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Balder will blau machen

Donnerstag, 31. Januar 2008, 23:19

Was dem deutschen  Fernsehen seit dem Ende des Blauen Bocks und der Fröhlichen Weinrunde fehlt, ist eine ordentliche Saufshow.

Verschiedene Medien berichten heute über Hugo Egon Balders Idee eines Fernsehgelages, bei dem Prominente über politische Themen diskutieren und sich währenddessen volllaufen lassen, für das er aber noch keinen Sender als Abnehmer gefunden habe.

Ich bin mir nicht ganz sicher, ob Balder sich nicht einfach im Gespräch mit der Heftbeilage „Stern TV-Magazin“ einen Scherz erlaubt hat, über den jetzt alle ganz ernst berichten. Seine Idee des Sendetitels, „Der Klügere kippt nach“, geistert als Wortwitz zumindest schon seit Jahrzehnten über Comedybühnen.

Ich bin mir aber auch unsicher, warum Sender zögern sollten, die Show zu kaufen. Womöglich haben sie Angst, dass die Marktanteile nur die 0,5-Promille-Grenze erreichen. Aber immerhin lief das Konzept bereits erfolgreich 35 Jahre lang unter dem Namen Der internationale Frühschoppen.

Balko

Sonntag, 18. März 2007, 17:27

1995–2006 (RTL). 124-tlg. dt. Krimiserie von Leo P. Ard und Michael Illner.

Hauptkommissar Balko (Jochen Horst; ab Folge 49 im Juli 1998: Bruno Eyron) ist ein Draufgänger und Frauenschwarm, der das Verbrechermilieu auch mal rüpelhaft aufmischt, um seine Mordfälle aufzuklären. Sein Partner bei der Dortmunder Polizei ist Hauptkommissar Krapp (Ludger Pistor). Krapp ist das genaue Gegenteil von Balko: ein blasses Muttersöhnchen, das penibel seine Dienstvorschriften einhält. Beider Vorgesetzter ist Polizeichef Vollmer (Dieter Pfaff), der nie ohne seinen Mops namens Montag unterwegs ist. Seine Nachfolger werden für jeweils kurze Zeit Kriminaloberrat Wiese (Horst A. Fechner) und Hauptkommissar König (Arthur Brauss) und ab der dritten Staffel für längere Zeit Kriminaloberrätin Katharina Jäger (Sabine Vitua), bis sie einem Mordanschlag zum Opfer fällt. Zum Revier gehören auch die tölpelhaften Streifenpolizisten Wittek (Matthias Kniesbeck), Marek (Armin Krug) und Schafranek (Lars Pape). Wittek steigt nach Katharina Jägers Tod 1999 ruckartig zum Kriminalhauptkommissar auf, weil er der Schwiegersohn des Polizeipräsidenten ist, und wird damit Balkos neuer Chef. Schließlich übernimmt Kriminalrat Holtermann (Uwe Rohde) diese Position. Balkos Freundin ist anfangs die Journalistin Colette (Joana Schümer), die Balko gern über seine Fälle ausquetscht, um etwas für ihre Zeitung schreiben zu können.

Die Serie kam beim Publikum gut an. Das änderte sich auch nicht, als Jochen Horst ausstieg und in der gleichen Rolle plötzlich ein neues Gesicht zu sehen war. Aus der Not machte die Serie einen Gag: In klassischer Art von US-Seifenopern hat Balko einen schlimmen Unfall, bei dem er sein Gesicht verliert. Vor der nötigen Operation darf er sich am Computer ein neues aussuchen. Zur Wahl stehen u. a. die Gesichter von Schimanski, Derrick und Kommissar Rex. Balko wählt – natürlich – das Gesicht von Bruno Eyron. Diese Art von Humor und eine innovative Bildästhetik, die Regisseur Nico Hofmann entwickelte (und gegen den Widerstand von RTL durchsetzte), machten den Erfolg aus. 1996 erhielten Jochen Horst, Ludger Pistor und Dieter Pfaff für die Serie den Adolf-Grimme-Preis, 1999 wurde Ludger Pistor für seine Rolle mit dem Deutschen Fernsehpreis in der Kategorie „Bester männlicher Hauptdarsteller in einer Serie“ ausgezeichnet.

