Liebe isst… Das Single-Dinner
Seit 2007 (Pro Sieben) . Kochshow für Singles.
Vox ist am Vorabend erfolgreich mit einer Kochshow? Toll, das müssen wir unbedingt auch machen. Ich hab’s: Wir fangen an, wenn Das perfekte Dinner bei denen gerade zu Ende ist, also um 19.45 Uhr, dann können deren Zuschauer direkt zu uns schalten. Lass uns sicherheitshalber aber unbedingt das Wort „Dinner“ in die Titelzeile schreiben. Und vielleicht kann sich ja eine Single-Frau eine Woche lang der Reihe nach von vier Single-Männern bekochen lassen, quasi als Date. Dann sieht es so aus, als hätten wir wenigstens einen eigenen Dreh. Am Ende der Woche kann sie sich ja dann für einen entscheiden. Diesen Teil klauen wir einfach aus irgendeiner anderen Show. Was sagen Sie? Sie finden unsere Off-Texte lieblos? Isst doch egal…
Die Reihe lief so erfolglos am Vorabend, dass Pro Sieben alle überraschte, als noch eine zusätzliche Ausgabe donnerstags gegen 22.00 Uhr eingeführt wurde. Diese blieb auch im Programm, als die Liebe am Vorabend nach rund zwei Monaten ausgegessen hatte.
Liebe Sünde
1993-1994 (Vox); 1994-2000 (Pro Sieben). Einstündiges Aufklärungsmagazin, das sich in Gesprächen und Beiträgen mit erotischen Themen befasst, ohne dabei voyeuristisch zu werden. Es geht mal ernst, mal ironisch, aber vergleichsweise journalistisch um Prostitution, Gruppensex oder Voyeurismus.
Erster Moderator war Matthias Frings, der das Magazin auch entwickelt hatte. Es wurde zur erfolgreichsten Sendung des jungen Senders Vox. Als der vorübergehend vor dem Konkurs stand, wechselte das Magazin mitsamt Moderator Frings zu Pro Sieben. Im Juli 1995 übernahm Andrea Thilo die Moderation, im Oktober 1997 Mo Asumang. Es wurde allmählich dann doch voyeuristisch.
Im April 1995 beanstandete die zuständige Landesmedienanstalt zwei Sendungen des Vorjahres. Es ging zum einen um einen Verstoß gegen den Jugendschutz: Mehrere Beiträge hätten nicht vor 22.00 Uhr gezeigt werden dürfen. Gewichtiger noch war die Kritik an einem Beitrag über Aids bei Pornodarstellern. Liebe Sünde habe Ausschnitte aus Pornos „nicht nur als sinnvoll-veranschaulichende Ergänzung der Wortbeiträge“ eingesetzt, sondern den ganzen Beitrag „pornografisch unterlegt“ und damit gegen das Pornografieverbot im Rundfunk verboten. Die Aufseher forderten Pro Sieben auf, Liebe Sünde erst ab 23.00 Uhr zu zeigen — der Sender ignorierte dies. Bis zur Einstellung der Sendung blieb Mittwoch, 22.15 Uhr, der reguläre Termin. 1996 kam es zu einem Strafprozess wegen verschiedener angeblich pornografischer Szenen, der gegen die Zahlung eines Bußgelds eingestellt wurde.
Limbourg an der Lahm
Heute und morgen interessiert sich die Medienöffentlichkeit mal wieder kurz für die Sat.1 Nachrichten, bevor sie anschließend erneut dort verschwinden, wo sie herkamen: in der Bedeutungslosigkeit. Heute bekommen sie nämlich mal wieder einen neuen Namen, einen neuen Sendeplatz und einen neuen Moderator, und wenn diese Änderungen bei Sat.1 nicht regelmäßig vorgenommen würden, hätte vermutlich schon seit 1995 niemand mehr Notiz davon genommen, dass Sat.1 überhaupt Nachrichten sendet. Es ist der fünfte Wechsel des Sendeplatzes, der siebte Name und der zwölfte Moderator, Wochenendmoderatoren nicht mitgerechnet. Zählt man die Moderatoren der Wochenendausgaben doch mit, ist interessanterweise Hans-Hermann Gockel die einzige jahrzehntelange Konstante in den Nachrichten bei Sat.1.
