Verschwundener Leopard
Puh, da hat das ZDF doch tatsächlich in seinen Pressetexten zur Serie Donna Roma einen der Autoren versehentlich mit seinem Klarnamen Jürgen Pomorin angegeben. Per „Programmänderung“ wurde der Name dann gestrichen, und jetzt steht da Herrn Pomorins albernes Pseudonym „Leo P. Ard“, unter dem er einer der erfolgreichsten deutschen Krimiserienautoren ist. Das ging ja gerade noch einmal gut.
Bin übrigens gespannt, wann Herr Ard anfängt, sich bei der Arbeit für andere Sender zum Beispiel „Leo P. Zdf“ oder „Leo P. Rtl“ zu nennen. Und da die Vermutung auf der Hand liegt, sei klargestellt: Nein, ausgerechnet die Krimifigur mit dem ähnlich bescheuerten Namen Rosa Roth hat er sich nicht ausgedacht.
Verstehen Sie Spaß?
Seit 1980 (ARD). Große Eurovisions-Samstagabendshow, in der nichtprominente und prominente Menschen in abstruse Situationen geführt, hereingelegt und dabei mit versteckten Kameras gefilmt werden.
Kurt Felix konzipierte und präsentierte die „Streiche mit versteckter Kamera“, so der anfängliche Untertitel, zunächst monatlich in einem 30‑Minuten-Format am Donnerstagabend. 1983 wurde daraus mit der 25. Ausgabe eine große Samstagabendshow, jetzt moderiert von Kurt Felix und seiner Frau Paola, die zur meistgesehen Unterhaltungsshow in der ARD avancierte. Felix hatte bereits seit 1974 eine enorm erfolgreiche Sendung im Schweizer Fernsehen unter dem Titel „Teleboy“ moderiert. Das Paar legte nach Ausgabe 53 ab Januar 1991 eine „schöpferische Pause“ ein, die jedoch nie endete. Fast zwei Jahre lang gab es die Show nicht, und auch zwischen den nächsten Moderatorenwechseln lagen meist längere Pausen.
Die Nachfolger im Einzelnen: Harald Schmidt (1992–1995), Dieter Hallervorden (1996–1997), Cherno Jobatey (1998–2002), Frank Elstner (2002–2009), Guido Cantz (seit 2010). Das Grundkonzept blieb über die gesamte Laufzeit der Sendung unverändert: Außer den Streichen gab es immer Showblöcke mit prominenten Künstlern und Talks mit den Gefoppten. Viele Streiche versetzten Menschen in peinliche, aber doch vorstellbare Situationen und waren hauptsächlich dazu da, deren Reaktion einzufangen: Im Supermarkt bricht wie von selbst das Eierregal zusammen, ein Kellner gebärdet sich unhöflich und faul, Harald Juhnke wird von einem untalentierten Stehgeiger genervt.
Für andere Streiche betrieb man einen großen Aufwand und führte auf diese Weise völlig absurde Situationen herbei: Eine Fahrstuhltür öffnet sich direkt in eine Dusche, Pissoirs hängen so hoch, dass sie nur mit einer Leiter erreichbar sind, auf dem Flügel von Horst Jankowski erklingen plötzlich andere Töne als die, die er anschlägt, die Zuschauer eines Konzerts von Ivan Rebroff stehen einer nach dem anderen auf und gehen. Der Nachrichtensender n‑tv fiel 1996 auf die Behauptung herein, ein Privatmann besäße das Bernsteinzimmer, und glaubte es auch dann noch, als er angebliche Bestandteile zu sehen bekam, die in das Kopfteil eines Bauernbetts eingelassen waren.
