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Solo für Morse-Harry

Samstag, 31. Januar 2009, 13:43

Morse: „Du weißt, wo die Drinks sind, Lewis. Mach uns einen Sherry.“
Lewis: „Macht’s Ihnen was aus, wenn ich ein Bier trinke?“
Morse: „Wenn du jemals die schwindelnde Ranghöhe eines Inspektors erreichen willst, musst du lernen zu tun, was man dir sagt. Sherry, Lewis.“

(Aus Inspektor Morse, Episode „Die stille Welt.“)


Damals: Alter Morse und junger Lewis.
Screenshot: ITV

Inspektor Morse war eine tolle 33-teilige britische Krimiserie, von der in der DDR nur sieben und in der Bundesrepublik nur gar keine Folgen gezeigt wurden. Morse war ein starker Charakter: Unorthodox, eigensinnig, trinkfest, intelligent, aber nicht unfehlbar, er liebte klassische Musik, schwere Kreuzworträtsel und seinen roten Jaguar und hasste seinen Vornamen, den er niemandem verriet. Im Gegensatz dazu war sein Partner Sergeant Lewis ein unwissendes Würstchen, ein kuschender Streber, der schon mal den Wagen vorfuhr. Aber offenbar hat er gelernt zu tun, was man ihm sagte, denn jetzt ist er Inspektor und hat seine eigene Serie Lewis.

Aus gutem Grund wurde Harry Klein nach dem Ende von Derrick nicht zum Hauptdarsteller befördert und ebenso wenig Gerd Heymann zum neuen Alten. Die Figuren waren nicht interessant genug, um eine eigene Serie tragen zu können. So ist leider auch Robert Lewis in seiner eigenen Serie immer noch farblos, aber wenigstens kein unwissendes Würstchen mehr. Er hat viel von Morse gelernt und jetzt einen eigenen jungen Polizisten an seiner Seite, der aber viel forscher auftritt als Lewis vor zwanzig Jahren.


Heute: Junger Hathaway und alter Lewis.
Foto: ZDF

Der erste Film ist voller Anspielungen auf Inspektor Morse, die fast niemand in Deutschland erkennen oder verstehen wird, wenn das ZDF ab diesem Wochenende Lewis im Gegensatz zur Vorgängerserie zeigt. Gleich zu Beginn wird Lewis, der gerade nach zwei Jahren aus dem Ausland zurück nach Oxford kommt, beinahe von einem alten roten Jaguar angefahren, der wie der von Morse aussieht, und guckt, als habe er ein Gespenst gesehen. Später folgen Anspielungen auf Morses Trinkgewohnheiten, seine Liebe zu Kreuzworträtseln und seinen ungeliebten Vornamen. Entweder wollte der Autor die vielen Fans der früheren Serie mit Gewalt bei der Stange halten, oder es fiel ihm schlicht leichter, den verstorbenen Morse noch präzise zu charakterisieren als den jetzigen Protagonisten Lewis, der irgendwie immer noch keine richtigen Eigenschaften hat und sich statt von Morse jetzt von seinem jungen Assistenten über Shakespeare, Sport, Computer und alles belehren lässt.

Trotzdem ist die Reihe nicht schlecht. Die Fälle und das Tempo halten fast jedem Tatort stand, und Stil und Umsetzung fügen sich in die Reihe der Britenkrimis, die das ZDF sonst sonntags zeigt, prima ein. Dass man Lewis nicht plötzlich zum belesenen Rabauken gemacht hat, um ihm die alte Morse-Rolle zuzuteilen, macht die Figur zudem glaubwürdig. Und wer Morse nicht kennt, also die große Mehrheit, wird Lewis womöglich für gar nicht so blass halten. Und wer den durchschnittlichen Tatort-Ermittler für charismatisch hält, sowieso nicht.

Lewis, sonntags um 22.00 Uhr im ZDF.

Sonderdezernat K1

Freitag, 28. Dezember 2007, 22:14

1972–1982 (ARD). 23‑tlg. dt. Krimiserie von Maria Matray, Answald Krüger und Harald Vock, Regie: Alfred Weidenmann, Peter Schulze-Rohr und Helmuth Ashley.

