Verona, der Lanz ist da!
Wär es nicht billiger gewesen, die alten Kerner-Folgen noch einmal zu wiederholen, statt sie in neuem Studio mit schlechterem Moderator noch einmal nachdrehen zu lassen?
Foto: ZDF
Heute kommt Horst Lichter zu Markus Lanz, dem neuen Sommer-Ersatz-Johannes-B.-Kerner des ZDF. Das ist schön, Lichter war bestimmt schon seit einer halben Stunde nicht mehr im ZDF zu sehen, und seit seinem letzten Besuch bei Kerner sind auch schon fünf Wochen vergangen (die Kochshows nicht mitgerechnet). Aber er kommt, so hat es der neue ZDF-Moderator (und Lichter-Biograph) Markus Lanz angekündigt, erstmals mit seiner Mutter. Vermutlich wird er nächste Woche erstmals mit seinem Schwippschwager kommen, übernächste Woche erstmals mit der Putzfrau seines Nachbarn und die Woche darauf wird als große Premierenfeier angelegt: Erstmals seit vier Wochen wird Horst Lichter allein, ohne Nachbarn, Verwandte und Nachbarn der Verwandten als Gast in einer ZDF-Talkshow auftreten. Das wird ein Fest.
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Erster Gast gestern, in der Premierensendung von Markus Lanz, war Verona Pooth. Vor drei Monaten erst war sie bei Kerner, und ihr Auftritt damals war angekündigt als „das erste ausführliche Interview seit der finanziellen Krise ihres Mannes!“ Der Auftritt gestern war wahlweise das erste ausführliche Interview seit dem ersten ausführlichen Interview ihres Mannes seit dessen finanzieller Krise oder das erste ausführliche Interview seit dem Auftauchen des Urlaubsfotos von den beiden, das, wenn man Markus Lanz‘ Ansage glauben darf, die Republik erschüttert hat wie kaum ein Urlaubsfoto vor ihm.
Die Insolvenz von Pooths Firma Maxfield wurde von Lanz wie eine Staatskrise behandelt. Und immer wieder fragte er die ehemalige Frau Feldbusch, ob sie sich keine Sorgen mache, dass ihr Image darunter leide, und als sie sich zum hundertsten Mal um eine Antwort gedrückt hatte, erlöste er sie (und uns) und enthüllte eine Exklusiv-Umfrage, wonach die meisten Deutschen meinen, dass die Insolvenz von Herrn Pooths Firma keine Auswirkungen auf das Image von Frau Pooth habe.
Eine geschlagene halbe Stunde widmete Markus Lanz in Markus Lanz dem Thema, um am Ende festzuhalten: „Wir haben gelernt, Menschen leisten sich eine eigene Meinung.“ Immerhin räumte ein Schuldenberater mit den gröbsten Vorurteilen und abwegigsten Boulevardgeschichten über Insolvenzverfahren im allgemeinen und das der Firma Maxfield im Besonderen auf, aber aus irgendeinem Grund hatte er keinen Stuhl bekommen, sondern saß unglücklich im Rücken von Frau Pooth im Publikum, so dass sie sich verrenkte, um ihn zu sehen, und er, um den Moderator zu sehen. (Und da beklagen sich die Leute über Betroffenensofas?)
Während Verona Pooth davon redete, wie sehr sie ihre Karriere auch den Medien verdankt, konnte man darüber nachdenken, wie bemerkenswert es ist, dass es seit vielen Jahren schon kein Privatsender mehr ist, der ihr die Plattform dafür gibt, sondern das öffentlich-rechtliche ZDF. Hierhin kommt sie, zum Reden, Lachen, PR-Machen und Heulen. Und seit diesem Jahr muss sie nicht einmal im Sommer eine Pause machen. Seit diesem Jahr verzichtet das ZDF auch zwischen Juni und September, wenn Johannes B. Kerners Talkshow pausiert, auf die Möglichkeit, unter der Woche abends gegen 23 Uhr mal etwas anderes zeigen zu können als endloses, morgen vergessenes Geplauder. Und was soll man sonst in die Entscheidung lesen, die neue Sendung des von RTL geholten langjährigen Boulevardmanns (Explosiv) mit Verona Feldbusch-Pooth zu beginnen, als ein programmatisches Statement?
