Leipziger Einheitsbrei
Bild: MDR/Junghans
Bilder sagen mehr als Worte, muss sich der Regisseur gedacht haben. Tatort Nummer 700 beginnt mit teils quälend langen Einstellungen, die in den ersten zehn Minuten nur durch wenig Textgeplänkel aufgelockert werden. Kommissarin Eva Saalfeld (Simone Thomalla) kommt im neuen Büro an und richtet es pedantisch ein. Ihr Ex-Mann und Neu-Kollege Andreas Keppler (Martin Wuttke) kommt am Bahnhof an und fährt mit der Straßenbahn zum Tatort. Originell an dieser Idee ist allenfalls, dass fast die komplette Fahrt abgefilmt wird.
Die Kommissarin spricht mit einer Zeugin, dann mit der Ex-Frau, dann mit dem Anwalt der Ex-Frau, und gleichzeitig begibt sich Frodo Keppler auf Wanderschaft durch Leipzig, allerdings ohne Gefährten und ohne dass klar wird, was das eigentlich soll. Ich dachte immer, die ersten Minuten entschieden über dranbleiben und abschalten.
Wer dranblieb, sah dann doch einen einigermaßen soliden Tatort-Krimi. Die Neuen aus Leipzig sind nett, umgänglich und äußerst scharfsinnig (Saalfeld) oder mürrisch, eigenbrötlerisch und noch scharfsinniger (Keppler). Nach vierzig Minuten nimmt die Geschichte um den ermordeten mutmaßlichen Kinderschänder endlich Fahrt auf. Der erste Verdächtige wird im Beisein seines gemischten Chores vernommen, und Keppler muss den Gag vom lieben Herrn Gesangsverein anbringen. Zwanzig Minuten später, der erste Verdächtige kann es natürlich nicht gewesen sein, und schwupps führt die nächste Spur zum nächsten Mutmaßlichen.
Am Ende war’s dann nicht der Gärtner, sondern der Postbote. Der Tote war auch kein Kinderschänder, sondern nur ein armer Kerl, der erst der Intrige seiner Ex-Frau und dann dem Messer des Postboten zum Opfer fiel. Schade, dass die Diskussion um Selbstjustiz nur angeschnitten wurde. Viel interessanter wäre es gewesen, wenn das Mordopfer tatsächlich Kinder missbraucht hätte. So war am Ende alles ein bisschen sehr schwarz-weiß, da hilft es auch nicht mehr, dass der Täter früher selbst Missbrauchsopfer war.
Trotz durchschnittlicher Tatort-Ware: Aus dem neuen Leipziger Team könnte etwas werden. Die Ausgangkonstellation der geschiedenen Eheleute, die gemeinsam ermitteln, ist zwar arg konstruiert, aber nie zu dick aufgetragen, sondern einfach nett gespielt. Vor allem Martin Wuttke nimmt man den ständig mies gelaunten Ermittler ab. Leider muss der in einer klischeebeladenen Pension wohnen: Ein seltsamer, schnodderiger Besitzer, und natürlich wohnt Keppler ausgerechnet in dem Zimmer, durch dessen Fenster die Leuchtreklame blinkt. Aber das sind sie eben, die Tatort-typischen Schnitzer. Genau wie das ambitionierte Drehbuch, leider weniger ambitioniert umgesetzt, die jungen Laienschauspieler, die sich grundlos in Rage brüllen, die Komparsen, die hölzern durch die Szene stolpern.
Für das Jubiläum hätte man sich Besseres gewünscht.
Lesen!
2003–2008 (ZDF). Halbstündiges Büchermagazin mit Elke Heidenreich.
Heidenreich sitzt hinter einem Schreibtisch auf der Bühne der Kölner Kinderoper und erzählt, welche Bücher ihr im Moment gut gefallen – vor einem Live-Publikum im Studio! Pro Sendung begrüßt sie außerdem einen prominenten Gast, mit dem sie für ein paar Minuten plaudert und der verrät, welche Bücher ihm im Moment gut gefallen. Harald Schmidt, Joschka Fischer und Literatur-Papst Marcel Reich-Ranicki gehörten zu den ersten Gästen.
