XXO — Fritz & Co.
1995.–1997 (Sat.1). Halbstündige Gameshow mit Fritz Egner.
Zwei Kandidaten müssen in einem Quadrat aus neun Feldern eine Dreierreihe mit dem X oder dem O bilden. Neun prominente Gäste sitzen in diesem großen Kasten in drei Dreierreihen über- bzw. nebeneinander und bilden das Spielfeld. Fritz Egner stellt Fragen, zu denen die Prominenten erklärende Antworten geben. Die beiden Kandidaten müssen erraten, ob die Antwort wahr oder falsch ist. Tippen sie richtig, können sie das Feld, in dem der Prominente sitzt, mit ihrem Buchstaben belegen.
Die Show lief bis zum September 1996 werktags um 17.00 Uhr und war einer von mehreren viel diskutierten Flops, die der neue Sat.1 Geschäftsführer Fred Kogel in dieser Zeit vor allem mit befreundeten Stars wie Egner landete, die er zu Sat.1 geholt hatte. Sie war nicht nur viel teurer als das zeitgleich laufende Jeopardy auf RTL, sondern auch viel erfolgloser.
Dies könnte – außer am komischen Namen, dem Moderator und der Tatsache, dass niemand zu wissen schien, ob dies nun eine Rate- oder eine Comedyshow sein sollte – auch an der Füllung der Kästen gelegen haben. Gefragt, was der weithin unbekannte „Playboy“-Chefredakteur da zu suchen habe, sagte Tubi Neustadt, der Produzent der Sendung: „Wir haben unterschiedliche Prominente, Prominente, die jetzt nicht so bekannt sind, und bekanntere Prominente.“ RTL-Chef Helmut Thoma hatte gesagt, mangels Stars könne man so ein Format ohnehin nicht in Deutschland zeigen, was seinen Sender nicht davon abhielt, den Fehler einige Jahre später mit Star-Weekend zu wiederholen.
Die Sendungen, die noch übrig waren, nachdem XXO endlich durch Jeder gegen jeden ersetzt wurde, versendete Sat.1 an ein paar Samstagen am Vorabend. Der Sendung lag das Tic-Tac-Toe-Prinzip und vor allem die US Show „Hollywood Squares“ zugrunde. Auf dem gleichen Kinderspiel basierte bereits das Tick-Tack-Quiz.
Yellowlookingfor (Gelbsucht)
Die Simpsons werden heute mal wieder 20 Jahre alt. Als sie es das letzte Mal wurden, feierten wir dies ausführlich mit einem Jubiläumstext. Heute feiern wir den 20. Jahrestag der Erstausstrahlung der ersten regulären Episode in den USA mit einer Liste von 10 schlimmen Übersetzungsfehlern bei den Simpsons. Für Zuschauer, die des Englischen nicht mächtig sind, gibt es ja deutsche Synchronfassungen. Die der Simpsons wurde aber leider bis zu dessen Tod von Ivar Combrinck erstellt, der des Englischen nicht mächtig war.
- Eine Baseballkappe mit obszöner Aufschrift wird im Original „offensive baseball cap“ genannt. In der deutschen Übersetzung wird daraus eine „offensive Baseballmütze“ – was auch immer das sein mag.
- Zwei Außerirdische unterhalten sich darüber, dass die ganze Struktur des Universums zerstört werden könnte – sie sprechen vom „fabric of the universe“. „Fabric“ heißt soviel wie „Fasern“, „Stoff“ oder „Gewebe“. Aber wenn man das nicht weiß, könnte man natürlich denken … richtig: In der deutschen Fassung sorgen sie sich um die „Fabrik des Universums“. „Fabrik“ heißt auf Englisch übrigens „factory“.
- Stephen Hawking macht sich ähnliche Sorgen. Er hat einen Riss im Raum-Zeit-Gefüge entdeckt. „Riss“ heißt auf Englisch „tear“, „tear“ aber leider auch „Träne“, und entsprechend ist die deutsche Übersetzung („Träne im Raum-Zeit-Gefüge“) zum Heulen.
- Marge Simpson verkauft Hackfleischpasteten, englisch: „Minced Meat Pies“. Wenn man nicht genau hinhört, klingt „minced“ aber ein bisschen wie „Minze“ (englisch: „mint“), und so muss Marge auf Deutsch tatsächlich Abnehmer für ihre „Pfefferminzfleischpasteten“ finden.
