Hellsehen und hochstapeln
Irgendwie gehören Monk und die neue RTL-Serie Psych zusammen. In den USA laufen sie direkt hintereinander mit gleichem Erfolg, sie haben die gleichen Fans, und amazon.com verkauft die aktuellen Staffeln von Monk und Psych als gemeinsames DVD-Boxset („TV-Marathon-Detektiv-Zweierpack“). In Deutschland hat Monk ab heute für ein paar Monate Pause. Den Sendeplatz übernimmt Psych.
Die Gemeinsamkeiten der beiden Serien sieht man weniger, man fühlt sie. Es ist die Anmutung, das Leichte, das Sympathische, das Skurrile, das Augenzwinkern. Monk und Psych sind die neue Generation des Schmunzelkrimis, der seine beste Zeit vor Jahrzehnten hatte und dank dieser beiden eine Renaissance erlebt. Sie sind der Gegenpol zu den coolen Wissenschaftlern der Forensikerkrimis. Sie verlassen sich auf ihre Intuition. Beide Protagonisten sind private Ermittler, die für die Polizei arbeiten, dort aber mit großer Skepsis konfrontiert werden. Und da enden die Gemeinsamkeiten der Hauptfiguren.
Shawn Spencer (Psych) und Adrian Monk könnten kaum unterschiedlicher sein. Shawn ist ein cooler Frauenheld. Ein entspannter Lebenskünstler. Ein verlogener Hochstapler. Er behauptet, ein Hellseher zu sein, um nicht ins Gefängnis zu müssen. In Wirklichkeit beobachtet er einfach nur schärfer und schlussfolgert schneller als andere. Verbrechensaufklärung auf den ersten Blick. Weil die Polizei ihn für einen Mittäter hält (wer sonst sollte so viele Informationen haben?) und Shawn nicht glaubt, sie könnten ihm seine wirkliche Gabe abnehmen, erfindet er kurzerhand die Sache mit dem Hellsehen. Die ist zwar noch viel absurder, aber die glauben sie ihm. Sehr widerwillig zwar, aber zumindest kommt er damit durch und zu einem Job im Polizeiauftrag.
Und so löst dieser Mann, der noch keinen Job länger als ein paar Wochen behielt, fortan verzickte Kriminalfälle, immer unter der Tarnung des Hellsehers. Sehr zum Missfallen seines grimmigen Vaters, einem ehemaligen Polizisten, der von seinem Sohn ohnehin schon enttäuscht war: „Bei der Polizei haben wir zwei Dinge gehasst: Privatdetektive und Hellseher. Herzlichen Glückwunsch. Du hast es geschafft, beides auf einmal zu sein.“
Psych ist sehr nett anzusehen, denn die Serie ist amüsant und ein bisschen spannend, vermeidet aber das Abdriften ins Alberne, obwohl die Versuchung sehr groß ist. Die Serie startet mit einem Fall in Spielfilmlänge, bei dem man ein paarmal den Eindruck hat, nun sei die Sache aber gegessen, bevor die Geschichte doch noch eine neue Wendung nimmt. Ab nächster Woche haben die Episoden reguläre Serienlänge mit einer Stunde Bruttolaufzeit.
Man muss kein Hellseher sein, um der Serie auch in Deutschland gute Einschaltquoten vorherzusagen. Wer Monk mag, wird auch Psych mögen. Und wer Dr. House als Vorprogramm hat, kann sowieso kaum verlieren.
Psych, dienstags um 22.15 Uhr bei RTL.
Herdtrieb
Wann auch immer Sie Vox einschalten, dauert es nicht lange, bis gekocht wird. In dieser Hinsicht ist Vox eine Art SWR Fernsehen unter den Privaten. Würfe man alles Gekochte von Vox und dem SWR Fernsehen in ein riesiges Care-Paket, könnte man mehrere afrikanische Länder ernähren. Weil aber auch in Südamerika Menschen hungern, kommt heute eine neue Kochshow dazu. Born To Cook — Die Tim Mälzer Show verbindet das beliebte Kochelement mit dem beliebten Mitrateeffekt, wenn Kandidatenteams zwischendurch Fragen beantworten müssen. Also quasi Quark und Quiz.
