Nase vorn
1988–1990 (ZDF). Große Samstagabendshow mit Frank Elstner, der unbekannte Menschen begrüßt, die in irgendeiner Form die „Nase vorn“ haben: durch gute Aktionen, besondere Leistungen oder kuriose oder nützliche Erfindungen wie ein Bett mit Loch, durch das man einen Arm stecken kann, damit man nicht mehr auf ihm liegen muss, oder ein umweltfreundlicher Rapsölantrieb fürs Auto. Vorgestellt werden aber auch Amerikaner, die Knoblauchshrimps unter der Motorhaube eines Autos braten, und Oma Liesl, die mit 69 Jahren noch Steilwände erklimmt. Die Zuschauer im Saal können mit Taschenlampen abstimmen, wer ihrer Meinung nach wirklich die „Nase vorn“ hat. Der Gewinn im Finale richtet sich nach den Beträgen hinter grauen Feldern, die der Kandidat aufrubbelt.
Die Post hat im Vorfeld an über 30 Millionen Haushalte Rubbelkarten verschickt, von denen die Zuschauer im Lauf der Sendung bestimmte Felder aufkratzen müssen. Einige von ihnen finden dann eine geheime Nummer, mit der sie in der Sendung anrufen können. Sie werden nach und nach durchgestellt. Immer wenn jemand am Apparat ist, darf der Siegerkandidat im Studio ein weiteres Feld aufkratzen. Danach muss er sich entscheiden, ob er es riskiert, weiterzuspielen. Ist nämlich kein Anrufer mehr in der Leitung, verliert er sein bisher erspieltes Geld.
Nach dem Erfolg mit Wetten dass …? hatte Elstner ein neues Showkonzept entwickelt. Ihm war das Kunststück gelungen, eine Sendung zu entwickeln, die doppelt so kompliziert war wie Tutti Frutti, aber nur halb so unterhaltsam. Die wenigsten Zuschauer verstanden die Spielregeln, die im Lauf der insgesamt 13 Sendungen diverse Male geändert wurden. Was blieb, waren nur das Zuschauerspiel mit Rubbelkarten und die gezeichneten Nasenhörnchen, die im Vorspann durch das Eurovisions-Logo galoppierten. Am Ende der Show galoppierten die meiste Zeit echte Tiere. Außenreporter Werner Hansch kommentierte auf der Rennbahn in Dinslaken ein Sulkyrennen mit prominenten Fahrern. Ins Finale kam derjenige Gast oder Kandidat aus dem Publikum, dessen Pferd gewann.
Der „Spiegel“ nannte die Premiere „ein fades Nasi Goreng aus Talk, Spiel und schalem Singsang, geschwätzig, witz- und spannungsfrei.“ Über die komplette Laufzeit der Show blieben die Kritiken vernichtend, die Einschaltquote halbierte sich – allerdings von höchstem Niveau: Die erste Show hatte noch 21,8 Millionen Zuschauer, 54 % Einschaltquote. Die Sendung vom 27. Januar 1990 musste kurzfristig abgesagt werden, weil sich die verschickten Rubbelkarten als fehlerhaft herausgestellt hatten. Ohnehin stieß die gemeinsame Aktion der Post mit dem ZDF auf Kritik. Allein für die erste Sendung schickten die Zuschauer 2,9 Millionen Postkarten mit Gewinnabschnitten an das ZDF – eine schöne Zusatzeinnahme für die Bundespost, deren Minister auch gleich in der ersten Sendung saß.
Nach zwei Jahren hatten nicht nur Zuschauer und Kritiker, sondern auch Sender und Moderator die Nase voll und nahmen die teuerste Show des ZDF aus dem Programm.
Nash Bridges
1996–1997 (RTL 2); 1998–2002 (Vox). 124‑tlg. US-Krimiserie von Carlton Cuse („Nash Bridges“; 1996–2001).