- „What’s your sex“ ist im Englischen eine vergleichsweise harmlose Frage: „Was für ein Geschlecht haben Sie?“ In der deutschen Übersetzung ist daraus „Wie steht es mit Ihrem Sex“ geworden.
- Auf der ganzen Welt drücken entnervte Windows-Benutzer die Tastenkombination „Control-Alt-Delete“, um ihren Computer neu zu starten. Nur in der deutschen Simpsons-Übersetzung wird aus den drei Begriffen das Wort „Alternativkontroll-Löschung“.
- „I will not surprise the incontinent“, schreibt Bart brav an die Tafel: Er wird keine Inkontinenten mehr erschrecken. Die deutsche Version ist ungleich rätselhafter: „Ich darf die Unkeuschheit nicht überrumpeln.“
- Als Simpsons-Filmstar Rainer Wolfcastle mit einem Klostein beworfen wird, beklagt er sich: „Hey, das geht jetzt wirklich zu weit: Ein Urin-Kuchen!“ Das ist weniger abwegig, wenn man weiß, dass die Amerikaner zu Klostein „Urin Cake“ sagen.
- Die Polizei ist bestohlen worden. Polizeichef Wiggum klagt, dass Uniformen, Pistolen und Laser weg sind – „Laser“? In der nächsten Szene sieht man, was der Bandit wirklich geklaut hat: ein Elektroschockgerät, englisch: „Taser“.
- Dialog zwischen Bart und Homer: „You seem so damn sure.“ – „Do you think you can stop the casual swearing?“ – „Hell, yes!“. Was so viel heißt wie: „Du wirkst so verdammt sicher.“ – „Glaubst du, du könntest mit dem gelegentichen Fluchen aufhören?“ – „Zur Hölle, ja!“
Im deutschen Fernsehen klingt der Dialog aber sinnfrei so: „Du scheinst felsenfest davon überzeugt zu sein.“ – „Könntest du mit dem gelegentlichen Fluchen aufhören?“ – „Aber ja!“
Da möchte man nur noch fluchen.
Aus dem Buch: „Zapp! Merkwürdigkeiten aus der Fernsehwelt“
Bei YouTube gibt’s übrigens ein historisches Video von Ende 1989, in dem der junge Zeichner Matt Groening beim jungen Moderator David Letterman für die bevorstehende Premiere seiner neuen Trickserie wirbt.
Zart und fair
Frank Plasberg hakt nach. Knallhart nimmt er Politiker oder Manager ins Kreuzverhör. Da traut sich keiner mehr, mit abgedroschenen Worthülsen zu antworten. Und wenn doch, dann knallt ihm Plasberg einen Einspielfilm um die Ohren. Das ist gut, das Konzept ist zu Recht erfolgreich und wurde folgerichtig auch vom WDR-Fernsehen in die ARD verpflanzt.
Umso merkwürdiger war das, was gestern bei Hart aber fair zu sehen war. Thema: „Wegschauen oder Eingreifen? Wie viel Zivilcourage trauen wir uns zu?“ Gäste: Klaus von Dohnanyi (war mal Erster Bürgermeister in Hamburg), Sebastian Krumbiegel (singt bei den Prinzen), Michael Degen (Schauspieler) und als Nichtprominente Kerstin Marschall (XY-Preisträgerin für Zivilcourage).
Nun lässt sich ja schon das Thema an sich nicht sonderlich kontrovers diskutieren. Der Konsens war dementsprechend schnell gefunden: Nicht wegschauen, wenn möglich eingreifen, und natürlich kann es nie genug Zivilcourage geben. Am Ende stand ein Willy-Brandt-Zitat:
Wo die Zivilcourage keine Heimat hat, reicht die Freiheit nicht weit.
Ein hartes, aber faires Streitgespräch? Fehlanzeige. Zeitweise fühlte man sich wie bei Beckmann oder JBK. Die Gäste erzählten ihre Geschichten, Michael Degen berichtete von der Courage der Frau, die ihn und seine Mutter bis 1945 vor der Gestapo versteckt hatte, dazu wurde noch ein Ausschnitt aus dem Film nach Degens Buch gezeigt.
Wäre das gestern keine Fernsehsendung, sondern ein Schulaufsatz gewesen, hätte Lehrer Lempel darunter geschrieben: Sehr schön, aber Thema verfehlt.
Beckmann oder Kerner hätten mit diesen Gästen ein Highlight gehabt, Dohnanyi ist ein immer noch äußerst wacher, weiser Mann, die Unprominente hatte etwas zu sagen, und Michael Degens Lebensgeschichte steht sowieso für sich selbst. Sogar Prinz Krumbiegel war mir einen Augenblick lang sympathisch.
