Spiel’s noch einmal
Um noch mal auf Familie Dr. Kleist zurückzukommen: Jetzt ist die Gattin also tot, und der Doktor wagt den Neuanfang in einer anderen Stadt. Nun, wenigstens ist die Ausgangskonstellation eine, die es noch nie gegeben hat.
Ähm… halt, vielleicht doch:
- Nach dem Tod ihres Mannes zieht Doris Martin mit ihren beiden Söhnen auf die Ranch ihres Vaters (Doris Day in…, ARD, 1970).
- Nach dem Tod seines Vaters zieht Karl Siebrecht aus einem kleinen Dorf in der Uckermark nach Berlin (Ein Mann will nach oben, ZDF, 1978).
- Nach dem Tod ihres Mannes zieht Ivy Unsworth in einen kleinen Ort (Bei uns liegen Sie richtig, ARD, 1983).
- Nach dem Tod seiner Frau zieht Professor Larry Fischer mit den Kindern nach Neuseeland (Kiwi – Abenteuer in Neuseeland; ZDF, Pro Sieben, 1983).
- Nach dem Tod seiner Frau zieht der Wissenschaftler Dr. Michael Larson mit seinen Kindern nach Australien (Das Geheimnis der Delphine, Pro Sieben, 1990).
- Nach dem Tod seiner Frau zieht Witwer Tom vom Land nach London (Immer Ärger mit Tom, ARD, 1985).
- Nach dem Tod ihres Vaters zieht die Anwältin Cornelia Bürger von Berlin in einen kleinen Ort in Brandenburg (Kanzlei Bürger, ARD, 1993).
- Nach dem Tod seiner Mutter zieht der Bayer Valentin Gruber auf das geerbte Anwesen auf Rügen (Ein Bayer auf Rügen, Sat.1, 1993).
- Nach dem Tod ihrer Tochter zieht Dr. Julia Laubach in eine Kleinstadt (Julia – Eine ungewöhnliche Frau, ARD, 1999).
- Nach dem Tod seiner Frau zieht der Düsseldorfer Zahnarzt Dr. Achim Hagenau mit seinen sechs erwachsenen Kindern auf einen Bauernhof im Schwarzwald (Unser Pappa, ARD, 2002).
- Nach dem Tod seines Vaters zieht Phillip Block wieder in seinem Elternhaus ein (Mama und ich, Sat.1, 2003).
- Nach dem Tod seines Vaters zieht Nate Fisher zurück nach Los Angeles (Six Feet Under – Gestorben wird immer, Vox, 2004).
- Nach dem Tod seiner Frau zieht der Arzt Dr. Andrew Brown in die Provinz (Everwood, Vox, 2005).
- Nach dem Tod der Eltern ziehen die Kinder Bradin, Nikki und Derrick zu ihrer Tante nach Kalifornien (Summerland Beach, Pro Sieben, 2006).
- Nach dem Tod seiner Frau zieht der Ranger Stefan Leitner von Kanada nach Küblach und wird Förster (Forsthaus Falkenau, ZDF, 2006).
Spongebob Schwammkopf
Seit 2002 (Super RTL). US-Zeichentrickserie von Stephen Hillenburg („SpongeBob Squarepants“; seit 1999).
Der lebende Schwamm Bob wohnt mit seiner Schnecke Gary in der Unterwasserstadt Bikini Bottom in einer Zwei-Zimmer-Ananas und arbeitet als Krabbenburgerbrater im Fastfood-Restaurant „Krosse Krabbe“, wo Mr. Krabs sein Chef ist. Neben dem Schwammkopf ist SpongeBobs Markenzeichen die eckige Quadrathose. Seine Freunde sind Tintenfisch Thaddäus, Eichhorn Sandy und Seestern Patrick. Sein Feind ist der fiese Planton, der an das Geheimrezept der Krabbenburger und die Weltherrschaft gelangen will.