Kerners Produktionsfirma „Die Fernsehmacher“ produziert auch Markus Lanz, und abgesehen davon, dass das natürlich finanziell ganz schön ist, profitiert der Allesmoderator auch insofern davon, dass man plötzlich seine Art zu moderieren schätzen lernt. Lanz war in den vergangenen Jahren ungefähr immer auf dem Bildschirm und hat dabei ungefähr nie mit Menschen gesprochen — und das merkt man. Tough wollte er wirken, kritisch, auch mal konfrontativ, vor allem im Gespräch mit einem Ehepaar, das eine Kindertagesstätte betreibt, in der schon Dreijährige Lesen, Schreiben, Fremdsprachen und Details über die Anatomie des menschlichen Körpers lernen. Sie waren mit ihrer Art der teuren Elitenfrühförderung eigentlich alles andere als sympathisch, aber Lanz‘ Versuche, sich von ihnen zu distanzieren, waren solch hilflosen, dümmlichen, uninformierten Reflexe, dass es schwer war, am Ende nicht auf der Seite der merkwürdigen Kindererzieher zu stehen. Lanz wies sie bedeutungsschwanger darauf hin, dass Menschen ja nicht unbedingt studieren müssen, sondern auch Maurer werden können („Harrison Ford war mal Zimmermann“), und als Verstärkung hatte er sich den Talkshow-Hopper unter den Psychologen, Michael Thiel, geholt, der die Diskussion über frühkindliche Förderung abschließend auf ein Niveau brachte, das ihm selbst Vera am Mittag so nicht hätte durchgehen lassen: „Es gilt das Motto: Weniger ist mehr!“
Auch ein Satz, von dem ich nie gedacht hätte, dass ich ihn je hinschreiben würde: Kann man nicht wirklich besser alte Kerner-Sendungen wiederholen?
Veronica Mars
Seit 2006 (ZDF). 64-tlg. US-Teenieserie von Rob Thomas („Veronica Mars“; 2004–2007).
Teenager Veronica Mars (Kristen Bell) besucht die Highschool im Nobelort Neptune und hilft ihrem Vater Keith (Enrico Colantoni) in dessen Privatdetektei. Vor einiger Zeit wurde ihre beste Freundin Lilly Kane (Amanda Seyfried) ermordet. Deren Bruder Duncan (Teddy Dunn) war damals Veronicas Freund. In der Folge zerbrach die Beziehung, Keith Mars, der damals Sheriff war, verlor seinen Job, weil er Lillys Vater zu Unrecht des Mordes verdächtigte, und Veronicas Mutter verließ ihre Familie. Jetzt klärt Veronica kleinkriminelle Delikte und andere Vorfälle im Bekanntenkreis und im Umfeld der Schule auf. Unterstützung erhält sie von ihren Mitschülern Wallace Fennel (Percy Daggs III) und Eli „Weevil“ Navarra (Francis Capra), mit der Zeit auch zunehmend von Logan Echolls (Jason Dohring), Duncans bestem Freund. Gleichzeitig bemüht sie sich unermüdlich um die Lösung der beiden großen Rätsel: Wo ist ihre Mutter, und wer ist Lillys wahrer Mörder?
Ansehnliche Jugendkrimiserie, die durchaus auch ein erwachsenes Publikum hätte begeistern können. Die 45-Minuten-Folgen liefen aber samstags mittags, bis das ZDF kurz vor Schluss keine Lust mehr hatte und die Serie auf den komplett gegensätzlichen Sendeplatz mittwochs nachts verlegte, wo den jungen Zuschauern vom Samstagnachmittag die Auflösung des großen Rätsels der ersten Staffel und damit die Identität von Lillys Mörder verborgen blieb. Wir verraten sie hier auch nicht, falls Sie sich die komplette erste Staffel noch auf DVD ansehen wollen.
Trotzdem nimmt das ZDF auch die zweite Staffel ins Programm und zeigt sie ab 20. April freitags nach Mitternacht.
Verschollen
2004–2005 (RTL). 29‑tlg. dt. Abenteuer-Soap.
20 Menschen überleben einen Flugzeugabsturz und können sich ans Ufer einer einsamen Südseeinsel retten. Bestimmt werden sie vermisst, doch niemand findet sie. Ohne Hoffnung auf Rettung beginnen sie den anhaltenden Kampf ums Überleben.