Einzelne Elemente variierten je nach Moderator. Bei Kurt Felix und Paola standen die Filmstreiche im Vordergrund. Neben dem Moderatorenpaar wirkte Karl Dall mit, der am „Spaßtelefon“ nichtsahnende Menschen foppte. Dall diente ferner als Filmvorführer, der aus dem Publikumsraum heraus symbolisch einen Filmprojektor startete, wenn ein Einspielfilm begann. Regelmäßig talkten Felix und Paola neben den Gefoppten auch mit den Schauspielern, die bei den Streichen den „Lockvogel“ spielten, also die Opfer in die merkwürdigsten Situationen verwickeln und dann improvisieren mussten. Lockvögel waren über sehr lange Zeit u. a. Wolfgang Herbort, René Besson und Pit Krüger. Es grenzte an ein Wunder, dass es auch nach Jahren immer noch Menschen gab, die die dicken Männer nicht sofort erkannten. Dieter Reith und seine Big Band machten die Musik während der Show. Das Maskottchen war ein gelber Zeichentrickvogel, der „Spaßvogel“, der am Ende der Show das Schlusswort hatte und einen Kalauer absonderte („Unsere Zuschauerzahl hat sich verdoppelt – der Zuschauer hat geheiratet!“).
Bei Harald Schmidt nahm die Anzahl der eingespielten Filmstreiche deutlich ab; er bestritt mehr Sendezeit selbst mit Stand-up-Comedy und Monologen. Die Show trug für eine Weile den Untertitel „Die Harald Schmidt Show“. Sie war mit zeitweise mehr als zehn Millionen Zuschauern noch immer ein großer Erfolg, doch auf Dauer zeigte sich, dass der Zyniker Schmidt keine massenverträgliche Familienunterhaltung produzierte. Er versuchte es auch nicht sehr: Berühmt wurde eine Szene, in der er minutenlang nur ein tickendes Metronom zeigte und darüber philosophierte, was dies jetzt kostete. Anfang 1995 unterschrieb er einen Vertrag bei Sat.1, um dort eine Show zu moderieren, die sogar im Obertitel Die Harald Schmidt Show hieß. Seine letzte Spaß-Show war für Oktober geplant. Die Aprilausgabe strotzte vor Zynismus und Sticheleien gegen die ARD, Schmidt hatte laut eigener Erzählung das gesamte Saalpublikum gegen sich. Er verabschiedete sich mit der Information: „Die nächste Ausgabe von Verstehen Sie Spaß? sehen Sie im Oktober, wer Sie dann als Moderator begrüßt, entnehmen Sie bitte der Tagespresse.“ Es gab keine Oktoberausgabe.
Dieter Hallervorden reicherte das Rahmenprogramm mit gespielten Sketchen an, die er selbst gemeinsam mit Schauspielerkollegen vorführte. Untertitel war „Die Hallervorden-Show“. Er blieb nur 13 Monate.
Bei Cherno Jobatey wurde das Foppen am Telefon wiederbelebt, der Telefonterrorist war jetzt Andreas Müller. Ferner gab es einen „Klassik“-Teil, in dem sich Zuschauer Wiederholungen von alten Streichen wünschen konnten. Dieter Reith und seine Big Band machten noch immer die Musik. Kurt Felix kehrte als Berater zur Sendung zurück, auch Frank Elstner kam in der gleichen Funktion dazu. In Werbeanzeigen für die Show waren die beiden gemeinsam mit Moderator Jobatey zu sehen. Als Jobatey im Frühjahr 2002 seinen Abschied wegen „kreativer Differenzen“ ankündigte (aus der Show sei ein „Musikantenstadl mit Filmen“ geworden), lag es nahe, dass Altmeister Elstner, der ohnehin beim produzierenden SWR die erfolgreiche Talkreihe Frank Elstner: Menschen der Woche im Dritten Programm moderierte, die Show übernahm.
Eine Serie mit 25‑minütigen Kurzfolgen, in denen Wiederholungen von alten Streichen gezeigt wurden, lief 1991 ebenfalls unter dem Titel Verstehen Sie Spaß? im Vorabendprogramm am Freitag, Moderator war Kurt Felix.
Vielleicht nicht
Vielleicht ist alles doch nicht so schlimm im deutschen Fernsehen. Nicht einmal im Vergleich mit dem Fernsehen im Ausland, das wir sonst oft so sehr preisen.
In der ganzen Welt ist Deutschland wegen seiner Pünktlichkeit bekannt. Ausgerechnet das Fernsehen pfeift hierzulande aber oft auf Pünktlichkeit, überzieht Sendungen um Minuten oder manchmal Stunden. Und das ist gut so. Denn das Fernsehen richtet sich in Deutschland danach, wann eine Sendung tatsächlich zu Ende ist. Oder sich zu Ende anfühlt. Und erst dann wird ausgeblendet.