Inspector Nash Bridges (Don Johnson) leitet eine Spezialeinheit der Polizei von San Francisco. Sein Partner ist Inspector Joe Dominguez (Cheech Marin), der anfangs als Privatdetektiv arbeitet, dann aber zur Polizei kommt, weil er ohnehin in jeden von Nashs Fällen hineingezogen wird. Eigentlich sucht er aber Wege, schnell reich zu werden. Ihr Vorgesetzter ist zu Beginn Lieutenant A. J. Shimamura (Cary-Hiroyuki Tagawa). Zum Team gehören noch die Inspektoren Evan Cortez (Jaime P. Gomez) und Harvey Leek (Jeff Perry). Beruflich hat Nash Bridges mit seiner sachlichen Art Erfolg, privat weniger. Er hat zwei gescheiterte Ehen hinter sich und lebt mit seinem Vater Nick (James Gammon) zusammen. Nashs Tochter Cassidy (Jodi O’Keefe) stößt Anfang 2002 zum Team ihres Vaters.
Nach Miami Vice und einer längeren Pause kehrte Don Johnson mit dieser Rolle erfolgreich ins Serienfernsehen zurück. Die einstündigen Folgen liefen zunächst um 20.15 Uhr bei RTL 2. Ab Folge 25, in der Mitte der zweiten Staffel, übernahm Vox die Serie und sendete sie im werktäglichen Nachmittagsprogramm.
Natascha Zuraw
2008 (RTL). Einstündiger Daily Talk mit Natascha Zuraw.
Im Gegensatz zu anderen Daily Talks stand nicht jede ganze Sendung unter einem Oberthema, stattdessen wurden fünf Gäste wie am Fließband durchgeschleust und die Themen willkürlich gemischt. Alle sollen irgendwie kontrovers sein, weshalb das Studiopublikum herzlich eingeladen war, von oben herab den Talkgästen die Meinung zu geigen. Das kleine Studio war wie eine Arena gebaut.
All das war auch keine Lösung. Die Show lief einen Monat werktags um 15.00 Uhr, und dann verschwand sie wegen allzu offensichtlicher Erfolglosigkeit schon wieder.
Navy CIS
Seit 2005 (Sat.1). US-Krimiserie von Don McGill und Donald P. Bellisario („NCIS“; seit 2003).
Special Agent Leroy Jethro Gibbs (Mark Harmon), Rufname Jethro, führt die Ermittlungen des kriminalpolizeilichen Diensts der Marine, NCIS (Naval Criminal Investigative Service). Aufgabenbereich sind alle Verbrechen, die bei der Navy geschehen sind, an Mitarbeitern der Navy begangen wurden oder in irgendeiner Verbindung zu ihr stehen. Sein Team besteht aus dem ehemaligen Polizisten Tony DiNozzo (Michael Weatherly), einem gewieften Heißsporn, der früheren Secret-Service-Agentin Kate Todd (Sasha Alexander), der schrillen Forensikerin Abby Sciuto (Pauley Perrette) und dem gutmütigen Mediziner Donald »Ducky« Mallard (David McCallum), der Geschichten von früher erzählt. Andauernd. Jethro Gibbs selbst ist schwer zu durchschauen, gibt sich aber strenger als er ist. Er hat Ahnung von allem, nur nicht von Computern, ist mehrfach geschieden und schreinert während seiner Freizeit im Keller seines Hauses ein Boot. Jahrelang. Wie auch immer es das Riesenboot eines Tages durch die Tür bekommen will.
Zu Beginn der zweiten Staffel wird der Techniker Tim McGee (Sean Murray) in Gibbs‘ Team versetzt. Die dritte Staffel beginnt tragisch: Kate wird von dem Terroristen Ari Haswari (Rudolf Martin) erschossen, hinter dem Gibbs schon seit Jahren her ist. Dessen Halbschwester Ziva David (Cote de Pablo), Agentin des israelischen Geheimdienstes Mossad, wird zur Hilfe bei der Suche nach Ari herangezogen und erschießt ihn. Anschließend lässt sie sich zum NCIS versetzen und ersetzt Kate dort. Gibbs‘ Ex-Freundin Jenny Shepard (Lauren Holly) übernimmt von Tom Morrow (Alan Dale) die NCIS-Direktion.