Foto: Sat.1
Ab heute hat Sat.1 wie RTL einen eigenen Nachrichtenpeter. N24-Chefredakteur Peter Limbourg, der ein fast genauso spritziges Energiebündel ist wie Gockel, übernimmt die Moderation der werktäglichen Hauptausgabe, und insofern wird wenigstens ein bisschen die Tradition gepflegt. Peter Limbourg war vor sechs Jahren mal für 75 Minuten prominent, als er zusammen mit Peter Kloeppel vor 15 Millionen Zuschauern das erste „Kanzlerduell“ zwischen Gerhard Schröder und einem Mann namens Edmund Stoiber moderierte.
Es muss schwer gewesen sein, für die neuen Sat.1 Nachrichten einen Sendeplatz zu finden, auf dem sie noch nicht liefen. 20.00 Uhr ist so ein Sendeplatz, denn warum sollte ein Sender ernsthaft mit seinen Nachrichten gegen die Tagesschau antreten wollen, wenn die Desinteressierten doch schon gleichzeitig von den RTL II News abgegriffen werden. Aber genau da kommen sie ab heute. Inhaltlich liegen sie schließlich auch irgendwo zwischen diesen beiden. Also dann: „Natürlich um 20 Uhr“, wie Peter Limbourg sagt. Natürlich.
Dennoch sind für die Zukunft noch ein paar Sendeplätze frei. Um 19.30 Uhr liefen in Sat.1 zum Beispiel noch nie Nachrichten, wie die nachfolgende Tabelle der bisherigen Inkarnationen zeigt.
Jahre | Name | Moderatoren | Sendeplatz |
1985-1986 | APF Blick | Armin Halle Karl-Ulrich Kuhlo Eddie Lange Andrea Scherell |
18.30 Uhr |
1986-1991 | Sat.1 Blick | Andrea Scherell Armin Halle Hans-H. Gockel |
18.45 Uhr |
1991-1992 | Guten Abend, Deutschland |
Dieter Kronzucker | 18.45 Uhr |
1992-1993 | Sat.1 News | Hans-H. Gockel Karin Jacobi |
18.45 Uhr |
1993 | Sat.1 Newsmagazin | Hans-H. Gockel Karin Jacobi |
18.30 Uhr |
1993-1995 | Sat.1 Newsmagazin | Hans-H. Gockel Karin Jacobi |
19.00 Uhr |
1995-1998 | 18:30 | Ulrich Meyer | 18.30 Uhr |
1998-2004 | 18:30 | Astrid Frohloff | 18.30 Uhr |
2004-2007 | Sat.1 News | Thomas Kausch | 18.30 Uhr |
2007-2008 | Sat.1 News | Katja Losch | 18.30 Uhr |
2008- | Sat.1 Nachrichten | Peter Limbourg | 20.00 Uhr |
Erstellt man eine baugleiche Tabelle mit den Hauptnachrichtensendungen von RTL, kommt man auf eine Idee, warum RTL aktuell erfolgreich und Peter Kloeppel bekannt ist. Das hat nämlich nicht nur mit den großen Plakaten zu tun. Und auch nicht nur mit Inhalt.
1984-1988 | 7 vor 7 | Hans Meiser | 18.53 Uhr |
1988-1992 | RTL aktuell | Hans Meiser | 18.45 Uhr |
1992- | RTL aktuell | Peter Kloeppel | 18.45 Uhr |
Lindenau
1994 (ProSieben). Tägliche Nachmittags-Talkshow mit Michael Lindenau.