Der Pünktlichkeitswahn des sonst so guten britischen Fernsehens dagegen führte schon oft dazu, dass Sendungen just in dem Moment, in dem es spannend wurde, zu Ende waren. Dort wird nämlich abgebrochen, wenn die dafür vorgesehene Zeit erreicht ist.
Im vergangenen Jahr hatte das zur Folge, dass am Ende der Übertragung der Brit Awards ausgerechnet die Trägerin des wichtigsten Preises des Abends, Adele, keine ordentliche Dankesrede mehr halten durfte, während vorher viel Zeit mit Preisträgern in Nebenkategorien verplempert wurde.
Heute Abend hatte der Reporter des Senders ITV das Gespräch mit dem Trainer von Real Madrid, José Mourinho, nach dem Ausscheiden seines Vereins aus der Champions League gegen Borussia Dortmund schon fast beendet, als er abschließend ein vages „Vielleicht nächstes Jahr mit Real Madrid?“ in den Raum stellte. Mourinhos überraschende Antwort: „Vielleicht nicht.“ Das ist die Stelle, an der in Deutschland Fußballer und Trainer nie, aber auch gar nie, etwas Konkretes sagen. Mourinho hatte zwar auch vorher schon angedeutet, in der kommenden Saison eventuell anderswo anzuheuern, doch bisher hatte es nichts Konkretes gegeben. War hier etwa die Chance, wirklich etwas Neues zu erfahren? Der Reporter fragte noch nach: „Vielleicht nicht?“. Mourinho setzte zur Antwort an: „Nun, ich arbeite gern dort, wo man…“ Dann suchte er für einen Moment nach Worten. Englisch ist nicht seine Muttersprache. Zu blöd, dass gerade eine volle Stunde erreicht war. Der Reporter unterbrach. „Das nehmen wir mal so mit. Ich muss Schluss machen.“ Er gab zurück zu den Moderatoren. Die verabschiedeten sich. Ende.
Das wäre bei uns nie passiert. Wer hätte gedacht, dass ich also jemals diesen Satz schreiben würde: Hier könnten sich die Briten am deutschen Fernsehen ein Beispiel nehmen.
Vier gegen Vier
1972–1973 (ZDF). Quiz mit Dieter Thomas Heck, das die Idee des Kreuzworträtselspiels aufwärmte: Von den 204 Mitgliedern jedes Teams (z. B. Berliner Taxifahrer gegen BVGler) treten jetzt stellvertretend je vier in verschiedenen Geschicklichkeits- und Denkspielen gegeneinander an. Regisseur war wieder Truck Branns.
Nachdem bereits Das Kreuzworträtselspiel gefloppt war, misslang auch die Nachfolgesendung auf Anhieb, und schon zur zweiten Ausgabe gab es erhebliche Änderungen am Konzept – eine bereits produzierte Folge nach dem alten Konzept wurde nie ausgestrahlt. Dennoch verschwand auch Vier gegen vier nach vier Sendungen.
Vier Sofortmaßnahmen zur Rettung von „Gottschalk live“
Gut, die Prämisse hinkt natürlich, denn sie setzt ein Zuschauerinteresse voraus, die Sendung Gottschalk live im Programm zu halten. Aber Dutzende und Aberdutzende von Fans würden Gottschalk vielleicht wirklich vermissen. Gestern hatte seine Sendung vor der Tagesschau immerhin fast halb so viele Zuschauer wie Sturm der Liebe um 15.10 Uhr.