Die Serie ist ein Spin-off von J.A.G. – Im Auftrag der Ehre, wo Agent Gibbs in der Folge „Eisige Zeiten“ eingeführt wurde. Sie lief mit überraschendem Erfolg donnerstags um 21.15 Uhr, bevor sie im Herbst 2006 auf sonntags um 20.15 Uhr umzog, wo die Überraschung größer wurde, als sie von Anfang an mit unveränderten Zuschauerzahlen gegen den Tatort der ARD und die Blockbuster-Spielfilme von Pro Sieben und RTL bestehen konnte. Auf dem Sendeplatz am Donnerstag laufen seitdem nur noch Wiederholungen.
NDR Info
Für mehr Heiterkeit als so manches Zappen durchs Fernsehprogramm sorgt jetzt das Buch „Das Fernsehlexikon“. Das beginnt bei „A, B oder C“, einer Samstagabendshow des DDR-Fernsehens Anfang der 60er Jahre und endet bei „Zwischenmahlzeit“ einer Sendung mit Gisela Schlüter, damals besser bekannt als „Quasselstrippe vom Dienst“ oder „Lady Schnatterley“. 7.000 Serien, Shows, und Mehrteiler werden vorgestellt. Mit Akribie, Wissen und viel Humor arbeiten die beiden Autoren das Fernsehgeschehen von über 50 Jahren auf.
Kult und Trash, Wissenswertes und Nebensächliches aus der großen, bunten Welt der Television – im „Fernsehlexikon“ hat alles seinen Platz. Bei Couch-Potatoes sollte das Buch eigentlich immer in Reichweite liegen, falls der TV-Abend sich mal wieder quälend in die Länge ziehen sollte. Lach- und Sachgeschichten finden sich in dem Wälzer schließlich genug.
Nein! Oh! Tu! Wann? Oh!
Foto: ProSieben
Wären die Autoren der alten Serie Beverly Hills, 90210 auch an der Neuauflage 90210 beteiligt, würde man ihnen ihre Einfallslosigkeit vielleicht verzeihen. Nach so vielen Jahren ist man ja ausgelaugt, hat keine Lust mehr, und vor allem hat längst jeder mit jeder geschlafen. Da kann es mal passieren, dass nur noch alte Klischees aufgewärmt werden. Dass den Neuen aber auch nichts einfällt, ist tragisch: Die Neuauflage wirkt so, als setze sie an der Stelle an, an der die alte Serie aufhörte; wie Hansi Hinterseer sagen würde: Da wo die Luft raus ist. Da wo man sich wünschte, es sei bald vorbei. Da wo man allenfalls noch zusah, weil man sich an die Charaktere gewöhnt hatte und wissen wollte, ob die Serie wenigstens ein anständiges Ende zustande bringen würde.
Einige dieser Charaktere sind auch in der Neuauflage dabei: Kelly Taylor, die jetzt Beratungslehrerin an ihrer alten Schule ist, ihre alte Freundin Brenda Walsh und der alte Wirt des „Peach Pit“, Nat. Die Auftritte der Altstars Jennie Garth und Shannen Doherty und des Uraltstars Joe E. Tata sind leider nur Gimmicks, um Fans von früher für die Serie zu interessieren, nennenswerte eigene Handlungsstränge haben ihre Charaktere nicht.
Das wäre zu verschmerzen, wenn die Handlungsstränge der neuen Hauptcharaktere wenigstens einigermaßen interessant wären, aber auch das ist leider nicht der Fall. Die Intrigen, Betrüge, Liebschaften und Geheimnisse sind bekanntes, niedriges Soap-Niveau, und gleich zu Beginn werden zu viele Fässer auf einmal aufgemacht. Dass man Teenie-Soaps auch origineller und inspirierter drehen kann, hat vor ein paar Jahren O.C., California gezeigt und zeigt in geringerem Maß an diesem Wochenende nur eine Stunde vor 90210 die ebenfalls neue Serie Gossip Girl.
In 90210 sind die Figuren so durchsichtig und ihr Tun so vorhersehbar, dass sich schon im Pilotfilm erahnen lässt, wer später mit wem (wenn’s wie früher ist, dann sowieso jede mit jedem), wer ein Kind vom wem (bekommt oder berteits ist), und wer gegen wen. Ich werde aber nicht mehr dabei sein, um mir das anzusehen.
90210, samstags um 17.00 Uhr auf ProSieben.
