Das Geheimnis von Twin Peaks
1991 (RTL); 1992 (Tele 5). 30‑tlg. US‑Krimi-Mysteryserie von David Lynch und Mark Frost (Twin Peaks; 1990–1991).
Der FBI-Agent Dale Cooper (Kyle MacLachlan) kommt in das Städtchen Twin Peaks, um dort gemeinsam mit dem örtlichen Sheriff Harry S. Truman (Michael Ontkean) den Mord an der 17‑jährigen Schülerin Laura Palmer (Sheryl Lee) aufzuklären. Cooper genießt den örtlichen Kirschkuchen und den verdammt guten Kaffee und spricht alle wichtigen Ermittlungsschritte und neuen Erkenntnisse für seine (nie zu sehende) Assistentin Diane in ein Diktiergerät. Nach und nach lernt er die merkwürdigen Menschen von Twin Peaks und ihre Geheimnisse kennen, ebenso die der so harmlos erscheinenden Schülerin Palmer, die sich posthum als sexbesessene, drogensüchtige Schlampe entpuppt.
Zu den Einwohnern gehören: Die Truckerfrau Shelley Johnson (Madchen Amick), Lauras Freund Bobby Briggs (Dana Ashbrook), der Hotelbesitzer Benjamin Horne (Richard Beymer), seine Tochter Audrey (Sherilyn Fenn), Dr. William Hayward (Warren Frost), seine Tochter Donna (Lara Flynn Boyle), die Lauras beste Freundin war, die Restaurantbesitzerin Norma Jennings (Peggy Lipton), James Hurley (James Marshall), sein Onkel Big Ed (Everett McGill), ein Tankstellenbesitzer, Lauras Vater Leland Palmer (Ray Wise), der Trucker Leo Johnson (Eric Da Re), die Witwe Jocelyn „Josie“ Packard (Joan Chen) und ihre Schwägerin Catherine Martell (Piper Laurie), der Psychiater Dr. Lawrence Jacoby (Russ Tamblyn), Lauras Cousine Madeleine Ferguson (Sheryl Lee), die „Log Lady“ Margaret (Catherine E. Coulson), die immer mit einem Stück Holz herumläuft und mit ihm spricht, und Sheriff Trumans Deputies Tommy Hill (Michael Horse) und Andy Brennan (Harry Goaz). Nach monatelanger Suche findet Cooper Lauras Mörder schließlich in ihrem eigenen Vater, der von einem bösen Geist besessen ist und sich oft in den Amok laufenden Irren Bob (Frank Silva) verwandelt.
Die Suche nach Lauras Mörder erstreckte sich über den größten Teil der Serie, jedoch nicht bis zum Ende. In Folge 16 wird Leland alias Bob entlarvt, und FBI-Agent Cooper kümmert sich anschließend um andere Merkwürdigkeiten, die in der Stadt vorgehen, in der niemand ist, was er scheint, und nicht einmal das ist, was er gerade noch war. Der Mord an Laura Palmer gehört für Cooper zu einem ganzen Netz von Verbrechen, mit dem sein ehemaliger Kollege Windom Earl (Kenneth Welsh) auf eine verstiegene Art Rache an ihm zu nehmen versucht. Formaler gesagt, löst sich Twin Peaks nach der Täterfindung von der Simulation einer endlichen Krimiserie in die Simulation einer unendlichen Soap auf und kehrt damit in genau jene Fernsehwelt zurück, in der in vielen Folgen im Hintergrund immer wieder Ausschnitte aus der fiktiven Soap „Invitation to Love“ liefen.
Als einziger halbwegs „normaler“ Charakter geht nur der Sheriff Harry S. Truman durch – der allerdings dank seines Namens allem, was er tut, trotzdem eine ironische Wendung gibt. Eine kleine Nebenrolle hat der noch unbekannte David Duchovny, der später mit Akte X weltberühmt wurde. Er spielt den ermittelnden Transvestiten Dennis/Denise Bryson. Darstellerin Sheryl Lee war gleich in zwei Rollen zu sehen. Sie spielte Lauras Cousine und zugleich auch die ermordete Laura, die immer wieder in Traumsequenzen und Rückblenden auftauchte. Regisseur und Serienerfinder David Lynch selbst trat in einer Nebenrolle als Gordon Cole auf. Sherilyn Fenn spielte nicht nur in der Serie als Audrey mit ihren weiblichen Reizen, sie zog sich auch für den „Playboy“ aus, was dazu führte, dass der „Twin Peaks“-Kalender von Ladenketten in den USA boykottiert wurde.