Die Serie basiert auf wahren Begebenheiten. Nun, zumindest ist ihr Erfinder Stephen Hillenburg ausgebildeter Meeresbiologe, er müsste also wissen, wie es da unten zugeht.
Eine einstündige Pilotfolge lief zur Primetime, die halbstündigen Folgen danach täglich am Vorabend. Jede Folge bestand in der Regel aus zwei kurzen Episoden. In den USA hatte die Serie des Senders Nickelodeon mittlerweile eine derart große Fangemeinde und auch viele erwachsene Zuschauer erreicht (zeitweise waren die fünf erfolgreichsten Sendungen der Woche unter allen amerikanischen Kabelkanälen die fünf Ausstrahlungen von SpongeBob Schwammkopf), dass der Muttersender RTL auch von dem Hype profitieren wollte und ab Juni 2003 staffelweise im Nachtprogramm Folgen wiederholte. Parallel dazu wuchs auch die Fangemeinde auf Super RTL stetig, wo weiterhin die Erstausstrahlungen liefen und darüber hinaus Wiederholungen in Dauerschleife. Bisher waren es 60 Folgen.
Das Abbild des Schwamms fand sich bald auf jedem Produkt wieder, das das Kind als solches so braucht. Weihnachten 2004 kam ein „SpongeBob“-Spielfilm ins Kino. Am 23. Dezember 2007 zeigt ProSieben ihn im Fernsehen.
Sportschau
1961 (ARD 2); seit 1961 (ARD). Heiliges Sportmagazin am Wochenende mit Berichten über Handballländerspiele der Frauen, Amateurstraßenrennen, Rudern, die Europameisterschaft der Sandbahnfahrer und Trabrennen, nach dem Ende der Sommerpause auch über Fußball.
Die Sportschau hatte ihre Premiere am 4. Juni 1961, mitten in der fußballfreien Zeit. Die oben genannten Themen waren der Inhalt dieser ersten Sendung, die von Ernst Huberty moderiert wurde. Das ZDF gab es damals noch nicht, dennoch war die Sportschau nicht konkurrenzlos. Sie lief anfangs im Zweiten Programm der ARD, das es bis zum Start des Zweiten Deutschen Fernsehens gab, und zwar sonntags um 21.30 Uhr. Um 22.45 Uhr wurde die halbstündige Sendung im Ersten wiederholt. Nach neun Wochen kamen Ausschnitte aus Fußballspielen hinzu, das erste Spiel war Altona 93 gegen Tasmania Berlin. Die Bundesliga war noch nicht gegründet. Noch im gleichen Jahr wurde der Sendeplatz im Ersten auf 19.30 Uhr vorverlegt. Die zusätzliche Ausstrahlung in ARD 2 fand weiterhin statt.
Zur Reportermannschaft der ersten Stunde gehörten neben Huberty Adolf „Adi“ Furler, Günther Siefarth, Dieter Adler, Sammy Drechsel, Herbert Zimmermann, Heinz Eil, Harry Valérien, Armin Basche, Wim Thoelke, Rolf Kramer, Kurt Lavall, Gerd Krämer und Oskar Klose (einige von ihnen gründeten zwei Jahre später Das aktuelle Sport-Studio im ZDF). Zustande kam die Sendung auf Initiative von Robert Lembke, dem damaligen Sportkoordinator der ARD. Gesendet wurde aus Köln, verantwortlich war der WDR-Sportchef Hugo Morero.
1963 wurde die Fußballbundesliga gegründet, am 3. April 1965 gab es die Sportschau erstmals samstags mit sehr ausführlichen Bundesligaberichten, jetzt 45 Minuten lang. Sendebeginn war 17.45 Uhr, zeitgleich mit dem Schlusspfiff in den Stadien, wo die Spiele damals noch um 16.00 Uhr begannen. Um eine zeitnahe Ausstrahlung der Berichte zu ermöglichen, wurden Hubschrauber und Motorradkuriere eingesetzt, die während der Spiele mehrfach das bis dahin gedrehte Material ins nächstgelegene Funkhaus transportierten, wo es entwickelt und geschnitten wurde. Mit der Bundesliga wurde die Sportschau zur Instanz. Deutsche Männer durften am frühen Samstagabend nicht gestört werden. Um keinen Preis. Überliefert ist die Geschichte des Sportschau-Mörders: Ein Mann erdrosselte seine Frau im Affekt mit einem Staubsaugerschlauch, nachdem sie während der Sportschau direkt neben dem Fernseher angefangen hatte zu saugen.