Nemesis — Der Angriff
2008 (ProSieben). 13-tlg. US-Sciencefiction-Serie von Bragi Schut („Threshold“; 2005).
Die Katastrophenanalystin Dr. Molly Caffrey (Carla Gugino) erstellt theoretische Worst-Case-Szenarien, z.B.: Was tun, wenn plötzlich angriffslustige Außerirdische einfallen? Als genau dieser Fall eintritt, beauftragt J.T. Baylock (Charles S. Dutton), der stellvertretende Sicherheitsberater des Präsidenten, Molly mit der Leitung eines Krisenteams, das ihren Notfallplan „Threshold“ in die Tat umsetzen soll. Der Mikrobiologe Dr. Nigel Fenway (Brent Spiner), ein sturer Alt-68er, der Astrophysiker Lucas Pegg (Robert Patrick Benedict) und der kleinwüchsige Linguistiker Arthur Ramsey (Peter Dinklage) werden ihr zugeteilt, um alles über die Aliens herauszufinden, und der ebenso mysteriöse wie skrupellose Geheimdienstler Cavennaugh (Brian Van Holt) soll für die Sicherheit des Teams sorgen. Die ist zum einen dadurch bedroht, dass die Aliens die Menschen mit merkwürdigen Viren infizieren und auch vor Krisenkräften nicht Halt machen, und zum anderen durch die Nordkoreaner, die ebenfalls von der streng geheimen Ankunft der Außerirdischen erfahren haben und gern selbst ein bisschen rumforschen würden.
Unoriginelle Standard-Sciencefiction, wie sie schon tausendmal gedreht wurde. Floppte in den USA und läuft bei uns montags um 22.10 Uhr.
Nesthäkchen
1983 (ZDF). 6‑tlg. dt. Jugendserie von Justus Pfaue und Klaus Landsittel nach den Romanen von Else Ury, Regie: Gero Erhardt.
Berlin, Anfang des 20. Jahrhunderts: Die sechsjährige Annemarie (Kathrin Toboll; in späteren Jahren: Anja Bayer) ist das jüngste Mitglied der Familie Braun und wird von Vater Ernst (Christian Wolff) entsprechend verwöhnt. Er ist Arzt, und die Familie nebst Personal wohnt idyllisch in einem prunkvollen Haus. Es sind dies Mutter Elisabeth (Doris Kunstmann), Annemaries Brüder Klaus (Florian Baier; später: Patrick Janovsky) und Hans (Oliver Schlicht; später: Pascal Breuer), Oma Gerda (Helma Seitz), und mit ihnen Kindermädchen Lena (Susanne Uhlen), Köchin Hanne (Hilde Berndt) und Stubenmädchen Frieda (Belle Schupp). Wilhelm (Ekkehardt Belle) ist Lenas Freund.
Der Kleinen fehlt es an nichts, und genau das ist natürlich das Problem. Der Vater lässt ihr jedes vorlaute Wort durchgehen, denn sie ist ja so süß mit ihren Zöpfen und den rosa Schleifchen im blonden Haar. Die meiste Zeit spielt sie mit ihren Puppen, es geht aber auch um viele andere Themen aus dem Leben eines Kindes: Ferien auf dem Land – sie verbringt sie bei Onkel Heinrich (Willy Harlander) und Tante Käthe (Dagmar Hessenland) in Bayern, wo der Onkel Senator ist – Streiche unter Geschwistern, Freundschaften. Vor allem zu Lena entwickelt Annemarie eine besondere Beziehung. Lena ist es auch, die die Eltern davon überzeugt, Annemarie in einen Kindergarten zu schicken, den auch Prinz Poldi (Marc Manuel Kunstmann) besucht, damit sie sich mit Gleichaltrigen umgeben kann und nicht immer nur mit Erwachsenen zusammen ist.
Annemarie wird langsam älter und selbstständiger, kommt in die Schule und wird wenig später schwer krank. Im Krankenhaus kämpft sie gegen Scharlach, anschließend wird sie zur Erholung für längere Zeit in ein Kinderheim nach Amrum geschickt. Sie findet neue Freunde, genießt das Leben. Doch plötzlich muss sie sich mit der harten Realität auseinander setzen, als der Erste Weltkrieg ausbricht.
