Hellsehen und hochstapeln
Irgendwie gehören Monk und die neue RTL-Serie Psych zusammen. In den USA laufen sie direkt hintereinander mit gleichem Erfolg, sie haben die gleichen Fans, und amazon.com verkauft die aktuellen Staffeln von Monk und Psych als gemeinsames DVD-Boxset („TV-Marathon-Detektiv-Zweierpack“). In Deutschland hat Monk ab heute für ein paar Monate Pause. Den Sendeplatz übernimmt Psych.
Die Gemeinsamkeiten der beiden Serien sieht man weniger, man fühlt sie. Es ist die Anmutung, das Leichte, das Sympathische, das Skurrile, das Augenzwinkern. Monk und Psych sind die neue Generation des Schmunzelkrimis, der seine beste Zeit vor Jahrzehnten hatte und dank dieser beiden eine Renaissance erlebt. Sie sind der Gegenpol zu den coolen Wissenschaftlern der Forensikerkrimis. Sie verlassen sich auf ihre Intuition. Beide Protagonisten sind private Ermittler, die für die Polizei arbeiten, dort aber mit großer Skepsis konfrontiert werden. Und da enden die Gemeinsamkeiten der Hauptfiguren.
Shawn Spencer (Psych) und Adrian Monk könnten kaum unterschiedlicher sein. Shawn ist ein cooler Frauenheld. Ein entspannter Lebenskünstler. Ein verlogener Hochstapler. Er behauptet, ein Hellseher zu sein, um nicht ins Gefängnis zu müssen. In Wirklichkeit beobachtet er einfach nur schärfer und schlussfolgert schneller als andere. Verbrechensaufklärung auf den ersten Blick. Weil die Polizei ihn für einen Mittäter hält (wer sonst sollte so viele Informationen haben?) und Shawn nicht glaubt, sie könnten ihm seine wirkliche Gabe abnehmen, erfindet er kurzerhand die Sache mit dem Hellsehen. Die ist zwar noch viel absurder, aber die glauben sie ihm. Sehr widerwillig zwar, aber zumindest kommt er damit durch und zu einem Job im Polizeiauftrag.
Und so löst dieser Mann, der noch keinen Job länger als ein paar Wochen behielt, fortan verzickte Kriminalfälle, immer unter der Tarnung des Hellsehers. Sehr zum Missfallen seines grimmigen Vaters, einem ehemaligen Polizisten, der von seinem Sohn ohnehin schon enttäuscht war: „Bei der Polizei haben wir zwei Dinge gehasst: Privatdetektive und Hellseher. Herzlichen Glückwunsch. Du hast es geschafft, beides auf einmal zu sein.“
Psych ist sehr nett anzusehen, denn die Serie ist amüsant und ein bisschen spannend, vermeidet aber das Abdriften ins Alberne, obwohl die Versuchung sehr groß ist. Die Serie startet mit einem Fall in Spielfilmlänge, bei dem man ein paarmal den Eindruck hat, nun sei die Sache aber gegessen, bevor die Geschichte doch noch eine neue Wendung nimmt. Ab nächster Woche haben die Episoden reguläre Serienlänge mit einer Stunde Bruttolaufzeit.
Man muss kein Hellseher sein, um der Serie auch in Deutschland gute Einschaltquoten vorherzusagen. Wer Monk mag, wird auch Psych mögen. Und wer Dr. House als Vorprogramm hat, kann sowieso kaum verlieren.
Psych, dienstags um 22.15 Uhr bei RTL.
Herdtrieb
Wann auch immer Sie Vox einschalten, dauert es nicht lange, bis gekocht wird. In dieser Hinsicht ist Vox eine Art SWR Fernsehen unter den Privaten. Würfe man alles Gekochte von Vox und dem SWR Fernsehen in ein riesiges Care-Paket, könnte man mehrere afrikanische Länder ernähren. Weil aber auch in Südamerika Menschen hungern, kommt heute eine neue Kochshow dazu. Born To Cook — Die Tim Mälzer Show verbindet das beliebte Kochelement mit dem beliebten Mitrateeffekt, wenn Kandidatenteams zwischendurch Fragen beantworten müssen. Also quasi Quark und Quiz.
Vorher beginnt bei Vox die letzte Staffel von Crossing Jordan — Pathologin mit Profil. Die Krimiserie Close To Home pausiert für den Rest des Sommers.
