Bretter, die die Welt bedeuten
1981-1982 (ARD). „Erfahrungen einer jungen Schauspielerin“. 8-tlg. dt. Theaterserie von Dieter Wedel und Til Erwig, Regie: Dieter Wedel, Tom Toelle, Harald Clemens und Clois Hawlik.
Andrea Schilling (Ute Christensen) bekommt nach zwei Jahren Schauspielunterricht ihr erstes Engagement: am Stadttheater Neubern. Das ganz große Talent ist sie nicht, aber Inspizient Etzold (Klaus Herm) kümmert sich um sie. Etzold ist selbst gescheiterter Schauspieler und versucht seine Tochter Susanne (Dietlinde Turban) davon abzuhalten, ebenfalls Geschmack am Theater zu finden. Intendant in Neubern ist Kretschmann (Hans Häckermann), Oberspielleiter ist Gehlen (Siegfried W. Kernen). Nachdem sie reichlich tragische Geschichten von ehemaligen und verhinderten Stars erlebt hat, verlässt Andrea das Theater für eine Schallplattenkarriere. Ob ihr Talent dazu ausreicht, ist fraglich, aber wenigstens sieht sie klasse aus.
Die einstündigen Folgen liefen im regionalen Vorabendprogramm.
Brigitte Nielsen will nicht mehr die dicksten Kartoffeln haben
Bevor sie nach Deutschland geflogen ist, um sich von einem Arzt in Darmstadt 20 Jahre jünger operieren zu lassen, hat sich Brigitte Nielsen sicherheitshalber noch mit Jackie Stallone getroffen, der Mutter ihres Ex-Mannes Sylvester. Die soll so etwas sein wie das Orakel von Hollywood, weiß RTL, und wollte ihr mit der Tarot-Kunst verraten, ob das eine gute Idee ist mit der Operiererei.
Nun ist es, ohne Frage, eine gute Idee, sich mit Mutter Stallone zu treffen, bevor man überlegt, sich das Gesicht liften zu lassen. Etwas abwegig ist es nur, ihr dabei in die Karten zu schauen und nicht ins Gesicht. Jackie Stallones Gesicht sieht ungefähr so aus, als hätten die Knautschpuppenmacher von Spitting Image versucht, ein Werk von Picasso zu animieren. Oder anders gesagt: In der Szene, in der sie ausgerechnet vor einer Gummipuppe von Frankenstein sitzt, muss man schon genau die Augen zusammenzukneifen, um beide auseinanderhalten zu können.
Das hätte also eine lustige Sendung werden können: Die vierteilige RTL-Doku-Soap Aus alt mach neu, die zeigt, wie Brigitte Nielsen sich Fett absaugen, unters Gesicht spritzen, die Zähne machen und den Busen verkleinern lässt. Wir erfahren zum Beispiel, dass ihr junger Ehemann ihre Brüste „seine Kartoffeln“ nennt. Und der Arzt, Dr. Gerhard Sattler, erzählt mit der vermutlich nicht einmal bösartig gemeinten Direktheit des Mediziners nach einem ersten gründlichen Blick in die Krater von Frau Nielsens Gesichtslandschaft: „Auf jeden Fall ist sie vorgealtert, und auf jeden Fall deutlich vorgealtert, wenn sie 44 sein soll.“ (Das muss man nämlich wissen, wenn man hört, dass sie nach der Operation 20 Jahre jünger aussehen will: dass Mitte 40 dabei nicht der Ausgangszustand, sondern das Ziel ist.)
Die Sendung ist dann aber doch nicht lustig, sondern nur lang geworden. Damit der Stoff für rund insgesamt rund viereinhalb Stunden Fernsehen reicht, musste RTL ihn strecken — und gegen die integrierten Kurzfilme „Frau Nielsen kauft sich in einem deutschen Kaufhaus einen Pyjama“ oder „Frau Nielsen trifft ihren unbekannten Zimmernachbarn im Krankenhaus, der auch irgendetwas hat machen lassen und ihr irgendetwas schenkt“ wirken selbst die Rocky-Filme wie kurzweilige Meisterwerke der Spannung.
