Tacheles
1996 (ZDF). Diskussionssendung mit Johannes Gross.
Mit jeweils fünf Gästen aus Politik und Gesellschaft sprach der frühere Herausgeber der Zeitschrift „Capital“ im Foyer der Städtischen Bühnen in Frankfurt am Main über aktuelle Themen – aber nicht lange, weil sich der Moderator schon bei seinen eigenen Fragen langweilte, wie ein Kritiker schrieb. Aus der Sommerpause tauchte die Talkshow, die die Nachfolge von Live antrat, nicht mehr auf: Sie hatte weder nach Zuschauerzahlen noch nach Relevanz die Erwartungen erfüllt. Nur eine von sieben Ausgaben erreichte die geforderte Quote von zwei Millionen Zuschauern.
Die Sendung lief jeden zweiten Donnerstag um 22.15 Uhr.
Tadellöser & Wolff
1975 (ZDF). 2‑tlg. dt. Historienfilm nach dem autobiografischen Roman von Walter Kempowski, Regie: Eberhard Fechner.
Geschildert wird das Leben der Familie Kempowski in Rostock zur Zeit des Nationalsozialismus und während des Zweiten Weltkriegs. Margarethe (Edda Seippel) und Karl (Karl Lieffen) haben drei Kinder: Robert (Martin Semmelrogge), Ulla (Gabriele Michel) und Walter (Martin Kollewe; später: Michael Poliza), der zu Beginn der Geschichte neun Jahre alt ist. Die Familie ist deutsch-national, steht Hitler kritisch, aber offen gegenüber. Erst wird Karl, dann Robert eingezogen. Ulla heiratet den Dänen Sven Sörensen (Jesper Christensen), also einen Ausländer, was Karl nicht passt. Anfang 1945 muss auch Walter zur Hitlerjugend, kann aber auf einen Zug aufspringen, der ihn kurz vor Kriegsende zurück nach Rostock bringt.
„Tadellöser & Wolff“ war eine Redewendung von Vater Karl, die so viel bedeutete wie „gut“ oder „toll“. Das negative Gegenstück war „Miesnitzdörfer & Jenssen“. Ernst Jacobi fungierte als Erzähler und „Autor“.
Die beiden spielfilmlangen Teile wurden kurz vor dem 30. Jahrestag des Kriegsendes gezeigt. Im Folgejahr erhielt Regisseur Eberhard Fechner den Sonderpreis des Kultusministers von Nordrhein-Westfalen für das historisch genaue Bild des Nationalsozialismus. Der Zweiteiler wurde 1979 mit drei weiteren Teilen unter dem Titel Ein Kapitel für sich fortgesetzt. Er ist auf DVD erhältlich.
taff
Seit 1995 (ProSieben). Werktägliches Boulevardmagazin am Vorabend.
Moderatorin war zunächst Sabine Noethen, ab Dezember 1996 Eva Mähl und ab März 1998 Britta Sander. Im April 1999 wurde die Doppelmoderation eingeführt, an Sanders Seite trat Steven Gätjen. Im März 2001 wurde die Sendung, die mittlerweile erfolgreich um 17.00 Uhr lief, von einer halben auf eine ganze Stunde verlängert, Anna Bosch und Stefan Pinnow wurden die neuen Moderatoren. Sie blieben nicht einmal ein Jahr, dann übernahmen im Februar 2002 Dominik Bachmair und Miriam Pielhau, die sich erst 2005 wieder verabschiedeten. Jetzt kamen Stefan Gödde und Annemarie Warnkross, letztere seit 2007 gelegentlich vertreten durch Charlotte Engelhardt. Gödde tauschte Anfang 2009 mit Daniel Aminati den Platz: Aminati hatte bis dahin Galileo moderiert und wechselte nun zu taff, Gödde ging den umgekehrten Weg.