Die Kollegen von Kress formulieren es so: „Der Sender Vox strahlt ab Oktober 22 neue Folgen der Krimiserie Close to Home aus. Grund: Auf dem angestammten Sendeplatz am Freitagabend um 21.05 Uhr läuft ab sofort die Tim-Mälzer-Show Born to Cook.“, und halten das für eine logische Erklärung.
Heroes
Ab 10. Oktober 2007 (RTL2). US-Mysteryserie von Tim Kring („Heroes“; seit 2006).
Plötzlich entdecken ganz gewöhnliche Menschen auf der ganzen Welt, dass sie außergewöhnliche Kräfte haben. Der Politiker Nathan Petrelli (Adrian Pasdar) kann fliegen, sein Bruder, der Krankenpfleger Peter Petrelli (Milo Ventimiglia) lernt es ebenfalls, denn er absorbiert die Fähigkeiten anderer Helden. Ausgerechnet der Knastinsasse D.L. Hawkins (Leonard Roberts) kann durch Wände gehen, seine Frau, die Stripperin Niki Sanders (Ali Larter), ist eine gespaltene Persönlichkeit und beschützt die eine vor der anderen und umgekehrt, während ihr kleiner Sohn Micah (Noah Gray-Cabey) mit Elektrogeräten kommuniziert. Der Comicfan Hiro Nakamura (Masi Oka) kann die Zeit anhalten, der Polizist Matt Parkman (Greg Grunberg) Gedanken lesen, der Junkie Isaac Mendez (Santiago Cabrera) im Drogenrausch die Zukunft malen, und Cheerleader Claire Bennet (Hayden Panettiere) ist unverwundbar. Ihr Vater (Jack Coleman) weiß über die Superhelden Bescheid, während Professor Mohinder Suresh (Sendhil Ramamurthy) mehr über sie herauszufinden versucht – ein Unterfangen, das schon sein Vater begonnen hatte. Die Heroes wissen zunächst nicht so recht, woher ihre Kräfte kommen und was sie damit anfangen sollen, finden aber allmählich heraus, dass sie vielleicht ganz nützlich sind, um gemeinsam die Welt zu retten.
Die Serie wird mittwochs um 20.15 Uhr laufen.
Herz-Zungen-Massage für Sonya Kraus
Erst habe ich gedacht: Boah, Sonya Kraus, die Sau, lässt sich auch von jedem Giraffenbullen die Zunge in den Mund schieben. Dann wurde aber schnell unübersehbar: Das ist für sie nicht nur ein sexuelles Abenteuer, ein billiger Flirt. Dieser Axel ist ihre große Liebe (4,20 Meter Scheitelhöhe). Mit Tränen in den Augen stand sie neben ihm in seinem Gehege, rang nach Fassung, schwärmte von seiner Zeichnung und davon, wie wunderbar das sei, seine Nähe zu spüren. Plötzlich schien es unbedeutend, dass er sich wieder nicht vorher die Stoppeln von der Oberlippe rasiert hatte — und der Gedanke war fern, dass das Tier vielleicht nur das eine von ihr wollte. Bananen.
Die Moderatorin hat ihren neuen Freund im Comedy Zoo getroffen, einer neuen siebenteiligen Doku-Reihe von ProSieben. Die Zoos sind allerdings gar keine „Comedy-Zoos“, sondern ganz normale (wie im Fall von Sonya und Axel der Allwetterzoo in Münster). „Comedy“ sind die prominenten Menschen, die dort einen Tag verbringen und beim Ausmisten, Kraulen, Schieben, Füttern und Im-Dreck-Waten helfen. „Comedy“ bedeutet, dass Dirk Bach sich keine drei Sekunden um die sympathischen, aber überraschend willigen Husumer Protestschweine kümmern kann, ohne dass der Sprecher aus dem Off einen Satz sagt, in dem einer der Begriffe „Schweinerei“, „Schweinsgalopp“ oder „saugeile Show“ vorkommt. „Comedy“ bedeutet, dass Matze Knop auf einem Kamel reiten darf, mit der Schiebkarre hinfällt und am Ende „lustig“ mit dem Kopf vorne aus dem Kaninchenstall herausguckt. Und „Comedy“ bedeutet, dass den Machern auffällt, dass so Paviane voll die Ähnlichkeit mit Paul Breitner haben. Höhö. Paul Breitner, der Pavian, da muss man erst mal drauf kommen!
