Das Geheimnis von Twin Peaks
1991 (RTL); 1992 (Tele 5). 30‑tlg. US‑Krimi-Mysteryserie von David Lynch und Mark Frost (Twin Peaks; 1990–1991).
Der FBI-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) kommt in das Städtchen Twin Peaks, um dort gemeinsam mit dem örtlichen Sheriff Harry S. Truman (Michael Ontkean) den Mord an der 17‑jährigen Schülerin Laura Palmer (Sheryl Lee) aufzuklären. Cooper genießt den örtlichen Kirschkuchen und den verdammt guten Kaffee und spricht alle wichtigen Ermittlungsschritte und neuen Erkenntnisse für seine (nie zu sehende) Assistentin Diane in ein Diktiergerät. Nach und nach lernt er die merkwürdigen Menschen von Twin Peaks und ihre Geheimnisse kennen, ebenso die der so harmlos erscheinenden Schülerin Palmer, die sich posthum als sexbesessene, drogensüchtige Schlampe entpuppt.
Zu den Einwohnern gehören: Die Truckerfrau Shelley Johnson (Madchen Amick), Lauras Freund Bobby Briggs (Dana Ashbrook), der Hotelbesitzer Benjamin Horne (Richard Beymer), seine Tochter Audrey (Sherilyn Fenn), Dr. William Hayward (Warren Frost), seine Tochter Donna (Lara Flynn Boyle), die Lauras beste Freundin war, die Restaurantbesitzerin Norma Jennings (Peggy Lipton), James Hurley (James Marshall), sein Onkel Big Ed (Everett McGill), ein Tankstellenbesitzer, Lauras Vater Leland Palmer (Ray Wise), der Trucker Leo Johnson (Eric Da Re), die Witwe Jocelyn „Josie“ Packard (Joan Chen) und ihre Schwägerin Catherine Martell (Piper Laurie), der Psychiater Dr. Lawrence Jacoby (Russ Tamblyn), Lauras Cousine Madeleine Ferguson (Sheryl Lee), die „Log Lady“ Margaret (Catherine E. Coulson), die immer mit einem Stück Holz herumläuft und mit ihm spricht, und Sheriff Trumans Deputies Tommy Hill (Michael Horse) und Andy Brennan (Harry Goaz). Nach monatelanger Suche findet Cooper Lauras Mörder schließlich in ihrem eigenen Vater, der von einem bösen Geist besessen ist und sich oft in den Amok laufenden Irren Bob (Frank Silva) verwandelt.
Die Suche nach Lauras Mörder erstreckte sich über den größten Teil der Serie, jedoch nicht bis zum Ende. In Folge 16 wird Leland alias Bob entlarvt, und FBI-Agent Cooper kümmert sich anschließend um andere Merkwürdigkeiten, die in der Stadt vorgehen, in der niemand ist, was er scheint, und nicht einmal das ist, was er gerade noch war. Der Mord an Laura Palmer gehört für Cooper zu einem ganzen Netz von Verbrechen, mit dem sein ehemaliger Kollege Windom Earl (Kenneth Welsh) auf eine verstiegene Art Rache an ihm zu nehmen versucht. Formaler gesagt, löst sich Twin Peaks nach der Täterfindung von der Simulation einer endlichen Krimiserie in die Simulation einer unendlichen Soap auf und kehrt damit in genau jene Fernsehwelt zurück, in der in vielen Folgen im Hintergrund immer wieder Ausschnitte aus der fiktiven Soap „Invitation to Love“ liefen.