Es war kein Hart aber fair, aber Plasberg hat gezeigt, dass er auch Beckmanns und Kerners Sendungen besser machen könnte als die Namensgeber selbst.
ZDF versetzt Berge
Bevor das ZDF im vergangenen April sein Programm reformiert und den Donnerstagabend zu einem Sendeplatz für Spielfilme umdeklariert hat, liefen dort Bergserien wie Die Bergwacht und Der Bergdoktor. Zu unterscheiden waren sie so: Im Bergdoktor heißt die Hauptrolle Martin Gruber, und in der Bergwacht heißt der Hauptdarsteller Martin Gruber. Aber das sind ja olle Kamellen, die in der Versenkung verschwunden sind, seit donnerstags diese eben erwähnten Spielfilme zu sehen sind. Und so zeigt das ZDF ab heute… Moment: Die Bergwacht und den Bergdoktor?
Jawohl, so ist es. Und zwar in Spielfilmlänge! Ist ja ein Spielfilmsendeplatz. Erst ein paar Wochen Bergwacht, jetzt übrigens unter dem neuen Titel Die Bergretter, weil das viel spannender klingt, dann ab Ende Februar Der Bergdoktor.
Also nochmal: Das ZDF hat beschlossen, donnerstags statt Bergserien Spielfilme zu zeigen und zeigt deshalb jetzt diese Bergserien als Spielfilme. Leuchtet doch ein, oder? Wenn das kein Schritt Richtung Zukunft ist.
Im Rahmen der weiteren Programmreform und einer Informationsoffensive sollen übrigens am Samstagabend künftig Politmagazine gezeigt werden. Die Sendungen Willkommen bei Carmen Nebel und Rosa Roth werden zu diesem Zweck in Politmagazine umgewandelt. Aus dem werktäglichen Morgenprogramm soll zudem eine Nonstop-Nachrichtenstrecke werden. Dazu werden die MoMa-Tassen mit einer Information bedruckt.
ZDF-Ferienprogramm für Kinder
1979–1989 (ZDF). Wiederholungen von Jugendserien und Unterhaltungsfilmen, Freizeittipps und Aktionen im Studio füllten jeden Sommer in der Hauptferienzeit mehrere Stunden im Nachmittagsprogramm des ZDF, meist zwischen 15.00 und 17.00 Uhr, eingeläutet stets von einem Zeichentrickvorspann und dem Titellied zur Melodie des berühmten „Cancan“ aus Jacques Offenbachs Operette „Orpheus in der Unterwelt“: „Hallo, Leute, es sind Ferien / alle machen blau / von Flensburg bis nach Oberammergau / denn es sind Ferien / und mit viel Tamm-Tamm / und In-for-ma-ti-on steigt / wieder unser Ferienprogramm / unser Ferienprogramm!“ Feste Bestandteile waren neben Kinderprogrammklassikern wie Die Biene Maja, Captain Future oder Boomer der Streuner ein wöchentlicher Wunschfilm, der tägliche Ferienkalender sowie Tipps zum Spielen, Malen und Basteln. Vor allem ging es immer wieder um Origami.
Anlass für das erste Ferienprogramm im Sommer 1979 war das „Internationale Jahr des Kindes“. Die 13-jährige Anke Engelke und der 22-jährige Schlagersänger Benny, mit bürgerlichem Namen Jürgen Schnier, moderierten. Als Anke und Benny blieben sie mit Studiohund Wuschel über Jahre die Stars des Ferienprogramms, erhielten 1986 sogar eine gemeinsame weitere Sendung, Die Maultrommel, mit der sie endlich auch mal im Winter auf Sendung gehen durften. Anke und Benny moderierten die meisten Sendungen gemeinsam, manchmal auch einzeln. In späteren Jahren tauchte die Puppe Gustav Sommer als Maskottchen auf, Siggi Böhmke spielte sie.
Das ZDF-Ferienprogramm blieb ein Fernsehereignis für nur eine Generation. Als diese aus dem Kinderprogrammalter herausgewachsen war, wurde die Show immer kürzer, irgendwann war der Titel nur noch ein Oberbegriff, und schließlich verschwand auch der.
ZDF-Fernsehgarten
Seit 1986 (ZDF). Zweistündige Sommershow am Sonntagvormittag mit Musik, Aktionen, Spielen, Talk und Service live und open air vom Mainzer Lerchenberg, dem ZDF-Sendezentrum, den ganzen Sommer jede Woche.