Man sieht sie förmlich vor sich, die Produzenten, wie sie in der Redaktion zusammen gesessen haben, und einer sagte: „Das wird tierisch lustig, verstehst Du, gnihihi, tierisch lustig — tierisch! Und wir sind im Zoo! Zwischen den ganzen Tieren!“, und ein anderer erwiderte, als er endlich mit Lachen fertig war und sich die Tränen aus den Augen gewischt hatte: „Oh Mann, und wenn unsere Prominenten sowas lustiges sagen, müssen wir das ganz oft und auch in Zeitlupe zeigen.“
Dabei zeigen die täglich 363 Tier-Doku-Soaps bei ARD und ZDF doch, wie leicht es ist, mit den niedlichen, hässlichen, ungestümen, trampeligen, zotteligen Wesen Programm zu machen, wenn man sie nur ein bisschen liebevoll in Szene setzt. Ein großes, unüberwindliches Wenn für den Comedy-Zoo.
Jedes Missgeschick, jeder Ritt auf dem Kamel, jeder „Überraschungs“-Besuch bei anderen Pflegern wurde zelebriert und angestrengt humorisiert. Nur zwischen Sonya Kraus und ihrem Alex mit seiner 50 Zentimeter langen Zunge und den großen Augen, da lief wirklich was. Eine Banane nach der anderen schob sie sich in den Mund, damit er sie beim Herausholen mit seinem weichen Schlabbermaul küsste.
„Mit Zunge!“
Aber es ist ja wahr: Wer weiß schon, ob das Zusammenleben funktionieren würde. Die Beziehung auf Distanz. Der Altersunterschied. Der Größenunterschied. Ihre Prominenz, seine Hörner. Und natürlich die Frage, ob so einer den Hals jemals voll kriegt. Am Ende hat sie sich dann doch wort-, tränen- und bananenreich von ihm verabschiedet.
Comedy Zoo, 7 Folgen, dienstags, 21.15 Uhr, Pro Sieben.
Herzblatt
1987–2004 (ARD); 2005 (BR). Vorabend-Kuppelshow.
Ein Single (der „Picker“) stellt drei Singles anderen Geschlechts, die gemeinsam auf der anderen Seite einer Trennwand sitzen, Fragen und entscheidet sich aufgrund der Antworten für einen, mit dem er am folgenden Tag eine Reise unternimmt. Das Ganze geschieht zweimal pro Sendung: Einmal wählt eine Frau unter drei Männern, einmal ein Mann unter drei Frauen. Mindestens eines der Gewinnerpaare erzählt in der folgenden Sendung, wie es ihm ergangen ist und ob es gefunkt hat. Erst ab Folge 300 gab es allerdings bewegte Bilder von ihrer Reise, vorher nur Standfotos.
Moderator der Show war zu Beginn Rudi Carrell, der das Format für Deutschland aus Großbritannien adaptiert hatte. Er präsentierte die Show 128-mal. Am 27. September 1993 übernahm Rainhard Fendrich die Moderation, im Herbst 1997 Hera Lind. Nur ein Jahr später kam Christian Clerici (der im Streit die ARD verließ, die ihm vorwarf, parallel zur Sendung am Wechsel zu Sat.1 gearbeitet zu haben) und nach einem weiteren Pierre Geisensetter. Er durfte zur Abwechslung mal zwei Jahre bleiben, ab Herbst 2001 wurde Jörg Pilawa neuer Moderator. Immer mit dabei war ferner als Off-Stimme Susi Müller, die die Aussagen der Kandidaten zusammenfasste und als erotischste Stimme Deutschlands gilt.
Spontan an der Sendung ist eigentlich nur ein einziger Moment: Wenn sich die Wand öffnet und sich die beiden Kandidaten, die einander gefunden haben, zum ersten Mal sehen. Die Fragen dagegen kennen die Bewerber schon vorher, und die Antworten darauf müssen sie sich nicht einmal allein ausdenken: Professionelle Autoren helfen ihnen beim Formulieren „schlagfertiger“ Sätze. Diese Tatsache war vermutlich das am schlechtesten gehütete Geheimnis im deutschen Fernsehen und wurde bald und dann immer wieder von anderen Medien „enthüllt“. Doch tat dies dem Reiz und dem Erfolg von Herzblatt keinen Abbruch. Nicht Spontaneität, sondern Rituale machten die Sendung aus – vor allem zu Carrells Zeiten, der sich nicht einmal Mühe gab, zu verbergen, dass er die Fragen zur Person der Singles von Pappkartons ablas. Es ergaben sich Dialoge wie: „Und haben Sie mal was Spannendes mit einem Känguru erlebt?“ – „Ja, Rudi, und zwar war ich damals in Australien …“ Weitere immer wiederkehrende Elemente waren der Satz „Und hier ist ihr Herzblatt“, bevor sich die Trennwand öffnet, die Reisen mit dem HBH genannten Herzblatthubschrauber in irgendwelche bayerischen Käffer und der Satz: „Und nach ihrer Rückkehr haben wir die beiden getrennt voneinander befragt“, nachdem Ausschnitte von der Reise gezeigt worden waren.