Die schlichte Form und das Konzept, ausschließlich Empfehlungen und niemals Verrisse in die Sendung aufzunehmen, bescheren der Reihe gleich bei der Premiere mehr als zwei Millionen Zuschauer – eine sensationelle Quote für eine Literatursendung im Fernsehen. Alle empfohlenen Bücher stehen nach der Sendung ganz oben auf den Bestsellerlisten, und die Literaturwelt rätselt, was das Geheimnis des Erfolges ist. Es muss an Frau Heidenreich liegen: Das kurz vorher gestartete, viel aufwendigere Büchermagazin Druckfrisch mit Denis Scheck, mit dem Heidenreich eine kleine öffentliche Schlammschlacht anfing, schaffte ebenso wenig eine ähnliche Aufmerksamkeit wie Hans-Joachim Kulenkampff, der Heidenreichs schlichtes Konzept Anfang der 90er Jahre als Kulis Buchclub schon ausprobiert hatte.
Die Sendung lief sechsmal jährlich, zunächst dienstags nach 22.15 Uhr. Sie wechselte 2007 aber auf den Freitag gegen 22.30 Uhr, was sie rund ein Drittel ihrer Zuschauer kostete. Heidenreich war unzufrieden, dass das ZDF — entgegen angeblicher früherer Zusagen — trotzdem nicht an eine Rückkehr auf den alten Sendeplatz dachte. Als Marcel Reich-Ranicki es im Oktober 2008 ablehnte, den Deutschen Fernsehpreis anzunehmen, veröffentlichte Heidenreich in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ eine wütende Abrechnung mit dem Fernsehen insgesamt und dem ZDF insbesondere, die in den Sätzen gipfelte: „Man schämt sich, in so einem Sender überhaupt noch zu arbeiten. Von mir aus schmeißt mich jetzt raus, ich bin des Kampfes eh müde.“ Das ZDF tat ihr schließlich den Gefallen.
Heidenreich setzte ihre Sendung unter gleichem Namen und mit gleichem Konzept im Internet fort, auf der Videoplattform des Kölner Literaturfestivals „Litcologne“.
Let’s Dance
Seit 2006 (RTL). Tanzshow mit Hape Kerkeling und Nazan Eckes.
Prominente tanzen um die Wette. Dabei bekommt jeder Promi einen professionellen Partner zur Seite, mit dem gemeinsam er in jeder Sendung zu neuen Rhythmen vortanzen muss. Nach dem hundertmal gesehenen Prinzip beurteilt eine Jury die Leistungen, und das Fernsehpublikum stimmt telefonisch über seine Favoriten ab. Das letztplatzierte Tanzpaar fliegt jeweils raus. Filmchen vom Training ergänzen die Live-Show, und Nazan Eckes reportiert aus dem Backstage-Bereich, ob auch alle schön aufgeregt sind.
Die Jury der ersten Staffel bestand aus Katarina Witt, Michael Hull, Joachim Llambi und Markus Schöffl; Pepe Lienhard musizierte mit seinem Orchester. In der zweiten Staffel saß Ute Lemper an Witts Stelle, im Finale wiederum Dieter Bohlen an ihrer.
Die Show lief jeweils zum Staffelstart an einem Montag um 21.15 Uhr direkt nach Wer wird Millionär? in der Hoffnung, dass das erfolgreiche Quiz noch genug Publikum mitzöge, und dann samstags zur gleichen Zeit.
Vieles an dieser Show war überraschend: Dass sie erfolgreich war, dass Moderator Hape Kerkeling die ganze Sache auffallend ernst nahm, und dass die Teilnehmer der ersten Runde im Frühjahr 2006 tatsächlich ziemlich prominent waren, was man von ähnlichen Shows sonst nicht behaupten kann. Es tanzten an: Axel Bulthaupt, Wayne Carpendale, Wolke Hegenbarth, Heike Henkel, Jürgen Hingsen, Jochen Horst, Sandy Mölling und Heide Simonis. Letztere schied vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen aus, nachdem sie einer Hetzkampagne der „Bild“-Zeitung ausgesetzt war, die tagelang auf Seite 1 ihre Tanzversuche verhöhnt und sie als „Hoppel-Heide“ tituliert hatte. Finalsieger in der achten Ausgabe wurde Wayne Carpendale mit seiner Tanzpartnerin Isabel Edvardsson, und zur Belohnung durfte Carpendale im Herbst 2006 die sehr ähnliche Show Dancing On Ice moderieren.
In der zweiten Staffel ein Jahr später tanzten Jenny Elvers-Elbertzhagen, Eralp Uzun, Margarethe Schreinemakers, Markus Majowski, Guildo Horn, Ben, Jasmin Wagner, Giovane Élber, Katja Ebstein und Susan Sideropoulos um die Wette, letztere gewann mit ihrem Partner Christian Polanc.