Es ist kein Aufreger, kein Spektakel irgendeiner Art geworden, sondern nur ein weiteres Produkt vom Fließband der unendlich einfältigen RTL-Produktionen. Martina Taubert, die legendäre Mitarbeiterin, die es immer wieder schafft, die Reichen und Schönen dazu zu bewegen, Geheimnisse von sich preiszugeben, von denen sie selbst nicht wussten, dass sie sie hatten, und die auch Brigitte Nielsen dazu gebracht hat, sich von RTL beim Operieren zugucken lassen, ist zwar eine Art Promi-Flüsterin. Sie kann nur keine Filme machen. Aus Alt mach neu hat keine Idee, keine Struktur, keine Haltung, keinen Witz. Was ein bösartiges, entlarvendes, witziges oder auch schockierendes Stück Fernsehen hätte werden können, schnippelt nur planlos Szenen aneinander und lässt sie von der unerträglichen RTL-Stimme totreden.
Das hat manchmal nette Momente unfreiwilliger Komik: Wenn der Sprecher angesichts des Vorher-Anblicks des Ex-Models sagt: „Mit diesen Implatanten und dieser Körperform kann man heute kein Geld mehr verdienen“ — als würde Frau Nielsen nicht gerade mit dieser von RTL bezahlten Dokumentation beweisen, wie man es doch macht. Oder wenn der Film in einem Rückblick auf das Lotterleben von Brigitte Nielsen auch ihre (nach allem, was man weiß, erfolgreiche) Teilnahme an einer Entziehungskur im Fernsehen zeigt und hinzufügt: „Auch kein Ruhmesblatt. All das will die 44-Jährige jetzt hinter sich lassen“ — und die Ironie dieses Satzes gerade in dieser exhibitionistischen Dokumentation nicht bemerkt.
Was am Ende außer Langeweile bleibt, ist ein bisschen Mitleid mit dieser Frau, der man überdeutlich anmerkt, wie aufgesetzt ihre lauten Sprüche und ihre gute Laune sind. (Und dabei weiß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal, dass ihr Jack Russel „Joker“ während der Dreharbeiten stirbt; bei einer Operation, in der ihm sein einziger Hoden wegoperieren werden sollte.)
„Das schreibt mit Sicherheit Fernsehgeschichte“, hat der Arzt vor der Operation (an Frau Nielsen, nicht dem Hund) gesagt. Vermutlich kann man grundsätzlich ausschließen, dass eine Sendung, die das vorab schon von sich behauptet, es auch tut.
Und überhaupt: Als ob irgendetwas, das der Schönheitschirurg in seinem Krankenhaus mit Brigitte Nielsen macht, auch nur halb so blutig und brutal sein könnte wie das, was Joan Rivers in ihrer Show mit ihr anstellte:
Brisant
Seit 1994 (ARD). Tägliches Boulevardmagazin mit Klatsch und Tratsch, Unglücken und Katastrophen, Service und ausführlichem Biowetter.
Brisant war die öffentlich-rechtliche Antwort auf Explosiv und Blitz. Der produzierende MDR hatte keine Berührungsängste und versprach zum Start sogar „Know-how von den Privaten“. Erster Redaktionsleiter war der spätere Sat.1-Chefredakteur Jörg Howe. Die Sendung wollte Themen der „Bild“-Zeitung aufgreifen, Unterschiede sollte es allerdings bei der Umsetzung geben. Der Sender formulierte den Spagat so: „Ohne Scheuklappen, aber mit Niveau. Frech und doch sensibel. Investigativ statt voyeuristisch. Nicht reißerisch, aber rasant, nicht marktschreierisch, aber mitreißend.“ Natürlich sahen das Kritiker, auch ARD-intern, nicht so unproblematisch: Schon vor dem Start gab es heftige Diskussionen, ob sich so eine Sendung mit dem öffentlich-rechtlichen Programmauftrag vereinbaren lasse.