RTL zeigte nur die ersten 21 Folgen freitags um 21.15 Uhr; die übrigen hatte der Sender von Anfang an nicht gekauft. Die restlichen neun liefen im Anschluss innerhalb von vier Wochen bei Tele 5.
Als die Serie startete, versuchte Konkurrenzsender Sat.1 den Zuschauern die Spannung zu verderben, indem er in seinem Videotext bereits den Mörder verriet, und zwar mit den Worten: „Liebes RTLplus, sei nicht traurig. Sat.1 hilft allen Deinen Zuschauern beim Gewinnspiel zu ›Twin Peaks‹, auf die Gewinnerstraße zu kommen. Laura Palmer wurde von ihrem Vater Leland Palmer umgebracht. Der Vater war sauer über seine kokainsüchtige Tochter, die der Wanderpreis (jeder hatte sie mal) der Gemeinde war. Außerdem wollte sie verraten, dass er vom bösen Geist besessen ist. So war’s in den USA – aber vielleicht synchronisiert RTL ja einen anderen Mörder rein …?“ RTL klagte dagegen und erwirkte einen Beschluss des Landgerichts Hamburg, wonach Sat.1 „sittenwidrig“ gehandelt habe. Sat.1 wies darauf hin, dass die Auflösung schon vorher in zwei Zeitschriften gestanden habe. Kritiker merkten an, dass es sich offensichtlich um ein Déjà-vu handele, siehe Das Halstuch. Und fast niemand wies darauf hin, dass es ein großes Missverständnis war, Twin Peaks überhaupt als klassische Detektivgeschichte aufzufassen. Die Ermittlungen waren für David Lynch nur der Vorwand, immer neue Abgründe der Einwohner von Twin Peaks zu zelebrieren und die Erwartungen der Zuschauer an einen irgendwie rational nachvollziehbaren oder auch nur in sich stimmigen Krimiplot immer wieder zu brechen.
Eine Methode, mit der Cooper der Lösung des Falls näher kommt, stammt angeblich aus der tibetanischen Mystik. Er hat sie unbewusst in seinen Träumen erlernt (die überhaupt ebenso verstörend wie hilfreich bei seiner Arbeit sind). Cooper ordnet den Verdächtigen Glasflaschen zu, auf die er mit einem Stein wirft. Je nachdem, ob der Stein die Flasche verfehlt oder trifft oder gar trifft und zerbricht, gilt ihm jemand als mehr oder weniger verdächtig. Wer nach dieser Szene (und Dutzenden ähnlichen) die Serie mit der Logik einer Derrick-Folge nachzuvollziehen versucht, ist selbst schuld.
Twin Peaks lebte nicht vom „Whodunnit“ einer klassischen Detektivgeschichte, sondern von seiner Komplexität, Vieldeutigkeit und der bewussten Verwirrung seiner Zuschauer. In der letzten Szene zerbricht Cooper einen Spiegel, in dem Bob erscheint, der Mörder, von dem nun anscheinend Cooper besessen ist. Das lässt sich als Parallele zur ähnlich komplexen Serie Nummer sechs interpretieren, in der ebenfalls am Ende angedeutet wird, dass die beiden scheinbaren Gegenspieler „Nummer 6″ und „Nummer 1″ in Wahrheit identisch sind. Vor allem aber ließ der Schluss unendlich viele Fragen offen. Die Antwort erhofften sich Fans vom Fernsehfilm „Twin Peaks – Der Film“ („Twin Peaks: Fire Walk With Me“; 1992), der 1995 auf Pro Sieben lief und natürlich alle Fragen offen ließ. Er stellte sich als Prequel heraus, das die letzten Wochen der Laura Palmer vor ihrem Tod schilderte.