Die Sportschau zeigte jeweils Ausschnitte aus drei, maximal vier Spielen, die schon im Vorfeld als „Spitzenspiele“ festgelegt worden waren. In den anderen Stadien waren gar keine Kameras, was zur Folge haben konnte, dass die langweiligen oder torlosen Spiele gezeigt wurden, während in den anderen Partien die Post abging. Die Ergebnisse der übrigen Spiele wurden lediglich vermeldet, die Tabelle gezeigt, dann folgte meistens noch ein Ausschnitt aus einem Zweitligaspiel, anschließend Kurzberichte über die weiteren Sportereignisse des Tages: Handball, Volleyball, Basketball, Rhythmische Sportgymnastik, Tischtennis, Schwimmen, Reiten. Wenn Adi Furler auftrat, konnten Pferde nicht weit sein.
Der Beginn der Samstagssendung wurde noch mehrmals um einige Minuten hin- und hergeschoben, befand sich aber immer in unmittelbarer Nähe zu 18.00 Uhr. Ab 1971 war die Sportschau auch wieder sonntags da, weitere Ausgaben folgten am Freitagabend mit den Berichten über die Freitagsspiele der Fußballbundesliga sowie an weiteren Werktagen in den „englischen Wochen“, wenn auch dienstags und mittwochs gespielt wurde. 1971 erfand Huberty das „Tor des Monats“, das fortan einmal im Monat sonntags aus mehreren Vorschlägen von den Fernsehzuschauern per Postkartenabstimmung gewählt wurde.
Huberty, Furler und Adler blieben über Jahrzehnte Aushängeschilder der Samstagsausgabe, es kamen noch Werner Zimmer und Hans-Joachim Rauschenbach dazu, in den 70er-Jahren Eberhard Stanjek und Klaus Schwarze und in den 80er-Jahren Heribert Faßbender, Jörg Wontorra, Manfred Vorderwülbecke und Gerd Rubenbauer. Huberty musste 1982 wegen einer ungeklärten Spesenaffäre gehen, Faßbender wurde sein Nachfolger. Furler trat erst 1995 nach 5000 Sendungen (inklusive Sonntags- und Wochenendausgaben) ab.
Der lange Zeit unverrückbare Status der Sportschau drohte zum ersten Mal 1988 ins Wanken zu geraten. Das Privatfernsehen begann sich für die immer teurer werdenden Rechte an der Fußballbundesliga zu interessieren, und RTL startete seine eigene Fußballshow Anpfiff, die jedoch nur über einen Teil der Erstausstrahlungsrechte verfügte und der Sportschau nichts anhaben konnte, die ebenfalls weiterhin bewegte Bilder zeigte. Erst 1992 wurde die Sportschau – was Fußball anging – bedeutungslos: Sat.1 hielt jetzt die Erstausstrahlungsrechte exklusiv und setzte der Sportschau eine große Show namens ran entgegen, in der erstmals alle Spiele gezeigt wurden.
Das, was von der Sportschau übrig geblieben war, vermeldete nun schon wenige Minuten nach Spielende die Ergebnisse und zeigte später einige Standbilder. Andere Sportarten rückten zwangsläufig wieder in den Vordergrund. Während dieser zuschauerarmen Phase geschah das Unglaubliche: Eine Frau moderierte die Sportschau! Es war das Jahr 1999, und vor Anne Will hatte dies tatsächlich keine Frau tun dürfen. Auch die Zeit von Waldemar Hartmann als Moderator fiel in diese Phase. Um den berühmten Sendetitel am Leben zu erhalten, wurden nun Live-Übertragungen sportlicher Ereignisse unter dem Titel Sportschau live oder Sportschau extra gesendet.