Die Verschollenen sind: der skrupellose Bankier Simon Claasen (Uwe Rathsam), seine Frau Clara Schwarz (Sylke Hannasky) und sein Bruder, der Astronom Leon (Ben Bela Böhm), der ebenfalls in Clara verliebt ist; der Tierarzt Dr. Jörg Hölscher (Christian Wewerka), seine Frau Bianca (Anuk Ens) und die 17-jährigen Zwillinge Sascha (Nicolás Solar Lozier) und Svenja (Nele Jonca); der Künstler Tresko (Gerhard Roisz), der eigentlich Hans Baran heißt, ein zynischer Alkoholiker; der pensionierte Polizist Clemens Bartsch (Uli Plessmann); der immer gut gelaunte Animateur Nils Jung (Hendrik Borgmann); die junge Karrierefrau Meggie Braun (Alexandra Sydow); die Grundschullehrerin Claudia Rother (Katrin Brockmann); die gutmütige Witwe Marita Sengerling (Ingrit Dohse); die lesbische Journalistin Dr. Lieselotte von Howaldt (Katrin Wasow); der Entwicklungshelfer Udo Wachter (Alexander Rossi) und seine Tochter Natascha (Antonia Reß), die sich vernachlässigt fühlt; der schüchterne, aber praktisch begabte Fritz Hufschmid (Stephan Szász); die Ex-Prostituierte Nicole Mauerhoff (Berrit Arnold) und der halbseidene Macho Jussef Reimann (Haydar Zorlu).
Als einziges Mitglied der Flugzeugbesatzung hat Co-Pilot Bertold Siebert (Andreas Zimmermann) überlebt. Ausgerechnet er hat durch einen Tankfehler die Katastrophe verschuldet. Die angespannte Situation führt zu Familienkrisen. Der eifersüchtige Simon bringt im Affekt seinen Bruder um, noch bevor sie die Insel erreichen. Auf der Insel bricht auch die einzige noch vollständige Familie Hölscher auseinander. Jörg verändert sich, interessiert sich für Meggie, Bianca wendet sich von Jörg ab und Udo und Lieselotte zu.
RTL hatte für die Produktion ein Studio in Köln aufgebaut, das die Südseeatmosphäre mit tropischer Vegetation und künstlicher Sonne simulierte. Mit Blueboxtechnik wurden Meer und Himmel hinter die Schauspieler projiziert. Auf diese Weise konnte die Serie sogar günstiger hergestellt werden, als wenn man sie auf Sylt gedreht hätte. Allerdings wirkte die Szenerie auch extrem künstlich. Verschollen war ein Prestigeprojekt von RTL, das als Endlosserie angelegt war; die Verträge mit den Schauspielern liefen zunächst über zwei Jahre. Allerdings stand das Projekt von Anfang an unter keinem guten Stern und wurde immer wieder verschoben.
Die einstündigen Folgen liefen schließlich montags um 22.15 Uhr. RTL paarte die Serie dort mit der Soap Hinter Gittern – Der Frauenknast, die schon seit sieben Jahren den Sendeplatz eine Stunde früher innehatte. Anfang 2005 wurde die mit schwachen Marktanteilen vor sich hindümpelnde Serie auf Donnerstag verlegt, ein paar Monate später abgesetzt. Eine Rettung gab es in der letzten Folge nicht. Etwa zeitgleich startete die amerikanische Variante Lost auf Pro Sieben.
Verschwundener Leopard
Puh, da hat das ZDF doch tatsächlich in seinen Pressetexten zur Serie Donna Roma einen der Autoren versehentlich mit seinem Klarnamen Jürgen Pomorin angegeben. Per „Programmänderung“ wurde der Name dann gestrichen, und jetzt steht da Herrn Pomorins albernes Pseudonym „Leo P. Ard“, unter dem er einer der erfolgreichsten deutschen Krimiserienautoren ist. Das ging ja gerade noch einmal gut.
Bin übrigens gespannt, wann Herr Ard anfängt, sich bei der Arbeit für andere Sender zum Beispiel „Leo P. Zdf“ oder „Leo P. Rtl“ zu nennen. Und da die Vermutung auf der Hand liegt, sei klargestellt: Nein, ausgerechnet die Krimifigur mit dem ähnlich bescheuerten Namen Rosa Roth hat er sich nicht ausgedacht.