Es moderierten im Wechsel: Anja Wolf (die später Anja Charlet hieß; 1994), Andreas Spellig (1994–1996), Axel Bulthaupt (1994–2003), Ines Krüger (1997–2004), Griseldis Wenner (die anfangs noch Griseldis Promnitz hieß; seit 1995), Alexander Mazza (2004–2007) und René Kindermann (seit 2008). Maskottchen ist Wuschel, eine schwarze Figur mit drei dicken grünen Haaren und einer langen roten Nase, gezeichnet von dem Cartoonisten Graf Rothkirch.
Brisant ist eine halbe Stunde lang und wird montags bis freitags gegen 17.15 Uhr ausgestrahlt, seit Mitte 1996 auch samstags. 1997 und 1998 lief im MDR einmal im Monat ein Ableger namens „Brisant Privat“, in dem Axel Bulthaupt mit Prominenten plauderte.
Brot für die Gülcan
Taa-ramm-ta-taaaa, taa-raam-ta-taaaa.
Jetzt freuen wir uns alle ein dolles zweites Loch in den Bauch, denn auf ProSieben wird heute Abend mal ganz ordentlich Gülcan verheiratet und ihr ein neuer Nachname verpasst, den sie dann ebenso wenig benutzen wird wie ihren alten.
Ist es Zufall, dass auf Vox zur gleichen Zeit schon wieder Leute auswandern?
20.16 Uhr: Oben im Eck steht „live“. Wir wissen, dass das im Privatfernsehen nicht unbedingt heißen muss, dass die Sendung live ist, aber die konfuse Regie deutet darauf hin. Moderator Steven Gätjen steht im Bild, moderiert aber gerade gar nicht, fängt dafür aber an zu moderieren, als er nicht mehr im Bild ist. Als man ihn wieder sieht, macht er ein todernstes Gesicht, als kommentiere er gerade nicht den schönsten Tag im Leben zweier Menschen, sondern eine ganz schlimme Katastrophe. Was aus fernsehhistorischer Sicht ja sein mag.
20.21 Uhr: Gülcan ist also Deutschlands beliebtesteste Moderatorin und Entertainerin. Sagt der Off-Sprecher. Und der würde doch an einem Tag wie heute nicht lügen.
20.26 Uhr: Aha. Es gibt also nicht nur einen Moderator (Gätjen) und eine Reporterin (Natascha Berg) für diese Hochzeit, sondern auch noch einen Kommentator (Torgen Schneider). Warum nicht Werner Schneyder? Oder Kai Ebel?
20.28 Uhr: Wie war das mit der Katastrophe? Über den Hochzeitsort Travemünde wurde bereits der Ausnahmezustand verhängt. Frau Berg sprach jedenfalls davon, die Stadt befinde sich im Ausnahmezustand.
20.32 Uhr: Breaking News: Die Mutter des Bräutigams ist nervös. Wo bleibt die Laufschrift?
20.35 Uhr: Bloß nichts Unerwartetes tun. Deshalb gibt es natürlich auch in dieser Sendung etwas zu gewinnen, wenn man anruft: „Welche Farbe trägt die Braut bei der Hochzeit: weiß oder camouflage?“ Nun, bisher haben wir die Braut noch nicht gesehen, das spräche also für camouflage.
20.45 Uhr: Ein Typ von der „Bravo“ kennt Gülcan schon lange. Und Mola Adebisi ist da. Mensch, dass der heute Abend Zeit hatte.
20.48 Uhr: Sie kennen das ja. Der Moment des Ja-Worts ist rührend und die Feier ganz schön, aber dann gibt es bei solchen Festen immer so viele laienhafte Vorträge, unlustige Sketche, verwackelte Filme oder schiefe Lieder von Freunden oder Familienmitgliedern des Brautpaares, die viel zu lang und nur für wirklich ganz, ganz enge Freunde des Paares unterhaltsam sind, während sich alle anderen da durchquälen. Das ist auch heute so mit den Filmchen, die ProSieben vorbereitet hat. Gerade geht’s ums Schuhekaufen. Unfair ist, dass hier niemand vorbeikommt, der mir Alkohol reicht.