Vorher beginnt bei Vox die letzte Staffel von Crossing Jordan — Pathologin mit Profil. Die Krimiserie Close To Home pausiert für den Rest des Sommers.
Die Kollegen von Kress formulieren es so: „Der Sender Vox strahlt ab Oktober 22 neue Folgen der Krimiserie Close to Home aus. Grund: Auf dem angestammten Sendeplatz am Freitagabend um 21.05 Uhr läuft ab sofort die Tim-Mälzer-Show Born to Cook.“, und halten das für eine logische Erklärung.
Herzblatt
1987–2004 (ARD); 2005 (BR). Vorabend-Kuppelshow.
Ein Single (der „Picker“) stellt drei Singles anderen Geschlechts, die gemeinsam auf der anderen Seite einer Trennwand sitzen, Fragen und entscheidet sich aufgrund der Antworten für einen, mit dem er am folgenden Tag eine Reise unternimmt. Das Ganze geschieht zweimal pro Sendung: Einmal wählt eine Frau unter drei Männern, einmal ein Mann unter drei Frauen. Mindestens eines der Gewinnerpaare erzählt in der folgenden Sendung, wie es ihm ergangen ist und ob es gefunkt hat. Erst ab Folge 300 gab es allerdings bewegte Bilder von ihrer Reise, vorher nur Standfotos.
Moderator der Show war zu Beginn Rudi Carrell, der das Format für Deutschland aus Großbritannien adaptiert hatte. Er präsentierte die Show 128-mal. Am 27. September 1993 übernahm Rainhard Fendrich die Moderation, im Herbst 1997 Hera Lind. Nur ein Jahr später kam Christian Clerici (der im Streit die ARD verließ, die ihm vorwarf, parallel zur Sendung am Wechsel zu Sat.1 gearbeitet zu haben) und nach einem weiteren Pierre Geisensetter. Er durfte zur Abwechslung mal zwei Jahre bleiben, ab Herbst 2001 wurde Jörg Pilawa neuer Moderator. Immer mit dabei war ferner als Off-Stimme Susi Müller, die die Aussagen der Kandidaten zusammenfasste und als erotischste Stimme Deutschlands gilt.
Spontan an der Sendung ist eigentlich nur ein einziger Moment: Wenn sich die Wand öffnet und sich die beiden Kandidaten, die einander gefunden haben, zum ersten Mal sehen. Die Fragen dagegen kennen die Bewerber schon vorher, und die Antworten darauf müssen sie sich nicht einmal allein ausdenken: Professionelle Autoren helfen ihnen beim Formulieren „schlagfertiger“ Sätze. Diese Tatsache war vermutlich das am schlechtesten gehütete Geheimnis im deutschen Fernsehen und wurde bald und dann immer wieder von anderen Medien „enthüllt“. Doch tat dies dem Reiz und dem Erfolg von Herzblatt keinen Abbruch. Nicht Spontaneität, sondern Rituale machten die Sendung aus – vor allem zu Carrells Zeiten, der sich nicht einmal Mühe gab, zu verbergen, dass er die Fragen zur Person der Singles von Pappkartons ablas. Es ergaben sich Dialoge wie: „Und haben Sie mal was Spannendes mit einem Känguru erlebt?“ – „Ja, Rudi, und zwar war ich damals in Australien …“ Weitere immer wiederkehrende Elemente waren der Satz „Und hier ist ihr Herzblatt“, bevor sich die Trennwand öffnet, die Reisen mit dem HBH genannten Herzblatthubschrauber in irgendwelche bayerischen Käffer und der Satz: „Und nach ihrer Rückkehr haben wir die beiden getrennt voneinander befragt“, nachdem Ausschnitte von der Reise gezeigt worden waren.
Anfang 2003 wurde erstmals ein Herzblatt mit schwulen Kandidaten ausgestrahlt, was leider vorher niemand dem Bürgermeister von Bad Alexanderbad in Oberfranken gesagt hatte, wohin das Gewinnerpärchen fuhr. Er weigerte sich, beide zu begrüßen, was einen erheblichen Medienrummel zur Folge hatte.
