Martinstag
Mit Doktor Martin ist das ZDF ins Mürrische-Ärzte-Geschäft eingestiegen. Angesichts des gigantischen Erfolgs von Dr. House lag der Verdacht nahe, das ZDF wolle mit einer schnellen Kopie auf den Zug aufspringen, doch dieser Verdacht zerschlug sich schon in den ersten Sekunden: Kühe. Kühe symbolisieren in deutschen Serien immer die Provinz, und die Provinz muss in deutschen Serien nur dann symbolisiert werden, wenn sie im Kontrast zur Historie der Hauptfigur steht. So hat Doktor Martin mehr von Allein unter Bauern als von Dr. House: Ein ehemals erfolgreicher Großstädter zieht aufs Land. Dort fühlt er sich so fremd wie Ein Bayer auf Rügen, kümmert er sich als Landarzt um eigenwillige Dörfler, hat eine ebenso faule wie inkompetente Sprechstundenhilfe wie der mürrische Becker, kann dann aber doch allein durch kurzen Anblick Diagnosen so schnell erstellen wie Dr. House.
Aus so vielen verschiedenen Serien erkennt man Elemente wieder, dass man unmöglich unterstellen kann, Doktor Martin sei von einer einzigen konkreten Serie inspiriert oder adaptiert worden.
Außer natürlich von der britischen Serie „Doc Martin“, deren Originaldrehbücher sie verwendet.
Marty Feldman Comedy Machine
1973–1974 (ARD). Brit. Comedyshow („The Marty Feldman Comedy Machine“; 1971–1972). Sketche, Szenen und Pointen mit Marty Feldman in der Hauptrolle, der zwischendurch auch moderiert. Prominente Gäste komplettieren das Programm.
Lief etwa monatlich im Abendprogramm. 1972 hatte der NDR die Reihe in seinem Dritten Programm bereits im Originalton mit Untertiteln gezeigt. Der animierte Vorspann stammte von Terry Gilliam, der auch die Animation für Monty Python’s Flying Circus machte.
Mary Tyler Moore
1998–1999 (RTL). 168‑tlg. US‑Sitcom („The Mary Tyler Moore Show“; 1970–1977).
Neue Ausstrahlung der früheren ARD-Serie Oh Mary unter neuem Titel in neuer Synchronisation. RTL zeigte diverse von der ARD nicht ausgestrahlte Folgen täglich im Nachtprogramm. Zuvor hatte sich RTL bereits an einer deutschen Version der Serie versucht, die jedoch ungesendet im Giftschrank verschwand. Schon der Titel „Alles prima Nina“ lässt erahnen, dass das eine gute Idee war.
Maxe Baumann
1976–1982 (DFF1). 7‑tlg. DDR-Lustspielreihe von Goetz Jaeger, Regie: Peter Hill.
Nach 50 Jahren Berufsleben geht der schrullige Max Baumann (Gerd E. Schäfer) in Rente und hat nun viel zu viel Zeit. Unter seinen Versuchen, diese sinnvoll zu nutzen und sein Leben und das anderer Leute mal richtig auf Vordermann zu bringen, leiden seine Familie und die ganze Umgebung, insbesondere Ehefrau Herta (Traute Sense). Statt Ordnung schafft Maxe natürlich nur Chaos.
Die abendfüllenden Teile liefen jährlich zu Silvester. Am 1. Mai 1987 wurde zum 750. Geburtstag der Stadt Berlin das 70‑minütige Musical-Special „Maxe Baumann aus Berlin“ gesendet, in dem Schäfer Max und seinen Bruder Fritze spielt. Die Figur des Maxe Baumann tauchte auch im Kessel Buntes häufiger auf.
Maximal mittelgeile Zeit
Dem Problem, dass der Altersdurchschnitt seiner Zuschauer rasant auf das obere Ende der werberelevanten Zielgruppe zusteuert, begegnet RTL mit pubertärem Humor. Als habe eine repräsentative Studie ergeben, dass gerade junge Zuschauer möglichst uninspiriert unterhalten werden wollen, packt RTL noch eine Sketchcomedy und noch eine Versteckte-Kamera-Show aus, die so tun, als würden sie sich vom bisherigen Marktangebot unterscheiden.