Nach dem großen Erfolg von Hans Meiser und Ilona Christen hatte Pro Sieben ebenfalls eine Talkshow mit ähnlichem Konzept geplant, Moderatorin sollte Arabella Kiesbauer sein. Die jedoch erkrankte – sie verlor ausgerechnet ihre Stimme. Bis zu ihrer Genesung wollte der Sender nicht auf Daily Talk verzichten und schickte ersatzweise jeden Werktag um 15.00 Uhr Michael Lindenau ins Rennen, der als „seriöser Journalist“ angepriesen wurde, aber nur durch die üblichen Themen stolperte. In der ersten Sendung ging es um „verrückte Fans“ wie eine 50-jährige Elvis-Fanatikerin mit angemalten Koteletten, die im Glitzerkostüm zum „Jailhouse Rock“ auf die Bühne kam.
Schon kurz bevor im Juni Arabella letztendlich startete, verschwand Lindenaus quotenschwache Sendung (gerade mal 300 000 Zuschauer) am 9. Mai 1994 zunächst im Vormittagsprogramm (9.00 Uhr sei „sicher der bessere Sendeplatz“ für einen „erfahrenen Journalisten“ mit seinen „härteren Themen“, log Pro-Sieben-Chefredakteur Jörg Van Hooven) und dann ganz. Immerhin einmal war Lindenau mit seiner Show in die Schlagzeilen geraten: Als ein Exhibitionist am gleichen Tag bei ihm und bei Fliege zu sehen war. Lindenau wurde später Programmdirektor des regionalen Fernsehsenders B.TV und gab sich eine eigene Talkshow mit nahe liegendem Namen.
Lindenstraße geht Pleitgen
Vor einer Woche war er noch Intendant der größten ARD-Anstalt, heute trat Fritz Pleitgen in die Fußstapfen von Larry Hagmann und buchte grund- und zusammenhanglos im Reisebüro von Mutter Beimer eine Reise.
Verpasst? Ging so:
Pleitgen: Guten Tag.
Mutter Beimer: (…)
Erich Schiller: (…)
Pleitgen: Ja, es geht da um eine etwas komplizierte Buchung. Ich möchte eine Weltreise machen. Ich möchte noch einmal die Stationen meines Berufslebens abfahren. Das beginnt natürlich in Köln, und dann Brüssel, Paris, Washington, New York, dann in die Rocky Mountains, dann ab nach Norden nach Alaska, dann brauchte ich eine Schiffspassage durch die Beringstraße von Amerika nach Asien, durch Kamtschatka, dann weiter, vielleicht mit dem Zug, durch Sibirien, in den Kaukasus, und von dort nach Moskau, und zurück nach Deutschland, nach Berlin, Ost-Berlin, und dann nach Köln.
Mutter Beimer: (…)
Warum Fritz Pleitgen ausgerechnet in München eine Reise buchen sollte, die in Köln beginnt und endet, lassen wir mal offen. In jedem Fall war der Auftritt ein nettes Abschiedgeschenk, und Pleitgen spielte in etwa so gut wie der Rest des Ensembles.
Solche Abschiedsgeschenke bekommen Intendanten jetzt häufiger. Erst Anfang des Jahres durfte Noch-SWR-Intendant Peter Voß den Polizeipräsidenten im eigentlich letzten Bienzle-Tatort spielen.
Sollte MDR-Intendant Udo Reiter jemals abtreten, singt er wahrscheinlich ein Potpourri im Abschiedsfest der Volksmusik.
Lippe blöfft
2004 (ARD). Samstagabendshow mit Jürgen von der Lippe.
Der Moderator erzählt Geschichten, und die Kandidaten müssen herausfinden, ob diese stimmen oder nicht. Ab der zweiten Sendung waren die Ratekandidaten Prominente.
Mit der betulichen, aber unterhaltsamen Show versuchte von der Lippe, nach seinem erfolglosen Ausflug zu Sat.1 (Blind Dinner) an den ähnlich leisen Erfolg von Geld oder Liebe anzuknüpfen. Leise will man aber heute nicht mehr. Nach drei Sendungen entpuppte sich das Vertrauen, das die ARD in den Rückkehrer gesteckt hatte, als Blöff.