Herzblatt war die erste einer riesigen Welle von Dating-Shows im deutschen Fernsehen. Es ist weltweit die erfolgreichste Beziehungsshow. Sie wird staffelweise im Wochenrhythmus ausgstrahlt mit je ca. 26 Folgen von Herbst bis Frühjahr und lief zunächst nur im regionalen Vorabendprogramm des BR, ab 1988 in mehreren Anstalten, ab 1993 in der gesamten ARD. Vorbild war die britsche Sendung Blind Date (seit 1985), die ihrerseits auf die in den USA bereits 1965 gestartete Show „The Dating Game“ zurückgeht. Die Sendezeit betrug zwölf Jahre lang eine halbe Stunde, Anfang 1999 wurde sie auf eine ganze Stunde verdoppelt. Bis dahin war der feste Sendeplatz freitags um 19.25 Uhr, die zusätzliche halbe Stunde wurde vorn angehängt, und neuer Sendebeginn war seitdem bereits 18.55 Uhr. Im Herbst 2001 lief die Reihe vorübergehend samstags am Vorabend. Ab diesem Zeitpunkt waren die Staffeln deutlich kürzer, um dem neuen Moderator Jörg Pilawa die Zeit zu geben, auch seine anderen drei regelmäßigen Sendungen in den Programmen der ARD zu moderieren.
Wichtig war Herzblatt auch als Talentshow: Aus einigen Kandidaten wurden später selbst Moderatoren, darunter Kai Pflaume (Nur die Liebe zählt) und Franziska Rubin (Luft und Liebe). Nach 430 Folgen stellte die ARD die Reihe ein, der produzierende Bayerische Rundfunk führte sie in seinem Dritten Programm noch für eine Staffel fort. Neuer und letzter Moderator wurde 2005 Alexander Mazza.
Hesse sucht Frau
Manchmal fragt man sich ja schon, wie Atze Schröder im wirklichen Leben aussieht. Und ob Maddin Schneider tatsächlich so ein lahmer Depp ist. Komiker tun sich nicht zwingend einen Gefallen, sich selbst die Beschränkung einer einzigen eindimensionalen Rolle aufzuerlegen, die irgendwann erschöpft ist. Tom Gerhardt hat das eines Tages gemerkt. Maddin Schneider noch nicht. Vorausgesetzt, es ist wirklich eine Rolle.
Und so ist seine neue Comedyserie Maddin in Love über weite Strecken eine Qual. Als einer von mehreren Teilnehmern in Panelshows, als Dauergast in der Schillerstraße oder als sporadisch auftauchende Nebenrolle in Pastewka ist Maddin noch einigermaßen zu ertragen, als Hauptfigur seiner eigenen Serie, in der auch fast alle Nebenrollen Klischeefiguren sind, wird es allmählich schwierig.
Die Drehbücher sind vermutlich nur halb so dick wie bei anderen Serien, weil Maddin für jeden Satz so lange braucht.
Oliver Welke hat sie geschrieben, und es gelingt ihm trotz der Hindernisse, aus der an den Haaren herbeigezogenen Ausgangssituation eine einigermaßen stimmige, liebenswerte Geschichte zu machen: Maddin darf eine Millionenerbschaft nur dann antreten, wenn er innerhalb von vier Wochen die Frau fürs Leben findet und heiratet. Und das ist der Punkt, der tatsächlich nur funktioniert, wenn Maddin ist wie er ist: Wer um Himmels Willen würde den heiraten? Das macht es halbwegs interessant, und dazu kommt das alte Kriegen-sie-sich-oder-nicht-Spiel, das immer funktioniert, auch hier, bei dem der Zuschauer schon viel früher als die Beteiligten weiß, worauf es hinausläuft. Denn auch hier scheint festzustehen, dass Maddin am Ende seine Traumfrau in der Person finden wird, die schon die ganze Zeit an seiner Seite ist: Es ist eine gutherzige Freundin, die ihm bei der Partnersuche hilft, weil sie offenbar als Einzige seine positiven Eigenschaften zu schätzen weiß. Man wünscht ihnen schnell, dass sie sich kriegen – und dass sie uns später vielleicht mal erzählt, welche Eigenschaften das sind.
Maddin in Love, sonntags ab 19.15 Uhr in Sat.1 (jeweils zwei Folgen).