Also:
1. Studiopublikum rein! Sofort! Gottschalk braucht einen Saal voller Zuschauer. Die selbstbezogene Rampensau in Abwesenheit eines Publikums zu geben, ist Quatsch. Da müssen Leute sitzen, die ihn anhimmeln (also abgesehen von ihm selbst), und sie müssen lachen und klatschen, wenn es einen Anlass dazu gibt. Denn es ist ja nicht so, dass Gottschalk und seine Sendung keine lustigen Momente haben. Am Mittwochabend gab es einen ganz netten Film, in dem ein schmieriger Mario Adorf aus Kir Royal dem Noch-Bundespräsidenten Christian Wulff gegenübergeschnitten wurde und ihn mit Geld und Autos in Versuchung zu führen versucht (zu sehen in der ARD-Mediathek nach ca. drei Minuten). Leider stirbt in einem solchen Late-Night-ähnlichen Sendeformat jeder Gag einen qualvollen, mitleiderregenden Tod, wenn niemand lacht. Lachen ist ansteckend. Wenn die Zuschauer, die am Vorabend den Fernseher nebenbei laufen lassen, im Hintergrund jemanden lachen hören, merken sie eher, dass da etwas lustig ist. Und schenken der Show vielleicht doch noch ihre Aufmerksamkeit.
2. Sendeplatz verlegen! Nur ein bisschen. Auf 18.30 Uhr. Denn auch wenn keine andere Sendung im ARD-Vorabend so schwache Quoten hat wie Gottschalk, leiden vor allem die Krimiserien vorher durch die direkte Konkurrenz zu den SOKOs im ZDF. Diese könnten im Falle einer Vorverlegung von Gottschalk live wieder gegen 19.00 Uhr beginnen, würden sich nicht mehr mit den SOKOs überschneiden und könnten sogar ein paar Zuchauer abgreifen, die nach deren Ende umschalten. Gleichzeitig wäre Gottschalk live auf dem früheren Sendeplatz eine echte Alternative für ZDF-Zuschauer, die vielleicht nicht jeden Tag einen Krimi sehen wollen. Dort könnte man der Show die zeit geben, ein Publikum zu finden, ohne dass auch alle Sendungen ringsherum in Mitleidenschaft gezogen werden.
3. Fragen optimieren! Gottschalk ist auf dem richtigen Weg. Es gelingt ihm inzwischen in Einzelfällen, seinen Gästen Fragen zu stellen, die nichts mit ihm zu tun haben. Zum Beispiel bei Nina Hagen, die nach der Werbepause ungefragt sofort das Wort an sich riss und erklärte: „Ich wünsche mir so sehr, dass die Automobilindustrie endlich mal zu Potte kommt und uns schöne Elektroautos baut. Solarautos. Dann würde ich mich auch selber mal trauen, (mich) reinzusetzen. Diese ganze Luftverpestung! Die Automobilindustrie, die könnte doch loslegen mit gesunden Autos!“ Gottschalks Anschlussfrage: „Du bist Vegetarierin, richtig?“ Spitze! Wir müssen jetzt nur noch diesen winzigen Schritt tun, dass die Fragen etwas mit dem vorher Gesagten zu tun haben. Oder wenigstens mit dem Gast.
4. Gäste einladen, die Gottschalk kennt! Also besser nicht mehr Nobodys wie „Annette Engelke“ und „Nina von Hagen“, sondern jeden Tag Franz Beckenbauer. Das könnte super werden. Schaumermal.
Vierzig und rüstig
Repro: WDR
Fast so häufig wie von ihm neue Folgen zu sehen sind feiert der ARD-Tatort Jubiläum. Am Montag wird er 40 Jahre alt. Und in wenigen Monaten steht die 800. Folge an.
Das ergibt umgerechnet knapp 20 Tatorte im Jahr, aber dieser Schnitt wird durch die Anfangsjahre nach unten gezogen, als nur jeden Monat ein neuer lief. 2010 werden es 35 neue Filme gewesen sein, und ein Overkill ist nicht zu erkennen. Der Tatort ist im Jubiläumsjahr sogar erfolgreicher geworden. Derzeit sehen sonntags im Schnitt mehr als eine halbe Million Menschen mehr zu als vor einem Jahr.
Als er 30 wurde, gehörte der Tatort zu den populärsten Fernsehsendungen in Deutschland. Mehr Zuschauer hatten nur Wetten, dass…? und Wer wird Millionär?. Heute rangiert niemand mehr über dem Tatort, weil ihm das Kunststück gelungen ist, seine regelmäßige Zuschauerzahl seit zehn Jahren weitgehend konstant zu halten, während die Einschaltzahlen der anderen Erfolgssendungen am Tatort vorbei nach unten rutschten oder enorm schwanken.