Lippebekenntnis
Die neuen Grimme-Preisträger sind raus und stehen hier.
Erstmals tagte in diesem Jahr die „Jury Unterhaltung“, die sich die Frage stellte: „Was ist gute Unterhaltung?“. Die Antwort lautet: Extreme Activity. Das ist deshalb interessant, weil es sich um eine Pro-Sieben-Sendung mit Jürgen von der Lippe handelt und man noch vor einem Jahr Pro Sieben weder mit Jürgen von der Lippe noch mit Grimme-Preisen in Verbindung gebracht hätte (obwohl natürlich auch schon Stromberg und Stefan Raabs Suche nach dem Grand-Prix-Superstar ausgezeichnet wurden).
Die Jury begründet die Ehrung u.a. so:
Extreme Activity ist (…) gute Unterhaltung mit Aktionswert, eine Spielshow, die ihren Unterhaltungswert in hohem Maße daraus bezieht, dass sie sich mit der Intelligenz ihrer Zuschauer verbündet.
Damit müssen sie die Stelle meinen, als Verona Pooth Helium aus einem Ballon einatmete, damit sie ihre Stimme noch piepsiger klingt als ohnehin schon. Hahaha, ein Brüller!
Zum Unterhaltungswert der Show trägt ihr Moderator wesentlich bei. Indem Jürgen von der Lippe souverän zwischen Kalauer und Bonmot, zwischen einfachem Witz und geistreicher Anspielung changiert, macht er deutlich, dass es viele Arten gibt, sich zu unterhalten und dass vordergründige Zweckfreiheit nicht automatisch Geistlosigkeit bedeutet. Damit verwandelt Jürgen von der Lippe ein zunächst nur interessantes neues Format in ein herausragendes Unterhaltungsangebot.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Es ist erfreulich, dass die neue „Jury Unterhaltung“ nicht krampfhaft nach irgendeinem Pseudoanspruch suchte, sondern in der Tat einfach nur „gute Unterhaltung“ auszeichnete. Jürgen von der Lippe ist für mich seit jeher und noch immer ohnehin der Allergrößte, deshalb trinke ich heute auf ihn ein Gläschen Sekt. Vielleicht reicht es mir ja jemand ins Publikum.
Und da die ARD-Vorabendserie Türkisch für Anfänger, die derzeit wiederholt wird, bevor sich ab Ende März neue Folgen anschließen, „von seltener Qualität“ ist und „die Serie Humor und Tempo auf hohem Niveau durchhält“ bekommt auch sie einen Unterhaltungspreis.
Listen To The Music
Listen. Wir lieben sie. Hier ist eine mit Serien, die normalerweise mit gesprochenem Wort arbeiten, aber zwischendurch eine Musical-Episode einlegten, in der große Teile der Handlung durch Gesang und Tanz ausgedrückt wurden. Hinter dem Episodentitel und dem Erstausstrahlungsjahr steht die Entschuldigung, die herhalten musste.
(Die ersten vier wurden nicht in Deutschland ausgestrahlt.)
- I Love Lucy: „Lucy Goes To Scotland“ (1956). Traum.
- The Honeymooners: „Away We Go“ (1957). Europareise. Fröhliche Sache. Die Episode gilt als verschollen und wurde seit ihrer Erstausstrahlung nicht mehr gezeigt, weshalb die genaue Handlung nicht nachvollziehbar ist.
- The Dick van Dyke Show: „The Alan Brady Show Presents“ (1963). Die Hauptfigur ist Fernsehproduzent und stellt eine Weihnachtsshow auf die Beine, in der alle singen müssen.
- Gilligans Insel: „Don’t Bug The Mosquitoes“ (1965). Die Inselbewohner gründen verschiedene Bands. Es folgte noch eine weitere Musical-Episode.
