Sesamstraße

Seit 1971 (NDR); seit 1972 (ARD). US-dt. Vorschulprogramm („Sesame Street“; seit 1969). Die weltweit erfolgreichste Kindersendung.

Kinder, Erwachsene und Puppen in allen Größen erleben Alltagsgeschichten und lernen etwas dabei. Die Sesamstraße richtet sich an Kinder im Vorschulalter. Sie sollen mit Buchstaben und Zahlen und Begriffen wie „vorn“ und „hinten“ vertraut werden, aber auch soziale Kompetenz erlernen. Dabei mischt die Sendung Realszenen und Trickfilme und lässt Puppen ganz groß rauskommen, nämlich die von Jim Henson erschaffenen „Muppets“: Ernie und Bert, die zusammenwohnen und in deren Szenen immer wieder Ernies Quietscheentchen auftaucht, ohne das er nie badet; Kermit der Frosch als Reporter der Sesamstraßennachrichten oder als Erklärer, der an der Begriffsstutzigkeit der Monster verzweifelt; das dünne blaue, tollpatschige Monster Grobi, gelegentlich auch als ungeschickter Held Supergrobi; das dicke blaue verfressene Krümelmonster, das immer nur „Kekse!“ haben will; der begeistert zählende Vampir Graf Zahl (im Original mit dem unübertroffenen doppeldeutigen Namen: „The Count“), der dubiose Straßenverkäufer Schlemihl („He, du!“ – „Wer, ich?“ – „Psssssst! Genaaaaaauuuuu!“), der während seines Vortrags dauernd einschlafende Professor Hastig, das altkluge Mädchen Susanne Klickerklacker und viele andere.

Die Sesamstraße war für Deutschland ein Kulturschock und eroberte in verschiedenen Etappen die deutschen Bildschirme. Die ersten fünf Folgen liefen im April und Mai 1971 in der Originalfassung in den Dritten Programmen von NDR und WDR. Die Sendung, die von der amerikanischen Firma Children’s Television Workshop (CTW) produziert wird, war bereits 1970 mit dem deutschen Prix Jeunesse ausgezeichnet worden, der vom Freistaat Bayern, der Stadt München und dem Bayerischen Rundfunk ins Leben gerufen worden war. Der BR leistete allerdings in der Folge den massivsten Widerstand gegen die Sendung. Aber auch bei den anderen ARD-Sendern war die Sesamstraße höchst umstritten. Kritisiert wurde etwa, dass die Lebensumstände in den USA mit denen in der Bundesrepublik nicht vergleichbar seien, die Serie auf Elemente wie Stars und Werbespots setze und auf die „Paukmethodik“. Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband nannte die Sesamstraße ein „Werbe-, Drill- und Überredungsprogramm“. Gegen den ausdrücklichen Beschluss der ARD-Programmkonferenz kaufte der NDR die Serie mit Unterstützung von WDR und HR.

In synchronisierter Form lief die Sesamstraße erstmals am 1. August 1972, mit eigenen deutschen Beiträgen erstmals ab 8. Januar 1973. Sie war zunächst nur über die Sender von NDR, RB, HR und WDR vormittags im Ersten Programm und nachmittags in den Dritten Programmen der Nordkette und des HR zu empfangen, erst später im Jahr kamen SDR, SR und SWF hinzu. Diese ersten rund 250 Folgen enthielten als Rahmengeschichte die berühmten New Yorker Straßen- und Hinterhofszenen, u. a. mit dem großen gelben Vogel Bibo, dem griesgrämigen Oscar und den Menschen Susan (Loretta Long), Gordon (Roscoe Orman), Bob (Bob McGrath) und Mr. Hooper (Will Lee).

Erst später bestand die deutsche Sesamstraße je zur Hälfte aus synchronisiertem amerikanischem Material und deutschen Eigenproduktionen, u. a. mit Geschichten aus dem Leben eines neunjährigen blonden Jungen namens Bumfidel (Markus Krüger) und Filmbeiträgen, die zum Teil aus der Sendung mit der Maus übernommen wurden. 1978 ging die Eigenständigkeit in der Kooperation noch einen Schritt weiter. Der Schwerpunkt verlagerte sich weg vom Buchstabenpauken und hin zum sozialen Lernen, und die Sendung bekam eine Rahmenhandlung mit rein deutschen Puppen und Moderatoren: Samson, ein mehr als menschengroßer Bär, in dessen Kostüm ebenso wie in Bibo ein Schauspieler steckte, und der rosa Vogel Tiffy sowie Lilo (Liselotte Pulver) und Henning (Henning Venske). Die US-Studioteile wurden dafür gestrichen, was großen Protest auslöste. Bibo und Oscar tauchten nur noch selten auf.

