Tolstois R’ Us
„Es ist so einsam im Sattel, seit das Pferd tot ist.“ „Hundewiese“. „Boogaloo On Second Avenue“. Drei gute Bücher, die noch nie verfilmt wurden. Krieg und Frieden dagegen wurde vermutlich schon öfter verfilmt als gelesen, denn ernsthaft: 1645 Seiten? Wer liest die?
Trotzdem glaubten das ZDF und seine europäischen Partner, es sei mal wieder an der Zeit. Ist ja auch spannend zu sehen, wie die Kleidung des frühen 19. Jahrhunderts im frühen 21. Jahrhundert aussieht. Wie sie im mittleren und späten 20. Jahrhundert aussieht, haben wir ja schon gesehen.
Die vierteilige Coverversion beginnt mit einem schier endlosen Vorspann, ohne den die Geschichte wahrscheinlich in zwei Teilen zu erzählen gewesen wäre. Der Vorspann verrät uns auch schon, was den bisherigen Verfilmungen fehlte: Hannelore Elsner. Damit dürfte eine Vergabe des Deutschen Fernsehpreises in der Kategorie „Hannelore Elsner“ für dieses Jahr gewährleistet sein.
Das Folgende ist nicht so langatmig wie der Vorspann, aber schlicht nicht mein Genre. Ich enthalte mich deshalb einer Beurteilung und belasse es beim Sendehinweis.
Krieg und Frieden, sonntags und mittwochs um 20.15 Uhr im ZDF.
Tom & Jerry
1976–1987 (ZDF). 65-tlg. US-Zeichentrickserie von William Hanna und Joseph Barbera („Tom & Jerry“; 1940–1967).
Was sich liebt, das neckt sich, und obwohl der vom Pech verfolgte Kater Tom die schlaue Maus Jerry oft genug jagt, wobei der vermeintlich stärkere Kater Tom immer den Kürzeren zieht, sind die beiden eigentlich gute Freunde. Sie leben gemeinsam im Haus mit Frauchen, von der man meist nur die Beine sieht, und Jerry hat als Rückzugsmöglichkeit sein wohnliches Mauseloch in der Wand, in das Tom nicht hineinkommt. Frauchen spielen die beiden Frieden vor, ist sie weg, gehen die turbulenten Verfolgungen quer durch das ganze Haus, manchmal auch in den Garten, in nahe gelegene Fabriken oder gar ins Ausland oder All. Die kleine Maus Nibbles ist auf Jerrys Seite, Tom kommt ferner der bullige Hund Spike in die Quere.
In den ursprünglichen Cartoons, die von 1940 bis 1957 fürs Kino produziert wurden, war von Freundschaft noch keine Spur. Über viele Jahre entstanden witzige und manchmal brutale Kurzfilme, in denen natürlich nie jemand zu Schaden kam (denn wie in den meisten Verfolgungscartoons konnte auch hier der Jäger, also Tom, noch so oft von Gegenständen erschlagen werden, platzen oder das Fell abgezogen bekommen, kurz darauf war immer wieder alles in Ordnung). Später wurden harmlose und weit unwitzigere Episoden über zwei Freunde gedreht, die ins Kinderprogramm passen sollten.
25-minütige Folgen mit jeweils mehreren kurzen Geschichten liefen meist dienstags am Vorabend. Wenn abends mal ein Spielfilm zu kurz war, zeigte das ZDF ab Juni 1983 auch gelegentlich einzelne Cartoons zur Primetime unter dem Titel Jagdszenen in Hollywood. Anschließende Nachrichten oder Magazine hatten eine feste Startzeit, und bis die erreicht war, wurden zwischen 10 und 20 Minuten auf diese Weise überbrückt. Das war zunächst im Anschluss an die Krimireihe Gefährliche Erbschaft bis zum heute-journal um 22.00 Uhr der Fall, 1984 auch nach anderen Filmen. Einige schon gezeigte Cartoons tauchten später als Bestandteil anderer Zusammenschnitte oder einzeln wieder im Programm auf.