2003 wurden Sat.1 die Rechte zu teuer, und die Bundesliga kehrte zurück ins Erste und damit in die komplett modernisierte, jetzt 90‑minütige Sportschau, die eher wie ein leicht überarbeitetes ran als wie eine generalüberholte Sportschau wirkte. Als Moderatoren wechselten sich jetzt Gerhard Delling und Reinhold Beckmann ab, ab 2004 auch Monica Lierhaus. Beckmann und Lierhaus hatten bereits ran moderiert.
Auch in der ARD gab es nun alle Spiele des Tages, dazu Statistiken, Gewinnspiele, Interviews, plakative Überschriften („Die Abrechnung!“) und Werbepausen. Im Verhältnis zur Gesamtsendezeit nahmen die Fußballberichte jedoch einen höheren Stellenwert ein als zuvor in Sat.1. Die Zuschauer dankten es der ARD, der Erfolg kehrte zurück, die Einschaltquoten der Sportschau übertrafen die der letzten Jahre von ran problemlos.
Spurensuche mit Jürgen Fliege
1995-1996 (ARD). Pseudotherapeutische Reihe, in der Jürgen Fliege Menschen, die ein außerordentlich schweres Schicksal haben, beim „Nachgehen ihres Lebensweges“ begleitet und Opfer und Täter am Ort des Geschehens zusammenbringt.
Kein Thema war Pfarrer Fliege zu groß für diese Reihe. Die Titel der vier Sendungen lauteten: „Mein Gott, warum habt ihr mich verlassen“, „Ich lebte ahnungslos mit einem Serienmörder“, „Ich war im Kinderknast von Torgau“ und „Ich suche meine Mutter“. Selbst hinter letzterem, vergleichsweise harmlos klingenden Titel verbarg sich eine entsetzliche Lebensgeschichte von einem Mann, der als Kind eines deutschen Soldaten und einer Norwegerin für den „Lebensborn“ der Nazis geboren wurde, mit dessen Hilfe die arische Rasse fortgepflanzt werden sollte. Er wurde danach immer wieder zwischen Pflegefamilien und Kinderheimen und verschiedenen Staaten hin- und hergeschoben.
Fliege „begleitete“ diesen Mann, der auf der „Reise in die Vergangenheit“ immer wieder in Tränen ausbrach und verstummte, vor allem aber begleitete ihn das Kamerateam, das bei Tränen immer weiter ranzoomte und fröhlich das Telefonat filmte, in dem die Mutter dem schwer traumatisierten Mann mitteilte, dass sie ihn nicht sehen wolle. Als er seine Adoptivschwester traf und mit ihr für andere unverständlich tuschelte, fragte Fliege gleich zweimal: „Ist das ein Geheimnis?“ Fliege versprach, den Mann auch nach der Sendung seelsorgerisch zu „begleiten“. Eine professionelle psychotherapeutische Unterstützung gab es nicht.
Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ schrieb: „Fliege packt die Verbrechen am Seelenleben eines Menschen rücksichtslos aus. Der Zuschauer darf sich daran weiden.“ Die ARD verteidigte die Sendung damit, dass der Sender „zu kalt, zu unnahbar“ sei und das Publikum „auch ein emotionales Angebot“ wolle. Henning Röhl, der Fernsehdirektor des MDR sagte: „Auch so was muss machbar sein, und wir machen das noch viel zu wenig.“ Und: „Der Mann wird nicht ausgezogen. Er könnte sich ja wehren.“
Spurlos
1992–1994 (RTL). Einstündiges Magazin, das an den Sat.1-Erfolg Bitte melde dich anknüpfen wollte und deshalb ebenfalls Vermisste übers Fernsehen suchte. Moderator war Charles Brauer.