Anfang 2003 wurde erstmals ein Herzblatt mit schwulen Kandidaten ausgestrahlt, was leider vorher niemand dem Bürgermeister von Bad Alexanderbad in Oberfranken gesagt hatte, wohin das Gewinnerpärchen fuhr. Er weigerte sich, beide zu begrüßen, was einen erheblichen Medienrummel zur Folge hatte.
Herzblatt war die erste einer riesigen Welle von Dating-Shows im deutschen Fernsehen. Es ist weltweit die erfolgreichste Beziehungsshow. Sie wird staffelweise im Wochenrhythmus ausgstrahlt mit je ca. 26 Folgen von Herbst bis Frühjahr und lief zunächst nur im regionalen Vorabendprogramm des BR, ab 1988 in mehreren Anstalten, ab 1993 in der gesamten ARD. Vorbild war die britsche Sendung Blind Date (seit 1985), die ihrerseits auf die in den USA bereits 1965 gestartete Show „The Dating Game“ zurückgeht. Die Sendezeit betrug zwölf Jahre lang eine halbe Stunde, Anfang 1999 wurde sie auf eine ganze Stunde verdoppelt. Bis dahin war der feste Sendeplatz freitags um 19.25 Uhr, die zusätzliche halbe Stunde wurde vorn angehängt, und neuer Sendebeginn war seitdem bereits 18.55 Uhr. Im Herbst 2001 lief die Reihe vorübergehend samstags am Vorabend. Ab diesem Zeitpunkt waren die Staffeln deutlich kürzer, um dem neuen Moderator Jörg Pilawa die Zeit zu geben, auch seine anderen drei regelmäßigen Sendungen in den Programmen der ARD zu moderieren.
Wichtig war Herzblatt auch als Talentshow: Aus einigen Kandidaten wurden später selbst Moderatoren, darunter Kai Pflaume (Nur die Liebe zählt) und Franziska Rubin (Luft und Liebe). Nach 430 Folgen stellte die ARD die Reihe ein, der produzierende Bayerische Rundfunk führte sie in seinem Dritten Programm noch für eine Staffel fort. Neuer und letzter Moderator wurde 2005 Alexander Mazza.
heute
Seit 1963 (ZDF). Die Nachrichten des Zweiten Deutschen Fernsehens. Sie wurden erstmals an dem Tag ausgestrahlt, an dem das ZDF seinen Sendebetrieb aufnahm (1. April 1963).
Heute war als Konkurrenz und Kontrast zur Tagesschau konzipiert. Das ZDF griff die ARD einerseits über eine deutlich veränderte Präsentation an, andererseits durch den Beginn der Sendung: Die Menschen sollten schon vor der Tagesschau informiert sein, und das unterhaltsamer. Es gab weniger Textmeldungen und mehr Beiträge – insgesamt ähnelte heute im Vergleich zur Tagesschau eher einem Magazin. Die Sendung wurde nicht von einem Sprecher präsentiert, sondern von einem Redakteur, der größere Freiheiten hatte und nach angelsächsischem Modell locker moderieren sollte – das hielten Kritiker nicht nur am Anfang für nicht immer gelungen; auch drei Jahrzehnte später entzündete sich an der Person des Dauerlächlers Peter Hahne noch eine Diskussion über die Grenzen dieser Präsentationsform.
Von Beginn an wurden täglich mehrere heute-Ausgaben gesendet. Die halbstündige Hauptausgabe lief zunächst um 19.30 Uhr und war rund 25 Minuten lang. Von 1969 an begann die Sendung um 19.45 Uhr, war 30 Minuten lang und sendete damit teilweise direkt gegen die Tagesschau der ARD um 20.00 Uhr. Seinen dann jahrzehntelang festen Platz um 19.00 Uhr fand heute am 1. Oktober 1973. Mit der Vorverlegung, verbunden mit einer um acht Minuten kürzeren Sendezeit, reagierte das ZDF auf die veränderten Lebensgewohnheiten: Die Menschen kamen früher von der Arbeit nach Hause.