Siegfried Rabe war für die deutschen Texte verantwortlich. Er war auch Co-Autor von „Vielen Dank für die Blumen“ von Udo Jürgens, das ab 1981 für die Vorabendfolgen als Titellied verwendet wurde. Es enthielt die Zeilen: „Manchmal spielt das Leben mit dir gern Katz und Maus / immer wird’s das geben, einer der trickst dich aus.“ In den früheren Folgen, in denen jeweils mehrere kurze Episoden gezeigt wurden, wurde als Trenner zwischen den Katze-Maus-Geschichten eine Szene verwendet, in der ein klappriges Skelett und ein schreckhaftes Gespenst miteinander tanzten.
Tom Sawyers und Huckleberry Finns Abenteuer
1968 (ZDF). 4-tlg. dt.-frz. Abenteuerfilm von Walter Ulbrich nach dem Roman von Mark Twain, Regie: Wolfgang Liebeneiner.
Die Jungen Tom Sawyer (Roland Demongeot) und Huckleberry Finn (Marc di Napoli) sind beste Freunde. Tom lebt zusammen mit seinem Bruder Sid (Robert Hecker) bei seiner Tante Polly (Lina Carstens). Huck lebt in einem Fass, sein Vater (Marcel Peres) ist ein Säufer. Gemeinsam erleben Tom und Huck viele Abenteuer. Sie befreien den unschuldig einsitzenden Muff Potter (Otto Ambros) aus dem Gefängnis und entlarven Indianer-Joe (Jacques Bilodeau) als Mörder. Sie finden den Schatz von Indianer-Joe und werden reich. Tom ist in Becky Thatcher (Lucia Ocrain) verliebt, die Tochter des Richters (Roland Armontel). Huck wird von der Witwe Douglas (Marcela Russu) adoptiert und zieht bei ihr ein. Er flüchtet jedoch gemeinsam mit ihrem Sklaven Jim (Serge Nubret), den er unterwegs kennen lernt, auf einem Floß. Dadurch trennen sich die Wege von Huck und Tom.
Ernst Fritz Fürbringer fungierte in allen vier Teilen als Erzähler. Die spielfilmlangen Folgen liefen – jeweils sonntags um 20.00 Uhr – mit so großem Erfolg, dass sie nur ein Jahr später wegen der hohen Nachfrage bereits wiederholt wurden, was damals ungewöhnlich war.
Toma
1977 (ARD). 13-tlg. US-Krimiserie von Gerald Di Pego und Edward Hume („Toma“; 1973–1974).
David Toma (Tony Musante) arbeitet als verdeckter Ermittler für die Polizei von Newark, New Jersey. Er ist Einzelgänger und schleicht sich auf eigene Faust in den unterschiedlichsten Tarnungen überall unbemerkt ein. Seiner Frau Patty (Susan Strasberg) und den Kindern Jimmy (Sean Manning) und Donna (Michelle Livingston) passen die gefährlichen Alleingänge wenig, seinem Chef, Inspector Spooner (Simon Oakland), ebenso, doch letztlich ist Toma immer erfolgreich.
Den Polizisten David Toma gab es wirklich, auf seinen Erlebnissen basierte die Serie. Er selbst spielte einige Male in einer Gastrolle mit – natürlich gut getarnt.
Die ARD zeigte nur 13 der eigentlich 21 Folgen. Nach nur einer Staffel stieg Tony Musante überraschend aus, und der US-Sender ABC musste sich einen neuen Hauptdarsteller suchen. Er entschied sich für Robert Blake und nannte die Serie Baretta. Diese lief später bei RTL.
Ton Schweine Scherben
Puh, hier wird aber keine Zeit verschwendet. Family-Showdown-Moderator Wigald Boning ist ungefähr zwanzig Sekunden auf der Bühne, da läuft schon das erste Spiel. Mehrere Mitglieder aus zwei Familien rennen hektisch auf einem Laufband und lösen simple Matheaufgaben.Wie gehen eigentlich die Regeln? Aber wir haben es nun einmal eilig, gleich kommt ja schon Werbung. Wie, schon Werbung? Wie gehen eigentlich die Regeln?