Verstehen Sie Spaß?
Seit 1980 (ARD). Große Eurovisions-Samstagabendshow, in der nichtprominente und prominente Menschen in abstruse Situationen geführt, hereingelegt und dabei mit versteckten Kameras gefilmt werden.
Kurt Felix konzipierte und präsentierte die „Streiche mit versteckter Kamera“, so der anfängliche Untertitel, zunächst monatlich in einem 30‑Minuten-Format am Donnerstagabend. 1983 wurde daraus mit der 25. Ausgabe eine große Samstagabendshow, jetzt moderiert von Kurt Felix und seiner Frau Paola, die zur meistgesehen Unterhaltungsshow in der ARD avancierte. Felix hatte bereits seit 1974 eine enorm erfolgreiche Sendung im Schweizer Fernsehen unter dem Titel „Teleboy“ moderiert. Das Paar legte nach Ausgabe 53 ab Januar 1991 eine „schöpferische Pause“ ein, die jedoch nie endete. Fast zwei Jahre lang gab es die Show nicht, und auch zwischen den nächsten Moderatorenwechseln lagen meist längere Pausen.
Die Nachfolger im Einzelnen: Harald Schmidt (1992–1995), Dieter Hallervorden (1996–1997), Cherno Jobatey (1998–2002), Frank Elstner (2002–2009), Guido Cantz (seit 2010). Das Grundkonzept blieb über die gesamte Laufzeit der Sendung unverändert: Außer den Streichen gab es immer Showblöcke mit prominenten Künstlern und Talks mit den Gefoppten. Viele Streiche versetzten Menschen in peinliche, aber doch vorstellbare Situationen und waren hauptsächlich dazu da, deren Reaktion einzufangen: Im Supermarkt bricht wie von selbst das Eierregal zusammen, ein Kellner gebärdet sich unhöflich und faul, Harald Juhnke wird von einem untalentierten Stehgeiger genervt.
Für andere Streiche betrieb man einen großen Aufwand und führte auf diese Weise völlig absurde Situationen herbei: Eine Fahrstuhltür öffnet sich direkt in eine Dusche, Pissoirs hängen so hoch, dass sie nur mit einer Leiter erreichbar sind, auf dem Flügel von Horst Jankowski erklingen plötzlich andere Töne als die, die er anschlägt, die Zuschauer eines Konzerts von Ivan Rebroff stehen einer nach dem anderen auf und gehen. Der Nachrichtensender n‑tv fiel 1996 auf die Behauptung herein, ein Privatmann besäße das Bernsteinzimmer, und glaubte es auch dann noch, als er angebliche Bestandteile zu sehen bekam, die in das Kopfteil eines Bauernbetts eingelassen waren.
Einzelne Elemente variierten je nach Moderator. Bei Kurt Felix und Paola standen die Filmstreiche im Vordergrund. Neben dem Moderatorenpaar wirkte Karl Dall mit, der am „Spaßtelefon“ nichtsahnende Menschen foppte. Dall diente ferner als Filmvorführer, der aus dem Publikumsraum heraus symbolisch einen Filmprojektor startete, wenn ein Einspielfilm begann. Regelmäßig talkten Felix und Paola neben den Gefoppten auch mit den Schauspielern, die bei den Streichen den „Lockvogel“ spielten, also die Opfer in die merkwürdigsten Situationen verwickeln und dann improvisieren mussten. Lockvögel waren über sehr lange Zeit u. a. Wolfgang Herbort, René Besson und Pit Krüger. Es grenzte an ein Wunder, dass es auch nach Jahren immer noch Menschen gab, die die dicken Männer nicht sofort erkannten. Dieter Reith und seine Big Band machten die Musik während der Show. Das Maskottchen war ein gelber Zeichentrickvogel, der „Spaßvogel“, der am Ende der Show das Schlusswort hatte und einen Kalauer absonderte („Unsere Zuschauerzahl hat sich verdoppelt – der Zuschauer hat geheiratet!“).