Lief an wechselnden Sendeplätzen jeweils an Werktagen zur Primetime und brachte es auf vier Staffeln.
Spy Cam — Die Sketch Comedy
2007 (Sat.1). Comedyshow mit Sketchen aus der Perspektive von Überwachungskameras. Es spielten u.a. Volker „Zack“ Michalowski, Ingo Naujoks, Petra Nadolny und Gabi Decker.
Lief zweimal freitags um 23.15 Uhr. Vier Jahre vorher hatte sich Sat.1 bereits unter dem Namen Die Wachmänner — Vier Augen sehen mehr am gleichen Konzept versucht.
Staatsanwalt Posch ermittelt
2007–2008 (RTL) . Pseudo-dokumentarische dt. Krimiserie.
Der Staatsanwalt Christopher Posch (Christopher Posch) klärt Kriminalfälle auf und bringt die Täter vor Gericht. Als Ermittler unterstützen ihn u.a. Deniz Yakin (Polat Dal), Kim Diekmann (Andrea Suwa), Tobias Franke (Florian Benstem) und Christina Steinbek (Rahel Hablützel) sowie der Gerichtsmediziner Dr. Johann Gräter (Manfred Nutsch-Mai) und der Kriminaltechniker Hans Paslowski (Thomas Slapa).
Eine Art Law & Order für ganz Arme (Law & Order für Arme war ja schon Im Namen des Gesetzes) mit dem Bemühen, sich vom Stil der pseudodokumentarischen Reihen wie Lenßen & Partner zu entfernen und mehr „richtige“ Schauspieler statt Laiendarstellern zu beschäftigen – ein Bemühen, das sich im Gesamteindruck aber kaum bemerkbar machte. Auch die Videooptik war wie immer.
Der Darsteller des Staatsanwalts war vor seiner Fernsehkarriere tatsächlich Anwalt und hatte vor seiner eigenen Serie im Jugendgericht mitgewirkt, dessen Sendeplatz er übernahm. Die Reihe lief zunächst mit einstündigen Episoden werktags um 16.00 Uhr, dann mit halbstündigen um 17.00 Uhr. Nach ziemlich genau einem Jahr beschloss RTL die Einstellung der quotenschwachen Reihe und zeigt die bereits produzierten Restfolgen am sehr, sehr frühen Morgen.
Stahlnetz
1958–1968 (ARD). 24‑tlg. dt. Krimireihe von Jürgen Roland und Wolfgang Menge. Kommissare überführen Mörder in abgeschlossenen Filmen.
Die erste deutsche Krimiserie im engeren Sinn. Die erste Folge lief noch unter dem Titel von Jürgen Rolands Reihe Der Polizeibericht meldet, galt aber im Nachhinein als Beginn von Stahlnetz, das aus ihr hervorgegangen war. Zehn Jahre lang hielt sich die Reihe, die eine der erfolgreichsten Sendungen der 50er‑ und 60er-Jahre wurde. Als Vorlage dienten angeblich authentische Polizeiakten, jedoch wurden Namen und Schauplätze geändert, „um Unschuldige und Zeugen zu schützen“. Jede Folge begann ähnlich: „Dieser Fall ist wahr. Er wurde aufgezeichnet nach Unterlagen der Kriminalpolizei“, wurde auf einer Schrifttafel eingeblendet.