Moderatorin in den ersten sieben Sommern war Ilona Christen, die sich in Gummistiefeln und Regenmantel bei keinem Wetter die aufdringlich gute Laune austreiben ließ. Kein Wunder, dass sie irgendwann genug hatte und zu RTL ging, um ab sofort in der nach ihr benannten Talkshow dauerbetroffen zu sein. Immer wieder tauchten Kollegen, Prominente oder Köche auf, um in den verschiedensten Rubriken den Außenreporter, Experten oder Koch zu geben. Unter ihnen waren zeitweise Jürgen Hingsen im Sportteil und Birgit Schrowange in der »Modebox« (1989).
1993 wurde Ramona Leiß neue Moderatorin und die Show etwas betulicher. In einer der längeren Programmaktionen war Kai Böcking als Außenreporter dabei, der sich nacheinander aus den Hauptstädten aller 16 Bundesländer meldete. 2000 kam der überdrehte Schwung zurück in die Sendung, als Andrea Kiewel übernahm. »Kiwi« hatte zuvor das Frühstücksfernsehen in Sat.1 moderiert und fungierte auch hier wieder, diesmal für die Sonntagslangschläfer, als schriller Wecker.
Zum gleichen Zeitpunkt wurde der bisher runde Sendebeginn von 11.00 Uhr auf das unrunde 10.45 Uhr vorgezogen, später auf das noch wesentlich unrundere 10.47 Uhr verschoben.
Ende 2007 kam heraus, dass die im Lauf der Jahre immer dünner gewordene Andrea Kiewel in mehreren ZDF-Sendungen die Firma Weight Watchers angepriesen und dafür von Weight Watchers Geld bekommen hatte. Wenige Tage nach Bekanntwerden des Schleichwerbeskandals feuerte das ZDF Frau Kiewel, und im Sommer 2008 übernahm Ernst-Marcus Thomas die Moderation.
ZDF-Hitparade
1969—2000 (ZDF). Schlagersendung von Truck Branss, die ihren Moderator Dieter „Thomas“ Heck zum Star machte.
Das Konzept war einfach: Mehrere deutsche Schlagersänger treten auf und singen live zum Halbplayback ihre neuesten Lieder, Dieter Thomas Heck macht die Zwischenansagen. Danach dürfen die Zuschauer den Siegertitel wählen. Anfangs sind die drei Erstplatzierten beim nächsten Mal wieder dabei, später nur noch der Erste.
Heck war eine naheliegende Wahl als Moderator: Er hatte bereits seit 1966 bei Radio Luxemburg regelmäßig „Die deutsche Hitparade“ moderiert, die – im Gegensatz zu fast allen anderen Programmen des Senders – ausschließlich aktuelle deutsche Schlager spielte und zur Überraschung vieler sehr erfolgreich wurde. 1967 startete er mit dem Konzept bei der Europawelle Saar, dort hieß die Sendung „Deutsche Schlagerparade“. Der Saarländische Rundfunk glaubte jedoch nicht an das Konzept im Fernsehen, weshalb Heck mit Regisseur Branss zum ZDF ging – und dort wurde die Hitparade auf Anhieb ein großer Erfolg.
Die Hitparade lief einmal im Monat und war ein paar Jahre 50 Minuten und ein paar Jahrzehnte eine Dreiviertelstunde lang. Sendeplatz war bis 1977 samstags am frühen Abend, dann montags, ab 1984 wieder samstags.
183 Hitparaden moderierte Dieter Thomas Heck aus dem Studio 4 der Berliner Union Film, was er zu Beginn jeder Sendung lautstark verkündete. Seine ersten und letzten Worte in jeder Sendung waren über viele Jahre ein Ritual: Am Anfang sagte er die sekundengenaue Uhrzeit an und brüllte: „Hier ist Berlin!“, am Ende maschinengewehrte er, dass dies eine Sendung „Ihres Zett-Dee-Eff!“ war. Immerhin wurde Heck im Lauf der Jahre leiser. In der Premiere hatte er noch eine Dreiviertelstunde lang jede einzelne Moderation durchgebrüllt und sich problemlos gegen Applaus und Anfang und Ende der schon oder noch laufenden Lieder durchgesetzt (die vermutlich nur deshalb vom Techniker so laut ausgesteuert wurden, damit Hecks Gebrüll nicht so auffiel). Später gewöhnte er sich an, zumindest für Balladen mit verschränkten Armen eine sanfte Ansage zu flöten. Der Sänger Drafi Deutscher parodierte diesen Wandel später erstklassig in Hecks anderer Sendung Die Pyramide.