Axel Prahl und Jan-Josef Liefers als verrücktes Paar Kommissar Thiel und Prof. Boerne aus Münster sind die beliebtesten Ermittler und die einzigen, die zuverlässig mehr als zehn Millionen Zuschauer anlocken. Aber erfolgreich sind oder waren sie alle. Sogar die jahrelange Depri-Grütze aus Frankfurt.
Interessant ist, dass der Tatort oft sogar beim jungen Publikum Marktführer ist, das die ARD sonst nur aus Erzählungen der Eltern kennt.
Was ist das Geheimnis des Erfolgs?
Nun, meistens sind es sehr ordentliche Filme. Aber viel wichtiger: Der Vorspann. Wenn der Tatort-Vorspann kommt, wird weitergeguckt. Und es schadet nicht, dass die Tatort-Gewohnheit direkt an die Tagesschau-Gewohnheit anschließt. Deshalb haben auch neue Kommissare es leicht, sich zu etablieren. Würden neue Krimireihen mit neuen Ermittlern unter einem x-beliebigen Titel auf Sendung gehen, hätten sie es heute schwer, auf Anhieb ein großes Publikum zu finden. Aber so lange Tatort drauf steht, kann nichts passieren. Und deshalb wird auch Ulrich Tukur als Wiesbadener LKA-Beamter mit Hirntumor heute einen guten Einstand haben.
Tukur ist nicht der Nachfolger eines ausgedienten Tatort-Teams. Er nimmt den Platz einer Reihe von Filmen des Hessischen Rundfunks ein, die als Polizeiruf 110 gezeigt wurden – die andere Krimireihe der ARD, die manchmal sonntags kommt und die sich inhaltlich ohnehin immer mehr dem Tatort annähert. Aus inhaltlicher Sicht wäre es sicher egal gewesen, ob die Filme mit Tukur weiter unter dem Titel Polizeiruf 110 gelaufen wären. Aber es gibt natürlich einen triftigen Grund, warum sie Tatort heißen: Richtig, der Vorspann.
Volle Deckung!
Vielleicht müssen wir die Sache mit der Talsohle des Reality-TV bald schon ein weiteres Mal überdenken. Der US-Sender CBS zeigt gerade „Armed & Famous“ („Bewaffnet und berühmt“), eine Show, in der fünf Menschen, die für diesen Zweck als prominent betrachtet werden, eine Polizeiausbildung durchlaufen, inklusive Dienst an der Waffe. Unter den Teilnehmern sind Erik Estrada, bekannt aus der Serie CHiPs und zahllosen Witzen über gewesene Stars, Ozzys Sohn Jack Osbourne und Michaels Schwester LaToya Jackson. Die Frage ist also, ob im Falle einer deutschen Version eine Gefahr für die nationale Sicherheit besteht, je nachdem, welche „Stars“ eine Schusswaffe in die Hand gedrückt bekommen. Die Antwort ist aber auch schon absehbar. Zu den Teilnehmern solcher Shows gehört ja in der Regel Axel Schulz, und von dem wissen wir zum Glück, dass er, selbst wenn er wollte, keiner Fliege etwas zuleide tun könnte.
Von Brüllaffen und Marco Schreyl
Dieser pelzige Geselle heißt Cuny und ist ein Brüllaffe, und die Lebensskepsis, die aus seinem Blick spricht, hatte er vermutlich schon, bevor er erfuhr, dass er in einer RTL-Show mit Marco Schreyl mitmachen soll. Man kann sich sowas als Zoobewohner ja nicht aussuchen, aber Cuny nutzte seine wenigen Protest-Möglichkeiten. Die Fernsehleute waren morgens um sechs gekommen, um seine Rufe aufzunehmen und ihre Lautstärke mit der eines Marktschreiers zu vergleichen, aber Cuny sagte keinen Mucks. Die Fernsehleute machten allerdings auch keine Anstalten wieder zu gehen, und so erbarmte sich der Brüllaffe gegen Mittag endlich und brüllte und brachte es hinter sich, Marco Schreyl hin oder her. Später stellte sich heraus, dass der Marktschreier es auf ein paar Dezibel mehr gebracht hatte, aber bei der Frage, wer sich hier zum Affen gemacht hatte, gab es mindestens ein Unentschieden.