Die einzelnen Filme waren in sich abgeschlossen und mit wechselnden Schauspielern besetzt, wie später beim Tatort. Anders als beim Tatort gab es jedoch fast keine wiederkehrenden Rollen und schon gar keine festen Teams. Der am häufigsten eingesetzte Ermittlerdarsteller war mit sieben Einsätzen Heinz Engelmann, jedes Mal in einer anderen Rolle. Auf ebenso viele Stahlnetz-Auftritte brachte es nur Kurt Klopsch, der jedoch lediglich kleine Nebenrollen und Ganoven spielte. Überhaupt: Wer einmal einen Kommissar gespielt hatte, musste das nicht beim nächsten Mal wieder tun. Mehrfach gesehene Darsteller waren außerdem Friedrich Schütter mit fünf und Wolfgang Völz sowie Karl-Heinz Gerdesmann mit jeweils vier Einsätzen, auf je drei kamen Hellmut Lange, Helmut Peine, Herbert Tiede, Richard Lauffen, Peter Lehmbrock und Kurt Jaggberg. Dieter Eppler spielte nur in zwei Folgen mit, jedoch sogar beide Male in der Rolle des Kommissar Hauke.
Der jeweilige Hauptdarsteller war in einer zweiten Funktion stets als Off-Sprecher zu hören und kommentierte die Fälle oder ließ die Zuschauer seine Gedanken hören. Manchmal kamen auch Beobachter oder sogar Täter auf diese Weise zu Wort. In den ersten Folgen schilderte zusätzlich ein anonymer Off-Sprecher den Verlauf der Ereignisse. In der Folge „Die Tote im Hafenbecken“ vom August 1958 sieht man eine junge Dame, die ihr Bett herrichtet, und hört dazu die Stimme des Erzählers, die lapidar erklärt: „Sie braucht ihr Bett nicht zu machen. Heute nicht mehr. Sie lebt nur noch knapp drei Stunden.“ Wenig später erläutert er, dass der Fall womöglich noch heute ungeklärt wäre, „wenn nicht der Hafenarbeiter Kurt Wilhelm drei Monate später eine Banane gegessen hätte“.
Jürgen Roland heimste für Stahlnetz Ende der 50er-Jahre unzählige Lorbeeren ein, galt doch das Format der halbdokumentarischen Schilderungsweise der Fälle als kreativ und innovativ. Das war sie zweifelsohne, doch die kreative und innovative Leistung stammte von Jack Webb, dem Erfinder der US-Serie Polizeibericht. Stahlnetz war nur eine Kopie. Sie übernahm das Konzept, den aus dem Off sprechenden Hauptdarsteller, auch den einleitenden Satz „Dieser Fall ist wahr …“, selbst den Titel (Polizeibericht hieß im Original „Dragnet“, der US-Fachausdruck für eine Großfahndung). Sogar die berühmte Titelmusik war die gleiche. Walter Schumann hatte sie komponiert, das Orchester Erwin Halletz spielte sie in der deutschen Version.
Ganz so dokumentarisch, wie sie behauptete, war die Reihe natürlich nicht: Manche Folgen waren eher nur inspiriert von realen Fällen, manchmal fehlte der Satz „Dieser Fall ist wahr“, und es hieß nur: „Dieser Fall wurde aufgezeichnet nach Unterlagen der Kriminalpolizei.“ Menge selbst, der 21 der 22 Drehbücher verfasste, sagte einmal, er habe mit Jürgen Roland immer von einer letzten Stahlnetz-Folge geträumt, die anfängt mit den Worten: „Dieser Fall ist wirklich wahr.“
Die Episoden wurden im Lauf der Zeit immer länger: Die ersten Folgen dauerten noch 30 bis 40 Minuten; die letzten hatten durchweg Spielfilmlänge von mindestens 90 Minuten. Trotz der wechselnden Sendeplätze war jede Stahlnetz-Folge ein Ereignis – und häufig ein Straßenfeger. Nach 22 Fällen war Schluss, zwei davon waren Doppelfolgen. 31 Jahre später wurde die Reihe von der ARD wiederbelebt.
Übrigens: Als der Hafenarbeiter die Bananenschale ins Wasser warf, sah er die Leiche im Wasser treiben.
Stahlnetz
1999–2003 (ARD). 6‑tlg. dt. Krimireihe.
