Dellings Woche
2007–2008 (WDR). Talkshow mit Gerhard Delling, der mit prominenten und nicht-prominenten Gästen über aktuelle und allgemeine Themen spricht.
Dellings Woche übernahm den Sendeplatz am Mittwochabend, auf dem Frank Plasberg höchst erfolgreich Politiker in die Zange genommen hatte, bevor er mit Hart aber fair vom WDR-Fernsehen ins Erste wechselte. Die Nachfolgesendung war thematisch und formal breiter angelegt: Es konnte im Grunde um alles gehen, und neben Einzelgesprächen war auch eine größere Talkrunde möglich, die durch Einspielfilme ergänzt wurde. Von „Stern TV für Arme“ sprachen Kritiker im Sender schon vor der Premierensendung, was keine abwegige Beschreibung war.
Die Sendung war zunächst 45 Minuten lang und begann um 21 Uhr; 2008 gab es die doppelte Sendezeit ab 20.15 Uhr.
Dem Täter auf der Spur
1967–1973 (ARD). 17-tlg. dt. Krimi-Quiz-Reihe von Jürgen Roland.
Kommissar Bernard (Günther Neutze) versucht, durch lange Gespräche mit allen Beteiligten die Täter in Mordfällen in Frankreich zu ermitteln. An seiner Seite ist Inspektor Mireux (Günther Stoll), ab der dritten Folge Inspektor Janot (Karl Lieffen). Nach einer Weile sagt Bernard jedes Mal den Satz: „Aber ja, so muss es gewesen sein“, dreht sich zu den Zuschauern und spricht in die Kamera: „Für mich ist der Fall klar. Und für Sie?“ An dieser Stelle wird der Film unterbrochen, und Regisseur Jürgen Roland lässt im Studio prominente Gäste raten, wen sie für den Mörder halten. Danach folgt der tatsächliche Schluss, in dem Bernard ihnen und den Verdächtigen erklärt, wer sich im Lauf der Ermittlungen verplappert hat.
Die Ratekandidaten waren höchst prominent: Zu Gast als Krimi-„Experten“ waren u. a. Uschi Glas, Helga Feddersen und Inge Meysel, aber auch der damalige Innenminister Hans-Dietrich Genscher. Manchmal drehte sich Kommissar Bernard auch während der Fälle zum Publikum und erklärte Hintergründe oder stellte Thesen auf. Die Fälle, die nach französischen Vorbildern entstanden, waren kompliziert, und die französischen Rollennamen machten die Sache für die Zuschauer noch verwirrender.
Die ersten sechs Folgen wurden schwarz-weiß, die restlichen (ab Frühsommer 1970) in Farbe gedreht. Die Sendungen waren zwischen 30 und 100 Minuten lang und liefen in loser Folge samstags um 20.15 Uhr.
Der 7. Sinn
1966–2005 (ARD); seit 2005 (WDR). Dreiminütige Ratgebersendung mit Tipps zum Verhalten im Straßenverkehr.
In Kooperation mit der Deutschen Verkehrswacht warnte Der 7. Sinn vor Risiken auf der Straße oder dem, was er dafür hielt, z. B. Frauen. Die könnten nämlich beispielsweise „Distanzen schlechter einschätzen als Männer“. Weitere Originalzitate aus den 70er-Jahren: „Es gibt falsche Verhaltensweisen, die besonders häufig bei Frauen beobachtet werden. Zum Beispiel Nichtbeachten der Vorfahrt.“ – „Frauen fahren meist vorsichtiger als Männer, weil ihnen die Übung fehlt. Sie behindern dann den fließenden Verkehr.“ – „Viele Frauen scheuen das Anlegen des Sicherheitsgurts, weil sie Angst um ihren Busen haben. Diese Sorge ist unnötig, sagen Mediziner, wenn der Gurt richtig sitzt.“
Darüber hinaus wurden Themen behandelt, die auch im theoretischen Fahrprüfungsbogen eine Rolle spielten. Es ging um richtiges Abbiegeverhalten, vorausschauendes Fahren bei der Gefahr von Wildwechsel, Vorsicht bei schlechter Witterung und darum, dass es bei total vereisten Scheiben nicht ausreicht, ein Guckloch ins Eis zu hauchen. Vor allem aber wurde gezeigt, wie Unfälle verhindert werden können, oder genauer: wie Unfälle aussehen, wenn sie nicht verhindert werden. Zur Produktion der kurzen erklärenden Einspielfilme wurden allein in den ersten 30 Jahren mehr als 1000 Autos zu Schrott gefahren. Dazu wurden Altautos benutzt, die aber neu lackiert waren. 1973 kostete das 100 DM pro Wagen.
