Das Inselduell
2000 (Sat.1). Psycho-Reality-Doku-Soap-Spielshow.
Das Inselduell war quasi Big Brother unter Palmen. Nach dem großen Erfolg von Big Brother brach im deutschen Fernsehen ein Boom von Reality- und Psycho-Spielshows aus. Diese neue Show gab es gleich zweimal. Big Brother-Sender RTL 2 nannte sie Expedition Robinson und Sat.1 eben Das Inselduell. 13 grundverschiedene Kandidaten wurden auf der unbewohnten malaysischen Insel Simbang ausgesetzt und mussten wochenlang ohne Hilfsmittel aus der Zivilisation überleben. Sie hatten weder Essen noch alltägliche Gebrauchsgegenstände wie Zahnbürsten oder Seife zur Verfügung. Das Essen mussten sie sich irgendwie selbst beschaffen, außerdem Hütten bauen, um einen Schlafplatz zu haben, und dabei stets mit der Hitze von 40 Grad und 85 Prozent Luftfeuchtigkeit klarkommen und gegen Regen, Stechmücken und Flöhe kämpfen. Außerdem stellte die Redaktion Aufgaben für Wettkämpfe, für die es zwischendurch kleinere Preise zu gewinnen gab. Jede Woche stimmten die Gestrandeten offen darüber ab, wer am wenigsten in die Gruppe passte und die Insel verlassen solle – Werbeslogan: „Nur einer kommt durch!“ Unter den Letzten wählte schließlich das Publikum per Telefon den Sieger, der 250 000 Mark gewann. Ein bayerisches Kraftpaket namens Michael war der Glückliche. Kameras filmten die Kandidaten bei ihrem Überlebenskampf, jeden Montag um 20.15 Uhr lief ein einstündiger Zusammenschnitt. Holger Speckhahn moderierte die insgesamt neun Folgen.
RTL 2 drehte seine Version zur gleichen Zeit auf der Nachbarinsel Tengah, sendete sie aber – zeitgleich mit dem ORF und deshalb unflexibel – erst einige Monate später. Immerhin hatte der Sat.1‑Titel so doch noch seine Berechtigung: Ein „Inselduell“ ist schließlich nichts anderes als ein Kampf zwischen zwei Inseln.
Das Jugendgericht
2001–2007 (RTL). Tägliche einstündige Gerichtsshow um 16.00 Uhr, die sich mit Straftaten jugendlicher Täter zwischen 14 und 21 Jahren beschäftigt. Die Fälle sind frei erfunden und die Täter nur Laiendarsteller.
Erste Richterin war Dr. Ruth Herz, die, bevor sie über die schauspielerischen Leistungen von sonst unbescholtenen Jugendlichen im Fernsehen urteilte, eine der profiliertesten Jugendrichterinnen in Deutschland war. Sie förderte in den 80er-Jahren maßgeblich das Konzept des Täter-Opfer-Ausgleichs und wurde für ein Projekt auf diesem Gebiet 1998 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. 2005 folgte sie einem Ruf der Universität Oxford. Ihre Nachfolgerin bei RTL wurde Kirsten Erl.
Das Jugendgericht war die erste Antwort von RTL auf den Erfolg von Richterin Barbara Salesch bei Sat.1. Produzentin beider Sendungen war Gisela Marx. Eine Reaktion auf erfolgreiche Sat.1-Formate war auch der Umbau der Sendung im August 2006: Die eigentliche Verhandlung nahm von nun an nur noch einen kleinen Teil der Zeit in Anspruch, aus dem Rest der Sendung wurde ein pseudodokumentarischer Krimi wie Lenßen & Partner, in dessen Mittelpunkt bei RTL der Staatsanwalt Christopher Posch stand. Insofern war die Kompletteinstellung des Jugendgerichts im Februar 2007 nur konsequent, denn ihr Sendeplatzersatz hieß Staatsanwalt Posch ermittelt.
Das Kreuz mit den Trickbetrügern
Vor Abzockern warnt Sat.1 heute in seiner neuen Sendung Die Abzocker.
Gut, dass die Sendung diesen Titel trägt, denn dann kann man sich in Ruhe auf die Tricks der Trickbetrüger konzentrieren, ohne sich fragen zu müssen, was eigentlich Schlepper und Bauernfänger sind.
