Sat.1 und die Mittwochsserien
Weil man „den Audience Flow optimieren“ wolle, zeigt Sat.1 seine Mittwochsserien Allein unter Bauern, GSG 9 und The Unit ab heute in neu zugeloster Reihenfolge. Mit GSG 9 fängt der Abend nun an, und weil der Übergang von dieser zur anderen rasanten, explosiven, lauten Actionserie The Unit offenbar nicht fließend genug war, werden die beiden ernst gemeinten Reißer nun von der leisen, beschaulichen, freundlichen und amüsanten Familienserie Allein unter Bauern unterbrochen.
Nein, das müssen Sie nicht verstehen. Tut bei Sat.1 wahrscheinlich auch keiner. Die sind einfach nur verzweifelt. Und dass die quotenschwachen Serien nur getauscht und nicht sofort abgesetzt werden (was zumindest im Fall von Allein unter Bauern sehr schade wäre), hat vermutlich weniger mit Geduld und Vertrauen ins eigene Programm zu tun, sondern damit, dass dem armen Sat.1 langsam der Seriennachschub ausgeht.
Sat.1-Programm löst sich auf
Ich habe mal bei einem Radiosender gearbeitet, der Kündigungsschreiben an Moderatoren während ihrer Sendungen in die Postfächer warf. Natürlich mit sofortiger Wirkung, damit sich bloß niemand beim Publikum verabschieden kann und Aufmerksamkeit auf das Geschehen lenkt. Angesichts dieser Erfahrung halte ich die DWDL-Schilderung, die Moderatorin Mareile Höppner habe während der Live-Sendung Sat.1 am Mittag erfahren, dass es sich um ihre letzte handele, für realistisch. Die Mehrheit der Zuschauer wird es morgen erfahren, wenn stattdessen eine Wiederholung von Richterin Barbara Salesch läuft. Der Informationsgehalt beider Sendungen unterscheidet sich zwar nicht sonderlich, aber das ist jetzt ausnahmsweise mal nicht der Punkt.
Saupack
Entdeckt von Marsellinho, hinterlassen als Kommentar unter dem Housearrest. Soll da aber nicht so versteckt bleiben:
MTV hat es heut doch tatsächlich geschafft, die großartige „Cartoon Wars“-Doppel-Episode von South Park direkt hintereinander in umgekehrter Reihenfolge auszustrahlen. Da kann man sich nur noch an den Kopf fassen…
Schützenhilfe
Verfechter der These, das Fernsehen sei obsolet und wurde oder werde bald von anderen Unterhaltungsformen abgelöst, erhielten in dieser Woche unerwartete Unterstützung. Und zwar ausgerechnet vom Fernsehen. Der Sender Super RTL untermauerte die Argumente mit einer neuen Show namens „Webmix – Das Lustigste aus dem Internet“.
Schall und Rauch
Wenn Vox heute an seinem „neuen Serien-Freitag“ Law & Order: Special Victims Unit startet, dann ist das dieselbe Serie, die donnerstags und sonntags bei RTL2 unter dem Titel Law & Order: New York läuft, nur die Episoden bei Vox sind deutlich älter. Das ist auch schon das Neue am „neuen Serien-Freitag“ im Vergleich zum alten Serienfreitag von vor zwei Jahren: Am neuen Serienfreitag kommen alte Serien. (Die andere Hälfte des Abendprogramms besteht aus Drittausstrahlungen von CSI: NY.)
Dass Vox den US-Originaltitel für die Serie wählt, korrigiert zwar einerseits den albernen deutschen Titel von RTL2 (denn auch alle anderen US-Serien der „Law & Order“-Familie, also Law & Order und Criminal Intent, spielen in New York), verwirrt aber in erster Linie die Zuschauer.
Captain Donald Cragen (Dann Florek). Foto: Vox
Es ist nicht das erste Mal, dass eine Serie parallel unter zwei unterschiedlichen Titeln bei verschiedenen Sendern läuft. Die heutige ZDF-Soap Reich und schön lief 1989 und 1990 bei RTL unter eben diesem Titel und bei Tele 5 als Fashion Affairs; in den gleichen Jahren war eine populäre US-Sitcom im ZDF als Bill Cosbys Familienbande und auf ProSieben als Bill Cosby Show zu sehen.