20.50 Uhr: Ich fasse es nicht. Kai Ebel ist tatsächlich da.
20.52 Uhr: Eine Grafik verdeutlicht den Weg, den die Kutsche mit Gülcan zur Hochzeit fahren wird. Leider wird dieses spannende Programmelement abgebrochen, weil die echte Kutsche gezeigt werden muss.
21.02 Uhr: Schon wieder eine Werbepause rum, und Gülcans Traumhochzeit ist immer noch auf Sendung. Ich kann mich nicht erinnern, wann es das letzte Mal so lange gedauert hat, bis etwas auf ProSieben abgesetzt wurde.
21.04 Uhr: Natascha Berg (vor lautem Hubschrauber zu Hochzeitsgast): „Wo kommt ihr denn her?“
Gast: „Wie bitte?“
Berg: „Ach egal.“
Stimmt, unter diesem Motto scheint der ganze Abend zu stehen.
21.17 Uhr: Wir lernen, dass Mola Adebisi ein Überraschungsgast auf der Hochzeit ist, von dem Gülcan noch nichts weiß. Ha! Hab ich’s mir doch gedacht: Er ist gar nicht eingeladen.
21.21 Uhr: Kinder halten „Gülcan, wir lieben dich!“-Schilder in die Kamera. Niemand hat eins mit der Aufschrift: „Sebastian, ich will ein Kind von dir!“ Vielleicht bringt Gülcan ja eins mit.
21.22 Uhr: Der Bräutigam Sebastian Kamps erscheint, und dazu ertönt David Hasselhoffs „Looking For Freedom“. Das ist nämlich sein Lieblingslied. Was soll ich darüber noch schreiben? David Hasselhoff selbst jedenfalls konnte leider nicht kommen.
21.24 Uhr: Dafür tritt jetzt Natasha Bedingfield auf. Ein echter internationaler Popstar! Was macht die denn da?
21:35 Uhr: Eine High-Society-Information für alle, die an Styling, Mode und Kram interessiert sind: Die Braut trägt ein Kleid, Schuhe und eine Frisur.
21.51 Uhr: Noch eine kleine Clip-Show vor der Trauung mit Bildern des sich liebenden Paares. Dazu ein harmonisches Liebeslied. Und gleichzeitig das laute ProSieben-BING!!!, das jede Einblendung begleitet. Wie romantisch!
21.55 Uhr: Der Bräutigam schwitzt. Warum muss man bei Hochzeiten auch immer so warme Anzüge tragen?
21.56 Uhr: Vielleicht ist es auch nur das viele Haargel, das verläuft.
21.58 Uhr: Der Standesbeamte zitiert Roger Cicero. Warum nicht. Er hätte auch Dieter Bohlen oder Mola zitieren können.
22.00 Uhr: Jetzt haben wir einen echten dieser vorhin angesprochenen Vorträge. Comedy mit dem Trauzeugen. Riesennummer. Ein Bier bitte!
22.02 Uhr: Ich habe gerade ein bisschen Angst, dass dieser Trauzeuge bald in Panel-Shows der ProSiebenSat.1-Gruppe sitzt.
22.04 Uhr: „Ja, ich will.“
22.04 Uhr: „Ja, ich will.“
22.05 Uhr: Standesbeamter: „Frau Kamps…“
Gülcan: „Stimmt!“
Kommentator: „Ach, die Gülli!“
22.05 Uhr: Interessante Kameraperspektive beim Ringetausch: Senkrecht in ihr Dekolleté.
22.08 Uhr: Werbung und noch einmal die Gewinnspielfrage nach der Farbe des Brautkleides. Der Kameraperspektive von eben zufolge weiterhin camouflage. Außerdem der Hinweis auf die gleich folgenden Spielerinterviews am Spielfeldrand Statements der Hochzeitsgäste. Ja, gut, äh, sicherlich, ich sag mal…
22.23 Uhr: Da denkt man gerade, man sei aus dem Gröbsten raus, da tritt Scooter auf. Ich wiederhole: Scooter. Also, damit Sie mich richtig verstehen: Scooter. Der blonde Techno-Schreihals mit seiner „Band“, zu deren größten Hits „Hyper, Hpyer!“ und „Move Your Ass!“ zählen. Oder, um es in ihrer Lautstärke zu vermelden: S C O O T E R T R I T T A U F ! ! !