Brüllaffe gegen Marktschreier war eines von gefühlt siebentausend Duellen Mensch gegen Tier, die RTL für seine neue Samstagabendshow Mensch gegen Tier gestern inszenierte. Die Dramaturgie war so aufregend und abwechslungsreich wie ein tropfender Wasserhahn: Der Mensch und das Tier kamen ins Studio, dann wurden ihre vorher aufgezeichneten Leistungen gezeigt, dann gab es eine Quizfrage, dann kamen der nächste Mensch und das nächste Tier und so weiter. Zwei Teams aus je zwei Kindern und einem Prominenten sollten jeweils raten, wer gewinnt, und als Prominente hatte man Mario Barth gewählt, weil der für seine Olympiastadion-Show werben sollte, die es jetzt auf DVD gibt und nächste Woche auf RTL, und Reiner Calmund, weil der Zeit hat und Angst vor Tieren. (Vor kleinen, vor allem. Vor Elefanten habe er keine Angst, weil die ihm ja verwandt seien — „net vom Rüssel her, aber vom Gewicht“.)
Natürlich scheitert die Idee des Wettbewerbs schon daran, dass nur einem der beiden Beteiligten klar ist, dass es sich um einen solchen handelt. Im Tauchduell bleibt der Bundeswehrtaucher unter Wasser, bis er nicht mehr kann, und der Pinguin, bis er keine Lust mehr hat. Das Wettrennen mit dem Gepard gewann der Mensch in seinem Superduperfahrrad, weil das Tier sich nach der Hälfte der Strecke überlegte, dass es besseres mit dem Tag anstellen könnte, als hinter diesem doofen Köder herzuhetzen. Sehr sympathisch.
Es war eine sehr abwegige Idee für eine Show, die vielleicht dadurch zu retten gewesen wäre, dass man diese Abwegigkeit zelebriert: mit Witz, Selbstironie und etwas Wahnsinn. Es war aber natürlich eine dieser von Günther Jauchs „I&U“ produzierten Fließbandsendungen, die sich nicht einmal mehr die Mühe machen, ihre eigene Langeweile zu kaschieren. Selbst den 100-Kilometer-Wettlauf zwischen Joey Kelly und einem Pferd, die sich viele Stunden lang verausgabt hatten, handelte die Show in einem lustlos zusammengeschnittenen, winzigen Film ab. Nur mit Mühe schaffte es der Extremsportler, der ganz knapp verlor, eine Revanche zu fordern, bevor Marco Schreyl den nächsten Tagesordnungspunkt von seinen Karten verlas. (Schreyl verlor das Duell um die kürzeste Aufmerksamkeitsspanne gegen sich selbst.)
Am Ende ging der Wettkampf Mensch gegen Tier unentschieden aus — aber auch nur, weil die Tiere nicht die 50.000 Bonuspunkte Vorsprung bekommen hatten, die sie dafür verdient hätten, dass sie klug genug sind, keine solche Shows zu veranstalten.
Von der Realität eingeholt
Bevor Vox mit seinen Kochshows erfolgreich war, bevor Vox mit den CSI-Serien zu einer festen Marke im Abendprogramm wurde, waren es die US-Serien im Nachmittagsprogramm, die herausstachen, deren Marktanteil den Senderschnitt hob, allen voran Eine himmlische Familie und Gilmore Girls. Dann wurden die Serien nach und nach durch Doku-Soaps ersetzt, bis im Herbst nur noch eine einzige Serie übrig blieb. DWDL.de fragte im August Vox-Chef Frank Hoffmann, wie denn diese eine ins Line-Up passe. Und Hoffmann antwortete:
Ich kenne die Frage, weil sie auf den ersten Blick so naheliegend erscheint. Aber ich mache mir um den Audience Flow keine Sorgen. Es geht beim Audience Flow doch nicht zwingend darum, nur Sendungen gleicher Genres optimal zu verknüpfen. Es geht auch um einen emotionalen Zuschauerfluss. Mit Respekt für die Kollegen: Auch bei ProSieben funktioniert dieses Modell schon sehr erfolgreich. Und den einen Serienslot am Nachmittag können wir künftig das ganze Jahr hindurch hochwertig programmieren.