Trotz dieser Modernität und Flexibilität schaffte es heute nie dauerhaft, die Zuschauerzahlen der Tagesschau zu überholen. In den ersten Jahren hatte das ZDF auch noch das Handicap, dass es nur von der Hälfte der Fernsehgeräte überhaupt empfangen werden konnte. In den 70er- und 80er-Jahren schrumpfte dann der Vorsprung der Tagesschau, im Oktober 1973 lag heute in einer Woche erstmals vor der Tagesschau – das blieb allerdings die Ausnahme.
Auch in der Form veränderte sich heute. 1965 wurde die Sendung in einen Nachrichten- und einen Magazinteil namens „themen des tages“ getrennt. Diese strikte Trennung wurde 1969 wieder gelockert, die Sendung hatte aber weiterhin zwei Präsentatoren: einen für den Nachrichtenblock, einen für die „themen des tages“. Der glatten Tagesschau-Welt setzte heute ein revolutionäres Studiodesign entgegen: Schreibtische vor einer Backsteinmauer sollten den Charakter einer „Nachrichtenwerkstatt“ mit „echter Arbeitsatmosphäre“ vermitteln. Im Herbst 1976 gab es Aufregung um die Kleidung der Kameramänner, die in jeder Sendung kurz ins Bild kamen. Laut „Hörzu“ war der Jeans- und Lederjackenlook der Kameramänner „den ZDF-Bossen zu lässig“. ZDF-Intendant Karl Holzamer wollte „den Zuschauern die wenig reizvollen Rückansichten seiner Kameraleute ersparen“. Als Reaktion kamen daraufhin einige Kameramänner aus Jux mit Anzug und Krawatte zum Dienst.
Am 12. Mai 1971 geschah das Ungeheuerliche: Die aktuellen Ereignisse der Welt wurden erstmals von einer Frau zusammenfasst: Wibke Bruhns. Zu den ersten heute-Redakteuren im Studio gehörte Erich Helmensdorfer. Weitere Präsentatoren der Hauptausgabe waren: Werner Stratenschulte, Gustav Trampe, Fritz Schenk (alle bis 1968), Rudolf Radke, Karl Heinz Schwab (beide bis 1971), Hanns Joachim Friedrichs, Karl Günther Renz (beide 1969–1973), Karlheinz Rudolph (1971–1977), Horst Schättle (1972–1977), Dieter Zimmer (1973–1977), Otto Diepholz (1973–1991), Claus Seibel (1973–2003), Günther von Lojewski (1974), Karl-Heinz Wilsing (1974), Ekkehard Gahntz (1975–1978), Ulrike von Möllendorff (1978–1990), Klaus-Henning Arfert (1978–1980), Rut Speer (1979–1987; ab 1984 Rut von Wuthenau), Rainer Uebel (1980–1984), Axel Rückert (1981–1982), Volker Jelaffke (1984–1990), Brigitte Bastgen (1990–1997), Klaus Walther (1991), Peter Hahne (1991–1999), Katrin Müller (1993–1998), Klaus Peter Siegloch (1999–2002), Petra Gerster (seit 1998), Caroline Hamann (seit 2002), Steffen Seibert (seit 2003). In die Schlagzeilen geriet 1998 Brigitte Bastgen, als sie – vergeblich – vor Gericht gegen ihre Versetzung ins Nachmittagsprogramm klagte.
Im Lauf der Jahre differenzierte sich die Nachrichtenfamilie des ZDF mit den Ablegern heute-journal, heute nacht, heute aus den Ländern, heute Mittag, heute – in Europa und heute – in Deutschland.
Heute, Witze, Welke
Seit vielen Jahren pilotieren immer wieder Sender und Produktionsfirmen deutsche Adaptionen der Daily Show with Jon Stewart mit unterschiedlicher Besetzung, doch bisher war keine davon so erfolgversprechend, dass sie auch nur auf Sendung gegangen wäre. Ausreden und Spekulationen verliefen immer in zwei Richtungen: Der Polit- und Medienzirkus sei in Deutschland schlicht ein anderer und eine solche ironische Polit- und Mediensatire deshalb hierzulande nicht umsetzbar, und es gebe keinen Moderator in Deutschland, der Jon Stewart auch nur ansatzweise das Wasser reichen könne. Alle zwei Jahre kündigt Harald Schmidt an, sich an Jon Stewart orientieren zu wollen, zuletzt für diesen Herbst.
Gestern aber kam ihm das ZDF zuvor und versuchte es mit der heute-show mit Oliver Welke, die zwar nicht mehrmals wöchentlich, aber immerhin einmal im Monat laufen soll. Dafür könnte der Stoff sogar in Deutschland reichen.