Als einziger halbwegs „normaler“ Charakter geht nur der Sheriff Harry S. Truman durch – der allerdings dank seines Namens allem, was er tut, trotzdem eine ironische Wendung gibt. Eine kleine Nebenrolle hat der noch unbekannte David Duchovny, der später mit Akte X weltberühmt wurde. Er spielt den ermittelnden Transvestiten Dennis/Denise Bryson. Darstellerin Sheryl Lee war gleich in zwei Rollen zu sehen. Sie spielte Lauras Cousine und zugleich auch die ermordete Laura, die immer wieder in Traumsequenzen und Rückblenden auftauchte. Regisseur und Serienerfinder David Lynch selbst trat in einer Nebenrolle als Gordon Cole auf. Sherilyn Fenn spielte nicht nur in der Serie als Audrey mit ihren weiblichen Reizen, sie zog sich auch für den „Playboy“ aus, was dazu führte, dass der „Twin Peaks“-Kalender von Ladenketten in den USA boykottiert wurde.
RTL zeigte nur die ersten 21 Folgen freitags um 21.15 Uhr; die übrigen hatte der Sender von Anfang an nicht gekauft. Die restlichen neun liefen im Anschluss innerhalb von vier Wochen bei Tele 5.
Als die Serie startete, versuchte Konkurrenzsender Sat.1 den Zuschauern die Spannung zu verderben, indem er in seinem Videotext bereits den Mörder verriet, und zwar mit den Worten: „Liebes RTLplus, sei nicht traurig. Sat.1 hilft allen Deinen Zuschauern beim Gewinnspiel zu ›Twin Peaks‹, auf die Gewinnerstraße zu kommen. Laura Palmer wurde von ihrem Vater Leland Palmer umgebracht. Der Vater war sauer über seine kokainsüchtige Tochter, die der Wanderpreis (jeder hatte sie mal) der Gemeinde war. Außerdem wollte sie verraten, dass er vom bösen Geist besessen ist. So war’s in den USA – aber vielleicht synchronisiert RTL ja einen anderen Mörder rein …?“ RTL klagte dagegen und erwirkte einen Beschluss des Landgerichts Hamburg, wonach Sat.1 „sittenwidrig“ gehandelt habe. Sat.1 wies darauf hin, dass die Auflösung schon vorher in zwei Zeitschriften gestanden habe. Kritiker merkten an, dass es sich offensichtlich um ein Déjà-vu handele, siehe Das Halstuch. Und fast niemand wies darauf hin, dass es ein großes Missverständnis war, Twin Peaks überhaupt als klassische Detektivgeschichte aufzufassen. Die Ermittlungen waren für David Lynch nur der Vorwand, immer neue Abgründe der Einwohner von Twin Peaks zu zelebrieren und die Erwartungen der Zuschauer an einen irgendwie rational nachvollziehbaren oder auch nur in sich stimmigen Krimiplot immer wieder zu brechen.
Eine Methode, mit der Cooper der Lösung des Falls näher kommt, stammt angeblich aus der tibetanischen Mystik. Er hat sie unbewusst in seinen Träumen erlernt (die überhaupt ebenso verstörend wie hilfreich bei seiner Arbeit sind). Cooper ordnet den Verdächtigen Glasflaschen zu, auf die er mit einem Stein wirft. Je nachdem, ob der Stein die Flasche verfehlt oder trifft oder gar trifft und zerbricht, gilt ihm jemand als mehr oder weniger verdächtig. Wer nach dieser Szene (und Dutzenden ähnlichen) die Serie mit der Logik einer Derrick-Folge nachzuvollziehen versucht, ist selbst schuld.
Twin Peaks lebte nicht vom „Whodunnit“ einer klassischen Detektivgeschichte, sondern von seiner Komplexität, Vieldeutigkeit und der bewussten Verwirrung seiner Zuschauer. In der letzten Szene zerbricht Cooper einen Spiegel, in dem Bob erscheint, der Mörder, von dem nun anscheinend Cooper besessen ist. Das lässt sich als Parallele zur ähnlich komplexen Serie Nummer sechs interpretieren, in der ebenfalls am Ende angedeutet wird, dass die beiden scheinbaren Gegenspieler „Nummer 6″ und „Nummer 1″ in Wahrheit identisch sind. Vor allem aber ließ der Schluss unendlich viele Fragen offen. Die Antwort erhofften sich Fans vom Fernsehfilm „Twin Peaks – Der Film“ („Twin Peaks: Fire Walk With Me“; 1992), der 1995 auf Pro Sieben lief und natürlich alle Fragen offen ließ. Er stellte sich als Prequel heraus, das die letzten Wochen der Laura Palmer vor ihrem Tod schilderte.