Im aktuellen Fall hatte es eine Weile gedauert, bis Law & Order: Special Victims Unit nach dem US-Start im September 1999 überhaupt nach Deutschland kam. US-Serien galten damals noch als bäh-bäh, und auch die Mutterserie Law & Order lag in Deutschland gerade für Jahre brach. 2005 stieg RTL2 endlich ein und verfügt durch den späten Start seitdem quasi ununterbrochen über neue Folgen. Inzwischen hängt die deutsche Ausstrahlung den USA nur noch so viel hinterher wie die meisten Serien ihrer US-Ausstrahlung hinterherhängen. Neben dem beständigen Donnerstagstermin werden sonntags Wiederholungen gezeigt, und Vox fängt heute nochmal ganz von vorn an. Allmählich bekommen wir das gute Gefühl, zumindest der Nachholbedarf dürfte gedeckt sein.
Schatten im Blick
Seit Anfang der Woche zeigt das ZDF neue Folgen von Schatten der Leidenschaft, der alten US-Daily-Soap, die früher in Sat.1 lief und diesen Monat seit 35 Jahren in den USA auf Sendung ist.
Quasi zum Sendestart im ZDF vermeldet der Brachendienst Variety jetzt eine andere bemerkenswerte Zahl, die verdeutlicht, wie erfolgreich die Serie in den USA ist: 1000.
Halt, es kommt noch eine Erklärung.
In den USA werden die Quoten der Daily-Soaps im Wochendurchschnitt abgerechnet, und Schatten der Leidenschaft hält die Spitzenposition in diesem Genre jetzt seit genau 1000 Wochen. Yepp, das sind mehr als 19 Jahre. Also seit Dezember 1988. Damals war Ronald Reagan Präsident.
Schatten der Leidenschaft ist nicht nur die erfolgreichste unter den Daily Soaps, sie hat mit im Schnitt knapp sechs Millionen auch mehr Zuschauer als manche Primetime-Sendungen. Und der Vorsprung vor der zweitplatzierten Soap Reich und schön beträgt fast zwei Millionen.
Damit hat das ZDF jetzt also die beiden erfolgreichsten amerikanischen Daily Soaps jeden Vormittag hintereinander im Programm.
In den USA laufen beide Serien bei CBS. Die haben übrigens von allen US-Networks die ältesten Zuschauer. Aber das nur am Rande.
Schau, Sport!
Dass die 90-sekündige Tagesschau in der ungefähren Mitte der Sportschau nur eine Alibiveranstaltung ist, die die Sportschau künstlich in zwei „Einzelsendungen“ teilt, die dann insgesamt häufiger durch Werbung unterbrochen werden dürfen, ist ein alter Hut. Wäre sie mehr als das, hätte sie das Zeug, die langjährige Informationskompetenz der Tagesschau nachhaltig zu zerstören. Man stelle sich vor, an einem Tag wie heute schalte jemand die Tagesschau ein, um zu erfahren, wer Deutscher Fußballmeister geworden ist. Was ja unbestreitbar eine Nachricht ist, die in die Nachrichten gehört. Ha! Da erfährt es in den insgesamt drei Meldungen natürlich nicht!
Zum Glück ist die Vorstellung, dass jemand gezielt zu dieser speziellen Tagesschau einschaltet, komplett abwegig, denn heute zum Beispiel wurde sie 12 Minuten früher gesendet als überall ausgedruckt und sogar im eigenen Videotext angekündigt, der sonst ja öfter mal über Programmänderungen informiert.
Und sonst erinnert die Sportschau heute eher an einen Roland-Emmerich-Film. Die ersten 75 Minuten kann man getrost verpassen und muss erst zum großen Finale einschalten. Vorher passieren sowieso nur egale Sachen, und letztlich will man ja doch nur sehen, wie die Außerirdischen/der Riesenaffe/das Eis New York zerstören/Stuttgart Meister wird.
Ich bin übrigens froh, dass nur Fußballer halbnackt Interviews geben. Stellen Sie sich vor, unsere Politiker fingen damit an.
Scheibenwischer
1980–2008 (ARD). Kabarettreihe von und mit Dieter Hildebrandt.
Vor Studiopublikum hält Hildebrandt stotternd Monologe zum aktuellen politischen Geschehen und spielt Szenen und Sketche. Wechselnde Gastkabarettisten unterstützen ihn und dürfen auch ohne Hildebrandt auftreten. Meist zieht sich durch alle Nummern ein Oberthema als roter Faden. Als musikalische Begleitung wirkt die Jürgen-Knieper-Band mit.