Was viele überraschen dürfte: Die Show war gut. Natürlich reichte sie nicht an die Daily Show heran, aber hey, es war erst die Premiere. Man merkte den meisten Beteiligten an, dass sie vom Original nicht nur schon mal gehört, sondern es sogar schon mal gesehen hatten, und vor allem Martin Sonneborn und Christian Ehring als „Reporter“ erinnerten sehr an das was die Amerikaner so gut machen.
In der ZDF-Mediathek ist zwar nicht die komplette Sendung verfügbar, dort sind aber mehrere Ausschnitte zu sehen, die durch die Bank besser sind als das, was dort vorab als Werbevideo gezeigt wurde. Die gesamte Show wird heute im ZDFinfokanal, morgen im ZDFdokukanal und am Samstag in 3sat wiederholt.
Und falls Sie sich in einem Monat noch daran erinnern, sollten Sie am 23. Juni wirklich mal in die nächste Folge hineinschauen.
Hey, hey, Bully, hey, Bully, hey
Foto: Pro Sieben.
Immerhin wissen wir nun, dass die Antwort „Im Prinzip Ja“ lautet. Die Antwort auf die Frage, ob es möglich ist, eine Castingshow zu produzieren, die im Gegensatz zu Deutschland sucht den Superstar grundsätzlich menschenfreundlich ist, ohne so langweilig zu sein wie Gottschalks Musical Showstar 2008.
Bully sucht also Leute, die in seiner Verfilmung von Wickie und die starken Männer, die 2009 ins Kino kommen soll, Gorm, Urobe, Ulme, Faxe, Tjure und Snorre spielen. Was die Voraussetzungen sind, ist nicht ganz klar; irgendeine äußerliche Ähnlichkeit ist offenbar hilfreich, aber nicht notwendig, dasselbe gilt für schauspielerisches Talent. Gute Typen sind gesucht, und einige haben sich auch zum Vorsprechen beworben.
Da ist Alexander Mayer, ein junger Bayer, der in Tracht gekommen ist und in breitem Bayerisch spricht, aber behauptet, hochdeutsch nicht nur sprechen zu können, sondern gelegentlich sogar zu denken (was sich spontan aber nicht überprüfen lässt). Er ist sensationell sympathisch, halbfreiwillig komisch — nur der Gedanke, ihn als Schauspieler zu engagieren, drängt sich nachhaltig nicht auf. Es ist herzzerreißend, seine ungläubige Enttäuschung zu sehen, als er erfährt, dass es nichts wird mit der Rolle. Das ist besonders tragisch, denn Alexander sagt: „Bully, ich glaub, ich bin dein größter Fan.“ Andererseits ist er deshalb schon grenzenlos glücklich, Bully überhaupt getroffen haben zu dürfen. Ein Autogramm wünscht er sich noch. Bully will es ihm auf den Wikingerhelm schreiben, den Alexander mitgebracht hat und aufgeregt zwischen den Fingern dreht, bloß: „Des is aber ein Leihhelm…“ Es findet sich schließlich ein Poster, das er unterschrieben mitnehmen kann, und als Alexander auch von Jürgen Vogel ein Autogramm bekommt, sagt er dem Schauspieler noch, fast als wollte er ihn trösten: „Ich find dich auch klasse.“
Aus ganz Deutschland sind sie angereist für dieses Casting, aber es liegt eine angenehm entspannte Atmosphäre über dem Ganzen: dass es hier nicht darum geht, Deutschlands nächster Super-Wikinger zu werden oder sich ein Lebensziel zu erfüllen, für das man seit seiner Geburt Gesangstunden nimmt. Es ist eine unverhoffte Chance, ein wunderbarer Traum, nicht mehr und nicht weniger.
In kleinen Rollenspielen müssen sich die Kandidaten präsentieren, und dass die meisten von ihnen bessere Selbstdarsteller als Anderedarsteller sind, tut der Unterhaltsamkeit keinen Abbruch. Viele kleine Männer sind gekommen (manche scheinen sogar noch kleiner zu sein als Jürgen Vogel) und bewerben sich darum, als Snorre groß rauszukommen. Aber auch für langsame, tumbe, lange und alte Bewerber bietet das zu castende Wikinger-Ensemble ja Chancen. Außer Bully und Jürgen Vogel sitzt ihnen die Produzentin Rita Serra-Roll gegenüber, und gemeinsam zeigt die Jury nicht nur gelegentlich eine unerklärliche Großzügigkeit, was das Verteilen von Helmen angeht, die zur Teilnahme am „Recall“ berechtigen, sondern auch eine wunderbare Dankbarkeit für unbrauchbare, aber unterhaltsame Vorstellungen, die sie hier sehen. „Das war ’ne schöne Lebenszeit“, sagt Jürgen Vogel einmal.