Off-Sprecher der Hinweise war Egon Hoegen, dessen Stimme auch den Internationalen Frühschoppen eingeleitet hatte. Das Konzept stammte von Alfred Noell auf Initiative von Günter Wind, dem damaligen Präsidenten der Deutschen Verkehrswacht. Die markante dramatische Titelmusik zur gezeichneten Verkehrsampel stammt von Kenny Clarke und France Boland und ihrer Bigband.
Der 7. Sinn musste seinen Sendeplatz mehrfach räumen und umziehen, lief aber fast immer im Abendprogramm. Er startete am Freitag um 21.45 Uhr direkt nach dem Krimi, um für das wichtige Thema hohe Zuschauerzahlen zu erreichen, gab ein kurzes Gastspiel am Montag, erlebte 1978 einen dramatischen Quoteneinbruch am Freitag um 17.50 Uhr und zog schließlich für sehr lange Zeit auf den Donnerstag, wo er mal um 20.15 Uhr direkt nach der Tagesschau, mal um 21.00 Uhr direkt vor der Show gezeigt wurde. Im November 1994 wurde 18.05 Uhr am Sonntag die neue Heimat. Als die ARD im März 2005 ihren frühen Sonntagabend umbaute, um dort den Bericht aus Berlin unterzubringen, war für den 7. Sinn kein Platz mehr. Er wurde nun nur noch in den Dritten Programmen ausgestrahlt. Eine Einstellung sei nicht geplant, hieß es bei der ARD, die Sendung sei „nicht wegzudenken“. Allerdings war ihr plötzliches Fehlen anscheinend auch niemandem aufgefallen …
Die Beiträge wurden in etliche andere Länder verkauft, anfangs auch kostenlos als Entwicklungshilfe afrikanischen Staaten zur Verfügung gestellt.
Die Produktionsfirma Cine Relations von Alfred Noell produzierte auch fast alle anderen Verkehrssendungen im deutschen Fernsehen wie Verkehrsarena oder So läuft’s richtig.
Der Alte
Seit 1977 (ZDF). Dt. Krimiserie.
Erwin Köster (Siegfried Lowitz) ist Kommissar bei der Münchner Mordkommission. Ein grantiger Alter, der eigenwillige Wege geht und lieber unverständlich vor sich hin brummelt, als seine Gedankengänge seinen Kollegen mitzuteilen. Wenn Verdächtige ihm dumm kommen und ihn anlügen, lügt er zurück, blufft, spiegelt falsche Tatsachen vor und bringt sie so zum Geständnis – oder wenigstens zur Kurzschlusshandlung, die sie verrät. Köster geht nicht immer den Weg, seine Marke zu zeigen, um an Informationen zu kommen, sondern gibt sich auch mal als jemand anders aus und kommt so an sein Ziel.
Die Alleingänge verärgern seinen Vorgesetzten, Kriminalrat Franz Millinger (Henning Schlüter). Die Mitarbeiter des Alten sind Kriminalhauptmeister Gerd Heymann (Michael Ande) und Inspektor Martin Brenner (Jan Hendriks). Es ist weniger eine Zusammenarbeit als eine Zuarbeit: Köster zieht sein Ding durch, Heymann und Brenner besorgen hauptsächlich Informationen (im Unterschied zu Derrick hat der Alte also gleich zwei Harrys). Weitere Kollegen sind Löwinger (Jan Meyer) und Maier Zwo (Wolfgang Zerlett). Das Privatleben des Kommissars spielt kaum eine Rolle, er hat aber eins: Köster ist geschieden, Anna Gautier (Xenia Pörtner) ist seine Lebensgefährtin. Anfang 1986 wird Köster durch den Schuss eines Mörders tödlich verletzt.