Berüchtigt war auch Hecks Angewohnheit, den Techniker schon während der letzten Worte seiner Moderation anzubellen, das Band mit dem Halbplayback zu starten: „Reiner (später: Klaus), fahr ab!“ Und wenn ein vorgestellter Titel auf den zweiten Platz kam, sagte Heck immer: „Von Null auf Zwei!“ Während bei anderen Sendungen am Ende ein Abspann mit einem Schriftband durch das Bild lief, das die Beteiligten nannte, las Schnellsprecher Heck das alles selbst vor, jeden einzelnen Namen vom Kameramann, Maskenbildner, Regieassistenten bis zu „Regie: Truck Branss!“. Viele Beteiligte schienen allein dafür engagiert worden zu sein, diesen Teil der Sendung für Heck zu erschweren, weshalb an der Kamera regelmäßig Wolfgang Jaskulski stand, Charlotte Hirschhorn den Bildschnitt besorgte und über lange Zeit der Mann fürs Szenenbild Joachim Czerczenga war.
Die Hitparade war der konservative Gegenentwurf zu Beat-Club und Disco — sie startete nicht zufällig im gleichen Jahr wie das ZDF-Magazin. Zwar kam sie in modernem Gewand daher – die erste Sendung begann mit einem Fast-360-Grad-Schwenk, der nicht nur das Publikum zeigte, sondern auch die anderen Kameras und die Technik –, aber die Abkehr von den Beatles zugunsten deutschsprachiger Heile-Welt-Besinger wie Rex Gildo, Bata Illic, Roy Black und Karel Gott (alle schon in der ersten Sendung dabei) war eine bewusste und politische Entscheidung.
Trotz des großen Erfolgs war das Konzept der Sendung fast immer umstritten. Fraglich war beispielsweise, wer überhaupt auftreten durfte: Anfangs wählte eine Fachjury des ZDF die Titel aus Vorschlägen der Plattenindustrie aus. Nach heftiger Kritik, auch von Heck selbst, orientierte sich die Auswahl ab 1978 an den tatsächlichen Verkaufszahlen. Trotzdem waren die erfolgreichsten Titel oft nicht vertreten, z. B. weil etablierte Sänger um ihr Image fürchteten, wenn sie vom Publikum nicht wiedergewählt würden. Stattdessen sah man immer wieder die zweite Garde der deutschen Stars: Chris Roberts, Michael Holm, Jürgen Marcus oder Christian Anders.
Schließlich gab auch der Wahlmodus durch die Zuschauer Anlass zu Spekulationen: 1970 entdeckte ein Auszähler 11 037 Abstimmungspostkarten mit derselben Handschrift und demselben Poststempel. Auf jeder von ihnen wurde Peter Orloff gewählt – der wurde trotz Unschuldsbeteuerungen disqualifiziert. Stattdessen gewann Ray Miller, der später in den Verdacht geriet, das Ganze selbst eingefädelt zu haben, um Orloff zu schaden. Das waren noch Skandale! Ab 1971 verschickte das ZDF, um Manipulationen zu verhindern, die Stimmkarten an das Publikum.
Zu dieser Zeit bestand die Hitparade aus 13 Titeln: fünf Gewinner des Vormonats und acht Neuvorstellungen. Wer dreimal dabei war, durfte nicht wiedergewählt werden. Im Oktober 1973 wurde mit der Sendezeit auch die Zahl der Teilnehmer reduziert: vier Titel kamen nun wieder, und sieben waren neu. Der 1978 eingeführte Auswahlmodus nach Plattenverkäufen ohne Teilnahmebegrenzung bewährte sich nicht: Er war verantwortlich dafür, dass z. B. Vader Abraham ein halbes Jahr lang Monat für Monat seine nervigen Schlümpfe in die Hitparade schleppte.
Ab der 125. Sendung im Januar 1980 wurde der Titel der Sendung in Hitparade im ZDF geändert. Nun suchte vorübergehend wieder eine Jury aus Experten und Zuschauern die vorgeschlagenen Titel aus, was aber auch nur zwei Jahre beibehalten und durch verschiedene Mischformen aus Media-Control-Zahlen und Zuschauerstimmen ersetzt wurde. Ab April 1982 wurde per Telefon gewählt, sodass der Sieger noch während der Sendung feststand. Wegen begrenzter Kapazitäten im Telefonnetz waren zunächst nur repräsentativ ausgesuchte Personen TED-Zuschauer (TED = Tele-Dialog). Erst 1989 war die Telekom so weit, alle Zuschauer über in der Sendung bekannt gegebene TED-Nummern abstimmen zu lassen. Für das TED-System war Manfred Denninger zuständig, der in jeder Sendung auftauchte.