Polizeibeamte des Sonderdezernats ermitteln im Hamburg in verschiedenen Kriminalfällen. Arnold Matofski (Gert Günther Hoffmann) ist Kriminalobermeister, verheiratet und hat zwei Kinder. Er hat eine bleibende Verletzung am linken Handgelenk, das ihm vor einigen Jahren ein Bankräuber zerschossen hat. Eigentlich wäre das ein Grund für den Vorruhestand, doch aufgrund einer Sondergenehmigung ist er weiter im Dienst (all diese Fakten erfuhr der Zuschauer bereits im Vorspann durch einen Off-Sprecher). Seine Kollegen sind Kurt Diekmann (Hubert Suschka) und „Teddybär“ Theodor Beer (Peter Lakenmacher), beide ebenfalls verheiratet – Theodor kinderlos mit einer reichen Frau -, sowie der junge Oliver Stüben (Hermann Treusch), der als Einziger unverheiratet und ein offensichtlicher Aspirant auf eine hohe Polizeilaufbahn ist. Er gehört nach 1974 nicht mehr zum Team, Teddybär fehlt ab 1981. Für ihn kommt Robert Hahn (Horst Janson) dazu.

Die meisten Folgen waren rund eine Stunde lang, einige hatten Spielfilmlänge. Sie liefen staffelweise monatlich. 1977 endete die erfolgreiche Serie (knapp 20 Millionen Zuschauer pro Folge) zunächst nach 18 Folgen. Nach vier Jahren Pause ging es mit erhöhtem Etat, aber ohne Teddybär weiter. Die Polizei ernannte die vier Sonderkommissare der ersten 18 Folgen wegen ihrer „realistischen und vortrefflichen Darstellung der Tätigkeit des mittleren Diensts“ zu Kriminalmeistern ehrenhalber.

Sonja

Samstag, 2. Mai 2009, 02:58

1997–2001 (Sat.1). Werktägliche einstündige Talkshow mit Sonja Zietlow.

Zietlow stellte von ihrem Platz im Publikum aus fast so harte Fragen wie Birte Karalus, produzierte aber deutlich weniger Skandale und trotzdem, vor allem anfangs, sehr hohe Quoten. Zu den krasseren Themen gehörten „Ihr seid doch der Abschaum unserer Gesellschaft“ und „Ich werde dein Leben zerstören wie du meines“ (beide 1999). Nicht ganz untypisch für ihre Sendung war die Szene in der Sendung „Sonja hilf mir! Ich habe keine Freunde“, in der die Putzfrau Ellen auftrat, die klagte, dass sie auf offener Straße als Hure beschimpft werde. Nun natürlich nicht nur auf offener Straße, sondern auch im Fernsehen. Der Debattenbeitrag einer Bekannten namens Uschi lautete: „Du verlogenes Dreckstück, wenn du schon dein Maul aufmachst! Alles, was du erzählst, ist nur Scheiße. Der Dreck auf der Straße ist mehr wert als du.“ Weitere Äußerungen wurden vom Sender mit Pieptönen unkenntlich gemacht.

Wegen der Sendung „Hilfe, mein Kind schlägt mich“ vom 25. April 1997 verhängte die rheinland-pfälzische Landesmedienanstalt ein Bußgeld in Höhe von 100 000 DM gegen Sat.1. „In der Sendung wurde ein ca. elfjähriges Mädchen als Talkgast von der eigenen Mutter, vom Studiopublikum und auch von der Moderatorin angegriffen und sichtlich in die Enge getrieben“, hieß es in der Begründung. Ein Gutachten einer Pädagogik- und Psychologieexpertin habe ergeben, dass die Sendung Kinder und Jugendliche beeinträchtige. Die Medienwächter ermahnten die Sender daraufhin „nachdrücklich“, ihrer Pflicht zur „verantwortlichen Programmgestaltung“ nachzukommen.

Sonja füllte die Mittagslücke und ermöglichte es dem deutschen Fernsehpublikum erstmals, werktags sechs Stunden Daily Talk am Stück zu sehen, von 11.00 bis 17.00 Uhr auf RTL, Pro Sieben und Sat.1. Rund 800 Ausgaben liefen mittags um 13.00 Uhr, dann verließ Zietlow — bei gesunkenen, aber immer noch verhältnismäßig ordentlichen Quoten — Sat.1, um das Quiz Der Schwächste fliegt bei RTL zu moderieren. Ihren Talkplatz übernahm Britt.