Der Name taff sollte für „täglich aktuell frisch frech“ stehen, was dem Publikum allerdings nicht erklärt wurde. Es hielt den Titel (wenn es überhaupt darüber nachdachte) deshalb wohl eher für eine eingedeutschte Version von „tough“ (hart). Im Gegensatz dazu stand der zu Beginn formulierte Anspruch, die Themen nicht so routiniert wie Explosiv & Co. zu präsentieren, sondern „mit einem kleinen Augenzwinkern“, wie der erste Redaktionsleiter Gerd Berger sagte, der vorher ZAK und stern TV gegründet hatte. Zum Erfolg wurde die Sendung aber erst, als sie der direkten Konkurrenz auswich und die ursprünglichen Sendeplätze zwischen 19.00 und 20.00 Uhr aufgab. Titelmusik war in den Anfangsjahren „The Race“ von Yello. Der Song war Jahre zuvor bereits das Thema der Hitparadenshow Formel eins und damals eigens für diese produziert worden.
Unbekümmert folgte in taff auf einen Beitrag über sexuell missbrauchte Mädchen der Bericht über die Nacktaufnahmen für den „Playboy“. Den Film über einen fünfjährigen Jungen, dem ein Mastschwein beide Hände abgefressen hat und der seitdem mit Prothesen lebt, moderierte Sabine Noethen mit den Worten ab: „Man kann ihm nur wünschen, dass er dieses Erlebnis bald vergisst.“
Unter dem Oberbegriff taff spezial zeigte Pro Sieben mehrere Reihen, die eigentlich mit der Sendung nichts zu tun hatten: Berichte über die Castingshow Popstars (2003ª2004) sowie Die Teenie-Mama und Die Aufpasser.
Tagesansicht
Die Tagesschau ist mehr als doppelt so politisch wie RTL aktuell, meldet Wunschliste heute in einer Überschrift und hat bis hierher noch Recht. Erst im detaillierten Fließtext wird die Aussage fraglich: Dort steht, dass der Anteil an politischen Informationen in der ARD-Mitteilungssendung höher sei als auf dem RTL-Servicetainmentboulevard. Und das ist der Punkt: Enthält die Tagesschau wirklich so viele Informationen? Die Einblendung von Parteienlogos ist noch keine Information. Darin wäre die Tagesschau zweifellos unangefochten.
Die Botschaft, dass irgendwer irgendeine Meinung hat, auch nicht unbedingt. Denn an vielen Tagen bestehen die „Nachrichten“ aus der Zusammenfassung von Interviewaussagen, die Politiker gemacht haben, oder aus Redeausschnitten, aufgezeichnet bei davon abgesehen unbedeutenden Veranstaltungen. Guido Westerwelle würde gern die Steuern senken. Toll. Aber stellen Sie sich vor: Kann er gar nicht! SPD-Drittreiher diskutieren über die Kanzlerkandidatur. Es steht aber gar keine Bundestagswahl an! Jemand findet, Kurt Beck hat Recht. Das ist zwar erstaunlich, aber trotzdem egal. Die Information über eine Meinungsäußerung bleibt letztlich eine Meinungsäußerung, und keine Information. Und nur mal so zum Verständnis der Bemessungsgrundlage: Gilt es eigentlich schon als Politik, wenn Angela Merkel ein Band durchschneidet, um eine Messe zu eröffnen?
Viele der so genannten politischen Informationen tragen eher zur Desinformation bei. Da macht einer, der nichts zu bestimmen hat, einen abstrusen Vorschlag, der keine Chance auf Durchsetzung hat, aber trotzdem gemeldet wird, und beim durchschnittlichen Zuschauer bleibt hängen: „Hast du gehört, was die jetzt schon wieder Bescheuertes vorhaben? Die spinnen doch alle!“ Daraus folgt eine Verdrossenheit mit der Politik, die eigentlich eine Verdrossenheit mit dem Meldewesen sein sollte.