Es stellt sich heraus, dass die Sorge um die Regeln der neuen Sat.1-Show Family Showdown unbegründet ist. Sie gehen wie in jeder 80er-Jahre-Spielshow: Familien treten in Aktions- und Geschicklichkeitsspielen gegeneinander an, wer besser ist, gewinnt das Spiel, und am Ende kommt eine Familie ins Finale und spielt um den Hauptpreis. Als die Show nach knapp 90 Minuten an diesem Punkt angelangt ist, wäre Frank Elstner gerade damit fertig gewesen, die Regeln zu erklären.
Die Show ist wenig originell, tut aber auch gar nicht so. Wigald Bonings Moderation ist eine Reise durch die Fernsehgeschichte. Wenn sich eine Familie ein Glücksschwein aussuchen muss, das es zu zertrümmern gilt, weil darin Geld versteckt ist, fragt er wie Robert Lembke: „Welches Schweinderl hätten’S denn gern?“, bevor es zertrümmert wird sagt er: „Hartmut, den Hammer!“ und klingt wie Vico Torriani, als er sagte: „Bruno, den Bolzen!“, und am Ende lässt er sich wie Hans-Joachim Kulenkampff den Mantel bringen. Manchmal hält sich Boning im Gespräch mit den Kandidaten („Dein Hobby ist Lesen…“) oder bei ausformulierten Anmoderationen der Spiele so sehr zurück (oder wurde im Schneideraum deart gestutzt), dass die Show genausogut wie jede andere auch von Kai Pflaume hätte moderiert werden können, doch oft lockern seine Sprüche und Wortwitze die Show auf („Wenn Sie auch mal mitmachen wollen, vermehren Sie sich fleißig!“). Es ist ein positiver Trend, dass Spielshows wieder zunehmend mit witzigen Entertainern als Gastgeber besetzt werden und weniger mit monotonen Moderationsrobotern.
Dass die Show nicht sonderlich originell ist, heißt nicht, dass sie langweilig ist. Spielshows dieser Art hat es schon immer gegeben und wird es wohl immer geben.
Die klassische Samstagabendshow nach diesem Muster mag tot sein, aber heute ist schließlich Freitag. Und wer sieht nicht gern Glas in Zeitlupe zerspringen? Bemerkenswert, was an diesem Abend alles zerstört wird. In einer Runde werden Vasen abgeschossen, in der nächsten Gläserpyramiden zum Einsturz gebracht und nach jeder Runde Tonschweine zertrümmert. Ein Polterabend für die ganze Familie.
Eine Unklarheit zu den Spielregeln bleibt jedoch nach dieser Premiere bestehen: Es hat den Eindruck, als seien die ersten vier Spiele am Ende völlig egal und als komme in jedem Fall die Familie ins Finale, die das fünfte Spiel gewinnt. Wäre merkwürdig. Vielleicht irre ich mich aber auch. Wo ist Frank Elstner, wenn man ihn braucht?
Top Cut
Ab 15. März 2009 (Vox). Frisörwettstreit mit der wunderbaren Vox-Eigenbeschreibung: „Wer hier am besten abschneidet, wird Deutschlands Star-Friseur“.
Offenbar will Vox beweisen, dass man aus wirklich jedem Beruf Unterhaltungsfernsehen machen kann und lässt zehn Frisöre acht Wochen lang um die Wette Haare schneiden. Natürlich unter erschwerten Bedingungen, zum Beispiel mit verbundenen Augen oder nur mit einem Teppichmesser ausgerüstet. Die Starfrisöre Carine Bartholomé und Santino Primavera sowie ein wechselnder Gastjuror bewerten die Teilnehmer, und jede Woche fliegt der schlechteste raus. Im Gegensatz zu Deutschland sucht den Superstar, wo nicht einmal der Sieger ein Superstar wird, sind hier sämtliche Teilnehmer schon vorher Frisöre, doch für den Finalsieger geht ein Traum in Erfüllung, und er darf vielleicht einmal im Leben Sandy Meyer-Wölden die Spitzen schneiden. Ach ja, und er erhält eine Salonausstattung im Wert von 120.000 Euro.