Sonnenpferde

Mittwoch, 23. Juli 2008, 06:21

1981 (ARD). 12-tlg. frz.-dt. Familiensaga nach dem Roman von Jules Roy, Regie: François Villiers („Les chevaux du soleil“; 1980).

Die Geschichte Algeriens am Beispiel der Familie Bouychou von der französischen Kolonialherrschaft 1830 bis zur Unabhängigkeit 1962, beginnend mit dem französischen Soldaten Antoine Bouychou (Maurice Barrier; als Kind: Juan-Pablo Ruiz), der sich in Algerien als Farmer niederlässt, und Marie (Christina Galbo; in älteren Jahren: Marie Carillo), über deren Nichte Mathilde (Catherine Rouvel) und ihren Mann Alfred Koenig (Miguel Palentzuela), Mathildes Bruder Victor (Götz George) bis zu Sohn Hector Koenig-Dematons (Paul Barge).

Die 45-minütigen Folgen liefen im regionalen Vorabendprogramm.

Sonntag aktuell

Sonntag, 27. November 2005, 14:08

Entstanden ist ein kompetentes und in seiner Art konkurrenzloses Nachschlagewerk: ein Lexikon nicht nur für Experten und Insider, sondern auch für alle diejenigen, die keine Folge von „Verliebt in Berlin“ auslassen oder die von „Der große Preis“ nur Wum und Wendelin kennen.

Gar nicht hoch genug anzurechnen ist dem Autorenduo, dass sie in ihren Beschreibungen klar Position beziehen — damit erstarrt ihr Kompendium nicht zu einer Sisyphusarbeit über Inhalte, Mitwirkende und Sendezeiten, sondern ist für jeden Zuschauer ein hilfreicher Wegweiser durch das Fernsehdickicht.

Sophie – Braut wider Willen

Dienstag, 19. Dezember 2006, 23:19

2005–2006 (ARD). 54-tlg. dt. Telenovela.

Es ist Liebe auf den ersten Blick für die junge Gräfin Sophie von Ahlen (Yvonne Catterfeld), als sie Max Grebe (Ben Bela Böhm) während eines Dorffestes kennen lernt, auf das sie sich als Dienstmagd getarnt eingeschlichen hat. Das Problem ist nämlich, dass wir das Jahr 1864 schreiben und die Welt in Reich und Arm aufgeteilt ist, in Adel und Arbeiter. Da geht es natürlich nicht, dass die Tochter von Graf und Gräfin Otto (Hermann Giefer) und Magda von Ahlen (Alexandra Prusa) den Sohn der einfachen Schneiderin Lotte Grebe (Kathrin Waligura) liebt, zumal doch der reiche Freiherr York von Kettelaer (Kai Albrecht) Sophie einen Heiratsantrag macht. Und auch der Industrielle Friedrich Hartenstein (Sivan-Pierre Leirich) würde Sophie gern ehelichen, um endlich von den Adelskreisen akzeptiert zu werden. Naja, wird schon gutgehen, Telenovelas haben ja immer ein Happy End.

Die ARD setzte große Hoffnungen in diesen Historien-Edel-Kitsch für junge Zuschauer und warb heftig dafür. Der erhoffte Erfolg blieb jedoch aus. Die 25-minütigen Folgen liefen dienstags bis freitags um 18.50 Uhr.

Soundmix-Show

Donnerstag, 4. September 2008, 16:56

1995–1997 (RTL). Samstagabend-Show mit Nachwuchswettbewerb. Unbekannte Talente sangen live bekannte Hits von großen Stars nach. Moderatorin war Linda de Mol. Während ihrer Schwangerschaftspause 1997 wurde sie von Bärbel Schäfer und DJ Bobo vertreten.

Vorbild für die Sendung war die gleichnamige Show aus Holland, die in viele Länder exportiert wurde. Im April 1996 lief eine „Internationale Soundmix-Show“, in der Kandidaten aus verschiedenen Ländern gegeneinander antraten. Es gewann Bianca Shomburg, die ein Jahr später Deutschland beim Eurovision Song Contest vertrat. Am 28.07.1999 schob RTL noch eine „Europäische Soundmix-Show“ nach.