Und gut, dass es das Nazometer von Schmidt & Pocher nicht mehr gibt.
Es hätte wahrscheinlich schon beim Trailer für Die Abzocker spätestens…
…jetzt Alarm geschlagen.
Das Kreuzworträtselspiel
1971 (ZDF). 90-minütige Spielshow mit Dieter Thomas Heck.
Zwei Kandidatenteams treten im Rätsellösen gegeneinander an, z. B. Bäcker gegen Schornsteinfeger oder Schuhmacher gegen Frisöre. Jedes Team besteht aus 204 Mitgliedern (jawohl, zweihundertundvier Personen pro Team) und hat immer ein paar Minuten Zeit, Kreuzwort-, Silben-, Bilder- und Musikrätsel zu lösen. Die musikalischen Rätsel geben Stargäste auf. Es tanzt das Irene-Mann-Ballett und formt zu Beginn der Show aus kleinen braunen Sitzwürfeln mit weißen Buchstaben das Wort „Kreuzworträtselspiel“.
Die Idee zur Sendung hatte Mischa Mleinek, Regisseur war Truck Branss. Gerade mal 816 Kandidaten bekamen die Chance zur Teilnahme, dann wurde Hecks erstes Quiz nach nur zwei am Donnerstag um 20.15 Uhr gesendeten Ausgaben abgesetzt. Im folgenden Jahr startete das sehr ähnliche Spiel Vier gegen Vier.
Das neue Jura-Zeitalter
Wenn wir diese entsetzliche neue ProSieben-„Comedy“, die wahrscheinlich deshalb Volles Haus heißt, weil man sie nur erträgt, wenn man voll wie ein Haus ist, einfach mal verdrängen, bevor sie überhaupt angefangen hat, beginnt das Fernsehjahr 2008 eigentlich ziemlich gut. Mit Men In Trees und Mord mit Aussicht starteten zwei sehr amüsante Kleinstadtserien, mit Ich bin ein Star – holt mich hier raus kam nach mehr als drei Jahren Pause die einzige erträgliche unter den Realityshows zurück ins Fernsehen, und am Ende der kommenden Woche wird es bereits mehr wirklich gute neue Serien gegeben haben als im ganzen Jahr 2007.
Alle drei Neustarts der nächsten Tage sind Anwaltsserien, und überall stehen eigensinnige Charaktere und skurrile Fälle im Mittelpunkt. Trotzdem unterscheiden sie sich deutlich voneinander. Alle erinnern zwar manchmal an etablierte Serien, aber keine ist ein billiger Abklatsch. Alle sind originell, originär und sehenswert. Und weder die US-Serie noch die beiden deutschen Produktionen verkaufen ihre Zuschauer für dumm.
Wie klug es von der RTL-Gruppe ist, gleich drei Anwaltsserien in fünf Tagen zu starten, bleibt dahingestellt. Wie viel Spaß Sie haben werden, wenn Sie dennoch alle drei anschauen, wird Sie überraschen:
Shark — ab Montag auf Vox.
Die Anwälte — ab Donnerstag bei RTL.
Herzog — ab Freitag bei RTL.
Jeweils am Tag des Sendestarts werden wir hier ausführlicher auf die neuen Serien eingehen.
Das perfekte Dinner
Seit 2005 (Vox). Kochwettbewerb.
Fünf einander bis dahin unbekannte Menchen bekochen sich eine Woche lang gegenseitig. Jeden Tag epfängt einer die anderen im eigenen Heim, die ihn anschließend mit Punkten bewerten, orientiert an seinen Fähigkeiten als Gastgeber und Koch und am Ambiente. Die Punktevergabe ist geheim und nur den Fernsehzuschauern bekannt, damit nicht taktiert werden kann. Denn am Ende der Woche resultiert daraus ein Sieger, der einen Gutschein über 1500 Euro gewinnt. Eine Off-Stimme erzählt zusätzlich dazu, dass man es sieht, ausführlich alles, was passiert. Wirklich alles.
