Ist ja auch egal

Die ist eines der Phänomene der deutschen Fernsehlandschaft. Die könnten die Nachrichten in Latein verlesen mit zwei brennenden Kerzen, und die Sendung hätte immer noch gute Ratings.

Diesen Satz sagte vor mehr als zwanzig Jahren der damalige RTL-Chef Helmut Thoma über die Tagesschau mit einer Mischung aus Neid und Anerkennung. Inzwischen verfügt RTL selbst über eine Sendung, die derart zur Instanz geworden ist, dass sie offenbar geguckt wird, egal was passiert. Sie heißt Ich bin ein  Star – holt mich hier raus und ist in diesem so erfolgreich wie noch nie. Normalerweise leiden Shows dieses Genres nach zehn Jahren an deutlichen Abnutzungserscheinungen und haben den Sensationsstatus ihrer frühen Tage längst verloren, falls sie überhaupt noch auf Sendung sind. Das Dschungelcamp dagegen liegt vier Tage vor Schluss im Schnitt 390.000 Zuschauer über der bisher meistgesehenen Staffel aus dem Jahr 2011 mit Sarah „Dingens“ Knappik, Jay Khan und Dschungelkönig Peer Kusmagk. Zum ersten Mal hatte dieses Jahr (bisher) keine einzige Ausgabe weniger als sieben Millionen Zuschauer.

Liegt es daran, dass Ich bin ein Star… der Tagesschau immer ähnlicher wird? In beiden Sendungen passiert eigentlich gar nicht viel, und zurzeit geht es u.a. um eine Frau, die nichts tut, aber immer wiedergewählt wird.

Wohl kaum. Tatsächlich scheint sich aber eine gewisse Scheißegal-Haltung unter den Machern auszubreiten, denn die Quoten sind ja eh immer gut.

  • „Wollen wir diesmal vielleicht die Hälfte der Teilnehmer gleich zu Beginn aus einem Flugzeug springen lassen?“ – „Wie wirkt sich das auf den Spielablauf aus, und hat es Konsequenzen für diejenigen, die sich weigern?“ – „Öhm – ist doch egal!“
  • „Kommt, wir zeigen heute in den ersten zwanzig Minuten diese alten Szenen von vorgestern, die liefen noch nicht.“ – „Aber da ist Mola noch dabei, und der ist doch gestern rausgeflogen!“ – „Umpf – ist doch egal!“
  • „Komm wir sagen den Kandidatinnen heute mal, sie seien es alle nicht, werfen dann aber trotzdem eine von ihnen raus, weil wir die erste Aussage nachträglich auf was völlig anderes beziehen!“ – „Meinst du, das vermittelt sich auf die Schnelle? Vielleicht verwirrt das die Kandidaten und die Zuschauer zu sehr!“ – „Ach, ist doch egal!“


Foto: RTL

Der Nominierungsprozess um die Frage, wer zur Dschungelprüfung antritt, ist eher einige witzige Veranstaltung, da benötigt man keine Spannung und kann ruhig schon in der Vorschau zeigen, wen es treffen wird. Die Prüfungen an sich könnten aber durchaus enorme Spannung bieten, und tun es an manchen Tagen auch. Am Montagabend war das nicht der Fall, denn schon im Ausblick vor der Werbepause konnte man sehen, wie Prüfling Jochen aus dem Kakerlakensarg herauskriecht und alle sieben Sterne ordnungsgemäß an der Wand angeschraubt sind. Ist ja auch egal.

Die Schatzsuche, als Spielelement eigentlich ein schöner Bestandteil der Show, bedeutet nicht nur für die Kandidaten manchmal Mühe, sondern auch für das Produktionsteam bei der Vorbereitung. Also kann man’s ja auch bleiben lassen. An den ersten sieben Tagen gab es dieses Jahr nur eine einzige Schatzsuche, stattdessen war einfach etwas ausführlicher zu sehen, wie die verhaltensauffällige Larissa und die anderen Teilnehmer am Lagerfeuer ihre Diskrepanzen austrugen. Egal.