- Happy Days: „Valentinstag“ (1978): Spezielle Märchenfolge mit einer Tagträumerfantasie von Joanie, in der alle Figuren in anderen Charakteren auftreten und Standards singen.
- Maxe Baumann: „Maxe Baumann aus Berlin“ (1987). Special zum 750. Geburtstag von Berlin.
- Die Simpsons: „Das magische Kindermädchen“ (1997). Das englische Kindermädchen Shary Bobbins (eine Parodie auf Mary Poppins) fällt in Springfield ein und singt. Es folgten weitere Musical-Episoden.
- Chicago Hope: „Am Rande des Wahnsinns“ (1997). Dr. Aaron Shutt bricht mit einem Aneurysma zusammen und sieht sein Leben als Musical an sich vorbeiziehen.
- South Park: „Hankey, der Weihnachtskot“ (1997). Ein singender Scheißhaufen springt aus der Toilette und eint die Menschen. Muss man wirklich noch mehr erklären?
- Xena: „Die bittersüße Symphonie“ (1998). Sturz in eine Traumwelt nach einem Kampf zwischen Xena und ihrer Freundin Gabrielle, zu dem Kriegsgott Ares sie verleitet hatte. Es folgte später eine weitere Musical-Episode.
- Ally McBeal: „Not nach Noten“ (2000). Staffelfinale. Anstrengendes Abendessen mit den Eltern. Keine echte Entschuldigung. Die Lieder halten die Handlung auch eher auf, als sie voranzutreiben. Es folgte später eine weitere Musical-Episode.
- Buffy — Im Bann der Dämonen: „Noch einmal mit Gefühl“ (2001). Ein Dämon hat Sunnydale mit einem Bann belegt, der die Bewohner dazu zwingt, sich singend auszudrücken.
- Die wilden Siebziger: „Das wilde Siebziger!-Musical“ (2002). Fes stellt sich vor, alle würden singen, während tatsächlich für ein Schulmusical geprobt wird. Außerdem war es die 100. Folge.
- Eine himmlische Familie: „Rote Socken“ (2005). Familie Camden feiert Valentinstag und singt Klassiker. Da es sich um Familie Camden handelt, wundert sich darüber niemand.
- Scrubs – Die Anfänger: „Mein Musical“ (2006). Eine Patientin leidet an einem Hirntrauma, infolge dessen sie sich einbildet, alle um sie herum würden singen, tanzen und sich in Reimen ausdrücken.
(Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, Ergänzungen willkommen.)
Und warum steht diese Liste hier?
Deshalb: Die Musical-Episode aus Scrubs, der zweitbeliebtesten Serie der Fernsehlexikon.de-Leser, kommt heute zum ersten Mal im deutschen Fernsehen.
Um 15.05 Uhr auf ProSieben.
Live
1987–1996 (ZDF). Talkshow aus dem Foyer der Alten Oper in Frankfurt am Main.
In 75 Minuten wurden vier bis fünf Gäste begrüßt, zwischen deren Befragungen eine Band spielte. Entwickelt wurde die Sendung vom ZDF-Politikredakteur Trutz Beckert, der als Konzept angab, in der Sendung „den tollen Unbekannten“ zu präsentieren, der „irgend etwas gemacht hat, was nicht in den Nachrichten vorkommt“. Es gab aber natürlich auch Platz für Prominente, sogar als Moderatoren. Altbundespräsident Walter Scheel durfte die Sendung gemeinsam mit Beckert und Amelie Fried moderieren, was für reichlich Aufmerksamkeit vorher und beispiellosen Spott hinterher sorgte. „Verquaste Weitschweifigkeit“, diagnostizierte der „Spiegel“ – Scheels erste Frage war 300 Wörter lang. Scheel entschuldigte sich hinterher damit, dass er schlecht höre, was er keinem gesagt habe, und versprach, nicht wieder zu moderieren. ZDF-Intendant Dieter Stolte behauptete, das zu bedauern: Er habe die Gesprächsfähigkeit, Lebenserfahrung und Weltläufigkeit Scheels als eine besondere Programmchance empfunden.