Damit wissen wir jetzt, dass bei Vox ein Jahr genau vier Monate dauert. Mit dem Beginn der Wohn-Soap Mitbewohner gesucht um 15.00 Uhr ist heute dieser letzte Serienslot gestrichen worden.
Diese Entwicklung passt allerdings zum Aufstieg in die erste Fernsehliga, den Vox-Chef Frank Hoffmann im gleichen Interview ausgerufen hatte. Kleine Sender setzen zunächst immer auf Lizenzserien, und je größer sie werden, desto mehr gehen sie zu Eigenproduktionen über. Außerdem: Warum US-Serien am Nachmittag verschießen, wenn sie doch inzwischen fast alle zur Primetime erfolgreich sind? Men In Trees, eine romantische Kleinstadtserie im Stil von Ausgerechnet Alaska, wäre vor drei Jahren vermutlich im Nachmittagsprogramm gelandet, stattdessen läuft die Serie ab Januar am Freitagabend.
Bis auch das Vox-Abendprogramm vollständig von der Realität eingeholt wird. Die Reality-Reihen Goodbye Deutschland – Die Auswanderer und Das perfekte Promi-Dinner, in denen Menschen alltägliche Dinge erledigen und ausführlich in eine Kamera sagen, was sie davon halten, füllen bereits mehrere Primetime-Stunden.
Dann würde wieder ein kleinerer Sender Zufluchtsort für Zuschauer, die nach fiktionaler Unterhaltung suchen, für Zuschauer, die die große Leistung derer würdigen wollen, die sich etwas Originelles ausdenken, damit wir gut und überraschend unterhalten werden. Die „echten“ Menschen, die sich keine Gedanken machen und einfach in eine Kamera sagen, was ihnen in den Sinn kommt, kenne ich jetzt. Da erwarte ich keine Überraschungen mehr.
Deshalb: Kann mir bitte irgendwer weiterhin etwas Erfundenes zeigen??? Danke.
Von Donna gerührt
Ordensschwester Lotte, König Herodes Antipas, der Capuccino-Mann Angelo und Johnny Flodder klären gemeinsam Verbrechen auf.
Wäre dies wirklich so, hätte die neue ZDF-Serie Donna Roma einen Platz in unseren Top 5 der bescheuertsten Krimiserien aller Zeiten verdient, die wir morgen an dieser Stelle veröffentlichen werden. Aber dies sind zum Glück nur die bisher populärsten Rollen der vier Hauptdarsteller.
Jutta Speidel ist aus Um Himmels Willen, einer der erfolgreichsten deutschen Serien der letzten zehn Jahre, ausgestiegen, um das zu spielen, was sie schon immer spielen wollte: Eine Kommissarin. Keine Nobelpreisträgerin, keine Friedenstifterin, keine Heilige, nein, eine Kommissarin. Gut, wenn das jeder macht, will man das natürlich auch. Als Berliner Kriminalpsychologin jagt sie nun per Amtshilfe in Rom raffinierte Mörder und hat dabei zwei einheimische Kollegen zur Seite, von denen einer, Luca Barbareschi, im letzten „Jesus“-Film mitspielte und der andere, Bruno Maccallini, früher seiner Nachbarin in der Fernsehwerbung verklickerte, er habe gar kein Auto und heute in der wirklichen Welt Speidels Lebensgefährte ist. In der Fernsehwelt wiederum ist Jutta Speidel gerade noch mit Johnny Flodder verheiratet, der in der wirklichen Huub Stapel heißt und in seiner neuen Rolle Konstantin.
