Straßenfeger
1995–2001 (ZDF). Lückenfüller im Nachtprogramm anstelle des Testbilds.
Zu sehen waren Autofahrten durch Deutschland aus der Perspektive des Wagenlenkers durch die Windschutzscheibe. Die Reihe beinhaltete spannende Elemente wie Straßenschilder, rote Ampeln und Abbiegevorgänge. Einen Unfall baute der Praktikant zum Glück nie, der dauernd durch die Gegend gurken und sich dazu das Hörfunkprogramm des Deutschlandradios anhören musste, das den Ton zur Sendung lieferte. Die Fahrten waren immer so lang, wie Bedarf bis zum Beginn des Frühprogramms bestand. Zeitweise hatte die Reihe einen zusätzlichen festen Sendeplatz am frühen Sonntagmorgen. Wer das Auto lieber stehen ließ, konnte sich in der ARD Die schönsten Bahnstrecken anschauen.
Streiklustige Typen
Fünf Monate dauerte der letzte Streik der amerikanischen Film- und Fernsehautoren im Jahr 1988, und noch heute sind viele Autoren der Meinung, im Streit um die Beteiligung an Gewinnen aus Videoverkäufen damals zu früh eingeknickt zu sein. Um genau diesen Punkt geht es auch diesmal im Wesentlichen, nur dass aus den damals unbedeutenden Kaufvideos heute DVDs und Internetportale geworden sind, die eine immer größere Rolle spielen, während die Einschaltquoten für Fernsehausstrahlungen durch die Bank rückläufig sind.
Bei fiktionalen Produktionen wird man den Streik erst später spüren. Viele Episoden sind bereits fertiggestellt und müssen nur noch gesendet, andere schon geschrieben und müssen nur noch gedreht werden. In etlichen Monaten kann es aber sein, dass aktuelle Staffeln zum Beispiel von Dr. House, CSI: Miami oder Boston Legal nach deutlich weniger als den sonst üblichen 24 Folgen zu Ende gehen. Besonders merkwürdig wäre das im Fall von 24.
Sofort betroffen sind die Late-Night-Shows, die auf täglich frisches Material ihrer Autoren angewiesen sind. Ohne sie sei er nicht lustig, sagte Marktführer Jay Leno, suggerierend, im Normalfall sei er es. Leno, David Letterman, Jon Stewart, Conan O’Brien, Craig Ferguson, Jimmy Kimmel und Stephen Colbert haben ihren aktuellen Betrieb sofort eingestellt, bis auf Weiteres werden Wiederholungen gezeigt. Doch irgendwann werden sie wieder auf Sendung gehen, und dann wird es spannend, was sie zu senden haben. Den kleinsten Schaden könnte David Letterman davon tragen, dessen Show schon im Normalfall aus vielen absurden Situationen besteht, die einfach nur fragende Blicke ins Fernsehgerät verursachen.
Von Juni bis August 1988, nach einer dreinhalb Monate langen Auszeit, füllte er während des Autorenstreiks mit den folgenden Maßnahmen Sendezeit. Wie es sich für Letterman gehört, sind sie in eine Top-10-Liste gegliedert.
- David Letterman ließ sich von einem Frisör rasieren.
- Er ließ sich einen Anzug schneidern. (Special Event. Konnte man fünf Tage lang ausschlachten.)
- Er toastete Brotscheiben und warf sie ins Publikum. Gemeinsam mit seinem Gast John Cleese bestrich er sie mit Marmelade. Der Toaster war das Geschenk des Senders NBC anlässlich seiner 1000. Sendung.
- Live-Übertragung per Satellit der Geschehnisse in einem Waschsalon.
- Live-Übertragung per Satellitaus einem feinen Restaurant, in dem NBC-Chefs speisten, um zu zeigen, wie sie auf ihre tollen Ideen kommen.
- Ein Video zeigte den Präsidentschaftskandidaten Michael Dukakis, der seinen Rasen mähte.
- Late-Night-Ikone Johnny Carson persönlich erteilte David Letterman die Erlaubnis, sein Spiel „Stump The Band“ zu stehlen, bei dem Zuschauer aus dem Publikum versuchen mussten, sich von der Studioband Lieder zu wünschen, die niemand kennt.
- 14 Minuten Pantomime.