Bei Harald Schmidt nahm die Anzahl der eingespielten Filmstreiche deutlich ab; er bestritt mehr Sendezeit selbst mit Stand-up-Comedy und Monologen. Die Show trug für eine Weile den Untertitel „Die Harald Schmidt Show“. Sie war mit zeitweise mehr als zehn Millionen Zuschauern noch immer ein großer Erfolg, doch auf Dauer zeigte sich, dass der Zyniker Schmidt keine massenverträgliche Familienunterhaltung produzierte. Er versuchte es auch nicht sehr: Berühmt wurde eine Szene, in der er minutenlang nur ein tickendes Metronom zeigte und darüber philosophierte, was dies jetzt kostete. Anfang 1995 unterschrieb er einen Vertrag bei Sat.1, um dort eine Show zu moderieren, die sogar im Obertitel Die Harald Schmidt Show hieß. Seine letzte Spaß-Show war für Oktober geplant. Die Aprilausgabe strotzte vor Zynismus und Sticheleien gegen die ARD, Schmidt hatte laut eigener Erzählung das gesamte Saalpublikum gegen sich. Er verabschiedete sich mit der Information: „Die nächste Ausgabe von Verstehen Sie Spaß? sehen Sie im Oktober, wer Sie dann als Moderator begrüßt, entnehmen Sie bitte der Tagespresse.“ Es gab keine Oktoberausgabe.
Dieter Hallervorden reicherte das Rahmenprogramm mit gespielten Sketchen an, die er selbst gemeinsam mit Schauspielerkollegen vorführte. Untertitel war „Die Hallervorden-Show“. Er blieb nur 13 Monate.
Bei Cherno Jobatey wurde das Foppen am Telefon wiederbelebt, der Telefonterrorist war jetzt Andreas Müller. Ferner gab es einen „Klassik“-Teil, in dem sich Zuschauer Wiederholungen von alten Streichen wünschen konnten. Dieter Reith und seine Big Band machten noch immer die Musik. Kurt Felix kehrte als Berater zur Sendung zurück, auch Frank Elstner kam in der gleichen Funktion dazu. In Werbeanzeigen für die Show waren die beiden gemeinsam mit Moderator Jobatey zu sehen. Als Jobatey im Frühjahr 2002 seinen Abschied wegen „kreativer Differenzen“ ankündigte (aus der Show sei ein „Musikantenstadl mit Filmen“ geworden), lag es nahe, dass Altmeister Elstner, der ohnehin beim produzierenden SWR die erfolgreiche Talkreihe Frank Elstner: Menschen der Woche im Dritten Programm moderierte, die Show übernahm.
Eine Serie mit 25‑minütigen Kurzfolgen, in denen Wiederholungen von alten Streichen gezeigt wurden, lief 1991 ebenfalls unter dem Titel Verstehen Sie Spaß? im Vorabendprogramm am Freitag, Moderator war Kurt Felix.
Vielleicht nicht
Vielleicht ist alles doch nicht so schlimm im deutschen Fernsehen. Nicht einmal im Vergleich mit dem Fernsehen im Ausland, das wir sonst oft so sehr preisen.
In der ganzen Welt ist Deutschland wegen seiner Pünktlichkeit bekannt. Ausgerechnet das Fernsehen pfeift hierzulande aber oft auf Pünktlichkeit, überzieht Sendungen um Minuten oder manchmal Stunden. Und das ist gut so. Denn das Fernsehen richtet sich in Deutschland danach, wann eine Sendung tatsächlich zu Ende ist. Oder sich zu Ende anfühlt. Und erst dann wird ausgeblendet.
Der Pünktlichkeitswahn des sonst so guten britischen Fernsehens dagegen führte schon oft dazu, dass Sendungen just in dem Moment, in dem es spannend wurde, zu Ende waren. Dort wird nämlich abgebrochen, wenn die dafür vorgesehene Zeit erreicht ist.
Im vergangenen Jahr hatte das zur Folge, dass am Ende der Übertragung der Brit Awards ausgerechnet die Trägerin des wichtigsten Preises des Abends, Adele, keine ordentliche Dankesrede mehr halten durfte, während vorher viel Zeit mit Preisträgern in Nebenkategorien verplempert wurde.