Truck Branss führte Regie bis 1979, Heck moderierte zum letzten Mal am 15. Dezember 1984 und sang zum ersten Mal selbst, natürlich außer Konkurrenz: „Danke, Berlin!“. Er litt zu dieser Zeit sichtlich unter den Veränderungen in der deutschen Popszene, durch die die „Neue Deutsche Welle“ plötzlich über die Hitparade hinwegschwappte. Sie war zugleich Segen und Fluch für die Sendung: Einerseits war in ihr plötzlich aktuell angesagte Musik zu hören, andererseits verschreckten Auftritte wie der von Trio mit „Da da da“ das Stammpublikum.
Hecks Nachfolger wurde Viktor Worms, neuer Sendeplatz war nun mittwochs um 19.30 Uhr. 1987 folgten eine Veränderung des Gesamtkonzepts und eine vermeintliche Modernisierung: Von nun an durften auch englischsprachige Titel gesungen werden, solange sie in Deutschland produziert worden waren (was Dieter Bohlen Tür und Tor öffnete). Die Zuschauer konnten sich eineinhalb Wochen vor der Sendung die Neuvorstellungen per Telefon anhören und vier dieser acht Titel auf Stimmzetteln aus der Lotto-Annahmestelle in die Sendung wählen; hinzu kamen noch die Sieger nach Verkaufszahlen. Dieses Verfahren war mit einem Gewinnspiel verbunden, in der Live-Sendung wurden dann unter den Einsendern Gewinne verlost. Beides hatte nicht den gewünschten Erfolg, weshalb die Teilnahme später wieder deutschsprachigen Titeln vorbehalten blieb und die Zettelwirtschaft verschwand. In einer Sendung hatte ein Mitspieler aus Koblenz, der ganz offensichtlich mehrere Stimmzettel abgegeben hatte, sowohl den ersten als auch den zweiten Preis zugelost bekommen, ein Auto und eine Reise. Auch mussten die Interpreten zwischenzeitlich nicht mehr live singen, doch auch diese Regel blieb nicht lange bestehen.
1990 wurde der ehemalige RTL-Ansager Uwe Hübner neuer Moderator und langfristig zur zweiten Symbolfigur des deutschen Schlagers. Dass das nicht immer eine angenehme Rolle ist, merkte er 1994, als Stefan Raab den Siegerpokal für „Böörti Vogts“ fallen ließ und sich mit Handschellen in der Sendung an den Moderator fesselte.
Ab 1992 war der Donnerstag Hitparaden-Tag, die Show lief zunächst um 19.25 Uhr, erstmals mit Werbeunterbrechung, ab 1993 um 20.15 Uhr wieder ohne. Im Mai 1997 wechselte sie auf Samstag um 19.25 Uhr und 2000 auf 17.55 Uhr. Die Sendeplätze wechselten wegen sinkender Quoten, und die Quoten sanken wegen wechselnder Sendeplätze, weshalb die Show schließlich mit Hinweis auf eben die mangelnde Zuschauerresonanz nach insgesamt 367 Sendungen abgesetzt wurde. In der letzten Sendung trat zum 67. Mal Roland Kaiser auf. Häufigste Gewinnerin war Nicole, die 16-mal an der Spitze gestanden hatte.
Zu den regulären Sendungen kamen gelegentliche Sonderausgaben, z. B. mit den Hits des Jahres im Januar (Die Super-Hitparade), mit Sommer-, Weihnachts- oder Stimmungshits.
„Das Beste aus der ZDF-Hitparade“ mit Musikausschnitten aus den Heck-Jahren ist auf mehreren DVDs erhältlich, Folge 2 beinhaltet u. a. die komplette Premierensendung vom 18. Januar 1969.
ZDF-Magazin
1969–1988 (ZDF). „Informationen und Meinungen zu Themen der Zeit“. Politmagazin von und mit Gerhard Löwenthal.
