christi­ansen und May­­brit Illner zu­sammen. Für das lau­fende Jahr hat er den festen Vorsatz, etwa 10 bis 20 Sendungen weni­­ger zu machen: „Das heißt, ich bin dann irgendwann eindeu­tig unter 200 Sendungen, und das ist im Vergleich zu einst 270 oder 280 Sendungen im Jahr schon eine Stei­gerung der Lebensquali­tät.“ Hiermit meint Pi­lawa die Stei­gerung sei­ner ei­genen Lebensquali­tät, nicht die der Fernsehzu­schau­er.

Trotzdem ging die Kürzertrittsberichterstattung danach unverändert weiter.
Gegenüber der „Bild am Sonntag“ erklärte Pilawa Anfang Dezember 2007:

Für 2008 habe ich gerade die Planung bekommen: 200 Mal das tägliche Quiz und19 Shows zur Prime Time um 20.15 Uhr. (…) Das geht nicht. Das kann ich nicht alles machen. Ich weiß noch nicht, was ich streiche, aber ich werde im Januar ein paar Sachen abgeben. (…) Weil das einfach zu viel ist. Ich musste es zwar lange lernen, aber ich habe inzwischen gelernt, auch Nein zu sagen.

Im Januar 2008 meldete die Thüringische Landeszeitung:

TV-Moderator Jörg Pilawa hält ein Ende seiner ARD-Vorabend-Quizshow im Frühjahr 2009 für möglich. Dann habe ich 1500 Folgen moderiert. Anlass, um über ein Ende nachzudenken, sagte der 42-Jährige. (…) Pilawa will auch weniger Hauptabendshows moderieren als 2007, als er 19 Mal nach 20.15 Uhr auftrat. 2008 werden es 13 Prime Time Shows sein.

Und im Februar 2008 erinnerte die Deutsche Presseagentur:

Einzig Jörg Pilawa hatte gegen 18.50 Uhr in einem kurzen Experiment Ende 2006 mit einer Doppelausgabe seines Quiz der ARD am Vorabend neue Zuschauer zugeführt. Pilawa aber will nicht doppelt senden – er will eher kürzer treten.

„Die Welt“ zitierte Jörg Pilawa im September 2008 so:

Fest steht, dass meine Ankündigung steht, kürzer zu treten. Fest steht aber auch, dass ich die 1500. Ausgabe der Quizshow im April moderieren werde. Alles andere ist noch offen.

Und an diesem Wochenende durfte das „Hamburger Abendblatt“ Pilawas Kürzertrittsgesuch veröffentlichen:

Nachdem ich in diesem Jahr deutlich gespürt habe, dass ich körperlich an meine Grenzen gekommen bin, würde ich gern, wenn meine Nachfolge geklärt ist, 2009 mit der täglichen Quizshow aufhören. Ich muss für mich einfach mal einen Schlussstrich ziehen.

Da freuen wir uns jetzt aber alle ganz doll für das Abendblatt.

Allmählich sollte Jörg Pilawa wirklich mit dem Kürzertreten anfangen. Sonst hat er bald keine Zeit mehr, all die Interviews zu geben, in denen er ankündigt, kürzerzutreten.

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Michael, 21. Dezember 2008, 15:36.

Das große Geschichtsklittern mit Jörg Pilawa

Jörg Pilawa hat dem Online-Medienmagazin DWDL ein langes, zorniges Interview gegeben, dessen Aussagen sich ungefähr in einem Satz zusammenfassen lassen: Alle außer mir machen nur Kacke.

Meine Lieblingsstelle ist diese:

Aber auch die Talksendungen haben sich verändert. Ich habe vor kurzem ins Archiv geguckt: Was waren unsere ersten Themen beim Daily Talk? Eine meiner ersten Sendungen war ein Interview mit einer zu lebenslanger Haft verurteilten Frau. Das war ein ruhiges, reflektiertes Gespräch. Liefe das heute in der ARD, würde sich niemand an den Kopf greifen und „Oh Gott, Daily Talk!“ aufjaulen. Wenn ich heute in eine tägliche Talkshow schaue, sehe ich ins Zahnlose. Da sitzen nur noch die „Schlampen“ und „Sozialschmarotzer“. Solche Sendungen haben wir früher nicht gemacht! Da hätten uns die Landesmedienanstalten sofort verboten! Wir waren deutlich harmloser.

Das ist ja interessant.

Pilawas erste Sat.1-Talkshow am 19. Januar 1998 hatte das Thema „Mein Kind ist fett — ich schäme mich so“.