Man ist zunächst versucht, Donna Roma als Blödsinn abzutun, denn auf den ersten Blick scheint vieles ungereimt: Warum will man uns weismachen, ein Flug von Berlin nach Rom dauere fünf Stunden? Warum sollen wir mit einer Frau sympathisieren, die in einer fremden Stadt bei den neuen Kollegen ankommt und erst mal alle barsch herumkommandiert? Warum sollen wir glauben, dass das Deutsch, das Jutta Speidel mit ihrer Familie in Berlin spricht, tatsächlich Deutsch ist, das Deutsch, das sie mit ihren Kollegen in Rom spricht, aber Italienisch? (Es werden lediglich einige obligatorische Allerweltsitalienismen wie „scusi“, „prego“, „pronto“ und „grazie“ eingestreut – nicht, dass ich mir wünschen würde, die ganze Sendung würde in italienischer Sprache gezeigt, aber es wirkt einfach komisch, wenn Jutta Speidel vom Kollegen für ihr hervorragendes Italienisch gelobt wird.) Will man uns für dumm verkaufen, wenn einerseits aus den Dialogen hervorgeht, dass die Handlung am Monatsanfang spielt, aber gleichzeitig alle Hotels ausgebucht seien, weil der Papst Geburtstag habe? (Der Papst wurde am 16. April geboren, sein Vorgänger am 18. Mai.)
Auch die Akustik ist sehr gewöhnungsbedürftig. Sie kennen doch den typischen Studioklang einer synchronisierten Serie und den typischen affektierten Tonfall deutscher Synchronsprecher? Beides steht nun leider im krassen Gegensatz zu der atmosphärischen Originaltonaufnahme, die beim Vor-Ort-Dreh tatsächlich entsteht. Hier treffen nun beide aufeinander, denn jeder Darsteller spielte in seiner Muttersprache. Auf der Presse-DVD, die das ZDF verschickt hat, sind hinten noch ein paar unsynchronisierte Originalaufnahmen, und da klingt es recht lustig, wenn Jutta Speidel eine deutsche Frage stellt und Luca Barbareschi auf Italienisch antwortet. In der TV-Fassung ist Barbareschi aber synchronisiert, Speidel nicht, und das klingt einfach merkwürdig.
Jetzt kommen wir zum großen „Aber trotzdem!“: Lässt man nämlich all diese Dinge hinter sich, was überraschend leicht fällt, ist die Serie gut. Nicht ZDF-gut, sondern gut. Also auch gut für Menschen, die sich noch selbst ernähren können, den Fernseher auch bei normaler Lautstärke hören und nicht bei der Gründung der Stadt Rom schon gelebt haben. (Ich übertreibe natürlich und entschuldige mich dafür schon jetzt beim ZDF und bei allen, die sich beleidigt fühlen könnten. Fakt ist aber: Der durchschnittliche ZDF-Zuschauer ist fast 60 Jahre alt. Bei den Zuschauern unter 50, derentwegen die Werbewirtschaft freudig im Dreieck springt, liegt das ZDF im laufenden Jahr auf Platz sechs, hinter RTL, Pro Sieben, Sat.1, der ARD und Vox. Rechnete man Wetten, dass…? heraus, sähe alles noch viel, viel düsterer aus.)
Während die meisten ZDF-Serien in den vergangenen zwanzig Jahren entweder Abwandlungen der Drombuschs, des Landarztes oder von SOKO 5113 waren, ist Donna Roma originär und originell. Die Chemie zwischen den Hauptdarstellern stimmt, die im Vordergrund ebenso viel Wärme und Charme versprühen wie im Hintergrund die schönen Aufnahmen Roms, und die Fälle sind kurzweilig und die ausgefallensten seit CSI. Mit CSI hat Donna Roma aber rein gar nichts zu tun. Der Fall spielt zwar eine große Rolle, aber die Charaktere sind ebenso wichtig. Es sind extrem eigensinnige Charaktere. Sie forsch und hartnäckig, er grummelig, doch entspannt. Aber beide im Grunde freundlich und sympathisch. Und obwohl es anfangs gar nicht so aussieht, als sprühten auch in dieser Serie die obligatorischen romantischen Funken zwischen weiblichem und männlichem Hauptdarsteller, führt wohl kein Weg daran vorbei.
Donna Roma ist sehenswert – und enthält außerdem den besten Dialog der Woche:
Sie: „Tanzen Sie?“
Er: „Nein, ich trinke lieber.“
Donna Roma,
donnerstags um 20.15 Uhr im ZDF.