Hilferufe aus dem Sat.1-Text
Erst habe ich gedacht, im Teletext von Sat.1 seien die gestern im Rahmen der neuen „Überleben durch Selbstmord“-Strategie der Sendergruppe ProSiebenSat.1 kurzfristig eingestellten Boulevardmagazine Sat.1 am Mittag und Sat.1 am Abend nur deshalb noch für morgen angekündigt, weil alle Mitarbeiter dort auch längst entlassen wurden.
Beim genaueren Hinsehen scheint es aber eher so zu sein, dass dort tatsächlich noch Leute arbeiten und das Medium für verzweifelte Hilferufe nutzen:
(Hervorhebungen von mir.)
Hinter den Kulissen von KDD
Für alle Fans von Kriminaldauerdienst: Das ZDF hat ein kleines Making-Of zur zweiten Staffel bei YouTube veröffentlicht.
Hinter Gittern. Hinter uns.
Ohne dass es jemand bemerkt hätte, ist in der Nacht von Montag auf Dienstag nach zehn Jahren die einstige Erfolgsserie Hinter Gittern – Der Frauenknast zu Ende gegangen. Wie? Keine Ahnung. Ich habe die Serie nie regelmäßig verfolgt, was mit mangelndem Interesse an mangelndem schauspielerischen Talent und mangelnder Inhaltsschwere zu tun gehabt haben kann, doch das Ende wollte ich tatsächlich sehen. Schon vor Wochen machte ich mir eine Notiz, doch wie das so ist, wenn eine Notiz zu lange an der gleichen Stelle klebt, man zählt sie eines Tages unbewusst zum Mobiliar und nimmt sie nicht mehr wahr. Ich habe es also vergessen. Verpasst. So wie Millionen langjähriger Fans. Und genau das ist der Punkt.
So wie RTL zum Ende mit den Fans der Serie umging, geht man mit treuem Publikum einfach nicht um. Über fast ein Jahrzehnt war die Serie ein Quotengarant, hat dem Sender viele Zuschauer und viel Geld eingebracht. Millionen Menschen haben die Serie über Jahre verfolgt, und ebenso viele Millionen haben unzählige Male zumindest den Vorspann gesehen, weil sie nach Wer wird Millionär? nicht schnell genug ausgeschaltet haben. Doch selbst für viele, die die Serie nie gesehen haben, wurde „Knastlesbe Walter“ ein feststehender Begriff der Popkultur.
Die Serie war ein Markenzeichen und der Beweis, dass es eine zweite wöchentliche Soap neben der Lindenstraße im deutschen Fernsehen geben kann. Fast zehn Jahre hatte die Serie einen festen Platz, einen verlässlichen Termin, war der oft zitierte Fels im sich sonst ständig verändernden Fernsehprogramm. Und dann verliert RTL drei Monate vor Schluss die Geduld, weil die Quoten zurückgegangen waren. Natürlich sind drei Millionen Zuschauer für den Marktführer zur Primetime langfristig zu wenig. Kurzfristig wäre es aber ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Publikum gewesen, eine freundliche Geste, ein Dankeschön für die Treue, wäre die Serie die wenigen Wochen bis zum ohnehin bereits feststehenden Ende noch am bekannten Platz geblieben und nicht tief in die Nacht verschoben worden. Stattdessen gab es das übliche Zeichen von Arroganz, ein weiteres Signal, dass es ja offenbar nicht die Zuschauer sind, für die ein Sender sendet, einen Schlag ins Gesicht von drei Millionen Menschen, die RTL und der Serie bis zuletzt die Treue hielten. Aber die sind ja egal.
Damit gab RTL auch die Chance auf, das Ende eines, nennen wir es ruhig so, Klassikers noch mal ordentlich zu betrommeln, ein Ereignis aus einem großen Finale zu machen, und vielleicht zum Schluss noch mal ein paar der Zuschauer zurückzugewinnen, die im Lauf der Jahre verloren gegangen waren. In den USA gehören die Abschlussfolgen früherer Erfolgsserien regelmäßig zu nationalen Ereignissen. Auch Serien wie Frasier oder Friends, zweifellos von weit höherer Qualität, hatten in ihren letzten Staffeln nicht mehr so viele Zuschauer wie in ihren besten Zeiten, doch die Finalfolgen holten jeweils so viele Zuschauer wie nie zuvor und gehören nun zu den meistgesehen Einzelsendungen in der Geschichte des US-Fernsehens. Nur ein Beispiel, wie man es richtig macht.
RTL hat es falsch gemacht. Viele Zuschauer waren lange Zeit treu. RTL nicht. Wiederholt sich dieses Vorgehen zu oft, erschüttert dies das Vertrauen in einen Sender. Das könnte erklären, warum alle großen Sender in den vergangenen Jahren viele Zuschauer verloren haben. Eine Beziehung funktioniert nur, wenn beide Seiten treu sind.