Sein Nachfolger als Leiter der Mordkommission München II wird der Augsburger Leo Kress (Rolf Schimpf), der gleich seinen Assistenten Henry Johnson (Charly Muhamed Huber) von dort mitbringt. Brenner wurde gerade in eine andere Mordkommission versetzt, auch diese Stelle war also frei. Heymann ist nach wie vor dabei. Die Atmosphäre im Revier hat sich etwas verändert. Vor allem Heymann war Köster immer mit großem Respekt begegnet und siezte ihn. Den neuen Chef duzen schon nach kurzer Zeit alle. Kress ist ein besonnener Mann, der die Fälle mit Ruhe und Gelassenheit angeht und zwar genauso dickköpfig sein kann wie sein Vorgänger, aber nicht so wirkt. Er ist ebenfalls geschieden und hat eine erwachsene Tochter namens Sabine (Bettina Redlich), die in den ersten Jahren gelegentlich mal auftaucht.
Löwinger und Maier Zwo verschwinden, und zwei weitere Neue rücken in den Vordergrund: Der Polizeiarzt (Ulf J. Söhmisch), der immer nur „Doktor“ genannt wird, stellt Todesursache und ‑zeitpunkt fest und hat zuvor schon mit Köster zusammenarbeitet; der junge Werner Riedmann (Markus Böttcher) vom Ermittlungsdienst sichert jetzt die Spuren. Seine Rolle wird im Lauf der Jahre immer größer. Johnson verlässt im Frühjahr 1997 die Kripo, sein Nachfolger wird ab Folge 226 Axel Richter (Pierre Sanoussi-Bliss).
Knapp 100 Folgen später tritt im März 2008 der dritte Alte seinen Dienst an. Leo Kress ist unspektakulär in den Ruhestand getreten, und ebenso unspektakulär setzt sich sein Nachfolger Rolf Herzog (Walter Kreye) auf seinen Stuhl und geht ans Werk.
Der Alte wurde von Helmut Ringelmann produziert und war der Serienersatz für dessen vorherige Serie Der Kommissar. Im Unterschied zu den Ringelmann-Serien Der Kommissar und Derrick verfassten aber verschiedene Autoren die Bücher. Oliver Storz und Jochen Wedegärtner schrieben das erste, die meisten stammten von Volker Vogeler, Axel Willschrei oder Alfred Vohrer.
Der Alte war als Person und als Serie weit weniger konservativ als sein Vorgänger; bereits im ersten Jahr löste er Zuschauerproteste aus, weil er auch mit nichtlegalen Methoden vorging, was beim Kommissar undenkbar gewesen wäre. Noch größer war die Aufregung allerdings, als der neue Assistent Johnson auftrat: ein Schwarzer! Dass dies „unrealistisch“ sei, war noch der harmloseste Vorwurf, aus Zuschauerpost floss kübelweise Hass und Rassismus. Ausgerechnet die „Bild“-Zeitung versuchte zu vermitteln und tat 1986 einen schwarzen Kriminalbeamten bei der Münchner Mordkommission auf, Überschrift: „Inspektor Henry – bei der Münchner Kripo gibt’s ihn wirklich“.
Nach genau 100 Folgen hatte Hauptdarsteller Lowitz keine Lust mehr, und mit dem Wechsel zu Rolf Schimpf wechselte neben dem größten Teil des Teams auch die Titelmusik (die der Köster-Folgen stammte von Peter Thomas, die neue von Eberhard Schoener) sowie Tempo und Tonfall der Serie. Alles wurde etwas mehr wie Derrick: Langatmige Dialoge, endlose Wiederholungen, unglaubwürdige Gesichtsausdrücke, und man hatte den Eindruck, in jeder dritten Folge spiele Evelyn Opela eine Gastrolle (tatsächlich war sie von 1986 bis 1993 in neun Folgen dabei, immer in einer anderen Rolle, so oft wie niemand sonst). Opela und Produzent Ringelmann hatten 1986 geheiratet.