South Park

Samstag, 17. März 2007, 16:38

1999–2006 (RTL); 2007–2008 (MTV); seit 2009 (Comedy Central). US-Zeichentrickserie von Trey Parker und Matt Stone („South Park“; seit 1996).

Das Leben in der Kleinstadt South Park in Colorado aus der Sicht von vier Drittklässlern: der durchschnittlich verwirrte Stan Marsh, der fantasievolle jüdische Kyle Brofslovski, der fluchende dicke Eric Cartman und der ängstliche Kenny McCormick, der als Einziger kein dummes Zeug redet, zumindest keines, das man durch die rund ums Gesicht gezogene Kapuze seines Anoraks verstehen könnte. Er stirbt am Ende jeder Folge (bis auf eine Weihnachtsepisode) auf eine jeweils andere grausame Weise, begleitet vom Ruf eines der anderen Kinder: „Oh mein Gott, sie haben Kenny getötet!“, ist aber zu Beginn jeder nächsten Folge wieder quietschlebendig dabei. Der schwarze Chefkoch der Grundschule ist ein guter Freund der Kinder, den sie oft um Rat fragen. Er singt dann ein unanständiges Lied. Mr. Garrison ist der überforderte Lehrer, der mit seiner Handpuppe „Mr. Zylinder“ spricht.

Ende 2003, in Folge 76, der vorletzten der fünften Staffel, stirbt Kenny erstmals nicht durch einen Unfall oder Gewalteinwirkung, sondern an einer schlimmen Krankheit und ist damit endgültig tot. Zunächst. Dann bauen die Kinder irgendwann eine Leiter zum Himmel, unterstützt von der US-Regierung, die auf keinen Fall möchte, dass die Japaner den Himmel zuerst erreichen. Angespornt wird die Regierung zusätzlich durch die Vermutung, dass Saddam Hussein im Himmel Massenvernichtungswaffen verstecke. Kenny finden sie bei der Gelegenheit nicht, aber es stellt sich heraus, dass Cartman die Urne mit Kennys Asche getrunken hat und Kenny jetzt in ihm lebt. Von dort können sie ihn aber auch nicht zurückbringen. Am Ende der sechsten Staffel taucht Kenny einfach so wieder auf, und alles ist wie gehabt.

Diese Zeichentrickserie war für Erwachsene. RTL begriff das und sendete sie im Spätprogramm, jeweils samstags und sonntags kurz vor Mitternacht (an beiden Wochenendtagen lief jeweils dieselbe Folge). In den USA wurde der bis dahin unbedeutende Kabelsender Comedy Central durch die Ausstrahlung eine feste Größe und South Park eine der meistgesehenen Sendungen im Kabelfernsehen. South Park machte aus schmutzigem Kinderhumor eine Kunstform. Es ging um so erstaunliche Themen wie die Einpflanzung von Analsonden durch Außerirdische, die Bedrohung der Welt durch Riesenmonster in der Gestalt von Barbra Streisand oder Mr. Hanky, den Weihnachtskot.

Passend dazu war auch die Animation simpel und zweidimensional, als hätte man krude Kinderzeichnungen ausgeschnitten und würde die Papierschnitzel nur vor ähnlich schlichten Hintergründen bewegen. Tatsächlich war die Produktion so schnell, dass South Park außerordentlich kurzfristig auf aktuelle Ereignisse reagieren konnte. Im November 2000 machte sich die Episode „4. Klasse!“ über die noch immer unentschiedene US-Präsidentschaftswahl lustig, die zu diesem Zeitpunkt erst acht Tage zurücklag. Ein Jahr später reagierte die Folge „Osama hat nix in der Hose“ auf die Terroranschläge vom 11. September 2001. Die Folge „ABFs – Allerbeste Freunde“ setzte sich 2005 am Beispiel des immersterbenden Kenny satirisch mit der Kontroverse um die Komapatientin Terry Schiavo und die Frage auseinander, ob die Maschinen abgeschaltet werden dürfen oder nicht. Diese Episode wurde mit dem Emmy als beste animierte Sendung ausgezeichnet. Hierzulande waren die Folgen mit zwei Jahren Verzögerung zu sehen.