Heute keine Nachrichten
Zu den merkwürdigsten Erfindungen im Fernsehen gehört die Doppelmoderation von Nachrichtensendungen. Kaum eine andere Aufgabe ist gleichzeitig so anspruchsvoll und erniedrigend wie die, einigermaßen intelligent zu wirken, während der Kollege neben einem eine Meldung vorliest. Bis heute ungelöst ist auch die Frage, wohin derjenige, der gerade nicht an der Reihe ist, guckt: Starr in die Kamera? Rüber zum Kollegen? Vor sich aufs Blatt? Und mit welchem Gesichtsausdruck: Aufmerksam? Abwesend? Neugierig? Wissend?
Jason Arber von der Londoner Filmfirma Wyld Stallyons konnte nicht aufhören, die schweigenden Sprecher während dieser Moderationen anzugucken, und hat ihnen ein kleines Video-Denkmal gesetzt: Er schnitt den Sprecher des Duos weg, ersetzte ihn durch einen Schweiger — und erreichte einen höchst beunruhigenden Effekt.
„The Day There Was No News“:
Der englische Komiker Adam Buxton hatte zuvor schon eine ganz ähnliche Idee.
„No News“:
[via idents.tv]
Hexenbestattung
Eigentlich ist es ja egal. Und der Vorspann mit Bildern von San Francisco war sicher das Gehaltvollste, was Charmed – Zauberhafte Hexen zu bieten hatte. Aber irgendwie werde ich die drei Hexen vermissen, die nur mit schluchttiefen Dekolletés und einem Zettel mit gereimten Zaubersprüchen jedes Monster zum Explodieren bringen konnten.
Wenn es nach Beverly Hills, 90210 und Charmed nicht bald eine neue Serie gibt, aus der Shannen Doherty gefeuert werden kann, wird nach der heutigen letzten Folge eine Lücke im Fernsehen klaffen, die sogar die zwischen Tori Spellings Brüsten in den Schatten stellt.
Einige Stunden später, gegen Mitternacht, beerdigen wir außerdem Six Feet Under. Das war zwar streckenweise recht deprimierend und lief nur halb so lang wie Charmed, ist aber auch nur halb so egal. Zumal die Halliwell-Hexen in den Wiederholungshimmel kommen und wohl noch auf Jahre im Pro-Sieben-Nachmittagsprogramm Dämonen sprengen werden, nach der Verbannung der letzten Staffel ins Samstagnachtprogramm eine baldige Wiederholung von Six Feet Under aber unwahrscheinlich ist.
Auf Wiedersehen, Fishers! Hoffentlich macht Euch Federico für die letzte Ruhe besonders hübsch.
Hey, hey, Bully, hey, Bully, hey
Foto: Pro Sieben.
Immerhin wissen wir nun, dass die Antwort „Im Prinzip Ja“ lautet. Die Antwort auf die Frage, ob es möglich ist, eine Castingshow zu produzieren, die im Gegensatz zu Deutschland sucht den Superstar grundsätzlich menschenfreundlich ist, ohne so langweilig zu sein wie Gottschalks Musical Showstar 2008.
Bully sucht also Leute, die in seiner Verfilmung von Wickie und die starken Männer, die 2009 ins Kino kommen soll, Gorm, Urobe, Ulme, Faxe, Tjure und Snorre spielen. Was die Voraussetzungen sind, ist nicht ganz klar; irgendeine äußerliche Ähnlichkeit ist offenbar hilfreich, aber nicht notwendig, dasselbe gilt für schauspielerisches Talent. Gute Typen sind gesucht, und einige haben sich auch zum Vorsprechen beworben.