Hire Or Fire – Der beste Job der Welt
2004. Realityshow.
Zehn Kandidaten hätten um einen Job bei John de Mol kämpfen sollten. Jede Woche hätten die Bewerber Aufgaben bewältigen und am Ende der Schwächste gefeuert werden sollen. Der Gesamtsieger sollte einen Top-Job und 300 000 Euro Jahresgehalt erhalten. Das Vorbild war die US-Show The Apprentice. RTL hatte die Rechte erworben und daraus Big Boss gemacht. Der Pro-Sieben-Abklatsch war schneller auf Sendung, dafür aber noch schneller wieder weg. Nicht einmal eine Million Menschen sahen um 20.15 Uhr zu, und so wurde nach der Premiere als erstes Opfer John de Mol samt Sendung gefeuert.
Bei einer früheren vorzeitig abgesetzten Realityshow, To Club, wurde das ausgesetzte Preisgeld unter den Kandidaten aufgeteilt. Es ist nicht bekannt, ob hier anstelle eines Spitzenpostens an den Sieger an alle Teilnehmer je ein Job in der Poststelle vergeben wurde.
Hitler — Eine Bilanz
1995 (ZDF). 6-tlg. Hitlerreihe von Guido Knopp.
In Zusammenarbeit mit Experten wie dem Stuttgarter Professor Eberhard Jäckel und dem Briten Ian Kershaw versuchte Knopp mit sechs Autoren ein Porträt Hitlers zu erstellen. „Das Fernsehen hat sich bisher um ein umfassendes Porträt dieses Mannes, der für die furchtbarsten Erfahrungen des 20. Jahrhunderts steht, herumgedrückt“, sagte Knopp. Die Idee dazu habe er seit 1977 im Kopf gehabt, als er den Hitler-Film von Joachim Fest gesehen habe. In jeweils 55-minütigen Folgen wird chronologisch Aufstieg und Fall Hitlers geschildert, unter den Kapitelüberschriften: „Der Privatmann“, „Der Verführer“, „Der Erpresser“, „Der Diktator“, „Der Kriegsherr“ und „Der Verbrecher“. „Das geschlossene Bild entsteht für die Zuschauer nur, wenn sie wirklich alle Folgen sehen“, betonte Knopp und fügte den entlarvenden Satz hinzu: „Und das sage ich bestimmt nicht wegen der Quoten.“
An Quoten gemessen war der Erfolg von Hitler – eine Bilanz und ihrer Nachfolgeserien unbestreitbar; die Reihen verkauften sich auch in viele andere Länder. Knopp schaffte es, gerade auch jüngere Menschen zu erreichen und für die dunkelsten Seiten der deutschen Geschichte zu interessieren. Andererseits stieß die plakative Machart der Filme, der suggestive Einsatz von Musik und Sprache, die totale Personalisierung, die ungenaue Trennung zwischen Originalmaterial und nachgestellten Aufnahmen und die Verstümmelung der Erzählungen von Tausenden von Zeitzeugen zu kürzesten Tonschnipseln auf massive Kritik. Im Lauf der Jahre erschienen Knopps Reihen allmählich wie eine Karikatur ihrer selbst: die immer gleichen Stilmittel (z. B. die Aufnahme der Zeitzeugen vor schwarzem Hintergrund mit einzelnem diagonalem Lichtschein), die Besessenheit vom Nationalsozialismus sowie die offensichtlich quotensteigernde Pflicht, das Wort „Hitler“ im Titel unterzubringen.
Nach dieser ersten Reihe, die sonntags am späteren Abend im Schnitt fünf Millionen Zuschauer und Marktanteile bis knapp 30 % erreichte, liefen die weiteren Hitlerreihen zur Primetime. In chronologischer Reihenfolge: Hitlers Helfer, Hitlers Krieger, Hitlers Kinder, Hitlers Frauen, Hitlers Manager, Sie wollten Hitler töten und Hitlers nützliche Idole.
Hitlers Helfer
1996 (arte); 1998 (ZDF). 12-tlg. Hitlerreihe von Guido Knopp.
Die Fortsetzung von Hitler – eine Bilanz porträtierte die Hauptfiguren des Nationalsozialismus: Hermann Göring, Joseph Goebbels, Heinrich Himmler, Albert Speer, Rudolf Hess, Karl Dönitz, Adolf Eichmann, Joachim von Ribbentrop, Roland Freisler, Martin Bormann, Baldur von Schirach und Josef Mengele war jeweils eine Folge gewidmet.