Die einstündige Show läuft sonntags um 19.15 Uhr.
Top Dog – Deutschland sucht den Superhund
2006–2007 (Vox). Casting-Show für Hunde nach dem groben Schema von Deutschland sucht den Superstar. Aus bundesweiten Castings gingen 12 Finalisten hervor, die dann ihr Können in Kunstückchen zeigen müssen. Eine Jury, zu der u.a. Diana Eichhorn gehört, bewertet. Jede Woche fliegt ein Hund raus, und am Ende gewinnt ein Superhund 10.000 Euro, die er nach Herzenslust verprassen kann.
Da Hunde bei der Ermittlung von Einschaltquoten nicht eingerechnet werden, fanden sich nicht genügend Zuschauer für diese Show, die zu einem der wenigen Flops des Senders Vox im sonst enorm erfolgreichen Jahr 2006 wurde und die erste Sendung seit Ewigkeiten, die vorzeitig ihren Sendeplatz räumen musste. Das war schade, weil viele Hunde sogar schönere Laute von sich gaben als manche Kandidaten bei Deutschland sucht den Superstar. Nach einem Monat im Dienstagabendprogramm wurde der Wettbewerb noch acht Wochen am Sonntagnachmittag ausgetragen.
Top Of The Pops
1998–2006 (RTL). Einstündige Popmusikshow mit Auftritten der Stars aus den aktuellen Charts mit ihren Hits und einem leider nur fast von kreischenden Teenies übertönten Ansager.
Adaption der gleichnamigen englischen BBC-Show, der „erfolgreichsten Musiksendung der Welt“, die in Deutschland samstags um 17.45 Uhr weit weniger erfolgreich war, aber ein besonders junges Publikum erreichte. Anfangs wurde die Show zeitweise montags um 19.00 Uhr bei RTL 2 wiederholt. Erste Ansagerin war Jenny Elvers. Mit ihr war an Ostern zunächst eine einzelne Pilotfolge gezeigt worden, bevor die Show im September in Serie ging.
Mangels Quote und Talent wurde Elvers bereits im Dezember gegen Holger Speckhahn ausgetauscht, und immerhin, die Quoten erholten sich ein wenig. Mit Elvers bzw. Speckhahn führte jeweils ein „prominenter“ Co-Moderator durch die Sendung. Im Oktober 1999 verließ Speckhahn die Sendung und wurde zunächst nicht ersetzt. Wechselnde Prominente moderierten fortan jeweils zu zweit. Im März 2000 wurde Oliver Geissen neuer ständiger Moderator, aber nur für ein halbes Jahr. Dann übernahm Geissen den samstäglichen Big Brother-Talk und Ole Tillmann (ab September) die Ansagen bei Top of the Pops, weiterhin mit Co-Moderator, und blieb jahrelang. Ab Januar 2006 wechselte er sich Susan Sideropoulos ab.
Was samstags im Fernsehen gezeigt wurde, war eine große Illusion. Dass die Sendung gar nicht live sein konnte, merkte man schon daran, dass die Ansagen ausländischer Co-Moderatoren untertitelt wurden. Das Produkt hatte mehr von einem Puzzle als von einer wirklichen Fernsehshow und entstand wie folgt: Donnerstags wurden in einem Studio bei Köln zunächst alle Ansagen für die gesamte Sendung hintereinander aufgezeichnet, notfalls mehrmals, bis sie endlich fehlerfrei im Kasten waren. Das dauerte schon mehr als eine Stunde. Die Kinder kreischten also während der Ansagen nicht, weil die Stars bereits im Hintergrund auf der Bühne standen, sondern weil der Regisseur es verlangte.