Nach dem Tod Beckerts moderierte Amelie Fried ab Juli 1988 mit Harry Valérien. 1990 übernahmen Elke Heidenreich und Rudolf Radke im Wechsel mit Petra Gerster und Hans Scheicher, 1993 folgte Wolfgang Herles mit Barbara Stöckl, die im September 1993 schon wieder durch Christa Schulze-Rohr abgelöst wurde.
Die Sendung lief zunächst monatlich, später 14-täglich am Donnerstagabend um 22.15 Uhr. Live wurde nach neun Jahren wegen dramatisch zurückgehender Quoten eingestellt; Nachfolger wurde Tacheles.
Live aus Maden-Maden
22:08. Sie sehen an der Überschrift, Damen und Herren, das wird ein fröhliches Pointenlimbo heute abend, mit der alten Der-Preis-ist-heiß-Regel: Nicht überbieten. Und wenn Sie sich für den weiteren Verlauf des Abends vielleicht jetzt schon die Information merken möchten: DJ Tomekk kann nicht schwimmen.
Frau Zietlow und Herr Bach scheinen sich schon auf eine angenehme Gehässigkeit vorgeglüht zu haben. Gleich geht’s los: Die dritte Staffel der einzigen Show im deutschen Fernsehen mit einem ironischen Titel: Ich bin ein Star — holt mich hier raus!
22:10. Ich geb’s zu: Das find ich schon lustig. Wie Dirk Bach und Sonja Zietlow mit einem braunen Schrumpelsäckchen mit zwei Augen dastehen, das der Teddybär von Ross sein soll, und Bach hält, als der geschriebene Text schon zuende ist, das Gammelteil noch einmal hoch und sagt: „Süß, ne?“ Und Zietlow antwortet, diplomatisch: „Geht so.“
22:16. DJ Tomekk hat Angst davor, jemandem auf die Fresse zu hauen. Bata Illic wünscht sich, dass sie Freunde werden. Hauptsache, Björn Hergen Schimpf hat Karlchen mitgebracht.
22:21. Ja gut, das ist jetzt alles egal. Diese Hotel-Anreisegeschichte mit Vorab-Interviews, in denen alle sagen, was für eine „Herausforderung“ das für sie ist. Muss aber wohl sein, schon weil man ja die Leute nicht kennt. Also, die „Stars“.
22:22. Frau Schaffrath geht in den Dschungel, um zu lernen, „Nein“ zu sagen. Frau Schaffrath? Clever wär es gewesen, vorher Nein zu sagen.
22:23. Bata Illic IST Franz Josef Wagner! Sieht aus wie 205 und man versteht kein Wort.
22:28. Ich mag die beiden. Also Sonja und Dirk. Die Dialoge von denen sind möglicherweise die ehrlichsten Gespräche im Privatfernsehen überhaupt. Mit soviel echter Lust an der Bosheit. Und dieser immer wieder zu spürenden Verachtung für diese Idioten da unten im Dschungel.
22:30. Das ist das, was an dieser Show so toll ist: Sie zeigen Julia Biedermann, wie sie sagt, dass sie dummes Geschwätz nicht ausstehen kann. Dann schneiden sie daran einen Endlos-Dummes-Geschwätz-Monolog von Ross. Und dann schwenken sie auf Julia, die neben ihm steht, und zeigen ihr eingefrorenes Gesicht.
22:32. Frau Edvardsson heult schon im Hotel!
22:34. Julia Biedermann ging noch nie. Julia Biedermann war immer schon eine der schlimmsten Frauen im deutschen Fernsehen. Schon als Kind. Julia Biedermann geht gar nicht. Maden für Julia Biedermann!