Insgesamt zehn „Nesthäkchen“-Romane veröffentlichte die Autorin Else Ury. Die erfolgreiche ZDF-Weihnachtsserie verarbeitete nur Inhalte aus den ersten vier Bänden. In den Büchern wurde Nesthäkchen anschließend erwachsen, heiratete, bekam ihrerseits Kinder und Enkelkinder und feierte ihre Goldene Hochzeit.
Die sechs einstündigen Folgen liefen zwischen den Feiertagen im Vorabendprogramm und erreichten bis zu zwölf Millionen Zuschauer. Später wurde die Serie auch in zwölf halbstündigen Folgen wiederholt. Nesthäkchen war die erste größere Regiearbeit von Gero Erhardt, dem Sohn von Heinz Erhardt. Die Titelmusik stammte von Christian Bruhn. Die Serie ist auf DVD erschienen.
Netzer ohne doppelten Boden
Die deutsche Fußballnationalmannschaft hat das Länderspiel gegen Österreich, an dem sie in der zweiten Halbzeit teilgenommen hat, mit 3:0 gewonnen. Zur Halbzeit (0:0) verhaspelte sich Co-Trainer Hansi Flick und erklärte,
„…dass wir uns von Österreich den Schneider haben abkaufen lassen.“
Man sollte seine eigenen Nationalspieler aber auch wirklich nicht mitten im Spiel an die Gegner verscherbeln.
Und ARD-Experte Günter Netzer verklausulierte seine Analyse.
Ich hätte mir noch eine journalistisch-kritische Nachfrage von Gerhard Delling gewünscht, ob denn auch irgendwas gut war, oder ob eigentlich alles schlecht war.
Neu: DVDs jetzt auch im Fernsehen!
Foto: ProSieben
Die neue Stromberg-DVD erscheint diese Woche! Ach ja, und im Fernsehen werden die neuen Folgen auch gezeigt.
Vielleicht ist genau das in Zukunft die natürliche Reihenfolge. Im Moment wirkt es noch ungewöhnlich, dass die neue Staffel von Stromberg, deren erste Folge heute bei ProSieben zu sehen ist, schon am Freitag auf DVD erscheint, also noch bevor die anderen neun Folgen ihre TV-Premiere haben. Aber Stromberg ist nicht die einzige Serie, die neuerdings diesen Weg geht. Auch die vierte Staffel von Pastewka, die vergangenen Freitag erfolgreich bei Sat.1 gestartet ist, kommt noch in diesem Monat als DVD in den Handel, ebenfalls mit neun Folgen, die bis dahin noch nicht im Fernsehen gezeigt wurden.
Dies scheint aus vielen Gründen eine logische Entwicklung zu sein. Fernsehen ist in den vergangenen Jahren immer mehr zum Nebenbeimedium geworden. In vielen Haushalten hat der Fernseher nur noch eine Funktion als dauerhafte Geräuschkulisse im Hintergrund und als solche das Radio abgelöst. Warum also sollte das Fernsehen nicht auch noch in diesem anderen Punkt dem Radio ähnlicher werden?
Lassen Sie mich kurz ausholen, um zu verdeutlichen, was ich sagen möchte.
Die Erscheinungstermine neuer Songs und Alben auf CD oder inzwischen als Download werden unabhängig von Radiosendern festgelegt. Die Radiosender haben aber die Möglichkeit, neue Singles ca. zwei Monate vor Veröffentlichung bereits zu spielen. Handelt es sich um neue Werke etablierter Künstler wie Madonna, Robbie Williams oder Bon Jovi machen sie davon exzessiv Gebrauch. Handelt es sich um junge, innovative, anspruchsvolle Künstler, sind ihre Lieder bei den großen Sendern in der Regel nicht zu hören, erscheinen aber trotzdem auf CD oder als Download, und wer sie haben will, kann sie kaufen. Die Radiosender richten sich also nach der Tonträger-Industrie und ihren Veröffentlichungsdaten. (Warum auch immer.) Im Fernsehen war es bisher umgekehrt: Die Industrie richtete sich nach den Fernsehsendern. Eine Serie erschien erst dann auf DVD, wenn der Sender sie gezeigt hatte. Angesichts der Willkür, die viele Fernsehsender beim Ausstrahlungsrhythmus ihrer Serien walten lassen, liegt es nahe, dass die Rechteinhaber allmählich die Geduld verlieren und den Spieß umdrehen. Warum sollten sie sich das Geschäft mit dem DVD-Verkauf entgehen lassen, nur weil die Sender wieder zaudern?