Dann traten ein paar der Bands auf, die in der Sendung zu Gast waren, aber wirklich nur ein paar. Die meisten Auftritte internationaler Stars wurden schlicht aus der englischen Version in die deutsche Fassung hineingeschnitten, die Bühnendekos waren annähernd identisch. Die Künstler, die tatsächlich in Deutschland auftraten, spielten ihr Lied dafür in der Regel gleich mehrfach, immer in anderer Kleidung. Da die Musikauswahl sich an den Verkaufscharts orientierte, diese sich aber nicht jede Woche massiv veränderten, wurden die gleichen Hits immer wieder gespielt, und weil die Popstars so oft dann auch nicht kommen wollten, wurden eben alle bevorstehenden Auftritte bei einer Gelegenheit aufgezeichnet. Im Idealfall sangen sie sogar einen zweiten Song, den noch niemand kannte, der jedoch bald erscheinen und ganz sicher in die Charts einsteigen würde. Vielleicht war es diese Zuversicht, auch in mehreren Wochen noch immer auf Sendung zu sein, die das deutsche Top of the Pops – trotz maximal durchschnittlicher Marktanteile – fast ein Jahrzehnt am Leben erhielt.
Als die Sendung im April 2006 schließlich doch abgesetzt wurde, war das keine große Nachricht. Dass die BBC nur drei Monate später auch das Original nach 42 Jahren einstellte, schockierte die Medienwelt deutlich mehr.
Top, der Thommy geht
Wenn der Unfall bei Wetten, dass…? im Dezember nicht passiert wäre, und Thomas Gottschalk hätte trotzdem in absehbarer Zeit seinen Abschied angekündigt, wäre dies in der öffentlichen Medienjournalistenwahrnehmung als logische Folge der kontinuierlich bröckelnden Einschaltquoten der vergangenen Jahre ausgelegt worden, als überfälligen Schritt zur Erneuerung der Sendung, und Gottschalk wäre abgetreten wie ein Boxer, der nach einer von Siegen geprägten Karriere ausgerechnet den letzten Kampf als Verlierer beendet.
Das hätte er nicht verdient gehabt.
Auch ich schlage seit Jahren auf Gottschalk ein, und es hat sich nichts geändert an meiner Auffassung, dass er seit langer Zeit ein schlechter Interviewer ist, der endlose Entweder-oder-Fragen stellt und seine Gesprächspartner dann nicht einmal zu Wort kommen lässt, ein schlechter Gastgeber, der die Gäste durch seine Unkenntnis ihrer Arbeit beleidigt, ein Heuchler, der permanent über das Niveau der Ekel-Privatsender, über Realityshows und über diese furchtbare neumodische Musik lästert, sich dann aber selbst mit Ekelwetten, in denen Kandidaten Tierkacke am Geruch erkennen müssen, auf dieses Niveau herablässt, Protagonist einer Realityshow wird und diese furchtbaren neumodischen Musiker in seine Sendungen einlädt. Wenn Gottschalk Interviews gibt, sind diese oft von einer unglaublichen Arroganz geprägt, wie man sie sonst nur vom FC Bayern München kennt, weil er jederzeit erkennen lässt, dass er sich selbst und seine Sendung für die Allergrößten hält.
Der Punkt ist nur: Es stimmt ja. Sie sind ja tatsächlich die Allergrößten. Alle sind auf ihrem Gebiet die unangefochtene Nummer 1. Zwischendurch mag es immer mal wieder ein Borussia Dortmund oder ein Supertalent geben, das sie kurzfristig von der Spitze verdrängt, aber auf lange Sicht bleiben immer die Bayern und Gottschalk mit Wetten, dass…? konkurrenzlos an der Spitze.