Man muss natürlich einräumen, dass die Tagesschau der einzige Platz ist, an dem man nacheinander über die Wahlen in Paraguay, eine Festnahme in Indonesien und Oppositions-Demonstrationen in Indien unterrichtet wird, wenn man nicht den Deutschlandfunk hört, dessen Nachrichten in der Regel frei von Deutschland-Themen sind. Und es behauptet ja auch keiner, dass es bei RTL aktuell mehr Informationen gibt. Da ging es heute zum Beispiel darum, was passiert ist, als bei einem Flugzeug in Amerika der Blitz einschlug (nämlich nichts) und eine ganz allgemeine Panikmache, was alles passieren kann, wenn mal bei einem Flugzeug, in dem wir sitzen, der Blitz einschlägt (nämlich nichts). Aber es gab tolle Bilder vom Blitzeinschlag, und in der Zeit mussten sie schon kein Parteienlogo einblenden.
Man sollte schlicht den tatsächlichen Informationsgehalt der Tagesschau nicht zu hoch einschätzen. Eine Information ist es nur dann, wenn sie auch beim Konsumenten ankommt. Denn amüsieren wir uns nicht alle paar Jahre köstlich über das Umfrageergebnis, dass die Mehrheit der Zuschauer die Tagesschau gar nicht versteht (z.B. 2003 und 2007)?
Anderseits versteht auch niemand Lost, und darüber hat sich noch niemand beklagt.
Tagesschau
Seit 1952 (ARD). „Hier ist das erste deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“
Älteste Nachrichtensendung und älteste Sendung im deutschen Fernsehen überhaupt. Eine erste Testsendung der Tagesschau hatte der Nordwestdeutsche Rundfunk NWDR im Hamburg bereits am 4. Januar 1952 in seinem Versuchsprogramm unter dem Namen „Fernseh-Filmbericht“ gesendet. Damit ist die Tagesschau älter als das Fernsehen. Martin S. Svoboda hatte die Idee, aus Wochenschaumaterial eigene, fernsehtaugliche Zusammenstellungen zu schneiden. Zuvor hatte der NWDR zum einen ganze Berichte aus der Wochenschau im Programm ausgestrahlt, zum anderen Standfotos von Nachrichtenagenturen gezeigt und von Radioleuten kommentieren lassen.
Am 1. November 1952 ersetzte der Titel Tagesschau die Einblendung „Fernseh-Filmbericht“. Ab 26. Dezember 1952, einen Tag nach dem offiziellen Start des Fernsehens in der Bundesrepublik, lief die viertelstündige Sendung regelmäßig dreimal wöchentlich: montags, mittwochs und freitags, ab 1. Oktober 1956 täglich außer sonntags um 20.00 Uhr. Die erste Sonntagsausgabe wurde am 3. September 1961 ausgestrahlt. Am 3. Januar 1961 wurde erstmals zusätzlich eine Spätausgabe gesendet, nach und nach wurden weitere Kurzausgaben über den Tag verteilt ins Programm genommen.
In der Anfangszeit war zu den Wochenschauschnipseln ein unsichtbarer Sprecher zu hören, der erste war Cay Dietrich Voss. Ab 2. März 1959 gab es einen fünfminütigen Nachrichtenteil am Anfang der Sendung, den ein sichtbarer Sprecher zu Standfotos verlas. Der erste Tagesschau-Sprecher, den die Zuschauer zu sehen bekamen, war Gerd Heinz Boening, Mitte April folgte Karl-Heinz Köpcke. Er wurde „Mr. Tagesschau“ und über Jahrzehnte zu einem der bekanntesten Gesichter in ganz Deutschland. Als er 1974 mit einem Bart aus dem Urlaub zurückkehrte, erschütterte das die Republik wie wenige andere Ereignisse. 1978 protestierte er gähnend und raschelnd dagegen, dass er in den neuen Tagesthemen scheinbar zu einem Hilfsarbeiter am Katzentisch degradiert werden sollte. 1976 wurde Dagmar Berghoff die erste Frau in der Sprecherriege und prompt „Miss Tagesschau“ – allerdings war das ZDF mit seiner heute-Sendung schon fünf Jahre vorher auf die skurrile Idee gekommen, Nachrichten von einer Frau präsentieren zu lassen. Was sie sich damit einbrockten, merkten die Verantwortlichen spätestens 1999, als die damals 31-jährige Susan Stahnke sich mit erotisch gemeinten Fotos als Vamp und Blauer Engel in der Illustrierten „Gala“ präsentierte und bekanntgab, in einem Hollywoodfilm die Frau von Hermann Göring spielen zu wollen. Nach einigem öffentlichen Getöse kündigte Stahnke.