Die einstündigen Folgen liefen zunächst dienstags, später donnerstags, meist um 21.15 Uhr. Die Produktion wurde bereits im Herbst 2003 mit dem Ausstieg Bruno Eyrons eingestellt, die Ausstrahlung der letzten Handvoll Folgen geschah erst Jahre später.

Das Beste von Balko ist auf zwei DVD-Boxen erschienen.

Balsambaumgewächse

Mittwoch, 11. März 2009, 06:30


Fotos: RTL2

Das deutsche Fernsehen misst mit seltsamen Maßstäben. Die hervorragende US-Politserie The West Wing zeigte es nicht, weil man eine Serie, die im Weißen Haus spielte, deutschen Zuschauern nicht vermitteln könne. Die mittelmäßige US-Politserie Welcome Mrs. President, die im Weißen Haus spielte, zeigte es.

David E. Kelleys Anwaltsserie Practice — Die Anwälte brach das deutsche Fernsehen zwar an, aber auch ab, und nie wieder ward im Free-TV von ihr gehört. Stattdessen wurde gleich David E. Kelleys Fortsetzung Boston Legal gezeigt, die Practice mit einigen (den US-Zuschauern) bekannten Charakteren weiterführte.

Die großartige Thrillerserie 24 war beim kleinen Sender RTL2 mit jeder Staffel weniger erfolgreich, da kaufte der größere Konkurrent ProSieben die Rechte und zeigte voller Stolz die sechste und gleichzeitig erste schlechte Staffel der Serie. Überraschend ohne großen Erfolg.

Ebenfalls bei ProSieben floppte die britische Kultserie Doctor Who sogar im Nachmittagsprogramm. Nach deutscher Logik sollte sich der Spin-off Torchwood über einen anderen Zeitreisenden, der ebenfalls Außerirdische bekämpft, also fürs Abendprogramm eines anderen Senders geradezu aufdrängen. Na dann. Heute geht’s los.

In der ersten Folge beißt ein sabbernder Außerirdischer mit einer hässlichen Fratze einen armen Krankenhausmitarbeiter tot, und das Blut spritzt meterweit. In der zweiten Folge wird eine junge Frau von einem sexbesessenen Alien befallen, das sich von Orgasmen ernährt, und die Männer, mit denen es Sex hatte, zerfallen zu Staub. Würde die gebührenfinanzierte ARD eine solche Trashserie produzieren, gäbe es einen großen Aufschrei anlässlich des erneuten Untergangs des Abendlandes und des weiteren Niveauabfalls, für den unser Geld verschwendet würde. Produziert sie stattdessen die gebührenfinanzierte BBC, gilt sie als Kult. In Deutschland griff RTL2 zu, und das passt ganz gut.

Immerhin wirkt Torchwood nicht halb so billig wie Doctor Who, ist seitens der BBC aber auch nicht für das Nachmittagsprogramm entwickelt worden, sondern für den späteren Abend. Sonst würde das Blut vielleicht weniger weit spritzen. Und immerhin nimmt sie sich und seine Gimmicks nicht so furchtbar ernst. Zum Beispiel den unsichtbaren Aufzug.

Gwen Cooper: Wie funktioniert das?
Captain Jack Harkness: Keine Ahnung. Wir wissen, dass es funktioniert, aber nicht wie. Aber wenn ich raten sollte, dann würde ich sagen dass hier mal ein dimensional-transzendenter Chamäleonschaltkreis bestanden hat, dessen Wahrnehmungsschild punktuell mit einem Raum-Zeit-Riss verschmolzen ist.

Oder die militärischen Kommandos.