Dass die Quoten des Showdinos in den vergangenen Jahren rückläufig waren, lag nicht an ihm oder am altbekannten Konzept. Die Konkurrenz durch immer mehr Kanäle, immer aggressivere Mitbewerber und immer günstigere DVDs sorgt von selbst für eine Verteilung der vorhandenen Zuschauermasse auf immer mehr Anbieter; dass da jeder Einzelne Abstriche machen muss, ist nicht zu vermeiden. Im Gegenteil: An Gottschalk und am Konzept der Sendung liegt es, dass die Quoten überhaupt noch so hoch sind, dass bisher niemand sonst dauerhaft mithalten konnte. Sendung und Moderator sind eine Tradition wie die Tagesschau, die ja auch niemand anschaut, weil die Nachrichten dort so besonders gut aufbereitet werden, sondern schlicht weil sie da ist und schon immer da war. Wetten, dass…? ist eine gelernte Tradition, die man sah, weil sie so war, wie sie war. Das haben leider das ZDF und Gottschalk nie verstanden und deshalb in den vergangenen Jahren immer wieder panisch Änderungen am Konzept, der Gästeauswahl und dem Niveau der Wetten vorgenommen, die den Abwärtstrend eher beschleunigten als ihn aufzuhalten.
Womöglich hätte das ZDF irgendwann auch noch panisch den Moderator gegen einen Jüngeren austauschen wollen. Auch das hätte Gottschalk nicht verdient gehabt.
Was immer man von ihm hält: Gottschalk ist ein verdienter Fernsehmacher. In den 80ern war er ein junger Trendsetter auf der Höhe seiner Zeit und die einzige logische und zwangsläufige Wahl für die Nachfolge von Frank Elstner bei Wetten, dass…?. In den 90ern war er das Maß aller Dinge. In den Nullern wandelte er sich vom Berufsjugendlichen zum Früher-war-alles-besser-Opa, war aber der letzte große Entertainer für die ganze Familie und seine Sendung die einzige der alten Garde von Traditionssendungen, von der bisher weder der Moderator noch die Zuschauer die Nase voll hatten. Und in den 10er-Jahren ist er immer noch auf Sendung, weil jemandem wie Gottschalk niemand vorzuschreiben hat, wann er aufhören soll. Wer seinem Sender so viel genutzt hat wie Gottschalk, hat einzig und allein selbst zu entscheiden, wann er aufhören will. Alles andere hätte er nicht verdient.
Er hatte es auch nicht verdient, dass nach seiner vom Saalpublikum sehr bedauerten Abschiedsankündigung gestern Abend die blonde Assistentin, die gerade erst neu zur Sendung hinzugekommen ist, fast ebensoviel Redezeit für sich beanspruchte wie er, als wäre sie ein ähnlich relevanter Bestandteil der Show.
Das ZDF hat jetzt die Chance, jemanden für die Moderation der Sendung zu gewinnen, der ihren Status als Europas größter Fernsehshow und als Unterhaltung für die ganze Familie erhalten kann. Jemand, der nicht nur in einer Zielgruppe populär ist, sondern in allen. Jemand, der ebenso ein großes Gesamtpublikum mit seinen Filmen im ZDF erreichen kann wie ein großes junges Zielgruppenpublikum mit seiner Personalityshow bei RTL. Jemand, der mit 46 jung genug ist, um die Show noch lange machen zu können, aber schon lange genug im Geschäft, um auch von den ältesten ZDF-Zuschauern akzeptiert zu werden. Jemand, der witzig und schlagfertig ist und mit Prominenten ebenso charmant umgehen kann wie mit Normalo-Kandidaten. Jemand, der wie damals Gottschalk heute die einzige logische Wahl für die Nachfolge ist. Jemand namens Hape Kerkeling.
Natürlich könnte das ZDF auch dem einzigen anderen bekannten Entertainer ein Angebot machen, der derzeit ein großes Publikum für eine große Samstagabendshow erreicht, aber Stefan Raab wird klug genug sein zu wissen, dass die beiden nicht zueinander passen würden.
Oder das ZDF wählt den bequemen Weg und gibt die Sendung einfach an den hauseigenen Jörg Pilawa, der sie genauso routiniert und egal wie jede andere seiner Shows wegmoderieren wird und macht damit aus der Samstagabendshow schlicht irgendeine Samstagabendshow.
Töpfe, Titten und Talente*
*RTLII-Gedenkstabreim.