Die sichtbaren Tagesschau-Sprecher waren: Cay Dietrich Voss (1952–1962), Dieter von Sallwitz (1959–1963), Karl-Heinz Köpcke (1959–1987, ab 1964 Chefsprecher), Klaus Wunderlich (1959–1962), Marthin Thon (1959–1964), Siegmar Ruhmland (1960–1963), Werner Veigel (1961–1995, ab 1987 Chefsprecher), Wilhelm Stöck (1961–1984), Manfred Schmidt (1961–1964), Wilhelm Wieben (1966–1998), Lothar Dombrowski (1967–1974), Karl Fleischer (1968–1994), Joachim „Jo“ Brauner (1974–2004, ab 2000 Chefsprecher), Günter Wiatrek (1974–1975), Georg Hopf (1975–1985), Dagmar Berghoff (1976–1999, ab 1995 Chefsprecherin), Harry Teubner (1978–1980), Klaus Eckert (1978–1983), Elfi Marten-Brockmann (1981–1984), Daniela Witte (1985–1988), Jan Hofer (seit 1986, seit 2004 Chefsprecher), Ellen Arnhold (seit 1987), Eva Herman (seit 1988), Franz Laake (1988–1993), Robert „Bernd“ Schröder (1988), Jens Riewa (seit 1991), Susanne „Susan“ Stahnke (1992–1999), Susanne Daubner (seit 1999), Marc Bator (seit 2000), Thorsten Schröder (seit 2000), Laura Dünnwald (seit 2001), Silke Jürgensen (2002–2005), Astrid Vits (seit 2004), Michail Paweletz (seit 2004), Tarek Youzbachi (seit 2004), Judith Rakers (seit 2005) und Christine Dohnau (seit 2007).
Für einen Meilenstein in der Entwicklung der Tagesschau und der Fernsehnachrichten überhaupt sorgte das Grubenunglück von Lengede 1963. Waren sonst in der Tagesschau abends selten Berichte zu sehen, von denen man nicht morgens schon in der Zeitung hatte lesen können, übertrug die Tagesschau hier die Bilder von den Rettungsmaßnahmen live. Die Bedeutung der Sendung wuchs, sie wurde zu einem Aushängeschild der ARD und des Fernsehens. Ihre Form veränderte sie im Lauf der folgenden Jahrzehnte nur äußerst zögernd, was sich im Nachhinein als großer Vorteil herausstellte. Noch 1984 gab es nur eine Minderheit von ARD-Anstalten, die am Sendeplatz um 20.00 Uhr festhalten wollten. Weil sich die Mehrheit der Reformwilligen aber nicht zwischen einem Beginn um 18.45 Uhr und 19.30 Uhr entscheiden konnten, blieb es beim Status quo.
Noch immer richtet sich der Beginn des Hauptabendprogramms auf fast allen Sendern nach dem Ende der Tagesschau um 20.15 Uhr, weil es sich seit Jahrzehnten so eingebürgert hat. Wie sehr diese Zeit das Fernsehverhalten in Deutschland bestimmt, mussten die Privatsender erleben, als sie den Versuch unternahmen, die Primetime auf 20.00 Uhr vorzuziehen. Der kurze Versuch von RTL im Jahr 1989 scheiterte weitgehend unbemerkt, der „Nullzeit“-Versuch von Sat.1-Geschäftsführer Fred Kogel fünf Jahre später war von einer großen Werbekampagne begleitet („Volle Stunde – volles Programm“) und wurde ein Desaster.