Kann ein solcher Abend romantischer ausklingen?
22.29 Uhr: Steven Gätjen steht vor dem Geschenketisch und zählt Zeug auf, und es wirkt ein bisschen wie damals, als sich Kandidaten im Glücksrad aus der gelben Gewinnpalette den Toaster, das Nagelset und für den Horst die Chromtöpfe aussuchen durften.
22.33 Uhr: Eine Jasmin hat den Brautstrauß gefangen, aber keinen Freund. Steven Gätjen ist davon überzeugt, dass „sich bei so einer Hochzeit jemand findet, der sie an die Hand nimmt und heiratet.“ Wie, heute noch? Wollen die das etwa auch noch übertragen?
22.35 Uhr: Fertig. Fast nach Zeitplan. Gute Nacht allerseits. Und nicht vergessen, morgen früh das Bettlaken rauszuhängen.
Brothers & Sisters
Seit 2007 (ProSieben). US-Familienserie von Jon Robin Baitz („Brothers & Sisters“; seit 2006).
Die Großfamilie Walker ordnet sich neu. Politmoderatorin Kitty (Calista Flockhart) kommt ohne ihren Freund aus New York nach Los Angeles, um eine Fernsehshow zu übernehmen. Dort leben ihre Schwester Sarah (Rachel Griffiths), ihre Brüder Tommy (Balthazar Getty), Justin (Dave Annable) und Kevin (Matthew Rhys) und Mutter Nora (Sally Field). Vater William (Tom Skerritt) stirbt noch in der Pilotfolge und hinterlässt das Familienunternemen Ojai Foods Sarah und Tommy. Ihr Onkel Saul Holden (Ron Rifkin) ist dort der Buchhalter. Den dunklen Betriebsgeheimnissen, die er schon kennt, müssen die Anderen erst noch auf die Schliche kommen. Das private Geheimnis, dass der gute Papa eine Affäre mit Holly Harper (Patricia Wettig) hatte, kommt schnell ans Licht. Tommy ist mit Julia (Sarah Morris) verheiratet und Sarah mit dem Gitarrenlehrer Joe Whedon (John Pyper-Ferguson), die gemeinsame Tochter heißt Paige (Kerris Dorsey). Justin, der Jüngste, hat wechselnde Partnerinnen und ein Drogenproblem, das eine Folge seiner Armeezeit in Afghanistan ist. Anwalt Kevin hat wechselnde männliche Partner. In der Mitte der ersten Staffel bekommt die Familie noch nachträglichen Zuwachs, als Rebecca Harper (Emily VanCamp) auftaucht, eine uneheliche Tochter aus Vaters Affäre. Kitty wird Pressesprecherin bei Senator Robert McCallister (Rob Lowe).
Mischung aus Familiendrama, Comedy und Soap mit der bewährten Mischung aus Gags, Intrigen, Geheimnissen und Schicksalsschlägen. Die einstündigen Folgen der ersten Staffel liefen mittwochs um 22.15 Uhr.
Bruce ist nicht allmächtig
Eine Frau schenkt sich zwei Gläser harten Alkohol ein und bringt eines davon ihrem Mann, der vor dem Fernseher sitzt und raucht. Wir sind in Frankreich, im offenbar einzigen Land der Erde, in dem Familienväter noch in geschlossenen Räumen rauchen. Durch die nächste Einstellung laufen afrikanische Buschmänner in Baströckchen und unterhalten sich in unverständlicher Buschmannsprache. Die Franzosen aus der vorherigen Szene konnten aber Deutsch. Die Amerikaner und Mexikaner auch. Nur der Naturmensch im afrikanischen Busch nicht. Dann schlägt ein Komet auf der Erde ein.