Bully sucht die starken Männer wäre, mit anderen Worten, eine anständige, teilweise fast zarte Show geworden — wenn sie nur (höchstens!) halb so lang gewesen wäre und die Produzenten allein der Kraft dieser Casting-Auftritte vertraut hätten. Leider versucht ein nerviger Off-Sprecher, eine offenkundig nicht vorhandene Dramatik in die Szenen zu quatschen, und zwischendurch gibt es immer wieder Promotion-Szenen für den Film und Ausschnitte vom konventionell veranstalteten Kindercasting für die Hauptrolle des Wickie, die ebenso lang wie weilig sind. Am Ende bewirbt sich „überraschend“ noch Günther Kaufmann um die Rolle des Faxe, wird aber abgelehnt und ist schon halb zur Tür raus, als ihm Bully plötzlich in Zeitlupe verspricht, stattdessen aber die Rolle des schrecklichen Sven spielen zu dürfen.
Das hätt’s wirklich nicht gebraucht.
Hi! Raten Sie mal…
Fotos: ZDF
Was haben wir Linda de Mol vermisst! Verzeihung – falsche Interpunktion. Was? Haben wir Linda de Mol vermisst? Nun, jetzt ist sie wieder da, und mit ihr die alte RTL-Show Traumhochzeit, diesmal als „der romantischste Event des Jahres“ im ZDF. Nach dem Schloss am Wörthersee, Johannes B. Kerner, Jörg Pilawa und dem Bergdoktor ist die Traumhochzeit die nächste Schöpfung des Privatfernsehens, die ins öffentlich-rechtliche Fernsehen gewandert ist, nächstes Jahr folgt noch Kommissar Rex — solange die Privaten heute weiter Programm produzieren, ist der Fortbestand von ARD und ZDF also auch in 15 Jahren noch gesichert.
Ist es sinnvoll, den Ablauf einer Sendung zu protokollieren, die jahrelang zu Recht ein Sensationserfolg war und allgemein bekannt sein dürfte? Man kann’s ja mal versuchen. Ein paar Gehässigkeiten und flache Witze kommen vielleicht dabei heraus.
20.15 Uhr: Die Traumhochzeit wird heute erstmals im 16:9-Format ausgestrahlt. Damit hätte man rechnen können. Nach so vielen Ehejahren gehen viele Verheiratete in die Breite.
20.18 Uhr: Als erstes Paar treten zwei Heiratswillige über 40 auf. Vermutlich, damit sich die ZDF-Zuschauer nur an die Hochzeit ihrer Kinder erinnert fühlen und nicht gleich an die ihrer Enkel.
20.45 Uhr: Nach den drei originellen Heiratsanträgen mit versteckter Kamera geht es im ersten Spiel darum, sich möglichst lang in einem Rodeo-Ehebett festzuhalten. Linda de Mol macht den nahe liegenden schlüpfrigen Witz über die Hochzeitsnacht und liest dann allen Ernstes einfache Rechenaufgaben vor, um die Rüttelbettaufgabe zu erschweren.
20.53 Uhr: Zum Grundkonzept gehört es jetzt, dass nach jeder Spielrunde das Siegerpaar eins von drei Hochzeitsgeschenken aussuchen muss. Dabei geht es darum, richtig den Wert einzuschätzen und das preisgünstigste auszuwählen, denn am Ende kommt das Paar ins Finale, das die bescheidensten Geschenke angesammelt hat. Welch eine Verschwendung. Der Preis ist heiß hätte man doch als eigene Show ins ZDF holen können.
20.56 Uhr: Auftritt Johann Lafer und Horst Lichter. Auch damit hätte man nach dem Wechsel ins ZDF rechnen müssen. Die treten ja in jeder ZDF-Sendung auf. Bald moderieren sie bestimmt auch das heute-journal. Ich frage mich, ob es später eine Rückkehr des Traumhochzeit-Standesbeamtenoriginals Willy Weber geben wird oder ob mit Horst Lichter die Zwirbelbarthöchstgrenze bereits erreicht ist.
21.05 Uhr: Die Paare kochen um die Wette, und Lafer und Lichter essen test. Welch eine Verschwendung. Die Kocharena hätte man doch in 15 Jahren als eigene Show ins ZDF holen können.