Dennoch knüpften die neuen Folgen an den alten Erfolg an; Rolf Schimpf blieb sogar noch länger im Amt und machte die Serie zu einer der langlebigsten im deutschen Fernsehen. Unter Titeln wie „The Old Fox“, „El Viejo“ oder „Lenard“ wurde sie in mehr als hundert Länder verkauft. Zwar kündigte Hauptdarsteller Schimpf Ende der 90er‑Jahre in den Medien mehrfach seinen Abschied an, überlegte es sich aber offenbar anders. Im Dezember 2004 feierte die Serie ihre 300. Folge. Kurz zuvor war Schimpf 80 Jahre alt geworden. Erst nach 222 Fällen drehte Schimpf Ende 2006 seine letzte Folge, die im Dezember 2007 ausgestrahlt wurde.
Der Alte begann mit einem 90‑minütigen Pilotfilm am Ostermontag 1977. Beim ZDF hatte man zuvor lange überlegt, ob man den Zuschauern an einem solchen Feiertag einen „harten Krimi“ zumuten könne. Alle weiteren Folgen dauerten eine Stunde und liefen für den Rest des Jahres etwa einmal im Monat sonntags, ab 1978 im Wechsel mit anderen Dauerbrennern wie Derrick oder Ein Fall für zwei auf dem Freitagstermin um 20.15 Uhr.
Der alte Mann kommt übers Meer
Da ist der Urlaub zu Ende, man steigt aus dem Flugzeug, und dann das: Heinz Reincke ist tot, Leo Kirch ist tot, und Thomas Gottschalk wechselt zur ARD.
Die Reintegrierung Thomas Gottschalks in den deutschen Alltag wird Auswirkungen auf den Inhalt seiner Sendung haben. So wird er in Zukunft weniger Anekdoten zu erzählen haben, mit welchen seiner Hollywoodstar-Nachbarn in Malibu er gegrillt, wen er beim Einkaufen getroffen und wen umarmt hat. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum seine neue ARD-Show zweieinhalb Stunden kürzer sein wird als seine jetzige ZDF-Show.
Gehen wir’s durch:
- Kein Studiopublikum, heißt kein langes nickendes und dankendes Rumstehen mit ausgebreiteten Armen. Zwei Minuten Zeit gespart.
- Keine Musikacts. 17 Minuten.
- Keine Wetten. Elf Minuten.
- Keine Bewerbung der neuen Rosamunde-Pilcher-Filme. Zwei Minuten.
Wenn die Sendung dann immer noch zu lang ist, muss Gottschalk seine Entweder-Oder-Fragen an seine Gäste auf drei Minuten pro Frage begrenzen, und notfalls kann auch noch die Zeit, die die Gäste für ihre Antwort zur Verfügung haben, von kaum auf keine gestrafft werden.
Interessanter als der Inhalt von Gottschalks neuer Show ist – abgesehen von, sagen wir… allem anderen – der künftige Ablauf des ARD-Programms vor der Tagesschau. Gottschalk soll viermal pro Woche eine halbe Stunde lang „vor der Tagesschau“ auf Sendung gehen. Nehmen wir mal an, dass damit nicht die 15-Uhr-Ausgabe gemeint ist, und nehmen wir an, „vor der Tagesschau“ heißt „an die Tagesschau grenzend“. Dann fragt man sich, wo die neuen regional gefärbten Schmunzelkrimis, die das Erste seit einiger Zeit ankündigt und dreht, noch ihren Platz finden sollen. DWDL hat der ARD bereits eine Beteuerung abgerungen, an den geplanten Serien festhalten zu wollen. Der Plan, damit auch Zuschauer erreichen zu wollen, scheint dagegen nicht mehr so wichtig zu sein. Denn wenn Gottschalks halbe Stunde spätestens um 19.30 Uhr beginnen soll, müssen die regional gefärbten Schmunzelkrimis deutlich vor 19.00 Uhr beginnen. Zu dieser Zeit guckt der öffentlich-rechtlich geneigte Zuschauer aber bereits die regional betitelten SOKO-Krimis. Eine Chance haben die ARD-Serien nur, wenn sie sich nicht mit den ZDF-Serien überschneiden. Dem Vor-Gottschalk-Plan gemäß wäre das noch aufgegangen. Aber hey, wenn Rapunzel sein gülden Haar zur ARD herablässt, wer denkt dann noch an morgen?