Regisseur der ersten 32 Ausgaben war Sammy Drechsel, nach dessen Tod im Januar 1986 übernahm seine langjährige Assistentin Catherine Miville. Wie schon in Hildebrandts früherer Sendung Notizen aus der Provinz gab es auch bei Scheibenwischer immer wieder Beschwerden von Politikern wegen vermeintlich allzu kritischer Inhalte, die auch innerhalb der ARD Unmut auslösten. Gleich die erste Sendung nutzte das Team, um gründlich mit dem alten Arbeitgeber ZDF abzurechnen, Titel: „Ausgewogenheit in den Rundfunkanstalten“.
Die Proteste fanden ihren Höhepunkt, als die Sendung vom 22. Mai 1986 überall in Deutschland, nur nicht in Bayern zu sehen war. Schon 1982 hatte der Bayerische Rundfunk eine Sendung über den umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanal heftig kritisiert. Diesmal war das Thema die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, und der BR beschloss nach Durchsicht des Manuskripts, seinen Zuschauern die Sendung wegen „nicht gemeinschaftsverträglicher“ Elemente vorzuenthalten und sich aus dem ARD-Programm auszuklinken. Das führte natürlich zu einem weit größeren Interesse am Inhalt der Sendung als normalerweise. Am nächsten Tag lief der boykottierte Scheibenwischer in vielen Kinos, wenig später erschien das Manuskript als Taschenbuch.
Die Sendung war im Gegensatz zu Notizen aus der Provinz live, was ihr die Möglichkeit gab, sehr aktuell zu sein. Die Reihe lief zwischen vier- und achtmal im Jahr und war Opfer eines fröhlichen Sendeplatzschiebens der ARD. Gestartet und beendet am Donnerstag, lief sie zwischendurch an etlichen anderen Tagen, meist kurz vor 22.00 Uhr, und war unterschiedlich lang, mal 30, mal 60, meist 45 Minuten. Ab Januar 2000 war Bruno Jonas, bisher häufiger Gastkabarettist in der Sendung, als ständiger Partner Hildebrandts dabei, später stießen noch Mathias Richling und Georg Schramm zum ständigen Team. Häufige Gäste waren auch Lisa Fitz, Richard Rogler, Werner Schneyder, Renate Küster, Lore Lorentz, Konstantin Wecker, Gerhard Polt, Henning Venske, Hanns Dieter Hüsch und Gisela Schneeberger.
Scheibenwischer wurde die langlebigste Kabarett- oder Comedysendung im Fernsehen. Hildebrandts anfängliche Einschätzung „Ich mache, was ich will, und sicher wird die Sendung deshalb irgendwann einmal abgesetzt“, entpuppte sich als Irrtum. Er bestritt 144 Ausgaben, die letzte reguläre am 15. Mai 2003 — ein großes abendfüllendes Live-Finale zur Primetime am 2. Oktober 2003.
Ab Januar 2004 wurde die Reihe mit Jonas, Richling, Schramm und Gästen fortgesetzt, jetzt zehnmal im Jahr donnerstags um 23.00 Uhr, 30 Minuten lang. Schramm verließ das Ensemble im Mai 2006 im Streit: Er hatte sich mehr Vielfalt und Schärfe gewünscht. Zusammen mit Urban Priol gründete er im ZDF die Satiresendung Neues aus der Anstalt. Für Schramm wurde Richard Rogler neues Mitglied im festen Team, der sich aber Anfang 2008 wieder verabschiedete. Am Ende desselben Jahres ging auch Jonas.
Richling sollte den Scheibenwischer nun als künstlerischer Leiter alleine weiterführen. Nachdem er angekündigt hatte, die Sendung auch gegenüber Comedians öffnen zu wollen, untersagte Dieter Hildebrandt die weitere Verwendung des Namens Scheibenwischer. Richlings Show wurde daraufhin kurzfristig in Satire Gipfel umbenannt.
Die Reihe bekam den Grimme-Preis mit Silber 1983, den mit Gold 1986 und den Telestar 1987.
Schieß in den Wind, Ho
1984–1985 (ARD). 12‑tlg. brit. Krimiserie von Ian Kennedy Martin („The Chinese Detective“; 1981–1982).