Heute Abend hatte der Reporter des Senders ITV das Gespräch mit dem Trainer von Real Madrid, José Mourinho, nach dem Ausscheiden seines Vereins aus der Champions League gegen Borussia Dortmund schon fast beendet, als er abschließend ein vages „Vielleicht nächstes Jahr mit Real Madrid?“ in den Raum stellte. Mourinhos überraschende Antwort: „Vielleicht nicht.“ Das ist die Stelle, an der in Deutschland Fußballer und Trainer nie, aber auch gar nie, etwas Konkretes sagen. Mourinho hatte zwar auch vorher schon angedeutet, in der kommenden Saison eventuell anderswo anzuheuern, doch bisher hatte es nichts Konkretes gegeben. War hier etwa die Chance, wirklich etwas Neues zu erfahren? Der Reporter fragte noch nach: „Vielleicht nicht?“. Mourinho setzte zur Antwort an: „Nun, ich arbeite gern dort, wo man…“ Dann suchte er für einen Moment nach Worten. Englisch ist nicht seine Muttersprache. Zu blöd, dass gerade eine volle Stunde erreicht war. Der Reporter unterbrach. „Das nehmen wir mal so mit. Ich muss Schluss machen.“ Er gab zurück zu den Moderatoren. Die verabschiedeten sich. Ende.
Das wäre bei uns nie passiert. Wer hätte gedacht, dass ich also jemals diesen Satz schreiben würde: Hier könnten sich die Briten am deutschen Fernsehen ein Beispiel nehmen.
Vier gegen Willi
1986–1989 (ARD). Große Samstagabendshow mit Mike Krüger, in der zwei Familien in verrückten Spielen gegeneinander antreten.
Als besonderen Gag bringen die Familien ihre komplette Wohnzimmereinrichtung mit und sitzen während der Sendung quasi „zu Hause“. Das Maskottchen der Show, der Hamster Willi, entscheidet das Schlussspiel. Er sitzt in einem Feld mit drei Ausgängen. Die Familien verteilen Schilder mit Währungen von D-Mark bis Lire auf die verschiedenen Ausgänge und gewinnen, je nach Wahl des Hamsters, entsprechend viel oder wenig. Krügers Kommando zuvor lautet: „Willi go!“
Die Show hatte hohe Zuschauerzahlen, löste jedoch Proteste wie kaum eine andere Sendung aus, weil sie nicht davor zurückschreckte, ohne Wissen der Familien auch mal deren Auto zu verschrotten, sie aber später ein neues gewinnen ließ. So gab es die schöne Frage an den Kandidaten, ob er sein Auto unter anderen wiedererkennen würde – dann wurden ihm mehrere Haufen Schrott präsentiert. Ein andermal musste sich ein Familienvater einen Irokesenhaarschnitt verpassen lassen, um Punkte zu gewinnen, die Toten Hosen zertrümmerten das Wohnzimmer einer Kandidatenfamilie, und ein Mädchen musste durch eine halbnackte Eishockeymannschaft robben.
In den Showblöcken zwischen den Spielrunden traten hauptsächlich Rockbands auf. Durch diese Musik und die Spiele sprach die Show hauptsächlich ein jüngeres Publikum an, und die älteren ARD-Zuschauer saßen entsprechend verstört vor dem Fernseher und wussten nicht, wie ihnen geschah. Schon im November 1986 bekam Krüger wegen dem Mädchen zwischen den Eishockeymännern die „Saure Gurke“ für die angeblich frauenfeindlichste Sendung im Fernsehen.
Nach den diversen Protesten wurde die Show entschärft, die bis dahin ihrer Zeit weit voraus war, dadurch aber auch ihres eigentlichen Reizes beraubt: Die neue Fassung war harmlos. Die Quoten sanken entsprechend; die Sendung wurde gegen den Willen Krügers abgesetzt. Der Erfinder der Sendung, Jochen Filser, wurde seiner Aufgaben beim Bayerischen Rundfunk entbunden und ging als Unterhaltungschef zu RTL, was angesichts von Vier gegen Willi konsequent war. Mit Bezug auf den Inhalt und Schlachtruf der Show nahm Mike Krüger als Parodie auf Falcos Song „Coming Home“ den Titel „Willi Go“ auf. Der Anrufsender 9Live griff das Hamsterspiel für einen PR-Gag im Jahr 2002 noch einmal auf.