Letzt Dance
Ich habe nicht mitgezählt, aber Hape Kerkeling benutzte im Finale von Let’s Dance so oft die Formulierung „zum letzten Mal“ oder eine vergleichbare, dass ich den Eindruck gewann, er wolle den alten Rekord von Thomas Ohrner aus dessen letzter Glücksrad-Sendung brechen. Damals habe ich noch mitgezählt. Es waren 38 Erwähnungen, also ziemlich genau eine pro Sendeminute. Diesen Schnitt wird Hape Kerkeling wegen der Show- und Tanzblöcke kaum erreicht haben, doch auffallend war es allemal. Trotzdem werde ich die Angst nicht los, dass es noch eine weitere Staffel geben könnte.
Leute heute
Seit 1997 (ZDF). Tägliches zehnminütiges Klatschmagazin über Prominente, Entertainment, Society und Lifestyle.
Die Sendung ist das ZDF-Pendant zu Exclusiv – Das Starmagazin auf RTL. Moderatorin und ein Jahrzehnt untrennbar mit der Sendung verbundenes Gesicht war Nina Ruge, deren Markenzeichen ihre immer gleiche Verabschiedung war, bei der man nie wusste, ob sie sie augenzwinkernd oder rundweg ernst meinte: „Alles wird gut.“ Nach der Tsunami-Katastrophe im Dezember 2004 verzichtete Ruge aus Pietät auf diese Verabschiedung, ließ aber wissen, dass sie sie wieder benutzen würde, wenn sie spürte, dass alles gut werde.
Außer Nina Ruge moderierten u. a. Barbara Hahlweg, Sibylle Nicolai, Kai Böcking, Cherno Jobatey, Achim Winter und Karen Webb. ZDF-intern gab es einigen Ärger um die Verwendung des Namens „Heute“ für ein Boulevardmagazin.
Im Februar 2007 ging Frau Ruges Prophezeiung endlich in Erfüllung und sie selbst in den Boulevard-Ruhestand, um mehr Zeit mit ihrem Ehemann verbringen zu können. Ihre letzte Sendung moderierte sie am 3. Februar, ein Datum, das zugleich das zehnjährige Bestehen der Sendung markierte. Karen Webb übernahm zwei Tage später die Nachfolge und Pierre Geisensetter ab jetzt die Vertretungen.
Lief anfangs werktags um 18.45 Uhr, direkt vor heute, ab September 1997 um 17.40 Uhr. Ab Januar 2003 kam eine sechste Ausgabe am frühen Samstagabend dazu, die eine halbe Stunde lang ist.
Lichtblicke
Da ich an dieser Stelle zu Beginn des Jahres sehr viel über die ambitionierte, aber teilweise übereifrige RTL-Serie Post Mortem geschrieben habe und nach deren Ende offen für eine Fortsetzung trotz stark gefallener Einschaltquoten plädierte, möchte ich heute kurz einen Gruß an RTL schicken und zu der mutigen Entscheidung gratulieren, tatsächlich eine zweite Staffel zu bestellen.
Und wenn ich schon dabei bin: Der großartige Dr. House erreichte gestern insgesamt deutlich über sechs Millionen Zuschauer und mehr als vier Millionen in der Zielgruppe, die die Werbewirtschaft übermütig Rad schlagen lässt. Das sind in beiden Gruppen so viele wie noch und in letzterer Wetten, dass…-?-Sphären. Noch einmal: Gratulation.
Zwei Dinge, die das komplett entsetzliche RTL-Nachmittagsprogramm für einen Moment vergessen machen.
Lie To Me
Ab 10. März 2010 (Vox). US-Krimiserie von Samuel Baum („Lie To Me“; seit 2009).
Dr. Cal Lightman (Tim Roth) ist zwar kein Polizist, klärt aber trotzdem Kriminalfälle auf. Er ist Psychologe und ein gefragter Experte, wenn es um Körpersprache und Gesichtsausdrücke geht. Dr. Lightman erkennt, ob jemand lügt, wenn er ihn nur ansieht, während er mit ihm spricht. Kein noch so kleines Zucken der Augenbraue, keine noch so winzige Veränderung der Mundwinkel entgeht ihm. Das ändert aber nichts daran, dass er und seine Mitarbeiter Verdächtige verhören und Beweise suchen müssen wie jeder normale Polizist auch, wenn die Privatfirma Lightman Group im Auftrag der Polizei oder der Staatsanwaltschaft agiert. Lightmans Mitarbeiter sind Dr. Gillian Foster (Kelli Williams), die er schon seit dem College kennt, Eli Loker (Brendan Hines), der nie lügt und mit seiner Ehrlichkeit viele Mitmenschen verschreckt, und Ria Torres (Monica Raymund), ein Naturtalent in Sachen Lügen entlarven, das Lightman am Sicherheitscheck des Flughafens entdeckt hat. Ferner ist Agent Ben Reynolds (Mekhi Phifer) vom FBI abgestellt, um die Lightman Group zu unterstützen. Lightmans Teenie-Tochter Emily (Hayley McFarland) ist zwar genervt, dass sie ihren Vater nicht anflunkern kann, verfügt aber selbst über ein ähnliches Talent.