Jack Harkness: Standardformation!
Gwen Cooper: Was ist die Standardformation?
Owen Harper: Ändert sich ständig.

Aber schlimmer Trash ist die Serie trotzdem.

Torchwood, mittwochs um 22.05 Uhr bei RTL2.

Bananas

Freitag, 28. Dezember 2007, 22:23

1981–1984 (ARD). „Musik und Nonsens“. 45-minütige Musik- und Comedyshow mit Hans-Herbert Böhrs (nur unter dem Namen Hans-Herbert), Herbert Fux, Olivia Pascal und Gerd Leienbach, zeitweise noch Frank Zander.

Bands spielen ihre Hits im Studio, und zwischen den Songs treten die Akteure in kurzen Sketchen und lustigen Kostümen und Perücken auf. Die Einblendungen von Interpret und Titel geschehen in einer kunstvollen Zeichnung, in die immer Bananen eingearbeitet wurden.

Bananas setzte die Tradition der Plattenküche fort, Popmusik mit Gags und humorigen Szenen zu verbinden. Nur ein Jahr später folgte Ronnys Pop-Show und wiederum ein Jahr danach Formel eins.

Die Titelmelodie war eine eigens für die Show eingedeutschte Version des Songs „Hubba Hubba Zoot Zoot“ der schwedischen Band Caramba. Lief einmal im Monat dienstags um 20.15 Uhr, insgesamt 32-mal.

Banzai

Mittwoch, 16. Juli 2008, 22:27

2001–2002 (Sat.1). „Die schrägsten Wetten aller Zeiten“.

Halbstündige Comedyshow, in der so weltbewegende Fragen gestellt werden wie: Bleibt Garnele oder Lachs länger an der Wand haften? Welches getätschelte Baby rülpst zuerst? Wie viel wiegt eine Brust von Dieter Bohlens Ex-Freundin Nadja Abd el Farrag? Und wie viel das Gemächt von Gotthilf Fischer? Die Zuschauer dürfen per Telefon mitspielen und die Ergebnisse raten, aber darum geht es nicht wirklich. Ein Japaner namens „Mr. Chippy Chappy“ moderiert das Spektakel.

Banzai war ein Import aus Großbritannien; rund die Hälfte der Wetten waren nur synchronisiert, die anderen speziell für Deutschland gedreht. Die wunderbar schrille Show war eine überdrehte Parodie auf die japanischen Extrem-Gameshows, die in Deutschland vor allem im DSF liefen. Dass sich Banzai selbst nicht ernst nimmt und das Genre parodiert, hat hierzulande natürlich niemand verstanden. Und dass man sich kaum eine bessere Verwendung für Nadja Abd el Farrag vorstellen kann, als einfach mal eine ihrer Brüste zu wiegen und auf das Gewicht zu wetten, auch nicht. In Großbritannien, wo die Show anders als in Deutschland zu einer zweiten Staffel zurückkehrte, gab es auch einen Miniskandal: Als das Banzai-Team mit einer Radarpistole messen wollte, wie schnell der Sarg von Queen Mum durch die Straßen bewegt wurde, konfiszierte die Polizei die Kameras.

13 Folgen liefen freitags um 22.45 Uhr.

Barbapapa

Dienstag, 21. Dezember 2010, 05:59

1974—1975 (ZDF). 70-tlg. frz.-jap. Zeichentrickserie von Annette Tison und Talus Taylor („Les Barbapapas“; 1974).