Vierzig und rüstig
Repro: WDR
Fast so häufig wie von ihm neue Folgen zu sehen sind feiert der ARD-Tatort Jubiläum. Am Montag wird er 40 Jahre alt. Und in wenigen Monaten steht die 800. Folge an.
Das ergibt umgerechnet knapp 20 Tatorte im Jahr, aber dieser Schnitt wird durch die Anfangsjahre nach unten gezogen, als nur jeden Monat ein neuer lief. 2010 werden es 35 neue Filme gewesen sein, und ein Overkill ist nicht zu erkennen. Der Tatort ist im Jubiläumsjahr sogar erfolgreicher geworden. Derzeit sehen sonntags im Schnitt mehr als eine halbe Million Menschen mehr zu als vor einem Jahr.
Als er 30 wurde, gehörte der Tatort zu den populärsten Fernsehsendungen in Deutschland. Mehr Zuschauer hatten nur Wetten, dass…? und Wer wird Millionär?. Heute rangiert niemand mehr über dem Tatort, weil ihm das Kunststück gelungen ist, seine regelmäßige Zuschauerzahl seit zehn Jahren weitgehend konstant zu halten, während die Einschaltzahlen der anderen Erfolgssendungen am Tatort vorbei nach unten rutschten oder enorm schwanken.
Axel Prahl und Jan-Josef Liefers als verrücktes Paar Kommissar Thiel und Prof. Boerne aus Münster sind die beliebtesten Ermittler und die einzigen, die zuverlässig mehr als zehn Millionen Zuschauer anlocken. Aber erfolgreich sind oder waren sie alle. Sogar die jahrelange Depri-Grütze aus Frankfurt.
Interessant ist, dass der Tatort oft sogar beim jungen Publikum Marktführer ist, das die ARD sonst nur aus Erzählungen der Eltern kennt.
Was ist das Geheimnis des Erfolgs?
Nun, meistens sind es sehr ordentliche Filme. Aber viel wichtiger: Der Vorspann. Wenn der Tatort-Vorspann kommt, wird weitergeguckt. Und es schadet nicht, dass die Tatort-Gewohnheit direkt an die Tagesschau-Gewohnheit anschließt. Deshalb haben auch neue Kommissare es leicht, sich zu etablieren. Würden neue Krimireihen mit neuen Ermittlern unter einem x-beliebigen Titel auf Sendung gehen, hätten sie es heute schwer, auf Anhieb ein großes Publikum zu finden. Aber so lange Tatort drauf steht, kann nichts passieren. Und deshalb wird auch Ulrich Tukur als Wiesbadener LKA-Beamter mit Hirntumor heute einen guten Einstand haben.
Tukur ist nicht der Nachfolger eines ausgedienten Tatort-Teams. Er nimmt den Platz einer Reihe von Filmen des Hessischen Rundfunks ein, die als Polizeiruf 110 gezeigt wurden – die andere Krimireihe der ARD, die manchmal sonntags kommt und die sich inhaltlich ohnehin immer mehr dem Tatort annähert. Aus inhaltlicher Sicht wäre es sicher egal gewesen, ob die Filme mit Tukur weiter unter dem Titel Polizeiruf 110 gelaufen wären. Aber es gibt natürlich einen triftigen Grund, warum sie Tatort heißen: Richtig, der Vorspann.
Volle Deckung!
Vielleicht müssen wir die Sache mit der Talsohle des Reality-TV bald schon ein weiteres Mal überdenken. Der US-Sender CBS zeigt gerade „Armed & Famous“ („Bewaffnet und berühmt“), eine Show, in der fünf Menschen, die für diesen Zweck als prominent betrachtet werden, eine Polizeiausbildung durchlaufen, inklusive Dienst an der Waffe. Unter den Teilnehmern sind Erik Estrada, bekannt aus der Serie CHiPs und zahllosen Witzen über gewesene Stars, Ozzys Sohn Jack Osbourne und Michaels Schwester LaToya Jackson. Die Frage ist also, ob im Falle einer deutschen Version eine Gefahr für die nationale Sicherheit besteht, je nachdem, welche „Stars“ eine Schusswaffe in die Hand gedrückt bekommen. Die Antwort ist aber auch schon absehbar. Zu den Teilnehmern solcher Shows gehört ja in der Regel Axel Schulz, und von dem wissen wir zum Glück, dass er, selbst wenn er wollte, keiner Fliege etwas zuleide tun könnte.