Speziell für Deutschland wurde auch das Titellied geschrieben: „Der die das, wer wie was, wieso weshalb warum, wer nicht fragt bleibt dumm!“ In den deutschen Teilen kamen später vorübergehend oder dauerhaft hinzu: die Schnecke Finchen; der nervtötende Herr von Bödefeld (die erste Figur, die von einem deutschen Puppenbauer stammte: Peter Röders; alle anderen waren gemeinsam mit CTW entwickelt und von Kermit Love kreiert worden); Samsons ihm ähnelnder Verwandter Simson; Rumpel, eine etwas entschärfte Griesgramvariante von Oscar; Pferd und Wolle, das Schaf. Lilo und Henning wurden abgelöst durch Uwe Friedrichsen, Ute Willing, Horst Janson, Manfred Krug, Ilse Biberti und Elisabeth Vitouch., ,

Ab 1986 spielten die Schauspieler Rollen: Schorsch (Gernot Endemann), Bettina (Hildegard Krekel; ab 1989 Kirsten Sprick), Opa Brass (Ferdinand Dux), Zauberer PePe (Dirk Bach), Momi (Marianne Sägebrecht), Pensionswirt Helmi (Senta Bonneval), Musiker Alex (Alexander Geringas), Rikschafahrerin Jiviana (Vijak Bajani), das junge Paar Caro (Caroline Kiesewetter, ab 2002 Miriam Krause) und Nils (Nils Julius), Annette (Annette Frier) u. a. Im Jahr 2000 kam die Puppe Felicitas „Feli“ Filu hinzu, die mit Kindern und Prominenten Interviews führt und spielt. Seitdem waren viele deutsche Prominente als Stargäste mit dabei. 2005 verabschiedete sich Tiffy aus der Sesamstraße, und zwei neue Puppenmonster sollten Realitätsnähe bringen: die alleinerziehende Mutter Moni und ihre Tochter Lena. Gleichzeitig rückte die Sesamstraße das pädagogische Prinzip in den Hintergrund und wandelte sich zur Comedyshow für Kinder. 2006 wurden in Hamburg und Hannover erstmals eigene Szenen mit Ernie und Bert vor deutscher Kulisse gedreht, deren Sketche bis dahin ausnahmslos aus der US-Version übernommen worden waren.

Nach dem Vorbild der deutsch-amerikanischen Zusammenarbeit entstanden viele maßgeschneiderte Versionen für Kinder in aller Welt, mit variierten Lernkonzepten und eigenen Figuren. Im Nahen Osten trifft man in der Sesamstraße das israelische Stachelschwein Kippi und den palästinensischen Hahn Karim, in Russland Seliboba, den blauen Waldgeist, in Südafrika die HIV-positive Kami. Die ursprüngliche pädagogische Idee, die Lerndefizite von Kindern aus benachteiligten Familien auszugleichen, scheint allerdings weder in den USA noch in Deutschland im erhofften Maß funktioniert zu haben. Studien zeigen, dass die Sendung vor allem in Haushalten mit höheren Bildungsniveaus eingeschaltet wird und Kinder weniger ein Lerndefizit kompensieren als vielmehr vorhandenes Wissen vertiefen und ihren Horizont erweitern.

Über die Jahre lief die Serie auf verschiedenen Sendeplätzen, meist in den Dritten Programmen am Vorabend oder im Ersten am Morgen. Mit Gründung des Kinderkanals wanderte die tägliche Ausstrahlung dorthin, neue Folgen liefen weiterhin morgens am Wochenende in der ARD. Bisher wurden weit mehr als 2000 Folgen gezeigt.

8 Kommentare


  1. […] gibt es eine eigene Veranstaltung, die „Daytime Emmys“. Dort führt die US-Version der Sesamstraße mit schlappen 109 Auszeichnungen vor der Daily Soap Schatten der Leidenschaft mit 100 […]

  2. ich habe ein mehr oder weniger großes problem mein sohn schaut super gern die sesamstrasse, auch hab ich ihn ein buch gekauft das ich ihm vorlese…doch im tv heißt rumpel eben rumpel, im buch heisst er oskar, kann mir jemand alle figuren in bild mit namen an meine email schicken? oder einen link in dem ich nachschauen kann?

  3. @ steff: Rumpel und Oskar sind nicht exakt die gleiche Figur, Rumpel eher so eine Art entschärfter Ersatz für Oskar (siehe Lexikontext oben).
    Eine komplette Liste mit allen Bildern und Namen der Figuren habe ich leider auch nicht.

  4. […] die Sesamstraße richtete sich die Rappelkiste vor allem an Kinder im Vorschulalter, wollte ihnen aber nicht […]

  5. […] Reihe lief in fast allen Dritten Programmen staffelweise auf dem Sendeplatz der Sesamstraße, die sie langfristig ersetzen sollte. Dazu kam es nicht, stattdessen existierten beide Reihen lange […]

  6. […] sollte die deutsche Sesamstraße werden und war an vielen Stellen deutlich vom amerikanischen Original inspiriert, kam aber […]

  7. Rumpel ist der Cousin von Oscar. Man kann sie so unterscheiden: Rumpel hat eine Nase, Oskar nicht!

  8. Der Gesag in der Titelmusik war so undeutlich, daß ich als Kind nicht verstehen konnte, was gesungen wurde. Es klang ein bißchen wie: „Wiesowesalfarum (langes Wort, was das wohl bedeutet?), und weiter: „wer mich fragt bleibt dumm.“ Auch Ernie, der Kuchen backend sang. „naffi Keks, naffi Keks“ überforderte mein Sprachverständnis. „naffi“, das klang wie naschen. Keks und Kuchen, das hatte irgend was gemeinsam. Aber verstanden habe ich nicht, daß es eigentlich: „na, wie geht’s?“ heißen sollte…



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