Bis heute werden die Nachrichten in der Hauptausgabe noch vom Blatt und nicht vom Teleprompter abgelesen, der sich in allen anderen Nachrichtensendungen und nach und nach auch in den anderen Tagesschau-Ausgaben durchgesetzt hat. Trotz (oder wegen) ihrer oft starren und ritualhaften Anmutung ist die Tagesschau auch in Zeiten des Privatfernsehens die mit Abstand erfolgreichste deutsche Nachrichtensendung. Der langjährige RTL-Geschäftsführer Helmut Thoma sagte 1992 halb neidisch, halb resigniert: „Diese Sendung könnte man auch in Latein verlesen mit zwei brennenden Kerzen, und sie hätte immer noch die gleichen Ratings.“
Seit 1995 gibt es mittags und am Nachmittag auch moderierte Ausgaben der Tageschau, in denen die Nachrichten nicht von Sprechern verlesen, sondern in einem Stil ähnlich der Tagesthemen von Moderatoren präsentiert werden, die auch Interviews mit Korrespondenten oder Politikern führen. Anfangs liefen diese Sendungen nur um 15.00 und um 17.00 Uhr und heißen Tagesschau um 3 bzw. Tagesschau um 5, 1998 kam auch die Mittagsausgabe Tagesschau um 12 hinzu. Moderatoren waren Claus-Erich Boetzkes (seit 1995), Ina Bergmann (1997–2001), Susanne Holst (seit 2001) und Susanne Stichler (seit 2005). Aus der Spätausgabe der Tagesschau wurden 1978 die Tagesthemen. Später ergänzte das Nachtmagazin die Tagesschau-Familie, deren Sendungen alle von der gemeinsamen Redaktion ARD aktuell mit Sitz beim NDR in Hamburg hergestellt werden.
Zunächst begann die Tagesschau mit einer Wochenschau-ähnlichen Fanfare. Die bekannte Erkennungsmelodie war erstmals 1956 zu hören. Hans Carste und Rolf Kühn hatten sie geschrieben, wegen ihrer markanten Instrumentierung wurde sie auch „Hammond-Fantasy“ genannt. Auf ihr basierten alle späteren Versionen der Tagesschau-Kennung, die sich allerdings zunehmend vom Original entfernten. Den Anfang machte stets der 20.00-Uhr-Gongschlag, begleitet von der vertrauten Ansage. Die Existenz eines Zweiten Deutschen Fernsehens erkannte die ARD darin erst an, als dieses schon zwei Jahrzehnte auf Sendung war. Bis in die 80er-Jahre hinein hatte der Satz gelautet: „Hier ist das deutsche Fernsehen mit der Tagesschau.“
Eine der bemerkenswertesten Sendungen war die vom 9. November 1987 mit Werner Veigel, bei der fast alles schief ging. Veigel sagte falsche Beiträge an, eine abwinkende Hand kam von der Seite ins Bild, eine Kamerafahrt über die Abgeordneten während eines Berichts aus dem Bundestag zeigte geistesabwesende und sogar schlafende Parlamentarier, und schließlich fiel Veigel während einer Meldung das Gebiss aus dem Mund.
Am 25. Juli 1988 kam die Tagesschau ausnahmsweise aus München. In Hamburg waren Techniker wegen einer Tarifauseinandersetzung in einen Warnstreik getreten. Ersatzweise rüschten die Kollegen vom Bayerischen Rundfunk ihre regionale „Rundschau“ auf und sprangen ein. Deren Sprecher Michael Winter verschleierte allerdings den wahren Grund für diese einmalige Sondersituation und musste von „höherer Gewalt“ und einem „Technikausfall“ reden.