In Geile Zeit geht es um alle Licht- und Schattenseiten des Teenager-Lebens, und zwischen den gewöhnlichen Sketchen gibt es immer wieder kurze Szenen, in denen ähnlich einem Musical der gesprochene Text durch bekannte Lieder ersetzt wird, zu denen die Darsteller die Lippen bewegen und durch die sich eine Art Dialog ergibt. Das ist originell und manchmal sogar ganz witzig, wenn die Englisch-Kenntnisse zum Textverständnis ausreichen. Insgesamt ist die Reihe nicht der Rede wert, doch sie mag ein gutes Sprungbrett für die durchaus talentierten jungen Darsteller sein, 20 bis 26 Jahre alt, und insofern sei RTL zumindest für seine Nachwuchsarbeit gepriesen. (Was soll RTL auch anderes tun, wenn die alten Haudegen alle bei ProSieben arbeiten?)
Im anschließenden viermilliardsten Versteckte-Kamera-Aufguss Böse Mädchen legen ausschließlich Frauen ausschließlich Männer rein, und das allein rechtfertigt offenbar schon einen eigenen Sendeplatz. Vielleicht ist die Ausstrahlung an sich aber sogar ein eigener Streich für die Sendung: Könnte ja sein, dass in unseren Wohnzimmern Kameras hängen, die filmen, wie lange wir das uns Zugemutete geduldig ertragen. Ist das nicht die Grundidee der meisten Streiche?
Geile Zeit, freitags um 22.15 Uhr bei RTL,
Böse Mädchen, freitags um 22.45 Uhr bei RTL.
Mayers Konversations-Lektion
Morgen Abend sollte der amerikanische Liedermacher John Mayer („Your Body Is A Wonderland“) eigentlich ein Konzert für den Radiosender NDR2 in Hamburg spielen, sein einziges Konzert in Deutschland. Er hat es kurzfristig abgesagt, „aus persönlichen Gründen“, wie es beim NDR offiziell heißt.
Soll keiner mehr sagen, TV total sei keine einflussreiche Show.
Unter der Hand ist nämlich zu hören, Mayer habe seinen Auftritt bei Stefan Raab vergangene Woche als derart unangenehm empfunden, dass er jetzt keine Lust mehr auf Deutschland habe. (Die Quelle übermittelte diese Information unter der Bedingung, anonym zu bleiben.)
Wenn man sich das „Interview“ ansieht, kann man Herrn Mayer verstehen. Er kann nicht wissen, dass Raab einer der kreativsten Köpfe und größten Entertainer des deutschen Fernsehens ist und allein verantwortlich für die Rettung eines ganzen Genres, der Samstagabendshow. Dass er sogar ein toller Musiker ist, der sich für den Nachwuchs einsetzt, und der jetzt auch noch mit der Rettung eines europaweiten Liederwettbewerbs beauftragt wurde. Mayer hat nur Raabs Qualitäten als Interviewer kennengelernt, und die sind schlicht nicht vorhanden.
Raab interessiert sich für die allermeisten seiner Gäste nicht und bereitet sich auch nicht auf sie vor. Mit John Mayer als Gast fehlten Raab auch noch maßgebliche Kenntnisse in der Sprache, in der er das Interview führte. Raab verstand Mayers Gags nicht, und das Publikum kapierte sie entweder auch nicht oder fand sie nicht lustig. (Das Publikum lacht allerdings auch bei Raabs Witzen nur in seltenen Fällen, aber auch das konnte John Mayer ja nicht wissen.) Mayer ertrug das Drama mit steinerner Miene, bis er über Raabs Kopf hinweg entschied, dass sein Auftritt zu Ende sei und winkend ging. Vorausgegangen waren Momente peinlicher Stille, wie man sie sonst nur aus Stromberg kennt, wo sie aber jemand ins Drehbuch geschrieben hat.
Bei YouTube machen sich ausländische Kommentatoren über den Moderator lustig oder beschimpfen ihn einfach.
[Update 20. Januar: Das Video, das seit Tagen unbehelligt bei YouTube diskutiert wurde, ist plötzlich „aufgrund des Urheberrechtsanspruchs von Brainpool nicht mehr verfügbar.“ Auf der offiziellen Seite von TV Total ist es aber weiterhin zu sehen.]
Auch aus dem Umfeld von Wetten, dass…? hört man immer wieder, und ebenfalls nur unter vorgehaltener Hand, dass internationale Gäste sich fragten, was um sie herum eigentlich vorgehe (im besten Fall) oder sich schlicht unwohl fühlten (im schlechteren Fall).
Deutsche Fernsehentertainer arbeiten hart daran, für Deutschland im Ausland neben gutem Bier und schnellen Autos noch ein weiteres Klischee aufrechtzuerhalten.