Wie anmutig. Ein fetter rosa Klumpen wächst aus dem Boden im Garten: Barbapapa. Die bemerkenswerteste Eigenschaft des gutmütigen rosa Dings: es kann seine Form verändern. So verwandelt er sich in ein Planschbecken, eine Treppe, einen Kinderwagen oder ein Häuschen. In den ersten Folgen reist er mit seinen menschlichen Freunden Lotte und Stefan um die Welt, sieht Indien und Amerika. In Folge 8 lernt er endlich die Frau seines Lebens kennen: Barbamama. Gemeinsam setzen sie sieben Kinder in die Welt, finden ein eigenes Zuhause und sind fortan eine richtige Familie. Auch alle anderen Familienmitglieder sind Formwandler, weshalb sie zu neunt prima den Schriftzug „Barbapapa“ darstellen können. Zu erkennen sind sie an ihrer jeweils gleich bleibenden Farbe: Barbakus ist gelb, Barbalala grün, Barbaletta orange, Barbabo schwarz und zottelig, Barbabella lila, Barbarix blau und Barbawum rot.

Die nur fünfminütigen Folgen liefen im Vorabendprogramm, oft direkt vor den heute-Nachrichten. Die Geschichten basierten auf französischen Kinderbüchern. In der französischen Fassung hießen Barbapapas menschliche Freunde der ersten Folgen François und Claudine. Der Name Barbapapa leitete sich ab von dem französischen „barb-à-papa“, was sinngemäß „Bart des Vaters“ heißt und die Bezeichnung für Zuckerwatte ist. RTL zeigte fast 30 Jahre später eine Fortsetzung unter dem Titel Um die Welt mit Barbapapa.

Bärbel Schäfer

Samstag, 2. Mai 2009, 00:26

1995–2002 (RTL). Einstündiger Daily Talk mit Bärbel Schäfer.

Bärbel Schäfer war die dritte tägliche Talkshow von RTL und deutlich jünger, frecher und provokanter als Ilona Christen und Hans Meiser, mit denen sie anfangs einen dreistündigen Talkblock am Nachmittag bildete.

Auf dem Sendeplatz um 14.00 Uhr war sie die direkte Konkurrenz von Arabella und versuchte das gleiche junge Publikum anzusprechen. Anders als Arabella Kiesbauer stand Schäfer nicht zwischen den Diskutierenden, sondern im Publikum, und viel häufiger als Kiesbauer diskutierte sie nicht den Lebensstil ihrer Gäste, sondern die konkreten Abgründe in den Beziehungen zwischen ihnen. Diese Art der Konfrontation, die später auch die meisten Sendungen von Birte Karalus oder Andreas Türck kennzeichnete, wurde von Schäfer zuerst etabliert. Anstatt nur ihre unterschiedlichen Meinungen zu einem Thema zu diskutieren, trugen hier die Betroffenen private Streitigkeiten über oft sehr intime Dinge öffentlich miteinander aus.

Die Sendung stand immer wieder in der Kritik von Jugendschützern. Eine Ausgabe im März 1999 zum Thema „Alle hänseln mich, weil ich so hässlich bin“ wurde gerügt, weil sie den Eindruck vermittelt habe, man dürfe entstellte oder nicht der ästhetischen Norm entsprechende Menschen beleidigen und beschimpfen — die Moderatorin habe Gäste, die dies taten, nicht in ihre Schranken verwiesen. Im gleichen Jahr hatte Schäfer unter dem Motto „Meine Mutter verbietet mir die Pille“ ein elfjähriges Mädchen zu Gast. Das größte Aufsehen löste die Sendung vom 28. Januar 2000 zum Thema „Bärbel, für Geld würde ich alles tun“ aus: Die „Bild“-Zeitung hatte vorab berichtet, dass darin ein Gast für eine Million DM Sex mit seiner Ehefrau anbiete. Daraufhin rief u. a. die schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis zu einem Einschaltboykott auf. Tatsächlich war diese Sendung vergleichsweise harmlos: Der Mann, ein verschuldeter 29-jähriger Frührentner, erzählte nur, dass er und seine Frau nach dem Ansehen des Films „Ein unmoralisches Angebot“ den Gedanken theoretisch verlockend fanden.