In den vergangenen Jahren war das ARD-Vorabendprogramm eine Mischung aus Versuchslabor und Trümmerfeld. Weitgehend ideen- und konzeptlos warfen die Programmplaner alle erdenklichen Formate an die Wand, in der Hoffnung, dass irgendwann mal eins haften bleiben würde. Mit den neuen Krimiserien hatte die ARD endlich ein durchdachtes und auf mehr als ein paar Wochen angelegtes Konzept für das von Werbung durchsetzte Vorabendprogramm, das durchaus ein paar jüngere Zuschauer anziehen soll. Stattdessen wird dieses Vorabendprogramm in Zukunft von einem 61-jährigen Mann geprägt, der gern von früher erzählt. Einem Mann, der mit Wetten, dass…? zwar eine der erfolgreichsten Sendungen der TV-Geschichte präsentiert hat, daneben aber seit dem Ende von Na sowas 1987 nie wieder eine Reihe etablieren konnte, die entweder ein langfristiger Erfolg gewesen oder wenigstens besonders positiv in Erinnerung geblieben wäre.
Mensch, da kann ja eigentlich nichts schief gehen.
Ebenfalls ungeklärt ist, wie diszipliniert sich Gottschalk in einer täglichen Live-Sendung an die vorgegebene Sendelänge halten kann, oder ob bald zwar die Tagesthemen an vier von sieben Tagen endlich eine einheitliche Startzeit haben werden, dafür aber die Tagesschau nicht mehr.
Der Auswanderer-Coach
2008 (Kabel 1). Doku-Soap. Der Unternehmensberater Günter Lukas testet, ob Menschen, die auswandern wollen, dafür wirklich geeignet sind und hilft ihnen bei Formalitäten und Entscheidungen.
Ein Auswanderer-Coach schien die geniale Kombination zweier angesagter Genres zu sein: der zahllosen, verwechselbaren Auswanderer-Doku-Soaps, mit denen Vox und Kabel 1 Quote machten, und der Finanz- und Erziehungshelfer wie Raus aus den Schulden und Die Super-Nanny, die zu den Erfolgsprogrammen von RTL gehörten. Das Kalkül ging jedoch nicht auf. Nach vier Sendungen setzte Kabel 1 die Reihe vorzeitig ab und sendete am Donnerstag um 20.15 Uhr wieder sein klassisches Auswanderer-Format Mein neues Leben.
Der Bäcker und das Bravo-Girl
Guten Abend. Dies ist ein vorprogrammierter und per Zeitschalter automatisch veröffentlicher Beitrag, der vortäuschen soll, dass ich in diesem Augenblick allen Ernstes vor dem Fernseher sitze und Gülcans Traumhochzeit schaue.
Also dann: Coole Sendung bisher, oder? Behält Gülcan nach der Hochzeit eigentlich ihren Nachnamen, den ohnehin keiner kennt?
In Wirklichkeit sitze ich gerade irgendwo draußen, was in erster Linie mit Wetter und Bier zu tun hat. Aber auch damit, dass mir Prominenz schleierhaft ist. Und zwar das ganze Konzept von Prominenz. Ich schätze gute Schauspieler und Moderatoren und freue mich, wenn sie mich mit herausragender Leistung beglücken. Aber warum soll ich mich deshalb für etwas interessieren, das mich gar nichts angeht, nämlich deren Privatleben? Berechtigt mich ein Interesse am Beruflichen zur Invasion ins Private? Oder angesichts der Fülle entsprechender Sendungen: Verpflichtet es mich gar?