McEnroe schlägt in New York auf
Jüngere Menschen wissen vielleicht gar nicht, dass der Fernsehstar John McEnroe früher ein berühmter Tennisspieler war.
Was viele Ex-Sportler im Fernsehen tun, tat und tut McEnroe auch: Er co-moderiert Sportübertragungen seiner alten Disziplin. Doch McEnroes Fernsehkarriere geht deutlich weiter: 2002 war er in gleich zwei Ländern der Moderator der Gameshow The Chair, 2003 moderierte er sogar einmalig die Late Show with David Letterman, als Letterman selbst an Gürtelrose erkrankt war. Daneben nahm er sich und seine berühmt gewordenen Wutausbrüche auf dem Tennisplatz in schauspielerischen Auftritten immer wieder selbst auf den Arm, beispielsweise im Werbespot für Seat und im Kinofilm „Die Wutprobe“.
Heute spielt er eine Tennislegende unter Mordverdacht in CSI: NY. Mal sehen, ob er ins Netz geht.
McLeods Töchter
2006-2008 (Vox). 224-tlg. austral. Familienserie von Posie Graeme-Evans und Caroline Stanton („McLeod’s Daughters“; 2001-2009).
Zwei ungleiche Halbschwestern führen zusammen eine Rinderfarm, weit, weit abgelegen in der australischen Wildnis. Mal eben in die Stadt zum Einkaufen fahren würde eine Tagesreise bedeuten. Claire (Lisa Chappell), Tochter des verstorbenen Jack McLeod, hat ihr ganzes Leben auf „Drover’s Run“ verbracht, Tess (Bridie Carter), Jacks andere Tochter von einer anderen Mutter, ist ein Stadtkind und kehrt erst nach Vaters Tod zurück. Zwanzig Jahre hatten sich die Schwestern nicht gesehen. Jetzt gewöhnen sie sich aneinander und Tess an die landwirtschaftliche Arbeit, die sie sich mit drei anderen Frauen auf der Ranch teilen: Haushälterin Meg Fountain (Sonia Todd) und ihrer Tochter Jodi (Rachael Carpani) sowie der jungen Aussteigerin Becky Howard (Jessica Napier). Weil man außer in The L Word aber so wenig Romantik in einer Serie hat, in der nur Frauen mitspielen, ist nebenan noch eine weitere Ranch, und auf der leben Männer: Der alte Harry Ryan (Marshall Napier) mit seinen erwachsenen Söhnen Alex (Aaron Jeffery) und Nick (Myles Pollard). Nick und Tess werden ein Paar, Alex und Claire auch. Claire kommt bei einem dramatischen Unfall am Ende der dritten Staffel ums Leben, als ihr Auto einen Felsen hinunterstürzt. In Stevie Hall (Simmone Jade Mackinnon), die als Teilhaberin nach Drover’s Run kommt, findet Alex später eine neue Liebe, bis er in der achten Staffel von einem Baum erschlagen wird. In der vierten Staffel heiraten Nick und Tess. Nach einem Flugzeugabsturz wird Nick wird für tot erklärt, es stellt sich jedoch heraus, dass er gar nicht in der Maschine saß und deshalb noch lebt, und Tess und er wandern in der sechsten Staffel nach Argentinien aus. Jodi entpuppt sich als eine weitere Tochter von Jack McLeod und verliebt sich in Rob Shelton (Jonny Pasvolsky), der eigentlich Matt Bosnich heißt und an einem Zeugenschutzprogramm teilnimmt. Die beiden explodieren mitsamt ihrem Fahrzeug, doch auch bei ihnen kommt heraus, dass sie noch leben. Ihren Tod haben sie vorgetäuscht, um gemeinsam unerkannt im Rahmen des Zeugenschutzes leben zu können. Becky ist schon seit der dritten Staffel weg, und Neue kommen auf Drover’s Run an: Die Vorarbeiterin Kate Manfredi (Michala Banas) und Tess‘ Cousine Regan McLeod (Zoe Naylor), die ebenfalls Teilhaberin wird, später noch Regans Schwestern Jasmine (Edwina Ritchard) und Grace (Abi Tucker), und eigentlich müsste die Serie spätestens jetzt McLeods Nichten heißen. Dave Brewer (Brett Tucker) ist der örtliche Tierarzt. Sein Bruder Pat (Luke Jacobz) verliebt sich in Tayler Geddes (Gillian Alexy), die ebenfalls auf der Ranch arbeitet. Geführt wird diese Ranch in der achten und letzten Staffel von Stevie und Grace.