Die zweiteilige ZDF-Doku Armageddon — Der Einschlag ist eine internationale Co-Produktion, die der Frage nachgeht, was passieren würde, wenn der Komet, der vor 65 Millionen Jahren die Saurier von der Erde fegte, heute einschlüge.
Schade aber, dass eine wissenschaftlich fundierte, sehr aufwändig gedrehte Dokumentation mit so platten Klischees spielen muss. Vielleicht funktioniert es aber auch deshalb so gut, denn wir alle wurden mit den platten Klischees aus Hollywood sozialisiert.
Zwischen den Spielszenen sitzen (echte) Wissenschaftler verschiedener Disziplinen an einem Tisch und erklären die möglichen Auswirkungen eines Kometeneinschlags für die Erde und unsere Gesellschaft. Das sieht in den ersten Minuten leider sehr nach Galileo Mystery aus, wird aber dann deutlich besser. Ebenso die Spielszenen, die die Geschichte benötigt, um mit vielen Bildern und Gott sei Dank wenig schmalzigen Dialogen die menschliche Tragödie einer solchen Katastrophe zu zeigen. Und es wird eine Katastrophe, denn nicht einmal Bruce Willis und seine Atombomben würden einen großen Kometen im realen Leben auch nur einen Millimeter von seiner Bahn abbringen. Die Doku endet nicht mit dem Einschlag und den verheerenden direkten Auswirkungen, sondern stellt auch die Frage, was aus unserer Gesellschaft wird, und ob wir vielleicht ohne unsere ganzen technischen Errungenschaften in einem zweiten Mittelalter landen.
Wer sich gerne die schlimmste aller Möglichkeiten ausmalt, sollte nächsten Dienstag beim zweiten Teil wieder reinschauen, wenn es heißt: Armageddon! 20.15 Uhr im ZDF.
Bruce will es
BREAKING NEWS: Britney Spears hat eine öffentliche Toilette besucht! Ist das nicht der helle Wahnsinn? Hab ich bei Exclusiv gesehen, weil Bruce noch nicht angefangen hatte.
Bruce.
„Positiv sollten Sie den Tag beginnen“, hat vor vielen Jahrzehnten mal eine ARD-Radiocomedyfigur gepredigt, und das ARD-Fernsehen hat es jetzt geschafft, diese Botschaft auf eine Viertelstunde Vorabendprogramm auszudehnen. Und es ist gut, wenn man das weiß und sich diese grundsätzliche Botschaft merkt, denn im Einzelnen versteht man natürlich nicht immer, was Bruce Darnell eigentlich will. Das hat nicht nur sprachliche Gründe, sondern auch inhaltliche. Aber es steckte bestimmt eine Botschaft dahinter, als Bruce gefühlte Minuten lang mit seinen Fingern auf die Bank trommelte und Wochentage aufzählte.
„Technisch absolut Top: Optik, Farben, Kulisse und Musik, wunderschön komponiert die ganze Sendung“, schreibt Thomas in den Kommentaren zu meiner Vorschau, und das kann man genau so stehen lassen. Man kann sogar noch mehr Positives sagen: Im Gegensatz zu ähnlich gedachten Realityshows anderer Sender wird hier niemand menschenverachtend vorgeführt, und diese positive, lebensbejahende Grundstimmung zieht sich durch die ganze Viertelstunde. Es kommt auf den Menschen in Dir an, nicht auf Dein Äußeres, bläut Bruce der 22-jährigen Studentin Christina ein, die ihre Brüste für zu klein und ihr Äußeres insgesamt grundlos für unattraktiv hält. Ihrer Mutter verspricht er, dafür zu sorgen, dass Christina nicht zu irgendwem geht, um sich die Brüste vergrößern zu lassen. Dabei betont er das Wort „irgendwem“ so merkwürdig, dass ich für einen kurzen Moment Angst hatte, er habe selbst einen anerkannten Experten mitgebracht, um Christina die Brüste zu vergrößern. Die Angst war unbegründet, Bruce betont ja alles merkwürdig.