Da ist Alexander Mayer, ein junger Bayer, der in Tracht gekommen ist und in breitem Bayerisch spricht, aber behauptet, hochdeutsch nicht nur sprechen zu können, sondern gelegentlich sogar zu denken (was sich spontan aber nicht überprüfen lässt). Er ist sensationell sympathisch, halbfreiwillig komisch — nur der Gedanke, ihn als Schauspieler zu engagieren, drängt sich nachhaltig nicht auf. Es ist herzzerreißend, seine ungläubige Enttäuschung zu sehen, als er erfährt, dass es nichts wird mit der Rolle. Das ist besonders tragisch, denn Alexander sagt: „Bully, ich glaub, ich bin dein größter Fan.“ Andererseits ist er deshalb schon grenzenlos glücklich, Bully überhaupt getroffen haben zu dürfen. Ein Autogramm wünscht er sich noch. Bully will es ihm auf den Wikingerhelm schreiben, den Alexander mitgebracht hat und aufgeregt zwischen den Fingern dreht, bloß: „Des is aber ein Leihhelm…“ Es findet sich schließlich ein Poster, das er unterschrieben mitnehmen kann, und als Alexander auch von Jürgen Vogel ein Autogramm bekommt, sagt er dem Schauspieler noch, fast als wollte er ihn trösten: „Ich find dich auch klasse.“
Aus ganz Deutschland sind sie angereist für dieses Casting, aber es liegt eine angenehm entspannte Atmosphäre über dem Ganzen: dass es hier nicht darum geht, Deutschlands nächster Super-Wikinger zu werden oder sich ein Lebensziel zu erfüllen, für das man seit seiner Geburt Gesangstunden nimmt. Es ist eine unverhoffte Chance, ein wunderbarer Traum, nicht mehr und nicht weniger.
In kleinen Rollenspielen müssen sich die Kandidaten präsentieren, und dass die meisten von ihnen bessere Selbstdarsteller als Anderedarsteller sind, tut der Unterhaltsamkeit keinen Abbruch. Viele kleine Männer sind gekommen (manche scheinen sogar noch kleiner zu sein als Jürgen Vogel) und bewerben sich darum, als Snorre groß rauszukommen. Aber auch für langsame, tumbe, lange und alte Bewerber bietet das zu castende Wikinger-Ensemble ja Chancen. Außer Bully und Jürgen Vogel sitzt ihnen die Produzentin Rita Serra-Roll gegenüber, und gemeinsam zeigt die Jury nicht nur gelegentlich eine unerklärliche Großzügigkeit, was das Verteilen von Helmen angeht, die zur Teilnahme am „Recall“ berechtigen, sondern auch eine wunderbare Dankbarkeit für unbrauchbare, aber unterhaltsame Vorstellungen, die sie hier sehen. „Das war ’ne schöne Lebenszeit“, sagt Jürgen Vogel einmal.
Bully sucht die starken Männer wäre, mit anderen Worten, eine anständige, teilweise fast zarte Show geworden — wenn sie nur (höchstens!) halb so lang gewesen wäre und die Produzenten allein der Kraft dieser Casting-Auftritte vertraut hätten. Leider versucht ein nerviger Off-Sprecher, eine offenkundig nicht vorhandene Dramatik in die Szenen zu quatschen, und zwischendurch gibt es immer wieder Promotion-Szenen für den Film und Ausschnitte vom konventionell veranstalteten Kindercasting für die Hauptrolle des Wickie, die ebenso lang wie weilig sind. Am Ende bewirbt sich „überraschend“ noch Günther Kaufmann um die Rolle des Faxe, wird aber abgelehnt und ist schon halb zur Tür raus, als ihm Bully plötzlich in Zeitlupe verspricht, stattdessen aber die Rolle des schrecklichen Sven spielen zu dürfen.
Das hätt’s wirklich nicht gebraucht.
Hi! Raten Sie mal…
Fotos: ZDF
Was haben wir Linda de Mol vermisst! Verzeihung – falsche Interpunktion. Was? Haben wir Linda de Mol vermisst? Nun, jetzt ist sie wieder da, und mit ihr die alte RTL-Show Traumhochzeit, diesmal als „der romantischste Event des Jahres“ im ZDF. Nach dem Schloss am Wörthersee, Johannes B. Kerner, Jörg Pilawa und dem Bergdoktor ist die Traumhochzeit die nächste Schöpfung des Privatfernsehens, die ins öffentlich-rechtliche Fernsehen gewandert ist, nächstes Jahr folgt noch Kommissar Rex — solange die Privaten heute weiter Programm produzieren, ist der Fortbestand von ARD und ZDF also auch in 15 Jahren noch gesichert.
Ist es sinnvoll, den Ablauf einer Sendung zu protokollieren, die jahrelang zu Recht ein Sensationserfolg war und allgemein bekannt sein dürfte? Man kann’s ja mal versuchen. Ein paar Gehässigkeiten und flache Witze kommen vielleicht dabei heraus.