McLeods Töchter war in gewisser Weise eine weibliche Version von Bonanza: Viel Vieh und viel Prärie, zwischendurch wurden Probleme durchreisender Gaststars gelöst, und wie weiland Ben Cartright hatte auch der verblichene Jack McLeod etwa ein Dutzend Kinder von etwa tausend verschiedenen Frauen. Die Sterberate in McLeods Töchter war allerdings bedenklich höher, was bemerkenswert ist, weil die McLeods in Highlander noch ein Geschlecht von Unsterblichen waren. Der Austausch der Schauspieler nahm ähnliche Ausmaße wie in der anderen australischen Erfolgsserie Hey Dad! an, und so spielte nach dem Ausstieg von Aaron Jeffery zu Beginn der achten Staffel niemand mehr mit, der beim Serienstart zum ursprünglichen Ensemble gehört hatte.
In Australien wird die Serie später als in Deutschland zu Ende gehen, umfasst aber auch nicht mehr Episoden. Die letzte Staffel endet in Australien erst 2009, Vox, wo die Serie im werktäglichen Nachmittagsprogramm läuft, wird bereits im November 2008 mit allen Folgen durch sein. Jede dauerte eine Stunde.
Die Serie basiert auf einem gleichnamigen, aber anders besetzten Fernsehfilm von 1996, der 1998 im MDR gezeigt wurde.
Medical Investigation
2006 (Pro Sieben). 20-tlg. US-Arztserie von Jason Horwitch („Medical Investigation“; 2004 – 2005).
Der unsichtbare Tod lauert überall. Wenn besonders viele Menschen davon betroffen sind, wird das National Institute of Health (NIH) tätig. Dr. Stephen Connor (Neal McDonough) ist der entschlossene Leiter eines Teams, das mysteriöse Todesfälle untersucht, die Ursachen von Epidemien ermittelt und sie bekämpft. Seine Mitarbeiter sind Dr. Natalie Durant (Kelli Williams), Eva Rossi (Anna Belknap), Frank Powell (Troy Winbush) und der Neuling Dr. Miles McCabe (Christopher Gorham). Wie einem Verbrecher und nach dem Strickmuster eines Krimis jagen die medizinischen Ermittler die Krankheitserreger. Nebenbei müssen sie sich die neugierige Presse vom Leib halten, damit keine Panik ausbricht.
Wichtigtuerische Serie, die die Mittel von CSI auf ein Ärzteteam anwandte. Eine sehr ähnliche Idee hatte im gleichen Jahr auch die Serie Dr. House, Dr. House setzte sie jedoch wesentlich unterhaltsamer um und überlebte entsprechend länger.
In der Pilotfolge von Medical Investigation hat das Team es mit einer Gruppe von New Yorkern zu tun, die am ganzen Körper blau geworden sind. Das wäre auch noch deutlicher geworden, wenn nicht ohnehin über der ganzen Serie ein Blaufilter läge.
Lief dienstags immer nach Emergency Room, das war zunächst um 21.10 Uhr, und nach zwei Monaten wurden beide Serien um eine Stunde nach hinten verlegt.
Medienklinik
1978–1979 (ARD). 8-tlg. dt. Comedyserie, Regie: Stefan Bartmann.
In der Medienklinik liegen Opfer von Funk, Film, Fernsehen, Presse, Buch oder Musik. Wer am gedruckten oder gesendeten Wort erkrankt ist, wird hier behandelt und manchmal sogar geheilt. Die Medizin ist auf dem neuesten Stand: Gleich in der ersten Folge bekommt ein Patient das bildschirmfreie Fernsehen eingepflanzt. Es kümmern sich: Der Chefarzt (Konrad Georg), der Oberarzt (Karl Heinz Vosgerau), der Assistenzarzt (Jochen Busse), die Oberschwester (Gisela Trowe), die Stationsschwester (Tana Schanzara), der Pfleger (Erich Uhland) und der Pförtner (Benno Hoffmann). Letzterer kümmert sich vor allem darum, dass prominente Anrufer abgewimmelt werden. Die Oberschwester ihrerseits muss einen Beerdigungsunternehmer abwimmeln, der sie am Umsatz beteiligen will. Und der Oberarzt schreibt nebenbei an einem Buch über Pfusch am Patienten – und führt dafür seinen Verleger durch die eigene Klinik.
Die halbstündigen Folgen liefen in loser Folge am Montagabend um 22.00 Uhr.