- Live-Übernahme von Lokalnachrichten eines anderen Senders.
- David Letterman versuchte sich an einer Wettervorhersage vor einer echten Wetterkarte der NBC-Nachrichtenredaktion und erinnerte damit an den Beginn seiner Karriere, als Letterman als Wettermann eines Lokalsenders in Indiana Hagelkörner in der Größe von Dosenschinken vorhersagte und einem tropischen Sturm zur Beförderung zum Hurrikan gratulierte.
Streit um drei
1999–2003 (ZDF). 50-minütige Gerichtsshow mit echten Streitfällen und falschen Streitenden.
Die Verhandlungen wurden mit wechselnden Schauspielern nachgestellt, der Richter, zunächst Eugen Menken, ab August 1999 Guido Neumann, war echt. Moderator war Ekkehard Brandhoff, als kommentierender Experte war Wolfgang Büser dabei. Die Show lief anfangs viermal pro Woche nachmittags um 15.10 Uhr, Anfang 2000 wurde am Freitagnachmittag die fünfte Ausgabe pro Woche eingeführt. Diese beschäftigte sich jeweils mit Arbeitsrecht, Freitagsrichter war Ulrich Volk.
Die Reihe war die erste tägliche Gerichtsshow im deutschen Fernsehen. Ein entsprechender Boom wurde aber erst etwas später durch den Erfolg der Sat.1-Sendung Richterin Barbara Salesch ausgelöst. Viel spannender hierbei war ohnehin der „Was macht eigentlich …“-Effekt: Unter die völlig unbekannten Darsteller der Streitenden mischten sich gelegentlich abgehalfterte Seriendarsteller aus den 80er-Jahren, deren Gesicht man bis dahin erfolgreich vergessen gehabt zu haben hoffte.
Dem Erfolg der konkurrierenden Gerichtsshows gab sich Streit um drei schließlich geschlagen. Nach Ausstrahlung der letzten Folge liefen noch bis Juni 2003 Wiederholungen auf dem täglichen Sendeplatz.
Stromberg
Seit 2004 (Pro Sieben). Dt. Comedyserie von Ralf Husmann nach der britischen Serie „The Office“ von Ricky Gervais und Stephen Merchant.
Bernd Stromberg (Christoph Maria Herbst) ist der Chef aus der Hölle. Der Leiter der Abteilung Schadensregulierung, Buchstaben M bis Z, bei der Capitol-Lebensversicherung ist die meiste Zeit damit beschäftigt, sich und seine Leistungen in ein positives Licht zu rücken, eigene Fehler anderen in die Schuhe zu schieben und jeden Vorteil für sich herauszuholen. Wenn er sich nicht aus Bösartigkeit unbeliebt macht, dann aus Ungeschicklichkeit; selbst wenn er es gut meint, steht er innerhalb von Sekunden bis zum Hals im Fettnapf. Schlimmer wird der Umgang mit ihm noch dadurch, dass er sich für einen toleranten Chef hält, wie man ihn sich wünschen würde. Unter ihm leiden und arbeiten der überforderte Arschkriecher Berthold „Ernie“ Heisterkamp (Bjarne Ingmar Mädel), der bequeme Ulf Steinke (Oliver K. Wnuk), die von ihm umschwärmte Tanja Seifert (Diana Staehly) und die füllige Erika Burstedt (Martina Eitner-Acheampong). Der Deutschtürke Sinan Turculu (Sinan Akkus) leitet die Konkurrenzabteilung (A bis L), Tatjana Berkel (Tatjana Alexander) ist Strombergs Vorgesetzte. In der zweiten Staffel wird Strombergs Abteilung mit der des jungen, umgänglichen Timo Becker (Lars Gärtner) zusammengelegt — und zu Strombergs Entsetzen wird der auch noch Abteilungsleiter und er selbst nur Stellvertreter.