Mehr als drei Jahrzehnte nach Jürgen Rolands gleichnamigem Straßenfeger startete die ARD eine spielfilmlange Neuauflage auf dem renommierten Tatort-Sendeplatz am Sonntagabend um 20.15 Uhr. Am Strickmuster hatte sich nichts geändert: wechselnde Kommissare, halbdokumentarischer Stil, Off-Stimme des Ermittlers erzählt von seinen Gedanken und Fortschritten.
In den einzelnen Hauptrollen: Suzanne von Borsody, Bernhard Bettermann, Stefanie Stappenbeck, Michael Mendl, Hermann Beyer und Axel Milberg. Bei den ersten beiden Filmen stand Wolfgang Menge noch einmal als Berater zur Seite.
Star Search
2003–2004 (Sat.1). Talentshow mit Kai Pflaume.
Über mehrere Wochen wird in vier Kategorien jeweils ein Sieger gesucht: Musiker (ab 16 Jahre), Musiker (10 bis 15 Jahre), Comedian und Model. In jeder Kategorie kämpfen 16 Kandidaten um den Sieg, jeweils zwei treten im Ausscheidungsverfahren gegeneinander an. Eine Prominentenjury (Hugo Egon Balder, Jeanette Biedermann, Alexandra Kamp sowie ein wechselnder Gast) und das Fernsehpublikum per Telefonabstimmung beurteilen die Nachwuchskünstler. Die Summe aus Jury‑ und Zuschauervotum bestimmt, wer in die nächste Runde kommt. Die Sieger erhalten je nach Kategorie einen Plattenvertrag, eine Ausbildungsfinanzierung, einen Vertrag mit einer Modelagentur inklusive Fotoshooting bzw. eine eigene Comedyshow in Sat.1.
Die Show lief in der ersten Staffel samstags und sonntags um 19.00 Uhr und war jeweils 75 Minuten lang, außerdem freitags um 20.15 Uhr mit 90 Minuten Länge. Sie war eine Adaption der gleichnamigen US-Show, die dort wie hier auf den Zug der erfolgreichen Talentshow Deutschland sucht den Superstar aufspringen wollte. In den USA hatte es die Show zwar schon lange vor „American Idol“ gegeben, war aber längst abgesetzt und erst später wieder reanimiert worden. Sat.1 erreichte sehr passable Einschaltquoten.
Die Sieger der ersten Staffel im Sommer 2003 (Finale am 10. August) waren die Sänger Martin Kesici und der zwölfjährige Daniel Siegert, das Model Maureen Sauter und der Komiker Ingo Oschmann. Kesicis erste Single „Angel Of Berlin“ erreichte Anfang September Platz eins in den deutschen Charts. Der im Halbfinale ausgeschiedene Michael Wurst wurde im Oktober Star seiner eigenen Sat.1-Doku-Soap Familie Wurst, Oschmann erhielt später seine eigene Show Wenn Sie lachen, ist es Oschmann.
Die zweite Staffel ab April 2004 lief mit jeweils abendfüllenden Shows donnerstags bis sonntags, ab dem Viertelfinale nur noch donnerstags und sonntags um 20.15 Uhr, außerdem inflationierte Sat.1 die Berichterstattung vorher, hinterher und nebenbei. Jetzt sah kaum noch jemand zu. Daran konnte nicht einmal die Aufregung um Alexandra Kamps Lippen etwas ändern bzw. um die Frage, ob und wie Hugo Egon Balder und der Sender sich über die Frage ihrer Echtheit äußern dürfen (die häufigste Zeitungsüberschrift zu diesem Thema lautete: „Lippenbekenntnisse“). Am Ende eines verwirrenden Streits feuerte Sat.1 öffentlichkeitswirksam Kamp und ersetzte sie durch das Model Eva Padberg. Bei den Musikern gewannen Florence Joy Büttner und die elfjährige Maresa Maisenbacher, Oliver Tienken siegte in der Model- und Oliver Beerhenke in der Comedykategorie (Finale am 20. Mai 2004).
Jeweils eine Woche nach dem Finale traten die Sieger noch einmal in einer großen Abendshow gemeinsam auf.