Das ZDF-Magazin war das rechtskonservative Gegenstück zu den linksliberalen Politmagazinen. In der ersten Sendung formulierte Löwenthal seine Kampfansage an den Zeitgeist: „Unerbittlich“ werde sein Magazin nach „schadhaften Stellen in unserer Demokratie fahnden“ und „unabhängig, entschieden und furchtlos“ Stellung beziehen. Gegenüber den vermeintlich linken Magazinen hatte das ZDF-Magazin einen entscheidenden Vorteil: die Rückendeckung durch die Senderspitze. Die Positionierung als Gegenpol zu Panorama hatte Intendant Karl Holzamer ausdrücklich gutgeheißen, und Löwenthal, der zuvor fünf Jahre ZDF-Korrespondent in Brüssel gewesen war, hatte sich vertraglich zusichern lassen, dass er die Sendung nach eigenen Vorstellungen gestalten konnte, direktes Vortragsrecht beim Intendanten bekam und nur dem Chefredakteur Rechenschaft schuldete.
Löwenthal trat auch bei Wahlkampfkundgebungen und Parteitagen von CDU und CSU auf. Senderinterner Widerstand gegen die Sendung kam nicht von oben, sondern von unten. 1970 forderte die Redakteursversammlung des ZDF die Umbenennung der Sendung, weil sie suggeriere, dass sie für die politische Ausrichtung des ganzen Senders stehe. 1971 forderte eine Gruppe von Redakteuren Löwenthal auf, sich von rechtsextremen Äußerungen einiger Mitarbeiter zu distanzieren. Löwenthal tat dies nicht. Daraufhin baten neun von 13 Redakteuren der Sendung um ihre Versetzung; u. a. gingen Knut Terjung, Günter Ederer und Jürgen R. Meyer.
Löwenthal profilierte sich mit scharfem Antikommunismus und griff in seinen Sendungen über die Jahre vor allem die Studentenbewegung („rote Psychoterroristen“), die sozialdemokratischen Vertreter der neuen Ostpolitik („kommunistische Agenten“), die Friedensbewegung („Moskauer Partisanen“), westdeutsche Schriftsteller wie Heinrich Böll („Sympathisanten des Linksfaschismus“), vor allem aber immer wieder die DDR an. Er tat dies, wie die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb, „mit immer grimmigem Gesicht und in einem Tonfall, als hätten die Kommunisten soeben die Sendeanstalt besetzt“. Am „Tag der Menschenrechte“ am 10. Dezember 1975 strahlte das ZDF-Magazin erstmals „Hilferufe“ von DDR-Bürgern aus, die in den Westen wollten. Die Aktion geriet in die Kritik, weil sie die genannten Bürger möglicherweise gefährdete. Andererseits hatte die Sendereihe außerordentlich viele Zuschauer in der DDR, die in ihr einen Vertreter ihrer Interessen sahen.
Im Februar 1976 startete die SPD einen Interviewboykott gegen das ZDF-Magazin. Herbert Wehner nannte Löwenthal einen „internationalen Störenfried“, Willy Brandt schimpfte ihn einen „Schreibtischtäter“. Im September 1980 zog sich Löwenthal, der 1979 das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten hatte, dann doch einen Tadel des Intendanten zu, weil er mit der Parteinahme für Franz-Josef Strauß eindeutig gegen die Richtlinien zu Stellungnahmen im Wahlkampf verstoßen habe.
Außer Löwenthal moderierte seit 1971 immer wieder Fritz Schenk. Am 23. Dezember 1987 moderierte Löwenthal zum letzten Mal: Mit 65 Jahren hatte er die Altersgrenze erreicht und wurde, wie er es auch Jahre später noch nannte, „unter dem Druck des Linkskartells in die Zwangspensionierung geschickt“. Sein Nachfolger als Leiter der Sendung wurde Bodo H. Hauser. Den Abschied von ihrem Erfinder überlebte die Sendung nicht lange: Nach 591 Ausgaben mit rund 2600 Beiträgen wurde sie durch Studio 1 ersetzt. In der letzten Sendung blickten Helmut Schmidt und Rainer Barzel auf die Politik der zurückliegenden 20 Jahre zurück.
Das ZDF-Magazin lief erst wöchentlich, ab Oktober 1973 vierzehntäglich im Wechsel mit Bilanz mittwochs um 20.15 Uhr. Die dramatischen Streicherklänge der Titelmusik stammen aus dem „Konzert für Orchester“ des polnischen Komponisten Witold Lutoslawski.