Die Show startete und behauptete sich erfolgreich auf ihrem 14-Uhr-Termin, wurde 1998 auf 13.00 Uhr vorverlegt, um den Platz für die neue Talkshow Birte Karalus freizumachen. 1999 tauschte RTL Schäfers Sendeplatz mit dem von Ilona Christen, so dass Schäfer fortan um 15.00 Uhr talkte. Ab Herbst 2000 kehrte sie auf ihren ursprünglichen Platz um 14.00 Uhr zurück. Zu Big-Brother-Zeiten war Bärbel Schäfer die „offizielle RTL-Talkshow zum TV-Kult“ und begleitete regelmäßig das Treiben im Container. Nach genau sieben Jahren und mit mittlerweile deutlich gesunkenen Einschaltquoten beendete Schäfer die Show angeblich auf eigenen Wunsch.

Baretta

Donnerstag, 4. September 2008, 16:54

1989–1990 (RTL). 82-tlg. US-Krimiserie von Stephen J. Cannell („Baretta“; 1975–1978).

Der Polizist Tony Baretta (Robert Blake) ist ein Einzelgänger, dessen unkonventionelle Methoden seinen Chefs, erst Inspector Shiller (Dana Elcar) und nach kurzer Zeit Lieutenant Hal Brubaker (Edward Grover), ein Dorn im Auge sind. Sein Standard-Outfit aus Jeans, T-Shirt und Mütze legt Baretta nur ab, wenn er undercover ermittelt und sich tarnen muss. Er lebt mit seinem Kakadu Fred in einem heruntergekommenen Hotel, das der Ex-Polizist Billy Truman (Tom Ewell) leitet. Seine Informanten Rooster (Michael D. Roberts) und Fats (Chino Williams) versorgen Baretta mit Tipps.

Baretta war Nachfolger der ähnlich angelegten Serie Toma, deren Hauptdarsteller nach nur einer Staffel überraschend ausgestiegen war. Die 45-minütigen Folgen liefen werktags am Vorabend.

Robert Blakes Frau Sondra spielte gelegentlich in Gastrollen mit. Nach langer Zeit ohne Medienpräsenz geriet Blake ab 2001 wieder vermehrt in die Schlagzeilen. Er wurde des Mordes an seiner zweiten Frau Bonnie bezichtigt. Im Frühjahr 2005 wurde er nach einem langen Gerichtsprozess für unschuldig befunden und freigesprochen.

Barilla Comedy-Küche

Mittwoch, 20. August 2008, 16:24

2000 (Sat.1). 15-minütige Comedy-Kochshow mit Markus Maria Profitlich und Thomas Hackenberg, die zugleich eine Werbesendung für Barilla-Nudeln war.

Die 13 Ausgaben liefen jeweils sonntags um 18.45 Uhr.

Bastian Pastewka: Keine Sendung für Marcel Reich-Ranicki!

Sonntag, 12. Oktober 2008, 17:56

Ein Kommentar von Bastian Pastewka über den Eklat, den Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki bei der Verleihung des Fernsehpreises auslöste, als er die Annahme des Ehrenpreises ablehnte (wir berichteten).

Marcel Reich-Ranicki hat unrecht. Er hat sich offenbar in einem Anfall von Überforderung zu etwas hinreißen lassen, das ihm selbst schon nach wenigen Minuten aus der Hand glitt. Ich glaube, das Publikum hätte ihn gefeiert, wenn er den Preis nur zögerlich angenommen und den bisherigen Abend mit spitzer Zunge kommentiert hätte. Denn uninspirierte und flache Momente gab es wirklich genug. Das tat Reich-Ranicki jedoch nicht, und deshalb blieb sein Auftritt in erster Linie eines: rätselhaft.