Ab März 1960 wurde die Wetterkarte fester Bestandteil der Tagesschau und beendete jede Sendung. Zuvor hatten Meteorologen das Wetter vor selbst gezeichneten Karten angesagt und sich eine Fangemeinde erobert, doch die ARD-Verantwortlichen fanden, dass diese Art der Präsentation zu viel Sendezeit verschlang, schafften die sichtbaren Wetterfrösche ab und zeigten eine animierte, aber menschenlose Karte. Die führte immer wieder zu Protesten, u. a. weil der Südwestfunk darauf bestand, dass Baden-Baden gefälligst markiert sein müsse, oder weil Vertriebenenverbände Sonne und Regen in den Grenzen Deutschlands von 1937 sehen wollten.
„Wir melden uns wieder um 22.30 Uhr mit den Tagesthemen.“
Tagesthemen
Seit 1978 (ARD). Ausführliche halbstündige Spätausgabe der Tagesschau mit Nachrichten, Hintergrundberichten, Analysen, Interviews, einem Kommentar und – bis März 2002 – dem Wetterbericht.
Die Einführung der Tagesthemen am 2. Januar 1978 war eine Revolution und eine schwere Geburt. In den Jahrzehnten zuvor kam die Spätausgabe der Tagesschau je nach Programm zwischen 22.00 Uhr und Mitternacht. Die Tagesthemen dagegen sollten immer um 22.30 Uhr beginnen, was einen starren Riegel im Abendprogramm bedeutete, der die Sendungen in ein damals ungewohnt starres Format zwang. Das sorgte für entsprechende Widerstände. Auch die im Vergleich zur Tagesschau ungewohnt entspannte, persönliche und pointierte Präsentationsform der Moderatoren und deren Auswahl sorgte intern und extern für Wirbel. Prominentester Kritiker war Chefsprecher Karl-Heinz Köpcke, der einen bockigen Gähn- und Raschelprotest veranstaltete, um dagegen zu protestieren, dass ihm ein präpotenter Moderator an die Seite gesetzt wurde. „Ich bin doch kein Loriot-Männchen“, knurrte Köpcke, bequemte sich dann aber zu geräuschloser Mitarbeit als Verleser des fünfminütigen Nachrichtenblocks in der Sendung.
In den ersten Monaten sah es nicht so aus, als ob die Tagesthemen zu einer dauerhaften Einrichtung würden. Einige ARD-Sender verlangten, sie müssten in der Sendung mit dem gleichen Anteil vertreten sein wie im Gesamtprogramm. Günter Müggenburg, einer der Erfinder der Sendung, erzählte später, man habe einem Fernsehdirektor deshalb vorgeschlagen, gelegentlich eine Fuhre Langholz durchs Bild fahren zu lassen, was man als Reklame für den Schwarzwald hätte verkaufen können. Umstritten waren zudem die spitzen Kommentare, insbesondere von Dieter Gütt, dem Leiter der ARD-aktuell-Redaktion, die 1977 gegründet worden war, um Tagesschau und Tagesthemen zu produzieren. Er geriet wegen angeblich mangelnder politischer Ausgewogenheit unter Beschuss und warf schließlich, frustriert wegen der ständigen Einmischung der Parteien in die Programmgestaltung, 1980 das Handtuch.
Der Kommentar blieb ein ständiger, zunehmend anachronistisch wirkender Bestandteil der Sendung, wurde aber das, was er unter Gütt nicht war: berechenbar, je nach dem Parteibuch dessen, der ihn sprach. Bemerkenswert war allerdings ein Kommentar von ARD-Chefredakteur Hartmann von der Tann, als er während der CDU-Spendenaffäre im Januar 2000 forderte, Schatzmeister Kanther solle zurücktreten – was der zu diesem Zeitpunkt längst getan hatte; von der Tanns Kommentar war aufgezeichnet, durfte aber nicht aus der Sendung genommen werden. Im Januar 2001 sprach Georg Schmolz einen wirren Kommentar, der sorglos mit dem Nazibegriff der „entarteten Kunst“ umging. Der Beitrag wurde vor der Ausstrahlung geschnitten, was ihn nicht weniger wirr machte, und Moderator Ulrich Wickert wies direkt im Anschluss ausdrücklich darauf hin, dass er nicht die Meinung der Redaktion wiedergebe. Das brachte ihm einen scharfen Rüffel ein.