Der Vergleich mit dem Radio liegt nahe: Madonna, Robbie Williams und Bon Jovi sind im Fernsehen die konventionellen Krimi- und Krankenhausserien, wie sie auf allen großen Kanälen heruntergespult werden. Sowieso nicht würden dort innovative und anspruchsvolle Programme wie The West Wing oder 30 Rock gezeigt. Und selbst Erfolgsserien wie Dr. House werden inzwischen so ärgerlich gestückelt, dass man von den Zuschauern kaum noch verlangen kann, mit Aufmerksamkeit zu verfolgen, wann neue und wann alte Folgen zu sehen sind. Bei der aktuellen Staffel legt RTL in zwei Wochen schon wieder eine Pause ein, stückelt eine Staffel damit erstmals in drei Teile und streckt sie mit zahllosen Wiederholungen auf fast ein Jahr.
Es wird deshalb Zeit für die DVD-Industrie vorzupreschen und das Tempo vorzugeben. Analog zum Radio: „Dann und dann werden wir die Serie XY auf DVD veröffentlichen, und wenn ihr wollt, könnt ihr sie ja vorher im Fernsehen zeigen!“ Filme erscheinen auch auf DVD, bevor sie im Fernsehen kommen. Warum sollte das mit Serien nicht ebenso gehandhabt werden?
Die Fans würde es freuen, die von ihren Sendern nicht mehr jahrelang in der Luft hängen gelassen werden. Die erste Staffel der mehrfach preisgekrönten Mediencomedy 30 Rock aus dem Jahr 2006, die gerade bei ZDFneo ihre Free-TV-Premiere kaschiert, ist schon seit Mai mit deutscher Tonspur auf DVD erhältlich. Auf Vox, das die treuen Fans von Boston Legal fast zwei Jahre ohne Lebenszeichen ihrer Lieblingsserie hängen ließ, hätte auch niemand unbedingt warten müssen: Seit Juni gibt es die Synchronfassung der vierten Staffel, die jetzt endlich doch noch mit großem Erfolg bei Vox zu sehen ist, bereits auf DVD – man muss allerdings den Umweg über Frankreich gehen, wo die Serie „Boston Justice“ heißt, aber auf DVD trotzdem auch mit einer deutschen Tonspur versehen ist. (Sie ist übrigens selbst inklusive Auslandsversand noch günstiger als die deutsche Box sein wird, wenn sie erscheint.)
So umständlich ist es bei Mein Leben & ich nicht. Die großartige deutsche Serie mit Wolke Hegenbarth war über mehrere Jahre ein Erfolg im RTL-Programm und bei jeder Preisverleihung präsent, aber eines Tages verlor RTL noch vor den Zuschauern die Lust. 2007 wurde die sechste Staffel produziert — und bis heute nicht gezeigt. Im Juli 2009 war offenbar der Geduldsfaden am Ende, und so erschien die Staffel inklusive entsprechendem Aufdruck als „Weltpremiere auf DVD“.
Dieser Fall sollte zur Regel werden!
Das müsste nicht das Ende des Fernsehens, wie wir es kennen, sein. Die Mehrheit der Zuschauer wird wie bisher davon absehen, sich DVDs zu kaufen und sich für das entscheiden, was das Fernsehprogramm hergibt. Auch das Radio hat immer noch mehr Hörer als Compact Discs Käufer. Darüber hinaus gibt es genug Menschen, die z.B. Dirty Dancing oder Friends im Regal stehen haben und nur die DVD einlegen müssten, es aber trotzdem immer wieder im Fernsehen mit Werbeunterbrechungen ansehen, wenn es denn gerade kommt. Die Nebenbeizuschauer wird das Fernsehen ohnehin nicht verlieren. Aber für die Zuschauer, die sich ernsthaft für einzelne Sendungen interessieren, also für die, die die Sender ohnehin mit Füßen treten, wäre ein Umdenken ein Geschenk.