Die Serie bezog ihren Witz nicht aus Pointen, sondern fast immer aus der unerträglichen Peinlichkeit der Situationen. Inszeniert war sie wie eine Doku-Soap. Ein Fernsehteam dokumentiert mit der üblichen Wackelkamera die Arbeit der Abteilung; die Protagonisten wissen, dass sie gefilmt werden, was Stromberg noch mehr auf seine Außendarstellung achten und die Peinlichkeit noch größer werden lässt. Zwischendurch erzählen die Mitarbeiter ihre Sicht der Dinge direkt in die Kamera. Stromberg wäre eine außerordentlich innovative deutsche Comedyserie gewesen, hätte Pro Sieben nicht Idee, Format, Figurenkonstellation, Musikstil, Schnitt, ganze Dialoge und Details der Marotten des Chefs von der britischen Serie „The Office“ kopiert, mit der die BBC einen sensationellen Erfolg erzielt hatte. BBC Worldwide prüfte, gegen Pro Sieben wegen Plagiats juristisch vorzugehen.
Die deutsche Version lief nur mäßig erfolgreich montags um 21.50 Uhr, doch die kleine Fangemeinde war treu, besessen und lautstark, und viele der Fans saßen in Redaktionen und Jurys, und sie bedachten Stromberg mit hervorragenden Kritiken und etlichen Auszeichnungen, darunter dem Adolf-Grimme-Preis, weshalb Pro Sieben dennoch nach acht Folgen eine zweite Staffel bestellte, die sonntags nach 22 Uhr gezeigt wurde. Und siehe da: Plötzlich wurde „The Office“ als offizielles Vorbild angegeben, der Sender hatte sich mit der BBC geeinigt.
Die dritte Staffel läuft wieder montags, diesmal etwas später.
Deutscher Fernsehpreis 2007 als beste Sitcom und für Ralf Husmann für das beste Drehbuch (zusammen mit Dr. Psycho).
Super, natürlich!
Die Wand muss inzwischen ziemlich verbeult sein. Sie wissen schon, diese Wand, an die ProSieben jedes Jahr ein halbes Dutzend Mysteryserien wirft, in der Hoffnung, dass eines Tages eine kleben bleibt. Die letzte, die kleben blieb, war vor dreizehn Jahren Akte X. Die letzte, die runterfiel, war vor zwei Monaten Jericho. Ironischerweise begegnen uns beide in der ersten Folge der neuen Mysteryserie Supernatural, die ProSieben heute an die Wand wirft.
Sam und Dean sind zwei Brüder auf Dämonenjagd, und schon in dieser Hinsicht ist Supernatural eine Art Collegeversion von Akte X. Ihr erster Fall führt sie ausgerechnet in die Kleinstadt Jericho, wo sie sich zunächst als FBI-Agenten ausgeben, und Dean nickt zwei Polizisten mit den Worten zu: „Agent Mulder, Agent Scully.“
Jared Padalecki spielt Sam, und Jensen Ackles spielt Dean, was etwas verwirrend ist, denn in Gilmore Girls hatte Jared Padalecki den Dean gespielt. Jensen Ackles war ein Jahr lang als Jason in Smallville zugegen, wo er bereits Erfahrungen mit Merkwürdigkeiten sammeln konnte. Solche gibt es hier auch, und die meisten führen zu irgendjemandes Tod. Die Serie ist stellenweise recht brutal und bedient Freunde des Horrorgenres ebenso wie Freunde des hölzernen Schauspiels. Zu viele Gedanken daran würde ich allerdings nicht verschwenden, denn ProSieben wäre nicht ProSieben, wenn sie tatsächlich alle angekündigten 22 Folgen der ersten Staffel zeigten. Die Wand wird nämlich allmählich auch morsch.
Supernatural, montags um 20.15 Uhr auf ProSieben.
Superquote
Eine Fernsehsendung benötigt heute nur noch halb so viele Zuschauer wie vor 15 Jahren, um als Erfolg zu gelten. Die Zahl der Sender nimmt stetig zu, die der Zuschauer nicht, und so verteilt sich die gleiche Menge Publikum auf immer Programme, was zur Folge hat, dass reihum die Quoten bröckeln und gigantische Zuschauerzahlen wie in 80er-Jahren für einzelne Sendungen heute eigentlich nicht mehr möglich sind. Das böse Internet und DVDs ziehen zusätzlich Zuschauer vom Fernsehen ab.
Da kommt die Nachricht aus den USA überraschend, wo der Super-Bowl-Sieg der New York Giants über die New England Patriots von 97,5 Millionen Menschen gesehen wurde. Noch nie hatte ein Super Bowl so viele Zuschauer, und überhaupt gab es in der Geschichte des amerikanischen Fernsehens nur eine einzige Sendung, die mehr Zuschauer hatte: 106 Millionen Menschen sahen 1983 das Finale von M.A.S.H.