Im Gegensatz zu den Verleihungen des Deutschen Fernsehpreises in den Vorjahren hatte man sich diesmal entschieden, die Zahl der Entertainer unter den Laudatoren deutlich zu reduzieren. Allein Atze Schröder, Ingolf Lück, Ralf Schmitz und das Schweizer Duo „Ohne Rolf“ liefen auf und machten ihre Sache allesamt bestens. Das war es aber auch. Was man sich für die meisten übrigen Kollegen ausgedacht hatte (die aus anderen Fachbereichen kamen, aber mit einem Mal so lässig und witzig sein sollten wie die Entertainer im Saal), führte — wie so oft — zu ratlosen Gesichtern.

Ausdrücklich von der Kritik auszunehmen ist Thomas Gottschalk, der den Abend perfekt meisterte und speziell nach dem Schock durch Marcel Reich-Ranicki zur Höchstform auflief. Man darf nicht vergessen: Um den 88-jährigen Kritiker zu schonen, wurde die Verleihung des Ehrenpreises spontan vorgezogen und ins letzte Drittel des Ablaufs gelegt. Dies geschah offenbar, da Reich-Ranicki sich ausbedungen hatte, nicht bis zum Ende bleiben zu müssen. Also musste Gottschalk noch 40 Minuten rudern, als der Eklat bereits perfekt war — und das tat er erstklassig.

Und ja, auch wenn sich manche Laudatio zog wie Kaugummi: Es ist falsch, den Abend mit dem Wort „Blödsinn“ abzustempeln. Was müssen die anwesenden Nominierten (und kurz zuvor ausgezeichneten) Reporter aus Krisengebieten gedacht haben, die ihr Leben einsetzen, um über Unrecht in China, Pakistan oder unserem Land zu berichten? Was müssen die anwesenden Fernsehfilm-Autoren, Nachrichten-Mitarbeiter, Cutter oder auch nur die zwei sympathischen älteren Herren von Eurosport gedacht haben, die nicht permanent vor der Kamera stehen, sondern sich seit Jahren teilweise im Stillen engagieren, als Reich-Ranicki sagte: „Ich finde schlimm, was wir uns über Stunden hier ansehen mussten!“. Er hat eben nicht ausgesprochen, was ein Teil der Betrachter im Verlauf der Show mehrfach dachte; da war der letztjährige Ehrenpreisträger Götz George mit seiner Bemerkung „Kinder, wir müssen zum Ende kommen!“ deutlich näher an der Wahrheit.

Genau das, und nur das, macht Reich-Ranickis Auftritt zu einem traurigen Höhepunkt in seinem Schaffen. Es ist bedauerlich, dass ein Großteil von Branche und Publikum ihm beipflichten werden, nachdem sie heute Abend die über weite Strecken spannungsarme Show im ZDF verfolgt haben. Und noch bedauerlicher ist es, dass die Stifter-Sender offenbar aus Sorge um den eigenen Ruf erwägen, diese Fehlleistung mit einer weiteren TV-Sendung für Marcel Reich-Ranicki wettzumachen.

Nachtrag:

Reich-Ranicki hat inzwischen gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ erklärt:

Ich sage ja nicht, dass alles schlecht war, was da ausgezeichnet wurde, überhaupt nicht. Aber auch die guten, vielleicht sogar sehr guten Produktionen, die einen Preis erhielten, wurden auf eine Art und Weise präsentiert, die ihre Qualität überhaupt nicht erkennen ließen. Ein Beispiel: Eric Fiedler bekam einen Preis für seine Dokumentation „Das Schweigen der Quandts“. Das soll ein guter, sehr beachtlicher Film sein. Aber man sah nur einen ganz kurzen Ausschnitt, der überhaupt nichts von dieser Qualität sichtbar machte. So ging es den ganzen Abend, und zwischendurch immer wieder Köche, nichts als Köche. Es war schrecklich.

Dem stimme ich natürlich zu. Aber sein erster Satz „Ich sage nicht, dass alles schlecht war“ fiel eben erst hinterher. Ich beziehe mich nur auf die Verleihung an sich, nicht auf nachträgliche Kommentare Reich-Ranickis! Denn die „Köche, nichts als Köche“ meine ich natürlich auch mit meiner Kritik!

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