21.22 Uhr: Die potenziellen Bräute haben vor der Show die Namen von 25 Paaren, ihre Hochzeitsdaten, die Orte der Trauung und die Anzahl und ggf. Namen der Kinder auswendig gelernt und sollen das alles nun im Angesicht der Bräute aufsagen. Und sie können das auch noch! Ich bin beeindruckt und halte es für einen Trick, denn ich konnte mir über viele Jahre nicht mal merken, was meine eigene Freundin beruflich macht.
21.30 Uhr: Das Spiel war tatsächlich spannend. Und das nächste ist es auch: Die Champagnerpyramide. Gläser rausziehen bis zum Einsturz.
21.40 Uhr: Einsturz.
21.49 Uhr: Die Show hängt jetzt ein bisschen in der Luft. Halt: Die Kandidaten tun es: Drei Paare hängen in luftiger Höhe an Seilen und halten sich aneinander fest. Wer am längsten festhält, gewinnt.
21.53 Uhr: Die Gewinnerin heult. Wann folgt Linda?
22.05 Uhr: Das Paar, das vom letzten Spiel noch orange Overalls trägt, hat die billigsten Preise angesammelt und darf deshalb gleich heiraten. Wäre es nicht lustig, wenn sie sich dafür nicht mehr umziehen dürften und aussähen wie von der Müllabfuhr?
22.09 Uhr: Schade. Er trägt einen Anzug. Dann würde ich jetzt viel Geld darauf verwetten, dass sie ein Brautkleid trägt.
22.10 Uhr: Eben.
22.12 Uhr: Das ist nicht Willy Weber. Aber wenigstens hat er einen Schnauzbart.
22.18 Uhr: Linda hat vergessen zu heulen, verabschiedet sich aber wenigstens wie gewohnt mit „Dag!“
So. Ich bilanziere mal nüchtern (haha, Riesengag): Ganz ehrlich, das war schon schön. Die Traumhochzeit ist eine Show aus der Zeit, als die große Abendshow noch nicht als tot galt, und sie lebt auch heute noch. Die Neuauflage hatte ein paar Längen, erfüllte aber insgesamt die Anforderungen an ein unterhaltsames Abendprogramm, zog mich sogar ein paar Mal vom Kühlschrank zum Fernseher zurück, weil die Spiele spannend wurden.
Und wer das anders sieht, sollte der Traumhochzeit zumindest zugute halten, dass ihretwegen heute kein Rosamunde-Pilcher-Film kam.
Quoten-Update 12. Mai:
Überraschende Zuschauerzahlen: Nicht einmal drei Milllionen sahen insgesamt zu, was dafür spräche, dass es bei einer einmaligen Neuauflage bleiben könnte. Bei den Menschen unter 50 lag die Traumhochzeit allerdings gut zwei Prozentpunkte oder rund 30 Prozent über dem ZDF-Senderschnitt.
Hillaryous Night
Als Wolf Blitzer vergangene Nacht bei CNN voller Stolz eröffnete, CNN könne nun vorhersagen, John McCain werde der Präsidentschaftskandidat der republikanischen Partei, wirkte er ein bisschen, als habe er gerade das Feuer erfunden. Oder zumindest das Rad. Mensch, das war aber auch eine Überraschung. Das hätte mein Bäcker nicht vorhersagen können. Zumindest nicht mit so einer tollen „Breaking News“-Fanfare vorneweg.
Auf demokratischer Seite ist das Rennen wieder offen, nachdem Hillary Clinton übers Wochenende offenbar noch ein paar Last-Minute-Sympathien gesammelt hat, unter anderem mit einem Auftritt in der quotenstarken Comedyshow Saturday Night Live, in der sie in einem Sketch mitwirkte, der sich zwar über sie lustig machte, aber im Endeffekt ein zehnminütiger Wahlkampfspot für sie war, und mit einem ausführlichen Interview mit Jon Stewart in dessen Daily Show am Abend vor der Wahl.
Wenn man sie selbst fragt, ist das Rennen natürlich weit weniger offen.
Wie Ohio wählt, so wird das ganze Land wählen!
Ja dann. Clinton gewann Ohio mit überzeugenden 54 Prozent.
Aber gewann auf republikanischer Seite John McCain in Ohio nicht sogar mit 60 Prozent?
Die heute-Nachrichten im ZDF zeigten außerdem den Ausschnitt aus der CBS Early Show, in dem Clinton, die insgesamt weiter rund 100 Delegiertenstimmen hinter Obama zurückliegt, eine Gemeinschaftskandidatur mit Obama in Erwägung zieht, bei der einer von beiden eben Vizepräsident würde.
Alles klar. Hillary Clinton wird Präsidentin von Ohio.