Von Brüllaffen und Marco Schreyl
Dieser pelzige Geselle heißt Cuny und ist ein Brüllaffe, und die Lebensskepsis, die aus seinem Blick spricht, hatte er vermutlich schon, bevor er erfuhr, dass er in einer RTL-Show mit Marco Schreyl mitmachen soll. Man kann sich sowas als Zoobewohner ja nicht aussuchen, aber Cuny nutzte seine wenigen Protest-Möglichkeiten. Die Fernsehleute waren morgens um sechs gekommen, um seine Rufe aufzunehmen und ihre Lautstärke mit der eines Marktschreiers zu vergleichen, aber Cuny sagte keinen Mucks. Die Fernsehleute machten allerdings auch keine Anstalten wieder zu gehen, und so erbarmte sich der Brüllaffe gegen Mittag endlich und brüllte und brachte es hinter sich, Marco Schreyl hin oder her. Später stellte sich heraus, dass der Marktschreier es auf ein paar Dezibel mehr gebracht hatte, aber bei der Frage, wer sich hier zum Affen gemacht hatte, gab es mindestens ein Unentschieden.
Brüllaffe gegen Marktschreier war eines von gefühlt siebentausend Duellen Mensch gegen Tier, die RTL für seine neue Samstagabendshow Mensch gegen Tier gestern inszenierte. Die Dramaturgie war so aufregend und abwechslungsreich wie ein tropfender Wasserhahn: Der Mensch und das Tier kamen ins Studio, dann wurden ihre vorher aufgezeichneten Leistungen gezeigt, dann gab es eine Quizfrage, dann kamen der nächste Mensch und das nächste Tier und so weiter. Zwei Teams aus je zwei Kindern und einem Prominenten sollten jeweils raten, wer gewinnt, und als Prominente hatte man Mario Barth gewählt, weil der für seine Olympiastadion-Show werben sollte, die es jetzt auf DVD gibt und nächste Woche auf RTL, und Reiner Calmund, weil der Zeit hat und Angst vor Tieren. (Vor kleinen, vor allem. Vor Elefanten habe er keine Angst, weil die ihm ja verwandt seien — „net vom Rüssel her, aber vom Gewicht“.)
Natürlich scheitert die Idee des Wettbewerbs schon daran, dass nur einem der beiden Beteiligten klar ist, dass es sich um einen solchen handelt. Im Tauchduell bleibt der Bundeswehrtaucher unter Wasser, bis er nicht mehr kann, und der Pinguin, bis er keine Lust mehr hat. Das Wettrennen mit dem Gepard gewann der Mensch in seinem Superduperfahrrad, weil das Tier sich nach der Hälfte der Strecke überlegte, dass es besseres mit dem Tag anstellen könnte, als hinter diesem doofen Köder herzuhetzen. Sehr sympathisch.
Es war eine sehr abwegige Idee für eine Show, die vielleicht dadurch zu retten gewesen wäre, dass man diese Abwegigkeit zelebriert: mit Witz, Selbstironie und etwas Wahnsinn. Es war aber natürlich eine dieser von Günther Jauchs „I&U“ produzierten Fließbandsendungen, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen, ihre eigene Langeweile zu kaschieren. Selbst den 100-Kilometer-Wettlauf zwischen Joey Kelly und einem Pferd, die sich viele Stunden lang verausgabt hatten, handelte die Show in einem lustlos zusammengeschnittenen, winzigen Film ab. Nur mit Mühe schaffte es der Extremsportler, der ganz knapp verlor, eine Revanche zu fordern, bevor Marco Schreyl den nächsten Tagesordnungspunkt von seinen Karten verlas. (Schreyl verlor das Duell um die kürzeste Aufmerksamkeitsspanne gegen sich selbst.)
Am Ende ging der Wettkampf Mensch gegen Tier unentschieden aus — aber auch nur, weil die Tiere nicht die 50.000 Bonuspunkte Vorsprung bekommen hatten, die sie dafür verdient hätten, dass sie klug genug sind, keine solche Shows zu veranstalten.