Der Chinese John Ho (David Yip) ist Polizist geworden, um seinen Vater zu rächen, dessen Name durch einen korrupten Polizisten in den Schmutz gezogen wurde. Zuerst wollte man ihn bei der Londoner Polizei gar nicht haben, weil ihm die nötige Körpergröße fehlt, doch nun hat er es trotzdem geschafft, stößt aber weiterhin auf Widerstände. In der Wache im East End herrscht latenter Rassismus, und sein Vorgesetzer Berwick (Derek Martin) wartet nur auf einen Vorwand, den ungeliebten Außenseiter wieder loszuwerden, der seine eigene Vorstellung von Disziplin und angemessenem Auftreten hat und sich nicht an die Vorschriften hält. Für den Anfang stellt er ihm den erfahrenen Sergeant Donald Chegwyn (Arthur Kelly) zur Seite. Ho versucht, während beide ihren Dienst tun, auch im Fall seines Vaters voranzukommen.
Ho war der erste nichtweiße britische Fernsehpolizist. Die Serie war auch deshalb bemerkenswert, weil sie sich von den vielen Krimis mit schrägen Einzelgängerpolizisten, die „unkonventionell“ ermitteln, dadurch unterschied, dass sie eine plausible Erklärung bot, warum dieser Bulle so ein Außenseiter ist. Die Londoner Polizei legte Wert auf die Feststellung, dass die Serie völlig unrealistisch sei: Es gebe bei ihr keinen latenten Rassimus. Genau.
Die einstündigen Folgen liefen im regionalen Vorabendprogramm.
Schillerstraße
Seit 2004 (Sat.1). Improvisations-Comedyshow.
Cordula Stratmann improvisierte mit wechselnden Gastkomikern vor Publikum eine Spielhandlung. Die Bühne stellte ihre Wohnung in der (fiktiven) Schillerstraße dar. Es gab kein Drehbuch, nur einen groben roten Faden, der Rest entwickelte sich spontan. Ein Spielleiter gab den Protagonisten per Knopf im Ohr merkwürdige Anweisungen („Sprich nur in Sprichworten!“, „Du begehrst den Barhocker“), die sie umsetzen mussten. Für die Zuschauer waren die Anweisungen hörbar und eingeblendet, die Spielpartner kannten die Aufgaben ihrer Kollegen jedoch nicht.
Fröhlicher Kindergartenhumor für Erwachsene. Der Unterhaltungswert hing stark von den Gastkomikern ab und schwankte entsprechend. Regelmäßige Gäste waren Martin Schneider, Annette Frier, Ralf Schmitz, Michael Kessler, Bernhard Hoëcker und Tetje Mierendorf. Sie spielten Nachbarn oder Freunde von Stratmann und traten wie sie unter ihren realen Vornamen auf. 2006 kam ein zweiter Spielort dazu: Bernhard übernahm die Kneipe „Schillereck“, wo sich ein Teil der Handlung zutrug, vor allem als Cordula Stratmann wegen einer Schwangerschaft im wirklichen Leben für etliche Wochen pausierte und im Fernsehleben zur Kur war, nachdem sie in den Wochen vorher heftig zugenommen hatte. Ab 2006 wirkten ferner gelegentlich Barbara Schöne und Jürgen von der Lippe als Cordulas geschiedene Eltern Barbara und Jürgen mit.
Als Spielleiter war bis kurz vor der ersten Sendung noch John Hudson vorgesehen, es wurde dann aber Georg Uecker. Ein Jahr später übernahm Maike Tatzig diesen Part, die sich das Konzept der Show auch ausgedacht hatte.
Die Sendung wurde zum Überraschungserfolg der Saison 2004/2005 und inspirierte u.a. RTL zum Improvisationformat Frei Schnauze und Pro Sieben zur Variante Gott sei Dank, dass Sie da sind. Die Schillerstraße lief zunächst als halbstündige Show freitags um 22.15 Uhr und wechselte Anfang 2005 in doppelter Länge auf den Donnerstag um 20.15 Uhr. Ab 2007 lief sie wieder freitags, aber weiterhin einstündig um 20.15 Uhr. Mitte des Jahres 2007 ging sie in eine Sommerpause, aus der sie erst im Januar 2009 zurückkehrte. Cordula Stratmann war inzwischen ausgezogen, und Jürgen Vogel wurde ihr Nachmieter. Der Sendeplatz blieb.