Zusammengefasst: Quoten wie früher gibt’s heute nicht mehr. Es sei denn es kommt was Interessantes.
Surface — Unheimliche Tiefe
2006 (Pro Sieben). 15-tlg. US-Mysteryserie von Josh und Jonas Pate („Surface“; 2005 – 2006).
Die Meeresbiologin Laura Daughtery (Lake Bell) entdeckt im Pazifik gefährliche Wasserkreaturen, die ihr – und der Öffentlichkeit – bisher unbekannt waren. Gleichzeitig machen der Teenager Miles Barnett (Carter Jenkins) und der Hobbytaucher Rich Connelly (Jay R. Ferguson) in völlig anderen Gegenden ähnliche Beobachtungen. Laura will der Sache nachgehen, wird aber von ganz oben behindert. Es stellt sich raus, dass die Behörden Bescheid wissen, die Angelegenheit aber vertuschen. Die Verschwörung führen Davis Lee (Ian Anthony Dale) und der Wissenschaftler Dr. Aleksander Cirko (Rade Šerbedžija) an. Derweil erobern einige der Viecher bereits das Land.
In den USA floppte die Serie und wurde nach nicht einmal einer Staffel abgesetzt, in Deutschland war sie überraschend erfolgreich. Pro Sieben zeigte im Sommer 2006 montags ab 20.15 Uhr jeweils zwei Folgen, und der Erfolg animierte den Sender dazu, in der Folgezeit weitere gefloppte Mysteryserien zu zeigen, darunter Invasion und Jericho – Der Anschlag.
Surprise, Surprise
2007 (RTL). Einstündige Rührshow mit Oliver Geissen.
Ahnungslose Menschen werden überrascht und bekommen lang gehegte Wünsche erfüllt – angeregt von Freunden oder Verwandten, die sich damit beim Überraschten bedanken wollen oder der Meinung sind, er habe es einfach verdient. Außerdem führt die Show Freunde oder Familien zusammen, die einander aus den Augen verloren hatten. Und schließlich heulen alle vor Glück. Co-Moderatorin für Außenreportagen ist Sandra Thier.
Die Neuauflage der Surprise-Show lief montags um 20.15 Uhr.
Survivor
2007 (ProSieben). „Überwinde. Überliste. Überlebe.“ Reality-Abenteuerspielshow mit Sascha Kalupke.
18 Kandidaten müssen 50 Tage auf einer einsamen Insel im chinesischen Meer überleben und dabei ohne so praktischen Kram wie Nahrung auskommen. Zunächst sind sie in zwei Teams aufgeteilt, später spielt jeder gegen jeden. Eigentlich tun sie das parallel von Anfang an, denn am Ende jeder Folge entscheidet der Inselrat, also die Kandidaten selbst, welcher Einzelne die Insel verlassen muss. Bei verschiedenen „Challenges“ können die Teilnehmer zum Beispiel Immunität gewinnen, was ihr Verbleiben vorübergehend sichert. Wer am Ende übrig bleibt, gewinnt 250.000 Euro.
Fünf Jahre waren seit der letzten Adaption des US-Erfolgs „Survivor“ vergangen. Outback hieß sie und war dem Inselduell, Expedition Robinson und Gestrandet gefolgt. Alle waren gefloppt. ProSieben zeigt seine einstündige Variante vier Wochen lang dienstags um 20.15 Uhr und drei Wochen lang um 22.15 Uhr. Sie floppte. Auf beiden Sendeplätzen waren die Marktanteile so desaströs, dass die restlichen sieben Folgen auf samstags morgens um 8.00 Uhr verschoben wurden.
Survivor ist tot
Die sauteure ProSieben-Abenteuerspielshow Survivor hat auch den späteren Alternativsendeplatz nicht überlebt. Sieben einstündige Nachrufe gibt es in Zukunft samstags morgens um acht.
Vielleicht hören deutsche Sender ja jetzt endlich auf, Menschen auf Inseln oder in sonstiges Gestrüpp zu verfrachten. Oder wie viele erfolglose Adaptionen der gleichen Show benötigen wir noch?