22:39. PR-Berater aus der Hölle: „Das ist für mich ganz wichtig“, sagt Lisa Bund, in den Dschungel zu gehen, „damit die Leute sehen, dass ich gar nicht die Zicke bin, als die ich bei DSDS abgestempelt werde“.
22:41. Lisa Bund hat sich ein Kissen mitgebracht mit Fotos von ihren Freunden drauf, sagt sie. Nun geht sie die Bilder durch: „Das bin ich, das bin ich, das bin ich, das da bin ich…“
22:43. Bach und Zietlow: „Was designt Barbara Herzsprung?“ — „Dirndlschürzen!“ — „Es gibt Designer für Dirndlschürzen?“ — „Barbara Herzsprung!“
22:45. Ach: die, die aussieht wie Cordula Stratmann, ist die Pornotusse?!
22:46. Diese ganzen Witze auf Kosten von Ross gehen mir auf den Sack, aber schön isses schon, wenn er mit seinem englischen Akzent sagt, es sei so „schwul und stickig“ da unten.
22:49. Wenn man Frau Illic sieht, ahnt man, warum er in den Dschungel will. Cordula Stratmann Gina Wild Frau Schaffrath heult auch schon. Ross auch! Was fürn Geheule. War das früher auch schon so?
22:58. Werbepause. Und leider die Erkenntnis, dass mich die Show jetzt schon wieder so gepackt hat wie die beiden Male davor. Ein Grund ist glaube ich, dass es sonst fast keine Sendung im Fernsehen gibt, bei der man wirklich nicht weiß, was passiert. Gut, es ist vollständig egal, was passiert, aber das ist ja nicht der Punkt. Wann wird dieses alberne profilneurotische Rumgepose von Tomekk aufhören (kleiner Spoiler: HEUTE NOCH)? Wer bringt Ross zum Schweigen? Wird Lisa Bund die Zickenkönigin des Camps oder Julia Biedermann? Wer erweist sich dann doch als überraschend sympathisch, wer als unerwartet unerträglich? Es ist tatsächlich irgendwie auch ein echtes psychologisches Experiment, bei dem man zugucken darf. Und keiner, der dabei ist, kann sagen, er hätte nicht gewusst, worauf er sich einlässt, und sei ein Opfer. (Außer Lisa Bund, vielleicht, wegen der PR und so.)
23:00. Lustiger als hier oben ist es unten in den Kommentaren: „Wurde Bata Illics Frau gerade von Anke Engelke gespielt?“ — „Die Frau von Bata Ilic sieht aus wie Jabba the Hut…“
23:07. Julia Biedermann sieht jetzt schon um zehn Jahre gealtert aus. DJ Tomekk hat angeblich versucht, Wodka in seiner Wasserflasche ins Camp zu schmuggeln. Diverse Leute versuchten es mit Zigaretten. Bata Illic wollte drei verbotene „Nimm zwei“-Bonbons mitnehmen. Und Ross hat seinen abgenagten Teddykopf als Hülle für Schmuggelgut missbraucht! Wer macht denn sowas?
23:13. Als ich Björn-Hergen Schimpf das letzte Mal gesehen habe, sah der mindestens 30 Kilo dicker aus. Der hat bestimmt voll strebermäßig vorher abgenommen, um im Dschungel gut auszusehen, und nun macht er auf: „Oh Gott, ich muss hier nicht gewinnen.“ Vielleicht kann ihm Frau Herzsprung aus der Ledergesichtshaut von Bata Illic ein Ersatz-Karlchen basteln?
23:17. Ach herrjeh, am Ende der heutigen Sendung werden dann schon alle geheult haben. Lisa Bund fällt immer wieder vom Superwackelsteg ins Camp, hängt an so einem Sicherheitsseil, aber weint vor Panik. (Musik: „Hard To Be A Girl“.) Und irgendeine blöde Kandidatenkuh ruft vom sicheren Rand: „Lisa, geh mal weiter!“
23:21. Und nun Bata Illic mit Magenproblemen. Sonja: „Camp-Rentner ist eben nicht mehr so geschmeidig wie Barbara (Herzsprung)“.