Dazu kommt, dass die Sympathie der Moderatoren leidet, wenn die bissigen Gags nach Skript bei Daniel Hartwich nur wenige Sekunden später im Extra-Interview in ungeskriptete Arroganz gegenüber der Reporterin umschlagen, die nicht als Kandidatin im Dschungel ist, sondern als RTL-Mitarbeiterin, er sie aber trotzdem ungebremst auflaufen lässt. Klar, manche ihrer Fragen wirken dämlich, aber was soll sie denn machen, wenn sie keine Gagschreiber und keinen wirklichen Inhalt hat, aber die Aufgabe, der Dschungelshow möglichst sendezeitfüllend zu huldigen.

Nachdem gestern Abend kurz vor dem Rauswurf erst einmal alle Kandidatinnen verwirrt wurden mit der klaren Ansage, sie seien es NICHT (wesentlich unklarerer Nachsatz: Die von Mörtel-Lugner zum Opernball eingeladen werden), griff die Verwirrung auch auf die Moderatoren über. Am Ende wiesen Sonja Zietlow und Daniel Hartwich wie gewohnt auf das Anschlussprogramm hin: Den Bachelor. Vielmehr: Den „Glatzen-Bachelor“, den „Neurosenkavalier“. Der kam aber gar nicht. Es kam wie an jedem Werktag um Mitternacht das Nachtjournal (das in dieser Woche übrigens von Graf Zahl moderiert wird, aber das nur am Rande). Aber vielleicht war das ja auch irgendein Gag, den ich nicht verstanden habe. Umpf. Ist doch egal. Dem Nachtjournal hat das nicht geschadet. Und dem Dschungel scheint ja derzeit gar nichts schaden zu können.

Ich bin ein Star – holt mich hier raus ist immer noch eine der besten und unterhaltsamsten Sendungen im Fernsehen. Ich habe nur ein bisschen Angst, dass sie ab der nächsten Staffel in Latein gesendet wird.

Michael, 29. Januar 2014, 08:58.

Fast vorbei: Ein Last-Minute-Dschungel-Text

Für die Bild-Zeitung und mehrere TV-Magazine sind die kommenden Wochen wahrscheinlich schlimmer als das Sommerloch. Es ist das Loch nach dem Dschungelcamp. Wenn Ich bin ein Star – holt mich hier raus heute Abend zu Ende geht, was um Himmels Willen sollen die Dschungel-Begleitmagazine Spiegel TV, Extra und Markus Lanz eigentlich in den nächsten Wochen noch senden?

Dass RTL seine eigenen Magazine dazu nutzt, tagsüber für die Dschungelshow zu werben und am späten Abend von Dranbleibern zu profitieren, ist klar. Das Ausmaß, in dem sich Markus Lanz im ZDF mit dem Dschungel befasste, ist dagegen erstaunlich. In fünf der sechs Sendungen in den vergangenen beiden Wochen waren ehemalige Camp-Bewohner zu Gast, darunter mit Ross Antony, Ingrid van Bergen und Desirée Nick drei Gewinner der Dschungelkrone (die beiden anderen waren Carsten Spengemann und Sarah Dingens). Nachvollziehbar ist die Gästeauswahl aus reinem Opportunismus durchaus. Lanz‘ Sendung beginnt an den meisten Abenden, wenn das Dschungelcamp gerade endet, und mit ehemaligen Camp-Insassen lassen sich bestimmt ein paar heimatlose Zapper abgreifen. Kurios ist aber, dass Lanz auch dienstags über den Dschungel redete, wenn seine Sendung parallel zum verlängerten Dschungelcamp lief. Hat das Sinn? Sollte man nicht davon ausgehen, dass Menschen, die ein Interesse an der Dschungelshow haben, in dieser Situation eher die Dschungelshow gucken?