Knopp und seine Autoren perfektionierten bei Hitlers Helfer ihre Methode, Geschichte in laute Videoclip-Porträts zu verwandeln, in denen Fiktion und Dokumentation nicht mehr zu trennen sind. Die Sendungen hatten wieder beste Quoten und ließen sich hervorragend ins Ausland exportieren; das Urteil der Kritiker aber war verheerend. Die „Süddeutsche Zeitung“ schrieb: „Man verließ festen Boden und forcierte künstliche Aufregungen, vermischte vermeintlich spekulative (Film-)Funde mit einem drängenden, investigativen ‚Hier-genau-ist-es-gewesen‘-Naturalismus, umschnipselt von zumeist unerheblich schwadronierenden ‚Zeitzeugen‘. Knopp und sein Stab haben sich von allem verabschiedet, was rings um den Begriff Zeitgeschichte auch einmal anzutreffen war: Aufklärung. Geduldiges, stringentes, nachvollziehbares, Lücken füllendes, provozierendes Erzählen. Was wir sehen, ist der Untergang eines Genres.“ Frank Schirrmacher urteilte in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“: „Es ist der bislang auffälligste Versuch, historisches Bewusstsein durch kollektive Nervenreizung zu vernichten.“ Er konstatierte einen „fast rauschhaften Steigerungs- und Überbietungswillen, der in der gegenwärtigen Staffel von Hitlers Helfern einen Zug ins Irrwitzige bekommen hat.“
Zwei Staffeln mit je sechs dreiviertelstündigen Folgen zeigte das ZDF ab Januar 1997 dienstags um 20.15 Uhr, die erste Staffel war zuvor bereits bei arte gelaufen. Als nächstes kamen Hitlers Krieger an die Reihe.
Hitlers Kinder
2000 (ZDF). 5-tlg. Hitlerreihe von Guido Knopp über das Schicksal der Jugend in der Zeit des Nationalsozialismus.
Hitlers Kinder schloss an Hitlers Krieger an und ging Hitlers Frauen voraus. Das ZDF war auf der Suche nach Zeitzeugen im Spätsommer 1999 mit einem „Jahrhundertbus“ durch verschiedene Großstädte Deutschlands getourt. In dem zum Studio umgebauten Fahrzeug konnten die Interviews direkt aufgenommen werden.
Die 45-Minuten-Folgen liefen dienstags um 20.15 Uhr.
Hitlers Krieger
1998 (ZDF). 6-tlg. Hitlerreihe von Guido Knopp.
Knopp berichtete über die Männer, die mit Hitler den Zweiten Weltkrieg führten: Erwin Rommel, Wilhelm Keitel, Erich von Manstein, Friedrich Paulus, Ernst Udet und Wilhelm Canaris. Hitlers Krieger war der Nachfolger von Hitlers Helfer und der Vorgänger von Hitlers Kinder.
Die 45-Minuten-Folgen liefen dienstags um 20.15 Uhr.
Hitlers Manager
2004 (ZDF). 5-tlg. Hitlerreihe von Stefan Brauburger.
Die Reihe berichtete über Männer, die im Schatten der Hitler-Diktatur Karriere machten und halfen, sie zu organisieren: der Architekt und Rüstungsminister Albert Speer, der Raketenkonstrukteur Wernher von Braun, der Ingenieur Ferdinand Porsche, der Chef des Wehrmachtsführungsstabs, Alfred Jodl, und die Rüstungsindustriellen Gustav und Alfried Krupp.
Autor Brauburger war Stellvertreter von Guido Knopp in der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte und drehte die Porträts im bewährten Stil seines Chefs mit Zeitzeugen-Interviews, Originalaufnahmen und Rekonstruktionen. Ebenso umstritten war die Reihe auch, vor allem wegen ihrer starken Personalisierung: Der Zuschauer erfuhr zum Beispiel, dass die „Liebe“ zwischen Hitler und Speer „nie erotisch, nie homosexuell“ war, und diverse andere private Details über die Porträtierten. Die Reihe zeigte zudem, dass Knopps Leuten allmählich Schwierigkeiten bekamen, immer neue Titel mit „Hitlers …“ zu erfinden: Mit Managern im eigentlichen Sinn beschäftigten sich nur zwei der fünf Folgen. Albert Speer hatte außerdem bereits eine eigene Episode in Hitlers Helfer bekommen.
Die Auftaktfolge lief an einem Dienstag zur Primetime, der Rest um 22.15 Uhr.
Hitlers nützliche Idole
2007 (ZDF). 3-tlg. Hitlerreihe aus Guido Knopps Hitlerredaktion über drei Stars der NS-Zeit, die sich für Hitlers Heile-Welt-Propaganda vereinnahmen ließen, das Volk bei Laune zu halten: Heinz Rühmann, Max Schmeling und Leni Riefenstahl. Letztere hatte auch schon in der früheren Hitlerreihe Hitlers Frauen ihre eigene Folge.
Läuft auf dem Hitlersendeplatz am Dienstag um 20.15 Uhr.