Bruce redet auf Christina ein, heult ein bisschen mit ihr, nennt noch ein paar Wochentage und bemüht sich um Überzeugungsarbeit. Immer wieder will er ihr Selbstvertrauen stärken, den Glauben an sich, will, dass sie sich selbst akzeptiert und wohlfühlt, zeigt ihr sogar Fotos von Topmodels, die eine ähnliche Figur haben wie sie — und legt dabei wieder so eine merkwürdige Betonung auf „Topmodel“, aber das kann daran gelegen haben, dass er immer noch glaubt, in seiner alten Sendung zu sein.
Und hier kommt das Problem, das ich mit der Sendung habe und der Grund, warum ich mehrfach von einer Viertelstunde schrieb, obwohl die Sendung zwanzig Minuten lang ist: Eine hübsche Frau wie Christina, die ihren Körper hasst, bräuchte eigentlich Hilfe von einem Psychologen. Sie kam aber zu Bruce. Bruce ist ein Stylingberater. Die Show trägt den Untertitel „Eure Styling-Show“. Und deshalb verpasste er am Ende Christina zwar keine größeren Brüste, entstellte ihre natürliche Schönheit aber, indem er ihr aufdringliche Schminke um die Augen malen ließ und ihr eine Frisur wie eine Perücke aufsetzte. Das hübsche Gesicht war kaum noch zu erkennen, und aus der einzigartigen jungen Frau war eine geworden, die so austauschbar aussah wie in einem Allerweltskatalog, den der Postbote in die Regenpfütze vor dem Haus wirft.
Christina fühlte sich in dieser neuen Optik wohler, sagte sie. Insofern hat Bruce zumindest diese Aufgabe erfüllt. Christinas eigentliches Problem besteht indes vermutlich fort. Und die komplette erste Viertelstunde seiner Show entlarvte Bruce als wertloses Geschwätz, weil er am Ende zeigte, dass es eben doch aufs Äußere ankommt.
Wer nur die erste Viertelstunde von Bruce gesehen hat, wird es für eine richtig schöne Sendung gehalten haben.
Bruder Esel
1996 (RTL). 13-tlg. dt. Familienserie von Johannes Reben.
Der Franziskanerpater Ludger Spengler (Dieter Pfaff) tritt nach 20 Jahren aus dem Orden aus, weil er sich in Theres Spitzer (Renate Krössner) verliebt hat, die in Münster eine Gaststätte betreibt. Ludger zieht zu ihr und ihren drei Kindern Beppa (Miriam Horwitz), Floriane (Anna Katharina von Berg) und Henry (Bilal Diallo), die jeweils einen anderen Vater haben. Mit im Haus wohnt der schwule Untermieter Ferdi (Hans Lobitz). Als Theres von Ludger schwanger wird, nimmt sie seinen Heiratsantrag an. Weil die Familie wegen Ludgers Vergangenheit in Münster angefeindet wird, zieht sie nach Bremerhaven, wo schließlich Sohn Franz zur Welt kommt, benannt nach Franz von Assisi.
Mit „Bruder Esel“ bezeichnen die Franziskanerpater ihren störrischen Körper, der nicht immer so will, wie der Zölibat es vorschreibt. Dieter Pfaff selbst hatte die Idee zu Bruder Esel mit entwickelt. RTL zeigte die einstündigen Folgen freitags um 21.15 Uhr. Obwohl die Serie gute Einschaltquoten hatte, von der Kritik gelobt wurde und 1997 den Adolf-Grimme-Preis erhielt, wurde sie nach der ersten Staffel nicht fortgesetzt.
Brüder im All
1970 (ZDF). 10-tlg. Wissenschaftsreihe mit Heinz Haber.
Haber untersuchte hier die „Möglichkeiten des Lebens im Weltall unter astronomischen, geologischen, klimatologischen und biochemischen Bedingungen“. In der ersten Folge ging es aber zunächst mal um „Fliegende Untertassen“. Die 30-minütigen Folgen liefen sonntags nachmittags.