Die Show, täglich um 19.00 Uhr, dauerte zunächst eine halbe Stunde. Obwohl die Einschaltquoten während eines zweiwöchigen Testlaufs Ende 2005 nur durchwachsen waren, brachte Vox die Reihe ab März 2006 zurück, jetzt 45-minütig und ohne Unterbrechung jeden Werktag, und wurde belohnt. Die Zuschauerzahlen stiegen bis zum Jahresende auf rund drei Millionen, die Marktanteile in der Zielgruppe zeitweise auf fast 20 Prozent. An vielen Abenden lag Das perfekte Dinner plötzlich vor den Soaps bei RTL und Sat.1. Die logischen Konsequenzen daraus hießen Das perfekte Promi-Dinner und Liebe isst… – Das Single-Dinner. Letzteres war der Versuch von Pro Sieben, von der neuen Essenslust am Vorabend zu profitieren.
Deutscher Fernsehpreis 2007 als beste Kochshow.
Das perfekte Promi-Dinner
Seit 2006 (Vox). Weiterentwicklung des perfekten Dinners mit Prominenten, die sich gegenseitig bekochen und bewerten. Diesmal nicht auf fünf Sendungen verteilt, sondern in einer großen Abendshow zusammengefasst. Die lief am Sonntag und entwickelte sich wie die Werktagsversion vom langsamen Starter zum Erfolg.
Das perfekte Timing
Seit vergangenen Montag zeigt ProSieben werktags seine Dating-Koch-Doku-Soap Liebe isst. Und vermutlich ist es kein Zufall, dass die Sendung nicht nur fast so aussieht wie die erfolgreiche Vox-Sendung Das perfekte Dinner, sondern direkt im Anschluss an Das perfekte Dinner beginnt.
Theoretisch jedenfalls. Praktisch hat Vox die Sendezeit von Das perfekte Dinner unauffällig ein bisschen verändert. Seit vergangenen Montag isst man auf Vox nicht mehr bis 19.45 Uhr, sondern fünf Minuten länger. Gerade so lang, dass es nicht mehr ganz so naheliegend ist, direkt nach dem Ende der Sendung zur ProSieben-Variante umzuschalten.
Nicht dass solche Taschenspielertricks angesichts der Quoten und der Qualität von „Liebe isst“ wirklich nötig gewesen wären. Aber besser isst’s.
Das Schicksal meines Lebens
Ab 2. Juli 2007 (RTL2). Halbstündige werktägliche Doku-Soap am Vorabend.
Menschen, die ein schweres Schicksal überwunden haben, z.B. Drogensucht, Übergewicht oder Arbeitslosigkeit, stellen sich einem neuen, nämlich von den ehemaligen Big-Brother-Bewohnern Alida Lauenstein und Jürgen Milski dazu befragt zu werden.
Das Sonntagskonzert
1969–2005 (ZDF). 45-Minuten-Show am Sonntagmittag, in der mehrere musikalische Gäste aus dem klassischen oder volkstümlichen Bereich ihr Können zum Besten geben.
Gäste der ersten Sendung waren Anneliese Rothenberger, Hermann Prey und René Kollo, in der Folgewoche kamen Blaskapellen. Die Bandbreite war groß, jedoch nach Sendungen unterteilt. Die Ausgaben mit volkstümlicher Musik gastierten in verschiedenen Städten, meist in Deutschland, gelegentlich im benachbarten Ausland (zeitweise hießen sie Das Sonntagskonzert auf Tournee), und untermalten die musikalischen Auftritte mit Landschaftsaufnahmen aus der Gegend. Die Reihe Ihr Musikwunsch war zeitweise Bestandteil des Sonntagskonzerts.
Anfangs präsentierten Ruth Kappelsberger und Fred Rauch die Sendung, zu den späteren Moderatoren gehörten u. a. Lou van Burg, Elmar Gunsch und Elke Kast, Dieter Thomas Heck, Hans Rosenthal, Rainer Holbe, Monika Meynert und Elfi von Kalckreuth, Trudeliese Schmidt und Christian Boesch, Ilona Christen, Ramona Leiß, Christine Maier, Babette Einstmann, Wolfgang Binder, Uta Bresan, Reiner Kirsten, Björn Casapietra und eine Sängerin namens Inka, bei der es sich um die spätere RTL-Moderatorin Inka Bause handelte.
2005 wurde die Reihe aus Kostengründen eingestellt.