Die Bilanz zum Ende der siebten Staffel ist positiv. Nach Quoten war sie die zweiterfolgreichste. Nur Staffel 5 mit Jay, Indira und Sarah sowie Peer Kusmagk als König hatte noch ein paar Zuschauer mehr. Es waren die einzigen beiden Staffeln, die im Schnitt mehr als sieben Millionen Zuschauer erreichten. Der neue Moderator Daniel Hartwich machte seine Sache toll. Nur am Anfang der Staffel wirkte er noch ein bisschen unsicher und hölzern, als er die Texte aufsagen musste, die früher immer für Dirk Bach geschrieben worden waren. Dann fand er aber schnell zu sich selbst und wurde glaubwürdig in seiner Rolle. Einhergehend damit hatte ich allerdings das Gefühl, dass er mit jeder neuen Sendung zwischen seinen Sätzen lauter einatmete. Das klingt schon fast nach besorgniserregender Atemnot. Hoffentlich braucht Sonja Zietlow nicht bald schon wieder einen neuen Co-Moderator. Wäre schade. Ich habe mich schnell an das neue Duo gewöhnt.

Darüber hinaus ist es angenehm, zu beobachten, wie in der sehr guten und sehr erfolgreichen Sendung immer noch nach und nach Verbesserungen vorgenommen werden, und wenn es nur Kleinigkeiten sind. Lief vor einiger Zeit die Uhr bei den Dschungelprüfungen noch vorwärts, was für die Zuschauer gar keine Hilfe war, weil die Zeitbegrenzung jedes Mal eine andere war, läuft sie inzwischen rückwärts Richtung Null. Und die vorproduzierten Anrufaufrufe mit ebenso bemühten wie lustigen Wortspielen, die noch zu Beginn der Staffel oft zweimal innerhalb einer Stunde vor den Werbepausen gezeigt wurden, gab es in den letzten Tagen nur noch einmal, und vor der nächsten Pause stattdessen einen Live-Aufruf mit neuem Text.

Ein bisschen schade ist nur, dass sich Ich bin ein Star – holt mich hier raus fast im gleich Umfang mit der Bild-Zeitung befasst wie die Bild-Zeitung mit der Show. An fast jedem australischen Morgen werden die Schlagzeilen des vergangenen deutschen Morgens kommentiert und dabei oft vorausgesetzt, dass Deutschland wisse, wovon die Moderatoren sprechen. Ich als Teil der fast 70 Millionen Menschen zählenden Bevölkerungsmehrheit derer, die die „Bild“ nicht lesen, habe oft keine Ahnung, worum es geht und muss es mir selbst zusammenreimen. Andererseits betrachtet RTL dies vielleicht als eine Art umgekehrten Bildungsauftrag. Das Dschungelcamp wird von mehr Akademikern gesehen als jede andere RTL-Sendung. Dann kann man denen bei der Gelegenheit schließlich mal zeigen, womit sich der Bild-Leser eigentlich so beschäftigt.

Bleiben nur noch zwei Fragen: Als RTL immer und immer wieder die Rückansicht von Klaus Baumgarts Gemächt zeigte, war es den Machern zu plump, oder kamen sie etwa nicht auf die Idee, dessen eigenen Hit „Klingeling, hier kommt der Eiermann“ einzuspielen?

Und zweitens: Wer wird denn nun Dschungelkönig? Olivia, die als Einzige in keinerlei Hinsicht jemals ihre Maske fallen ließ? Oder Joey, der den Mund ebenso oft offen hatte wie Olivia, nur dabei weniger sagte? Oder Claudelle, von der es eigentlich nach dem ersten Abwahltag schon eine Überraschung war, dass sie noch dabei war, die danach aber an Bildschirmpräsenz gewann? Zum Glück ist die Antwort ja völlig egal.

Michael, 26. Januar 2013, 18:45.


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