2006 zog „Schrankgeflüster“ über Scientology und ihr prominentes Mitglied Tom Cruise her, das bei der Gelegenheit ziemlich unmissverständlich als schwul dargestellt wurde. Isaac Hayes, ebenfalls ein prominenter Scientologe und amerikanische Stimme des Chefkochs, kündigte daraufhin, und die Autoren schrieben ihn aus der Serie, indem sie ihn einen grausamen Tiod sterben ließen, nicht ohne ihn vorher durch die Gehirnwäsche des „Super Adventure Club“ zum Kinderschänder zu machen.

In Deutschland brachte die Serie dem Sender nicht die erhofften Quoten, obwohl die Synchronisation von Arne Elsholtz originalgetreu war und die derben Witze nicht abschwächte. Trotzdem wurde sie bekannt und erreichte immerhin in der Zielgruppe der 14‑ bis 29‑Jährigen hohe Marktanteile. Die deutschen Sprecher in der Serie sind: Jörg Reitbacher-Stuttmann (Cartman), Benedikt Weber (Stan), Jan Panczak (Kyle), Sabine Bohlmann (Kenny), Michael Rüth (Mr. Garrison), Donald Arthur (Chefkoch). Ein Kinofilm zur Serie übertraf „Pulp Fiction“ in einem Punkt: Jetzt war „South Park“, die Anzahl an Gewaltszenen und obszönen Gesten betreffend, der brutalste und vulgärste Film aller Zeiten. Innerhalb von South Park waren gelegentlich Ausschnitte oder ganze Episoden der (erfundenen) Serie „Terrance & Phillip“ zu sehen, die offensichtlich von Beavis & Butthead inspiriert wurde, mit zwei noch kruder gezeichneten Figuren, deren Lebensmittelpunkt Fürze waren.

Nach sieben Staffeln mit insgesamt 111 Folgen bei RTL sicherte sich der frühere Musiksender MTV die weiteren deutschen Erstausstrahlungsrechte und zeigte die Serie seitdem mehrmals pro Woche, wodurch der Abstand zwischen US- und deutscher Ausstrahlung schrumpfte. Zuvor war South Park bereits seit 2003 auf VIVA wiederholt worden. Zur zwölften Staffel Anfang 2009 wechselte die Serie zu Comedy Central. Dieser Sender war eigentlich Ende 2008 eingestellt worden, existierte aber als Fensterprogramm im Jugendsender Nick weiter.

Mehrere DVDs zur Serie sind erschienen.

Sozialdrama, Baby, Sozialdrama!

Donnerstag, 25. September 2008, 18:11

Bei Sat.1 sickert jetzt den ganzen Mittwochabend das Leben ins Programm.

Das ist bemerkenswert, denn die Realitätskompetenz des Senders liegt bei null. Tagsüber laufen Schein-Übertragungen aus Gerichtssälen, am Vorabend Schein-Reportagen über Ermittler, abends Romantic Comedys — die Nachrichten zwischendurch guckt natürlich kein Schwein. Vermutlich muss man Ulrich Meyer als das journalistische Aushängeschild des Sender bezeichnen.

Aber im Gefolge von Formaten wie Peter Zwegats Raus aus den Schulden schwappt gerade eine große Non-Fiction-Welle durch das Privatfernsehen, und anders als bei fiktionalen Sendungen scheint die Zuschauer das soziale Elend nicht abzuschrecken, im Gegenteil. Und so kam es, dass man nun immer mittwochs einen ganzen Abend bei Sat.1 nicht nur mit echten Ermittlern, sondern auch echten Hartz-IV-Empfängern, echten kriminellen Jugendlichen und echtem Elend verbringen darf.

Vor der empörenden Sozialschmarotzer-Empör-Doku Gnadenlos gerecht, die schon ein paar Wochen auf Sendung ist, läuft seit gestern Geheime Helfer — der Lichtblick des Abends. Es ist die schon vor über einem Jahr vom Sender angekündigte deutsche Adaption des preisgekrönten und überaus erfolgreichen britischen Channel-4-Formates „Secret Millionaire“: Ein gut betuchter Unternehmer begibt sich für eine Woche an die Armutsgrenze und gibt sich selbst als mittellos aus, um Menschen und Einrichtungen kennenzulernen, die helfen. Hinterher enthüllt er seine wahre Identität und unterstützt die, die es seiner Meinung nach verdient haben, mit Geld bei ihrer Arbeit.