Anfangs wurde die Sendung von einer größeren Zahl alternierender Moderatoren präsentiert, die die verschiedenen ARD-Anstalten entsandten. Dazu gehörten: Alexander von Bentheim (1978–1980), Ernst-Dieter Lueg (1978–1985), Wolf von Lojewski (1978–1979), Klaus Stephan (1978), Barbara Dickmann (1980–1983), Klaus Bednarz (1982–1983), Gerhard Fuchs (1982–1985), Klaus-Peter Siegloch (1982–1985) und Rüdiger Hoffmann (1982–1985). Zum 1. Oktober 1985 wurden die Positionen des ersten und zweiten Moderators geschaffen, die sich wochenweise abwechselten. Erster Moderator war zunächst Hanns Joachim Friedrichs, 1991 übernahm Ulrich Wickert, 2006 Tom Buhrow. Zweite Moderatorin war zunächst Ulrike Wolf (bis 1987), dann Sabine Christiansen (1987–1997), was einen Riesenaufschrei verursachte, weil sie erst 29 Jahre alt war und früher als Lufthansa-Stewardess gearbeitet hatte; sie ließ allerdings nach kurzer Zeit die meisten Kritiker verstummen. Ihr folgten Gabi Bauer (1997–2001), Anne Will (2001–2007) und Caren Miosga (ab 2007). Vertretungsweise moderierte auch Ulrich Deppendorf, ab 2004 Susanne Holst. 2006 rückten die Tagesthemen eine Viertelstunde nach vorn und begannen jetzt grundsätzlich um 22.15 Uhr. Gleichzeitig begann eine allmähliche Aufweichung des festen Sendeplatzes durch Sonderregelungen am Freitag, als bis 23.15 Uhr alte Tatorte wiederholt wurden, und am Mittwoch, wo ab 2008 der Polittalk Hart aber fair bis 23.00 Uhr dauern soll. Schon am ersten Tag der viel beworbenen neuen Sendeplatzregelung hatte sich der geplante Beginn dank eines zuvor eingeschobenen ARD-Brennpunkts auf die bis dahin gewohnte Startzeit 22.30 Uhr verschoben.
Seit der Reduzierung der Zahl der Moderatoren wurden die Präsentatoren der Tagesthemen zu den bekanntesten und beliebtesten deutschen Fernsehgesichtern. Insbesondere Hanns Joachim Friedrichs wurde eine journalistische Institution. Sein bekanntes Credo lautete: „Distanz halten, sich nicht gemein machen mit einer Sache, auch nicht mit einer guten, nicht in öffentliche Betroffenheit versinken, im Umgang mit Katastrophen cool bleiben, ohne kalt zu sein.“ Seinen Namen trägt ein jährlich vergebener Preis für mutigen Fernsehjournalismus.
Talk im Tudio
2005 (Sat.1). Comedyshow mit Lou Richter, der gemeinsam mit Parodisten, die in Gestalt verschiedener Politiker und anderer Pronminenter auftraten, so tat, als moderiere er eine politische Talkshow zu aktuellen Themen und als sei diese Parodie lustig.
Die Show lief fünfmal am späten Freitagabend und wurde dann in eine Pause geschickt, aus der sie unter dem neuen Namen Der heiße Brei und mit dem neuen Moderator Jochen Busse zurückkehrte. Aber auch nicht lange.
Talk im Turm
1990–1999 (Sat.1). Talkshow, die sich mit jeweils einem Thema aus Politik oder Gesellschaft befasste, zu dem mehrere prominente Gäste, meist Politiker eingeladen waren.