Der lebende Lügendetektor ist das Extra dieser sonst nicht außergewöhnlichen Serie, und die Anwendung dieser Fähigkeit auch im Privatleben gewährleistet die humoristischen Momente der Serie. Vorbild ist der Psychologe Paul Ekman und sein Sachbuch „Gefühle lesen – Wie Sie Emotionen erkennen und richtig interpretieren“.
Die einstündigen Folgen laufen mittwochs um 21.15 Uhr.
Liebe auf Bewährung
1992 (ARD). 7-tlg. dt. Familienserie von Felix Huby.
Wie so viele Paare haben sich Peter Brocker (Sascha Hehn) und Dr. Sabine Ingwersen (Gila von Weitershausen) bei der Arbeit kennengelernt. Bei ihrer Arbeit in diesem Fall, denn sie ist Staatsanwältin und hat dafür gesorgt, dass er in den Knast kommt, unschuldig noch dazu. So dringend müsste er sich dann nicht in sie verlieben, sollte man denken, aber irgendwie stellen sie erst fest, dass sie einander nützlich sein können, und dann, dass die Liebe seltsame Wege geht. Es gibt allerdings noch das Problem, dass er sich in der Gegenwart ihrer feinen Freunde und sie sich in Gegenwart seiner prolligen Rockerkumpel nicht wohl fühlt. Ach, und Peters aktuelle Freundin Jeanette (Alexa Wiegand) natürlich. Dass Peters Kumpel Jerry (Jophi Ries) Mitglied der räuberischen „Viererbande“ ist, ist der Beziehung auch eher nicht zuträglich. Zwischendurch muss Peter sich noch um seine Kfz-Werkstatt kümmern, wo sich der neue Mitarbeiter Kalle Hansen (Heinz Schubert) mit Ismail Götken (Selçuk Sazak) anlegt. Aber der pensionierte Richter Dr. Korbinian (Heinz Reincke) kann in vielen Fällen helfen. Als Peter und Sabine schließlich Urlaub machen, er in Tirol, sie auf Mallorca, merken beide, dass sie ohne einander nicht sein wollen, und er fährt einfach zu ihr. Und weil es sich zum Glück nicht um einen 13-Teiler, sondern nur einen 7-Teiler handelt, ist sie nicht gleichzeitig auf dieselbe Idee gekommen, was das Happy-End „auf Bewährung“ nur unnötig aufgeschoben hätte.
Die einstündigen Folgen liefen im regionalen Vorabendprogramm. Und Felix Huby ist zu sehr Wiederholungstäter, als dass er mit Bewährung davon kommen würde.
Liebe isst… Das Single-Dinner
Seit 2007 (Pro Sieben) . Kochshow für Singles.
Vox ist am Vorabend erfolgreich mit einer Kochshow? Toll, das müssen wir unbedingt auch machen. Ich hab’s: Wir fangen an, wenn Das perfekte Dinner bei denen gerade zu Ende ist, also um 19.45 Uhr, dann können deren Zuschauer direkt zu uns schalten. Lass uns sicherheitshalber aber unbedingt das Wort „Dinner“ in die Titelzeile schreiben. Und vielleicht kann sich ja eine Single-Frau eine Woche lang der Reihe nach von vier Single-Männern bekochen lassen, quasi als Date. Dann sieht es so aus, als hätten wir wenigstens einen eigenen Dreh. Am Ende der Woche kann sie sich ja dann für einen entscheiden. Diesen Teil klauen wir einfach aus irgendeiner anderen Show. Was sagen Sie? Sie finden unsere Off-Texte lieblos? Isst doch egal…
Die Reihe lief so erfolglos am Vorabend, dass Pro Sieben alle überraschte, als noch eine zusätzliche Ausgabe donnerstags gegen 22.00 Uhr eingeführt wurde. Diese blieb auch im Programm, als die Liebe am Vorabend nach rund zwei Monaten ausgegessen hatte.
Liebe mich und meine Kinder
Ab 31. August 2008 (Vox). Dokusoap über alleinerziehende Väter, die eine Partnerin fürs Leben suchen und es für eine Riesenidee halten, die Kinder über die Bewerberinnen entscheiden zu lassen.
Die zweistündigen Folgen laufen sonntags um 18.15 Uhr.