Zeichen der Zeit
1957–1973 (ARD). Kulturkritische Dokumentarreihe, die von dem ehemaligen „Spiegel“-Journalisten Dieter Ertel geleitet wurde. Die Redaktion nahm im Stil des Nachrichtenmagazins die Rituale der Adenauer-Ära aufs Korn: Geschäftemacherei, Spießermentalität, Starkult — und auch das grassierende „Fernsehfieber“. Sie blickte hinter die Kulissen des Wirtschaftswunders, besuchte Schützenvereine, mokierte sich über den deutschtümelnden Wagnerkult, begleitete einen Wahlkampf, entlarvte das faschistoide Potential der Burschenschaften, kümmerte sich um Tierquälerei, Verkehr, Schulen und Müll.
1970 kritisierte der Beitrag „Zimmermanns Jagd“ die Sendung Aktenzeichen XY und die Arbeitsmethoden von Eduard Zimmermann. Vor allem die Filme über Schützen und Burschenschaften lösten heftige Proteste aus: Die Autoren mussten sich als „vaterlandslose Schufte“ beschimpfen lassen, die „über den Eisernen Vorhang davongejagt“ werden sollten.
Der erste Film in der Reihe hieß „Ein Großkampftag — Beobachtungen bei einer Boxveranstaltung“. Er brach mit den Gepflogenheiten des Fernsehjournalismus und der Wochenschauen, indem er nicht das Sensationelle und Ungewöhnliche zeigte und durch den Off-Text noch zusätzlich hochjubelte, sondern im Gegenteil das Alltägliche, Durchschnittliche und Undramatische in den Mittelpunkt stellte. Die Boxer waren keine Stars, sondern wurden als arme, von Lampenfieber gepeinigte Gesellen in ihren Kabinen gezeigt.
Der Off-Kommentar war lakonisch, ein spöttischer und ironischer Blick entstand auch dadurch, dass widersprüchliche Szenen gezielt aneinander montiert wurden. Dieser Stil sollte die ganze Reihe prägen. Sie begründete das Renommee der Dokumentarabteilung des Süddeutschen Rundfunks als „Stuttgarter Schule“.
Ein langjähriger Autor war der Schweizer Journalist, Fernsehregisseur und Kabarettautor Roman Brodmann. Ihm gelang 1967 mit dem Film „Der Polizeistaatsbesuch — Beobachtungen unter deutschen Gastgebern“ ein herausragendes Fernsehdokument. Brodmann drehte, wie sich die Bundesrepublik zum Besuch des Schahs von Persien zurechtmacht, Ölflecken am Flugplatz beseitigt werden, die Hecken geschnitten werden und der Hofknicks geprobt wird. Ironisch zeigte Brodmann erst die Transparente demonstrierender Studenten „Nieder mit dem Schah-Regime“ und dann Kisten im Pressezentrum, auf denen „Nicht stürzen“ stand.
Durch sorgfältige Bearbeitung der Tonspur ließ er den grausamen Herrscher und Star der deutschen Regenbogenpresse die Hände seiner Gastgeber synchron zu Salutschüssen schütteln. Danach geriet das Kamerateam in die Straßenschlachten zwischen Polizei, „Jubelpersern“ und Demonstranten und dokumentierte die Gewalt des Polizeieinsatzes, die im Tod des Studenten Benno Ohnesorg ihren Höhepunkt fand. Brodmann steuerte auch die letzte Folge bei („Die ausgezeichneten Deutschen“), die sich mit dem Ordensverleihungswesen in Deutschland auseinander setzte.
Die Filme dauerten in der Regel 45 bis 60 Minuten und liefen zur Primetime.
Zeitenwende
Erinnern Sie sich noch an die Zeit, als Derrick und Der Alte im verschneiten München ermittelten, während im wirklichen Leben Hochsommer war? Und als Tatort-Kommissare Lösegeldforderungen in D-Mark analysierten, während hier bei uns, in der echten Welt, bereits der Euro eingeführt war? Das waren noch Zeiten! Zeiten, in denen sich Produzenten einen Dreck darum scherten, wann und unter welchen Umständen ihre Sendungen ausgestrahlt werden würden, und als Programmplaner sich bei der Programmierung dieser Sendungen einen ebensolchen scherten, worum es darin eigentlich ging. So kam es auch, dass die Weihnachtsfolge aus Familie Heinz Becker ihre Uraufführung am 19. Juli 1994 erlebte.
Am Sonntag nun, dem Veranstaltungstag des Frankfurter Marathons, strahlte der Hessische Rundfunk in der ARD einen Tatort aus, der während des Frankfurter Marathons spielte. Hurra, danke und weiter so! Wir sind auf dem richtigen Weg!