20.15 Uhr: Die Traumhochzeit wird heute erstmals im 16:9-Format ausgestrahlt. Damit hätte man rechnen können. Nach so vielen Ehejahren gehen viele Verheiratete in die Breite.
20.18 Uhr: Als erstes Paar treten zwei Heiratswillige über 40 auf. Vermutlich, damit sich die ZDF-Zuschauer nur an die Hochzeit ihrer Kinder erinnert fühlen und nicht gleich an die ihrer Enkel.
20.45 Uhr: Nach den drei originellen Heiratsanträgen mit versteckter Kamera geht es im ersten Spiel darum, sich möglichst lang in einem Rodeo-Ehebett festzuhalten. Linda de Mol macht den nahe liegenden schlüpfrigen Witz über die Hochzeitsnacht und liest dann allen Ernstes einfache Rechenaufgaben vor, um die Rüttelbettaufgabe zu erschweren.
20.53 Uhr: Zum Grundkonzept gehört es jetzt, dass nach jeder Spielrunde das Siegerpaar eins von drei Hochzeitsgeschenken aussuchen muss. Dabei geht es darum, richtig den Wert einzuschätzen und das preisgünstigste auszuwählen, denn am Ende kommt das Paar ins Finale, das die bescheidensten Geschenke angesammelt hat. Welch eine Verschwendung. Der Preis ist heiß hätte man doch als eigene Show ins ZDF holen können.
20.56 Uhr: Auftritt Johann Lafer und Horst Lichter. Auch damit hätte man nach dem Wechsel ins ZDF rechnen müssen. Die treten ja in jeder ZDF-Sendung auf. Bald moderieren sie bestimmt auch das heute-journal. Ich frage mich, ob es später eine Rückkehr des Traumhochzeit-Standesbeamtenoriginals Willy Weber geben wird oder ob mit Horst Lichter die Zwirbelbarthöchstgrenze bereits erreicht ist.
21.05 Uhr: Die Paare kochen um die Wette, und Lafer und Lichter essen test. Welch eine Verschwendung. Die Kocharena hätte man doch in 15 Jahren als eigene Show ins ZDF holen können.
21.22 Uhr: Die potenziellen Bräute haben vor der Show die Namen von 25 Paaren, ihre Hochzeitsdaten, die Orte der Trauung und die Anzahl und ggf. Namen der Kinder auswendig gelernt und sollen das alles nun im Angesicht der Bräute aufsagen. Und sie können das auch noch! Ich bin beeindruckt und halte es für einen Trick, denn ich konnte mir über viele Jahre nicht mal merken, was meine eigene Freundin beruflich macht.
21.30 Uhr: Das Spiel war tatsächlich spannend. Und das nächste ist es auch: Die Champagnerpyramide. Gläser rausziehen bis zum Einsturz.
21.40 Uhr: Einsturz.
21.49 Uhr: Die Show hängt jetzt ein bisschen in der Luft. Halt: Die Kandidaten tun es: Drei Paare hängen in luftiger Höhe an Seilen und halten sich aneinander fest. Wer am längsten festhält, gewinnt.
21.53 Uhr: Die Gewinnerin heult. Wann folgt Linda?
22.05 Uhr: Das Paar, das vom letzten Spiel noch orange Overalls trägt, hat die billigsten Preise angesammelt und darf deshalb gleich heiraten. Wäre es nicht lustig, wenn sie sich dafür nicht mehr umziehen dürften und aussähen wie von der Müllabfuhr?
22.09 Uhr: Schade. Er trägt einen Anzug. Dann würde ich jetzt viel Geld darauf verwetten, dass sie ein Brautkleid trägt.
22.10 Uhr: Eben.
22.12 Uhr: Das ist nicht Willy Weber. Aber wenigstens hat er einen Schnauzbart.
22.18 Uhr: Linda hat vergessen zu heulen, verabschiedet sich aber wenigstens wie gewohnt mit „Dag!“
So. Ich bilanziere mal nüchtern (haha, Riesengag): Ganz ehrlich, das war schon schön. Die Traumhochzeit ist eine Show aus der Zeit, als die große Abendshow noch nicht als tot galt, und sie lebt auch heute noch. Die Neuauflage hatte ein paar Längen, erfüllte aber insgesamt die Anforderungen an ein unterhaltsames Abendprogramm, zog mich sogar ein paar Mal vom Kühlschrank zum Fernseher zurück, weil die Spiele spannend wurden.