Das neue Nachmittagsprogramm des Kochsenders Woks schließt gleich mehrere Lücken. Zum einen die Kochlücke zwischen Mittag und Vorabend, die nun mit dem essenden Running Gag Reiner Calmund und seinen fünf Tellern überbrückt wird. Calmund ist die Ein-Mann-Jury im uninspirierten Promi-Kochduell, bei dem fünf als prominent deklarierte Menschen 20 Minuten lang etwas kochen müssen, das den alleinigen Zweck zu erfüllen hat, dass es Calmund schmeckt.
Und dann gab es ja auch noch das massive Problem, dass zwischen dem Ende von Punkt 12 um 14 Uhr und dem Anfang von Explosiv um 18 Uhr stundenlang keine einzige Sendung ausführlich über Das Supertalent informierte. Auch diese Misere ist jetzt passé, denn das Magazin Prominent! kommt jetzt täglich und kann auch dieses Loch stopfen. Mehr Worte muss man zu der ideenlosen neuen Woks-Stunde von 15 bis 16 Uhr auch schon nicht mehr verlieren.
Ab 16 Uhr gibt es ein paar Lichtblicke. Die neue Plaudersendung Frauenzimmer mit vier Moderatorinnen ist etwas, das es so in der letzten Zeit nicht im Fernsehen gab. Yasmina Filali (34), Birgit Ehrenberg (47), Maite Kelly (29) und Bettina Böttinger(53) bildeten das Premierenquartett, und sofort wurde klar: Dies ist die einzige Sendung im deutschen Fernsehen, bei der das Alter der Moderatorinnen eingeblendet wird. Ich habe nicht den geringsten Schimmer, welchen Zweck das haben soll, aber ich würde das gern mal im Presseclub sehen.
Über weite Strecken der ersten Hälfte wirkte Frauenzimmer zwar wie eine Mischung aus Blond am Freitag und Sieben Tage – sieben Köpfe, und nichts ist unnatürlicher als vorbereitete Pointen in einem vermeintlich spontanen Gespräch. Zudem ist die Sendung auch noch frauenfeindlich, wenn die Moderatorinnen ihr Interesse an Politik darauf reduzieren, wie sexy die Minister sind und wie groß der Busen von Angela Merkel ist.
Abseits der Klischees blieben aber positive Eindrücke. Es wurde zum Beispiel nicht gekocht. Die Sendung wird frisch am Sendetag produziert, die Themen, über die sich die vier Frauen austauschen, sind also aktuell. Wenigstens das, wenn schon nicht interessant. Und ausgerechnet, als auch hier noch ein Ausschnitt aus dem Supertalent gezeigt wurde, begannen die ehrlichen Momente: Die Frauen kritisierten die Sendung für den Auftritt einer Vierjährigen und gerieten in eine Diskussion über zu ehrgeizige Eltern.
Der Tratsch über die Themen von Prinz Harry über Übergewicht bis zu Heiratsanträgen, die die Frauen vermeintlich bewegten, nahm mehr als die Hälfte der Sendung ein. Dann erst kam der Gast. Das ist grundsätzlich eine gute Idee, denn in den meisten Sendungen haben die prominenten Gäste ohnehin nichts zu sagen und werden nur eingeladen, damit sie da sind. Premierengast Ross Antony mit seiner offenen und ehrlichen Art erwies sich allerdings als Glücksfall, wie ihn jede Talkshow öfter mal gebrauchen könnte. „Du bist schon 53?“ fragte er Bettina Böttinger, nachdem er hinter der Bühne die Einblendungen im Fernsehen gelesen hatte. Und schon fast entschuldigend sagte er irgendwann: „Eine Geschichte muss ich aber noch erzählen…“ Das ist großartig, weil deutsche Talkgäste sonst oft mit der „Frag mich was“-Forderungshaltung in eine Talkshow gehen, statt sich vorher eine unterhaltsame Anekdote zu überlegen, mit der sie das Publikum erfreuen könnten.
Wenn es also schon wenige Gründe gibt, sich das neue Woks-Nachmittagsprogramm anzusehen, so kann es wenigstens als Lehrbeispiel für künftige Talkgäste dienen, und als Informationsquelle für Boulevardzeitungen, damit sie endlich mal das richtige Alter von Prominenten in ihre Klammern schreiben.