Das klingt arg zynisch, und das letzte Drittel der Sendung, wenn den Bedürftigen reihenweise das Wasser aus den Augen fällt vor so viel unerwarteten Wohltaten und die Kamera bei jeder Umarmung auf Super-Slow-Motion umschaltet, entspricht exakt dem Kitsch- und Klischee-Ende all dieser Wir-haben-den-armen-Leuten-freundlicherweise-ihr-Haus-renoviert-Shows. Aber bis es soweit ist, funktioniert das Konzept tatsächlich als Vehikel, um das Leben am Existenzminimum in die Prime-Time des kommerziellen deutschen Fernsehens zu bringen.

Das liegt vor allem an der Familie von Gelsenkirchener Hartz-IV-Empfängern, die der Wohltäter-in-spe in der ersten Folge trifft, die sich trotz (oder wegen) ihrer eigenen Sorge aufopfern, anderen zu helfen. Sie engagieren sich in verschiedenen Ehrenämtern und strahlen eine außerordentliche Herzenswärme aus. Es liegt aber auch an einer Produktion, die die Not dieser Menschen weder ausstellt noch beschönigt. „2,40 Euro für ein Stück Kuchen“, sagt die Mutter an einer Stelle nüchtern, „wer kann sich das leisten?!“

Die Sendung vermittelt auch ein Gefühl dafür, wie schwer es ist, seinen Stolz zu behalten, wenn man von ein paar Euro vom Staat lebt — und wie groß der Verteidigungsdruck gegen die andauernde Unterstellung, ein Schmarotzer zu sein. „Du brauchst nicht mit dem Kopf nach unten gehen, weil du arbeitslos bist“, sagt die Großmutter. „Wenn Du ein Ehrenamt hast und einer meckert, kannst Du sagen: Ich arbeite für mein Geld.“

Über eine Einrichtung, die der Kandidat kennen lernt, sagt der Sprecher aus dem Off: „Für zwei Euro Wochenbeitrag können Kinder und ihre Eltern hier ein warmes Essen bekommen. Es gehört zur sozialen Realität in Deutschland, dass sich manche selbst das nicht leisten können.“ Das sind bemerkenswerte Sätze für eine Sat.1-Show um 20.15 Uhr.

Aber das klappt nicht immer, dass das Leben wirklich ins Sat.1-Programm durchsickert. Die Reihe Die Jugendcops & Kommissariat 105 im Einsatz zwei Stunden nach den Geheimen Helfern nimmt sich zwar auch eine ganze Stunde Zeit, sich einem einzigen Problemjugendlichen zu widmen, der mit einer Horde Freunde zusammen einen ihm unbekannten, zufällig vorbeikommenden Mann aus einer reinen Laune heraus halb tot getreten hat.


Foto: Sat.1

Aber vielleicht hätte es schon geholfen, wenn die „Cops“ wenigstens einmal „Polizisten“ hätten heißen dürfen. Wenn der Erzähler nicht dauernd Quatschsätze gesagt hätte wie „Sie sind mit einem untrüglichen Gespür für sich anbahnende Straftaten ausgestattet“. Und wenn die coolen Bullen sich nicht auch noch als Musikband in Szene hätte setzen müssen. In keiner Sekunde fühlte sich das an wie das wahre Leben. Dies war bloß die Realität, in der Barbara Salesch Urteile fällt, Niedrig & Kuhnt ermitteln und Lenßen die Unschuldigen am Ende raushaut.

Sat.1 halt.

Spätes Oscar-Echo

Mittwoch, 25. Februar 2009, 11:47

Ich weiß, ich bin spät dran, aber tun wir einfach für einen Augenblick so, als sei das Fernsehlexikon eine Wochenzeitschrift, und schon haben wir einen Grund, auch heute noch brandaktuell über die Echo- und die Oscar-Verleihung zu reden.