Und wer das anders sieht, sollte der Traumhochzeit zumindest zugute halten, dass ihretwegen heute kein Rosamunde-Pilcher-Film kam.
Quoten-Update 12. Mai:
Überraschende Zuschauerzahlen: Nicht einmal drei Milllionen sahen insgesamt zu, was dafür spräche, dass es bei einer einmaligen Neuauflage bleiben könnte. Bei den Menschen unter 50 lag die Traumhochzeit allerdings gut zwei Prozentpunkte oder rund 30 Prozent über dem ZDF-Senderschnitt.
Hilfe! Comedy!
Dass Sat.1 Christoph Maria Herbsts neue Comedyserie Hilfe! Hochzeit! — Die schlimmste Woche meines Lebens startet, noch während Herbst in neuen Folgen von Stromberg auf Pro Sieben zu sehen ist, ist zwar bemerkenswert schlechtes Timing, aber letztlich egal. Wen stört’s, wenn’s lustig ist? Und dass die Gags in Hilfe! Hochzeit! nicht lustig sind, kann man unmöglich behaupten. Wären sie nicht lustig, würden sie ja nicht seit Jahrzehnten immer und immer wieder gemacht.
Herbsts Figur Joachim Witte trägt in der neuen Serie weniger Gesichts-, dafür mehr Haupthaar und ist nicht das unangenehme Ekel, das Bernd Stromberg ist. Es sei denn, man fragt seine zukünftigen Schwiegereltern. Sämtliche durchsichtigen Einschleimversuche gehen daneben, er macht sich zum Affen und lässt keinen vorhersehbaren Fettnapf aus. Was schiefgehen kann, geht auch schief. Er verwechselt Päckchen und schenkt dem Schwiegervater versehentlich Kondome statt einer Uhr, schleicht sich nachts ins falsche Bett und begrapscht irrtümlich seine Schwiegermutter, und schließlich betoniert er den Schoßhund Strolchi ein.
Was die Serie trotzdem recht ansehnlich und kurzweilig macht, sind die Hauptdarsteller, allen voran der großartige Christoph Maria Herbst und der große Uwe Friedrichsen als sein abweisender Serienschwiegervater, die so erfrischend spielen, als hätten sie es hier mit völlig neuem Material zu tun. Und tatsächlich mischen sich zwischen die vielen alten Witze sogar einige neue. Die verrückte Stalkerin, die Joachim zusätzlich zu allen anderen Problemen abwimmeln muss, ist zwar auch nicht soooo originell, und ihre Behauptung, sie trage sein Baby in ihrem Bauch, weil sie ein einziges Mal miteinander geschlafen haben, überrascht auch noch nicht, dafür aber seine Antwort: „Das war vor vier Jahren!“.
Hilfe! Hochzeit! ist keine Serie, derentwegen man zu Hause bleiben oder die man in Abwesenheit aufnehmen müsste, aber wenn man sonst gerade nichts zu tun hat, vertreibt sie ganz gut die Zeit und verhindert zumindest, dass man sich langweilt.
Hilfe! Hochzeit! Die schlimmste Woche meines Lebens, freitags um 21.15 Uhr in Sat.1.
Und anschließend: Neue Folgen von Anke Engelkes Ladyland.
Hilfe, meine Familie spinnt
1993 (RTL). 26-tlg. dt. Sitcom.
Jupp Strunk (Lutz Reichert) ist Schuhverkäufer und hat keine Lust, Sex mit seiner Frau Roswitha (Christiane Zeiske) zu haben oder sich um die Kinder Tim (Christoph Scheermann) und Biggi (Kathrin Lippisch) zu kümmern.
Die Serie war eine wörtliche Übersetzung von Eine schrecklich nette Familie, lediglich die Namen wurden eingedeutscht. Die übersetzten Originaltexte wurden mit deutschen Schauspielern noch einmal gedreht. Dieser Versuch, damit an den Erfolg des US-Originals anzuknüpfen, lief donnerstags zur Primetime und ging verdientermaßen gründlich daneben. Auch der unmittelbar vorher laufende Versuch einer Eindeutschung von Wer ist hier der Boss? namens Ein Job fürs Leben floppte.