Gilt doch auch nicht in anderen Lebensbereichen: Nur weil ich das Brot meines Bäckers verehre und mit Heißhunger verschlinge, muss ich deshalb wissen, auf welche Partys er geht? Weil mein Frisör soll toll Haare schneiden kann, muss ich mich deshalb darum scheren, mit wem er verheiratet ist? — Okay, schlechtes Beispiel. Augenblick bitte. „Ein Pils bitte noch. Und welche Unterwäsche tragen Sie?“– Da bin ich wieder. Zurück zum Bäcker. Die örtliche Lokalzeitung berichtet schließlich auch nicht über dessen Privatleben, obwohl viele Bäcker in kleinen Orten zur lokalen Prominenz gehören. Und ich hoffe auch nicht, dass sie bald damit anfangen.
Halt. Gerade erzählt mir der Wirt, dass Gülcan einen Bäckerei-Unternehmer heiratet, der demnach wesentlicher Bestandteil ihrer Heiratssoap ist.
Verdammt, es geht los.
Der Bergdoktor
1992–2005 (Sat.1). 95-tlg. dt. Heimatserie.
Der Witwer Dr. Thomas Burgner (Gerhart Lippert) übernimmt eine Arztpraxis im beschaulichen Bergdorf Sonnenstein. Dort wohnt auch sein grantiger Schwiegervater, der Tierarzt Pankraz Obermayr (Walther Reyer). Mit seinem Sohn Maximilian, genannt Maxl (Manuel Guggenberger), zieht Burgner zu Pankraz und dessen Haushälterin Franzi Pirchner (Enzi Fuchs), die außerdem die örtliche Poststelle leitet. Thomas Burgners Freundin Rosi (Jutta Speidel) beendet die Beziehung, weil sie München nicht verlassen will. Thomas lernt die Italienerin Dr. Sabina Spreti (Anita Zagaria) kennen und verliebt sich in sie. Nach einiger Zeit heiraten sie, und Tochter Julia (Anna Patterer) kommt zur Welt. Rica Althäuser (Winnie Marcus) ist Sabinas Tante. Traudl (Carin C. Tietze) ist Burgners Sprechstundenhilfe, ihre Nachfolgerin wird später Christl (Michaela Heigenhauser). Markus Graf Brauneck (Klaus Wildbolz) und seine Frau Alexandra (Michaela May) sind alte Freunde des Bergdoktors. Ihr Sohn Johannes (Dennis Gerbel) leidet unter einem Tumor. Rufus Staudinger (Werner Asam) verwaltet den gräflichen Besitz. Er ist ein guter Kerl, aber ein windiger Geschäftsmann. Alois Angerer (Gerhard Riedmann) und seine Frau Elfriede (Ingeborg Schöner) führen den örtlichen Gasthof. Alois ist außerdem der Bürgermeister in Sonnenstein. Andere Einwohner sind Herr Konrad (Herbert Fux), Bauer Xaver Zirngiebel (Georg Marischka) und seine Frau Waltraud (Diana Körner), Krämerin Anna Pölz (Margot Mahler), Bergführer Luis Kofler (Hermann Giefer), Gendarm Toni Gilch (Maxl Graf) und Pfarrer Hauberer. In Folge 60 im Januar 1997 kommen Dr. Burgner und seine Frau bei einem Lawinenunglück ums Leben, und Dr. Justus Hallstein (Harald Krassnitzer) übernimmt die Praxis. Maxl Burgner bietet ihm an, im Doktorhaus zu wohnen. Kurz darauf zieht auch Hallsteins alter Freund Paul Reuther (Siemen Rühaak) mit Sohn Flo (Fabian Blumhagen) nach Sonnenstein und übernimmt den Gasthof Angerer. Hallsteins Freundin ist die Lehrerin Lisa Brunner (Janina Hartwig). Den Posten des Bürgermeisters übernimmt Bergführer Luis, der sein Amt jedoch Anfang 1998 niederlegt. Franzi wird seine Nachfolgerin. Ihre Stelle im Postamt gibt sie an Anna Pölz ab.