Wahrscheinlich war es ein Fehler, beide Preisverleihungen hintereinander zu sehen (oder zu veranstalten), weil so die Qualitätsunterschiede noch deutlicher werden — aber auch schon die Unterschiede im Anspruch an die eigene Gala: Deutsche Preisverleihungen zeichnen sich normalerweise dadurch aus, dass sie sich selbst für ungeheuer wichtig halten, eine enorme Schwere durch den ganzen Abend schleppen und angestrengt bemüht sind, den Grad der ernsten Feierlichkeit bloß keinen Deut abfallen zu lassen. Amerikanische Preisverleihungen sind normalerweise humoristische Veranstaltungen, bei denen zwischendurch Auszeichnungen überreicht werden.

Insofern muss man Oliver Pocher zunächst ein Kompliment machen, dass er sich zumindest bemüht hat, Komik in die Echo-Verleihung zu bringen, und ihm das an vielen Stellen sogar gelungen ist. Retten konnte er den Abend leider auch nicht, der von langweiligen Laudatoren und verkorksten Interviews geprägt war. Depeche Mode musste im Gespräch mit Barbara Schöneberger nicht mehr als seine Anwesenheitspflicht erfüllen, und von Lionel Richie zu erwarten, dass er seine Tourtermine auswendig aufsagen kann, war lächerlich, auch wenn der Termin seines Berlin-Konzerts, der 20. April, für uns in Deutschland „ein ganz besonderer Tag“ ist, so Pocher.

Den peinlichsten Bock schoss die völlig unvorbereitete Barbara Schöneberger mit den bis dahin elfmaligen Echo-Preisträgern Kastelruther Spatzen, als sie sich an einem Witz über das eine von zwölf Jahren versuchte, in dem die Spatzen keinen Preis auf der Echo-Bühne entgegennehmen konnten.

Barbara Schöneberger: Ich weiß ja ganz sicher, dass Ihr auch mal in einem Jahr keinen Echo gewonnen habt. Erinnert ihr Euch noch an dieses schwarze Jahr? Ist das wahr, gab’s auch mal ein Jahr, wo’s nicht geklappt hat? Und was war das los?

Kastelruther Spatz: Ja, das liegt jetzt zehn Jahre zurück schon. Wir haben ihn da schon bekommen, da war damals leider auf schreckliche Art und Weise unser Manager, der Karl-Heinz Groß, ermordet worden, und, ja, da hat jemand anders von uns den Echo abgeholt.

Barbara Schöneberger: Okay, aber ihr habt ihn gewonnen in dem Jahr.

Immerhin eine große Überraschung gab es am Echo-Abend: Der Sänger der Ersten Allgemeinen Verunsicherung, Klaus Eberhartinger, ist jetzt offenbar bei Depeche Mode:

Leider konnte man schon einen Abend später feststellen, wie die Echos sogar gegen eine der langweiligeren Oscar-Verleihungen der vergangen Jahre abstank. Moderator Hugh Jackman war zwar harmlos, aber stellenweise recht lustig, sang nur etwas zu oft. Höhepunkt sowohl aus humoristischer als auch emotionaler Sicht war die Vergabe des Preises für das beste Drehbuch durch die Laudatoren Steve Martin und Tina Fey an Dustin Lance Black für den tollen Film Milk. Zuerst machten sich Martin und Fey mit einigen erfunden Begriffen über Scientology lustig.

Steve Martin: Guten Abend, ich bin Steve Martin.

Tina Fey: Und ich bin Tina Fey.

Martin: Und ich bin Steve Martin.

Fey: Es hieß einst: Schreiben heißt ewig leben.

Martin: Der Mann, der das geschrieben hat, ist tot.

Fey: Aber wir alle wissen, wie wichtig Schreiben ist. Jeder große Film beginnt mit einem großen Drehbuch.

Martin: Oder einer sehr guten Idee fürs Filmplakat. Aber in der Regel mit einem Drehbuch.

Fey: Und jeder Autor beginnt mit einer leeren Seite.

Martin: Und jede leere Seite war einst ein Baum.

Fey: Und jeder Baum war einst ein kleiner Samen.

Martin: Und jeder kleine Samen auf der Erde wurde vom außerirdischen König Rondelay hierher gebracht, um unsere Titrate zu fördern und unseren positiven Transfer anzutreiben.

Fey: Ach Steve, niemand will etwas über unsere Religion hören, die wir erfunden haben.

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