Weitere Höhepunkte seiner Sendung, die morgens um 11 Uhr ausgestrahlt wurde, waren in den folgenden zwölf Monaten:
 

  • Frauen sind dümmer als Männer! — Ich kann’s beweisen (20.1.1998)
  • Unsere Welt — ich kann sie nur im Suff ertragen (5.2.1998)
  • Mami, warum gehst du auf den Strich? (13.2.1998)
  • Starr nicht auf meinen Busen — Ich hab auch ein Gesicht! (17.2.1998)
  • Liebling, was hast du gegen Pornos? Guck doch einfach mit! (25.2.1998)
  • Dicke in Dessous — das will ich sehen! (3.2.1998)
  • Mein Nachbar nervte, da hab‘ ich zugeschlagen (4.2.1998)
  • Schaut her! Ich zeig‘ mich gerne nackt (17.3.1998)
  • Keiner kann mich leiden, weil ich so häßlich bin (2.4.1998)
  • Schatz, kauf‘ dir endlich Strapse, dann hab‘ ich wieder Lust auf dich (16.4.1998)
  • Meine Tochter ist eine Hure, ich steh‘ zu ihr (7.5.1998)
  • Sex ist alles, was ich von dir will (12.5.1998)
  • Nur Groupie? Ich will ein Kind von einem Star! (15.5.1998)
  • Ich laß‘ nur dicke Frauen in mein Bett (8.6.1998)
  • Zeig‘ mir deinen Körper und ich sag‘ dir, ob ich dich will (18.6.1998)
  • Wenn du mit dem Fressen nicht bald aufhörst, verlasse ich dich (3.9.1998)
  • Dir sollte man die Kinder wegnehmen (9.9.1998)
  • Vergiß das Kleid – dafür bist du zu dick (23.9.1998)
  • Mein Busen ist mein ganzer Stolz (30.9.1998)
  • Für meine Karriere treib‘ ich ab (5.10.1998)
  • Ich schäme mich: Die Nacht mit dir ist mir peinlich (26.10.1998)
  • Schämst du dich nicht? Er ist doch viel zu alt für dich (11.12.1998)
  • Schatz, ich halte es nicht mehr aus: Ich will getrennte Betten (21.12.1998)
  • Du bist eine Schande für unsere Familie (4.1.1999)

Historisch (und psychologisch) bemerkenswert auch, dass Pilawa neben den „Schlampen“ ausgerechnet die „Sozialschmarotzer“ als Erkennungsmerkmal heutiger schlimmer Talkshows ausgemacht hat — im Gegensatz zu den harmlosen Zeiten damals. Bereits in der zweiten Sendewoche lautete das Thema seiner Show: „Laßt mich in Ruhe – Ich will nicht arbeiten“. Es folgten u.a.:
 

  • Sozialschmarotzer! Für euch zahl‘ ich nicht mehr (2.3.1998)
  • Wozu arbeiten? Ich werde lieber Mutter und kassier‘ das Kindergeld (4.6.1998)
  • Hausfrauen sind doch zu faul zum Arbeiten (16.6.1998)
  • Laßt mich in Ruhe — ich will nicht arbeiten (8.7.1998)
  • Du liegst mir auf der Tasche — such‘ dir endlich einen Job (22.10.1998)
  • Wer heutzutage noch arbeitet, ist zu dumm, Sozi zu kassieren (2.11.1998)

Übrigens war Anlass des Interviews mit Pilawa ein Geschichtsbuch, das er geschrieben hat. Gegen das von ihm produzierte Fernsehquiz zum Thema, beklagt er sich, hätte die ARD viele Einwände gehabt, denn Geschichte sei für viele „ja per se etwas Trockenes, Seriöses, das muss ja wissenschaftlich untermauert und fundiert und mit Quellen belegt sein“.

Dabei muss das gar nicht sein. Man kann sie sich schon nach zehn Jahren nach Belieben zurechtklittern.

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Stefan, 7. April 2008, 22:14.

Sternstunde

Im gleichen „Stern“, in dem sich Horst Seehofer für eine Karriere in der Erpressungsbranche empfiehlt, steht auch ein toller Text von Till Raether über Jörg Pilawa, der im vergangenen Jahr 230 Fernsehsendungen moderiert hat.

Ein Auszug:

Für das laufende Jahr hat er den Vorsatz, etwa 10 bis 20 Sendungen weniger zu machen: „Das heißt, ich bin dann irgendwann eindeutig unter 200 Sendungen, und das ist im Vergleich zu einst 270 oder 280 Sendungen im Jahr schon eine Steigerung der Lebensqualität.“ Hiermit meint Pilawa die Steigerung seiner eigenen Lebensqualität, nicht die der Fernsehzuschauer.

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Michael, 2. Juni 2007, 20:43.


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