Der Bergdoktor war eine der frühen Eigenproduktionen von Sat.1 und der erste ganz große Erfolg. Die Serie basierte auf der gleichnamigen Groschenromanreihe und bot erwartungsgemäß Herz, Schmerz und Berge. Die einstündigen Folgen liefen montags um 20.15 Uhr, und bis zu zehn Millionen Menschen sahen zu (in der Geschichte des Senders hatte nur eine Serie noch höhere Einschaltquoten: Anna Maria – Eine Frau geht ihren Weg). Diese waren jedoch nicht mehr die Jüngsten, was man schon daran merkte, dass die Sendung von „Doppelherz“ präsentiert wurde. Gut ein Jahr nach dem Hauptdarstellerwechsel, weil Lippert nicht mehr Bergdoktor sein wollte, beschloss Sat.1-Chef Fred Kogel, dass gar niemand mehr Bergdoktor sein sollte und setzte die Serie ab, weil ihm die Zuschauer jetzt endgültig zu alt waren, und so viele wie früher waren es auch nicht mehr. Also kam die Serie dorthin, wo sie hingehörte: Ins ZDF. Ab Januar 2000 wurde sie komplett im dortigen Vormittagsprogramm wiederholt. Es war das erste Mal, dass ein öffentlich-rechtlicher Sender eine Eigenproduktion eines Privatsenders wiederholte. Trotzdem kehrte die Serie noch einmal mit „neuen“ Folgen zu Sat.1 zurück: Ende 2005 zeigte der Sender samstags vormittags erstmals sieben damals übrig gebliebene Folgen inklusive eines spielfilmlangen Finales.
Ab Februar 2008 zeigt das ZDF eine gleichnamige Neuauflage.
Der Bergdoktor
Seit 2008 (ZDF). Dt. Heimatserie. Neuauflage der gleichnamigen Sat.1-Serie aus den 90er-Jahren.
Dr. Martin Gruber (Hans Sigl) kommt nach vielen Jahren aus New York zurück ins österreichische Bergdorf Ellmau und übernimmt dank der Überredungskünste des alten Dr. Roman Melchinger (Siegfried Rauch) dessen Hausarztpraxis. Seine Mutter Elisabeth Gruber (Monika Baumgartner), sein Bruder Hans (Heiko Ruprecht) von der Bergwacht und dessen elfjährige Tochter Lilli (Ronja Forcher) leben ebenfalls in Ellmau. Mit Hans gab es jahrelange Differenzen, weil früher beide in die gleiche Frau verliebt waren, Lillis Mutter, die nun tot ist. Christina Pagel (Mareike Fell) wird Martins Sprechstundenhilfe und Hans‘ Freundin, und Susanne Dreiseitl (Natalie O’Hara), die Wirtin der örtlichen Gaststube, war schon früher in Martin verliebt und entdeckt ihn jetzt neu. Ja, sie ist verheiratet. Na und? Alexander Kahnweiler (Mark Keller) ist ein schmieriger Arzt in der nahen Haller Klinik, der gern Melchingers alte Hausarztpraxis übernommen hätte, um eine Schönheitsklinik daraus zu machen.
Die bergige Kulisse und der riesige Topf Schmalz, in den die klischeehaften, komplett humorfreien Geschichten getunkt wurden, sind die Gemeinsamkeiten, ansonsten hat dieser Bergdoktor mit der alten Serie nichts zu tun. Die 45-minütigen Folgen laufen donnerstags um 20.15 Uhr. Das ZDF hatte einige Jahre zuvor bereits Wiederholungen der Sat.1-Serie gezeigt.
Der bessere Fernsehpreis
Der Deutsche Comedypreis hat auch in diesem Jahr wieder mehr Zuschauer interessiert als der Deutsche Fernsehpreis. Beim Gesamtpublikum war der Vorsprung knapp, bei jüngeren Menschen gewaltig.