23:28. Die Zeiten, in denen Ich bin ein Star… die Show mit den kürzesten Werbeblöcken überhaupt war, weil es den Unternehmen angeblich zu fies war, sind anscheinend vorbei.
23:31. Herr Schimpf gibt sich wenig Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen: „Ist das schon das Camp?“
23:32. DJ Tomekks Ansage im Camp: Dass das mal klar ist, alle sollen morgens um 7 aufstehen und „salutieren“. „Das machen die Frauen bei mir auch.“ Michaela Schaffrath: „Wovon träumst Du nachts?“
23:38. Hach, das ist auch immer wieder schön, wenn alle einzeln und doch gemeinsam den Gipfel der Heuchelei erklimmen. Beim Vorschlagen, wer die erste fiese Prüfung machen soll, so Sätze wie: „Ich glaube, das ist der beste Weg für Ross, seine Ängste zu überwinden.“
23:43. Tomekk hat sich das wirklich verdient, diese Dschungelprüfung. Ist das nicht schön? Die ersten 90 Minuten erarbeitet es sich ein „Star“ ganz alleine die Schadenfreude, die man dann empfindet, wenn man ihn zwischen Krabbelgetier unter Wasser leiden sieht. Das ist bestimmt gesund — kathartisch, oder wie man das nennt.
23:54. Und mit einem Rutsch ist die ganze coole „Ich besorg Euch das Abendessen, Mädels“-Nummer vom Ober-DJ dahin: Aale sind nicht seins. Aale sind definitiv nicht seins. Die Prüfung bricht er vorher ab, mit der Hälfte der möglichen Sterne, die ins Abendessen umgewandelt werden. „Mit Fischen komm ich nicht zurecht“, sagt er, „ganz besonders, wenn es Baby-Krokodile sind.“
23:57. Ross vermisst seine Eltern, seine Famile. Fühlt sich dreckig. Heult. Die müssen sich doch noch ein Steigerungspotential für die nächsten Wochen lassen!
0:01. Die Dschungelprüfung für morgen hat RTL in der Pressemitteilung so angekündigt: „Hier wird aus Gläsern allerlei Getier gekostet, aber nicht gegessen. Wer es also schafft, z.B. eine Hand voll lebender Maden 30 Sekunden im Mund zu behalten, erhält zwei Sterne.“ Und die arme Lisa muss ran. Weil sie ihren ganzen Fans gesagt hat, sie sollen für sie anrufen, sagt sie. Genau.
0:03. Gina Wild erzählt Lisa Bund, sie soll sich keine Sorgen machen, weil Regenwürmer eigentlich nach nichts schmecken. Und Ross sitzt neben ihr und sieht aus, als kotzt er gleich.
0:07. Hach, ja, ich werde mir das jetzt wieder jeden Abend angucken. Vermutlich schön auf dem Festplattenrekorder, um die langweiligen Teile vorzuspulen. Aber so kondensiert von zwei Stunden ist das eine gepflegte Stunde gute Fernsehunterhaltung. Und das ganze Gerede vom Trash-Fernsehen ist eh Unfug: Musikauswahl, Schnitt, Moderationen, all das ist so professionell und gleichzeitig liebevoll gemacht. Und, Hand aufs Herz: An welchem Ort würden wir die Leute, die da im Dschungel sitzen und zu unserem Vergnügen und mit der Hoffnung auf den großen PR-Effekt leiden, lieber sehen?
Nur die Tiere müssen einem natürlich wieder leid tun.
0:10. Aber zum Livebloggen eignet sich das nur so mittel — die boshafte Kritik des Geschehens an sich steckt schon in der Sendung selbst; da kann man als Kritiker kaum noch was nachlegen und draufpacken. Aber in den Kommentaren schien ja Stimmung zu sein, das les ist jetzt noch mal in Ruhe durch. Schönen Abend noch und bis bald!