Die Moderatoren waren zunächst Florian Fischer-Fabian und Heidi Schüller. Nach wenigen Wochen wurde Fischer-Fabian von Erich Böhme abgelöst, nach einem Jahr Schüller von Sandra Maischberger. Die Idee, dem abgeklärten alten Hasen und ehemaligen „Spiegel“-Chefredakteur einen jungen, naiven Hüpfer gegenüberzusetzen, ging nicht auf: Maischberger wurde gnadenlos verrissen. Ende 1991 warf sie das Handtuch, auch Gero von Boehm, der im selben Jahr einige Male moderiert hatte, verschwand wieder. Ab Anfang 1992 rührte Böhme allein Sonntag für Sonntag mit seiner Lesebrille in der Luft herum. Im Herbst 1998 musste er gehen, weil Sat.1-Chef Fred Kogel fand, dass der 66-Jährige für einen Privatsender zu alt sei. Inzwischen hatte Talk im Turm mit Sabine Christiansen direkte Konkurrenz bekommen. Nach einer kurzen Pause wurde Anfang November der „Spiegel“-Chefredakteur Stefan Aust Böhmes Nachfolger. Als er wegen schlechter Kritiken, schlechter Quoten und schlechter Stimmung beim „Spiegel“ nach nur drei Monaten aufgab, wurde die Reihe eingestellt.
Schon die erste Sendung sorgte für Schlagzeilen. Zu Gast war u. a. der ehemalige Chefpropagandist des DDR-Fernsehens Karl Eduard von Schnitzler, den man aber offensichtlich nur eingeladen hatte, um ihn nicht zu Wort kommen zu lassen. Das Motto des Abends gab „Bild“-Kolumnist Reginald Rudorf aus: „Wir konnten Sie 30 Jahre lang nicht unterbrechen, jetzt ist Schluss.“ Schnitzler wurde als „Faschist“, „Dreckschleuder Honeckers“ und „Bauchredner Ulbrichts“ beschimpft und aufgefordert, das Studio zu verlassen – wegen „ideologischer Umweltverschmutzung“. Fischer-Fabian unterbrach Schnitzler schließlich endgültig mit den Worten: „Es hat sich ausgeschnitzlert!“
Im Januar 1998 stürmten Studenten die Bühne und ketteten sich mit der Forderung, auch über ihre Probleme eine Sendung zu machen, mit Handschellen an den Stuhl von Erich Böhme. Der wechselte den Stuhl und versprach, in der nächsten Sendung einen von ihnen ausgewählten Vertreter einzuladen, der es dann prompt für sinnvoll erachtete, sein Hinterteil zu entblößen.
Die einstündige Talkshow lief am Sonntag gegen 22.00 Uhr. Anfang 2000 startete Böhme auf n-tv seine neue, extrem ähnliche Reihe Talk in Berlin.
Talk in Berlin
2000–2003 (n-tv). Genau ein Jahr nach dem Ende von Talk im Turm kam dessen langjähriger Moderator Erich Böhme mit einer fast identischen Show ins Fernsehen zurück, jetzt beim Nachrichtensender n-tv.
Böhme talkte mit jeweils vier bis fünf Gästen über ein aktuelles politisches Thema. Gleich in der ersten Sendung blamierte er sich, als er versuchte, den rechtspopulistischen Kärntner Landeshauptmann Jörg Haider vorzuführen – und stattdessen von ihm vorgeführt wurde. Böhme konfrontierte ihn mit angeblichen Haider-Zitaten, deren Quellen er nicht kannte. Eines davon stammte sogar aus einem Parlamentsantrag aus den 50er-Jahren, als Haider noch ein kleines Kind war.
Die Sendung war 90 Minuten lang und lief sonntags ab 21.30 Uhr.
Talkline
1993–1994 (Vox). Nächtliche Call-in-Show mit Thomas Aigner, in der traurige Menschen ausgerechnet ihn anrufen, um Rat zu bekommen, und er lesbischen Frauen rät, sich doch mal die Männer-Stripper „Chippendales“ anzusehen.
Talkline war eine Stunde lang und lief erst in der Nacht auf Sonntag, ab 1994 in der Nacht auf Samstag.