Dass der Eindruck existiert, der Deutsche Comedypreis werde im Vergleich zum Fernsehpreis weniger ernst genommen, kann zum einen daran liegen, dass die Juroren nicht damit aufhören können, Cindy aus Marzahn auszuzeichnen, aber auch daran, dass man in Deutschland Preisverleihungen im Allgemeinen für eine ernste Sache hält und man besser nicht nur darüber, sondern auch im deren Rahmen keine Witze macht. So ist zu erklären, warum die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises (mit Ausnahme von 2009) immer so langweilig ist.
Offenbar kommt es Zuschauern gar nicht darauf an, Zeuge der Ehrung großer Leistungen zu werden, sondern eine unterhaltsame Sendung zu sehen (und schalten deshalb eher den Comedypreis als den Fernsehpreis ein), während es den Veranstaltern des Fernsehpreises kein bisschen darauf ankommt, Unterhaltungswert zu erzeugen, sondern ausschließlich darauf, sich auf einer Bühne selbst zu preisen und oft genug zu betonen, wie unglaublich wichtig das alles ist.
Das unterscheidet ihn von der amerikanischen Emmy-Verleihung, und deshalb ist es unfair, den deutschen mit dem amerikanischen Fernsehpreis immer wieder zu vergleichen. Die Amerikaner wollen schlicht eine gute kurzweilige Sendung auf die Beine stellen, in deren Rahmen eben ein paar Preise verliehen werden. In der Regel moderiert deshalb ein Komiker, und die Laudationes werden zum großen Teil von Schauspielern gehalten, die dafür bekannt sind, lustig zu sein.
Insofern ist das deutsche Gegenstück zu den Emmys eigentlich der Deutsche Comedypreis. Zwar ist es klar, dass bei einer fast dreistündigen Veranstaltung nicht jede Laudatio gleich lustig sein und nicht durchgehend eines jeden Humor getroffen werden kann, doch im Grunde geht es auch hier um einen unterhaltsamen Abend, in dessen Rahmen Preise verliehen werden.
Sechseinhalb Millionen Menschen, die gerade noch den Münster-Tatort gesehen hatten, schalteten vor einer Woche zum Deutschen Fernsehpreis ab. Von den gerade noch mehr als zehn Millionen blieben im Schnitt weniger als vier Millionen Zuschauer übrig. Wenig andere Sendungen im Deutschen Fernsehen haben eine so hohe Abschaltquote; kaum jemand versagt so sehr darin, sich ein starkes Vorprogramm zu Nutze zu machen.
Wenn der Fernsehpreis nächstes Jahr wieder ohne eine gute Vorlage antreten muss, könnte es also wieder deutlich düsterer aussehen. Denn es ist bemerkenswert, wie eine Sendung, deren einziger Zweck es ist, gutes Fernsehen zu ehren, konsequent so schlechtes Fernsehen sein kann.
Die Lösung wäre, den Deutschen Fernsehpreis in seiner bisherigen Form abzuschaffen und den Deutschen Comedypreis zum Gesamt-Fernsehpreis umzuwandeln. Man müsste nur ein paar Preiskategorien austauschen und das Spektrum der Laudatoren geringfügig erweitern, Dieter Nuhr unbedingt als Moderator behalten und auch sonst alles beim Alten belassen. So einfach wäre das. Schon hätte man eine Sendung, die vielleicht nicht nur ihren Machern, sondern auch dem Publikum gefiele. (Falls das nämlich nicht das Ziel des Abends ist: Es wird ja niemand gezwungen, die Verleihung im Fernsehen zu zeigen!) Und wem dann die nötige Schwere der Veranstaltung fehlt, der kann ja zu Hause bleiben. Dann würden auch weniger eitle Fernsehschaffende, die es schon als Riesenerfolg werten, wenn sie mit ihrer Arbeit mal sieben Millionen Zuschauer erreichen, sich darüber empören, wenn wieder die Protagonisten eines Fernsehereignisses, das locker vier Mal so viele Menschen anzieht, den Fernseh-Ehrenpreis bekommen, wie 2010 die Fußball-Nationalmannschaft für ihre WM-Spiele.