Bublaths letzte All-Tour
Als Thema für seine letzte Sendung hat sich Joachim Bublath nichts Geringeres ausgesucht als den Ursprung des Universums. „Diese Galaxien sind zwölf Milliarden alt“, betont der Off-Sprecher als wolle er sagen, diese 65 Jahre, derentwegen Bublath aufs Altenteil geschoben wird, seien im Vergleich dazu doch lächerlich.
Seit 1981 leitete Bublath die Naturwissenschaftsredaktion im ZDF, und natürlich könnte er auch im offiziellen Ruhestand als freier Mitarbeiter weiterhin Sendungen gestalten, doch offenbar möchte das ZDF das nicht, dessen Zuschauer nur unwesentlich jünger sind als der Große Wagen, das in der Pressemitteilung emotionslos erörtert, Bublath habe die Altersgrenze erreicht. In der letzten Sendung deutet zumindest nichts darauf hin, dass Bublath freiwillig aufhört.
Doch keine Sorge, auch in Zukunft müssen Sie nicht auf 30-minütige Computeranimationen verzichten, die von kurzen Anmoderationen unterbrochen werden. Der Physiker Harald Lesch übernimmt die Sendung, die dann wieder den Titel Abenteuer Forschung erhält, den das ZDF erst vor vier Jahren in einem bemerkenswerten Fall von Kurzsicht zugunsten des Sendetitels Joachim Bublath ausrangiert hatte.
Aus Bublath selbst ist in seiner letzten Sendung keine Bitterkeit zu hören. Er moderiert wie immer: voller Begeisterung für die Themen, die ihn im Gegensatz zu den meisten Magazinmoderatoren ja wirklich interessieren und von denen er Ahnung hat, voller Aufregung in der Stimme, während er fast jedes Wort einzeln spricht und bei jeder Betonung, und das sind nicht wenige, mit dem Oberkörper ein Stück nach vorn kippt, was ihn zum Traum für jeden Parodisten machte.
Nur einmal erwähnt er, wie schwierig es gewesen sei, wissenschaftliche Themen überhaupt im ZDF unterzubringen, und wie er dann mit Fernsehpreisen überhäuft worden sei. Mehr Verbitterung klingt aus den Beiträgen. Am Ende gibt es einen Rückblick auf die vielen erfolgreichen Sendungen, die Bublath in den vergangenen Jahrzehnten für das ZDF moderiert hatte — eine große Abschiedsgala wie beim ebenfalls geschassten, aber fünf Jahre älteren Dieter Thomas Heck schenkt ihm ja niemand, also passiert die Retrospektive in der seiner eigenen Sendung: die Sondersendungen zum Halleyschen Kometen 1986 oder zur Sonnenfinsternis 1999, die Verleihung des Deutschen Zukunftspreises ab 1997, aber vor allem die Reihen Aus Forschung und Technik, Abenteuer Forschung, Faszination Erde und die Knoff-hoff-Show. Bublath scheint nie verwunden zu haben, aus der Primetime in den späteren Abend abgeschoben worden zu sein. Einmal betont der Off-Sprecher, dass „zur besten Sendezeit“ zehn Millionen Menschen zugesehen haben, einmal fällt „20.15 Uhr“ und gleich zweimal der Begriff „Hauptabendprogramm“.
Die vielen alten Ausschnitte verdeutlichten verschiedenes:
- dass Bublath ein Zombie ist, der einfach nicht älter zu werden scheint — wäre er jetzt nicht zu alt, hätte er uns dieses Phänomen in einer späteren Ausgabe erklären können
- dass er weit über Computeranimationen des Universums hinaus über Jahrzehnte eine der prägenden Gestalten des ZDF war, ohne je ein großer Star zu werden
- dass er Vorreiter im heute gängigen Bestreben war, wissenschaftliche Themen unterhaltsam zu verpacken
- und dass niemand so viele Explosionen auslösen konnte wie er in der Knoff-hoff-Show, ohne das ZDF-Sendezentrum zu zerstören.
Joachim Bublath muss ein guter Mensch sein. Sonst hätte er es spätestens am Mittwochabend womöglich doch getan.