Der große Erfolg der Serie blieb in Deutschland aus, und auch in den USA ließ die anfangs gewaltige Anteilnahme der Zuschauer nach dem ersten Hype schnell nach. Doch eine kleine Fangemeinde ließ sich vom einzigartig surrealen und seltsamen Universum von Twin Peaks dauerhaft faszinieren. Die verstörend schöne Titelmusik stammt von Angelo Badalamenti.
22. September 2008 um 14:33
Stimmt, die Serie war in Deutschland ein Flop. Bei der Erstausstrahlung gab es den Kleinkrieg zwischen RTL und Sat1 um Zuschauer, der dazu führte, dass im Videotext des gegnerischen Senders der Mörder fruehzeitig verkündet wurde. Die Quote knallte runter und schon wars vorbei!
Im Nachhinein muss man sagen, dass Deutschland damals noch nicht soweit war komplexe Serien zu Hits zu machen. Zum Glück, abgesehen von Sendereigenproduktionen, hat sich das mit den Jahren gemausert!
19. Februar 2009 um 01:08
Leider muss ich am Kunstverständis Deutschlands zweifeln.
Als ich Twin Peaks erleben durfte, war ich 15. Meine Angst und Faszination war unbeschreiblich … (und ich hatte schon einige Erfahrung in Sachen Horror, Splash etc).
Dass diese Serie in Deutschland (und Ö, das ich mein eigentliches zuhause nennen muss) gefloppt ist .. naja was soll man sagen. Deutschland und Ö hatten noch nie Kunstverständnis (mit einigen wenigen Ausnahmen) …wenn ich da an die Franzosen, Italiener oder Seben (Emir Kustorica zB) denke … kein Vergleich …
21. September 2009 um 12:29
Super Artikel über die Serie!
Ich war damals ebenfalls 15, schwer süchtig nach Twin Peaks und abhängig vom Soundtrack.
Kannn mich noch genau daran erinnern, wie die für damalige Verhältnisse absolut ungewöhnliche, verstörende Serie in den Zeitungen angepriesen wurde „Achtung, diese Serie macht süchtig!“.
So war es denn auch, ich durfte keine Folge verpassen, holte mir den Soundtrack auf LP und hörte ihn rauf und runter, meine Mutter bekam schon Depressionen davon und machte sich Sorgen, ich könne mir etwas antun.
Die Athmosphäre war unvergleichlich und unbeschreiblich. Wer es damals nicht verfolgt und empfunden hat, dem braucht man heute gar nicht mehr damit zu kommen, weil wir inzwischen völlig übersättigt und verkorkst sind vor lauter Splatter-, Slasher-, Blut- und Zombie-Action.
Gott sei dank liegt das Alles nun schon so weit zurück und ich habe einen gewissen Abstand dazu gewonnen, aber die Erinnerungen bleiben für immer und sorgen von Zeit zu Zeit (vorzugsweise in melancholischen Herbstphasen) für ein Gefühl der Beklemmung tief im Innern…
13. September 2013 um 10:22
beste Serie aller Zeiten.
Intelligenz auf Droge oder einfach David Lynch. Ich glaube, um die Serie gut zu finden, muss man selbst ein wenig ein Nerd sein, ein bisschen Cooper, ein bisschen Bob, ein bisschen Laura und ganz viel Gordon ^^
Der Soundtrak ist obergenial und ich LIEBE diese Serie einfach.