Der große Erfolg der Serie blieb in Deutschland aus, und auch in den USA ließ die anfangs gewaltige Anteilnahme der Zuschauer nach dem ersten Hype schnell nach. Doch eine kleine Fangemeinde ließ sich vom einzigartig surrealen und seltsamen Universum von Twin Peaks dauerhaft faszinieren. Die verstörend schöne Titelmusik stammt von Angelo Badalamenti.
Das große Geschichtsklittern mit Jörg Pilawa
Jörg Pilawa hat dem Online-Medienmagazin DWDL ein langes, zorniges Interview gegeben, dessen Aussagen sich ungefähr in einem Satz zusammenfassen lassen: Alle außer mir machen nur Kacke.
Meine Lieblingsstelle ist diese:
Aber auch die Talksendungen haben sich verändert. Ich habe vor kurzem ins Archiv geguckt: Was waren unsere ersten Themen beim Daily Talk? Eine meiner ersten Sendungen war ein Interview mit einer zu lebenslanger Haft verurteilten Frau. Das war ein ruhiges, reflektiertes Gespräch. Liefe das heute in der ARD, würde sich niemand an den Kopf greifen und „Oh Gott, Daily Talk!“ aufjaulen. Wenn ich heute in eine tägliche Talkshow schaue, sehe ich ins Zahnlose. Da sitzen nur noch die „Schlampen“ und „Sozialschmarotzer“. Solche Sendungen haben wir früher nicht gemacht! Da hätten uns die Landesmedienanstalten sofort verboten! Wir waren deutlich harmloser.
Das ist ja interessant.
Pilawas erste Sat.1-Talkshow am 19. Januar 1998 hatte das Thema „Mein Kind ist fett — ich schäme mich so“.
Weitere Höhepunkte seiner Sendung, die morgens um 11 Uhr ausgestrahlt wurde, waren in den folgenden zwölf Monaten:
- Frauen sind dümmer als Männer! — Ich kann’s beweisen (20.1.1998)
- Unsere Welt — ich kann sie nur im Suff ertragen (5.2.1998)
- Mami, warum gehst du auf den Strich? (13.2.1998)
- Starr nicht auf meinen Busen — Ich hab auch ein Gesicht! (17.2.1998)
- Liebling, was hast du gegen Pornos? Guck doch einfach mit! (25.2.1998)
- Dicke in Dessous — das will ich sehen! (3.2.1998)
- Mein Nachbar nervte, da hab‘ ich zugeschlagen (4.2.1998)
- Schaut her! Ich zeig‘ mich gerne nackt (17.3.1998)
- Keiner kann mich leiden, weil ich so häßlich bin (2.4.1998)
- Schatz, kauf‘ dir endlich Strapse, dann hab‘ ich wieder Lust auf dich (16.4.1998)
- Meine Tochter ist eine Hure, ich steh‘ zu ihr (7.5.1998)
- Sex ist alles, was ich von dir will (12.5.1998)
- Nur Groupie? Ich will ein Kind von einem Star! (15.5.1998)
- Ich laß‘ nur dicke Frauen in mein Bett (8.6.1998)
- Zeig‘ mir deinen Körper und ich sag‘ dir, ob ich dich will (18.6.1998)
- Wenn du mit dem Fressen nicht bald aufhörst, verlasse ich dich (3.9.1998)
- Dir sollte man die Kinder wegnehmen (9.9.1998)
- Vergiß das Kleid – dafür bist du zu dick (23.9.1998)
- Mein Busen ist mein ganzer Stolz (30.9.1998)
- Für meine Karriere treib‘ ich ab (5.10.1998)
- Ich schäme mich: Die Nacht mit dir ist mir peinlich (26.10.1998)
- Schämst du dich nicht? Er ist doch viel zu alt für dich (11.12.1998)
- Schatz, ich halte es nicht mehr aus: Ich will getrennte Betten (21.12.1998)
- Du bist eine Schande für unsere Familie (4.1.1999)
Historisch (und psychologisch) bemerkenswert auch, dass Pilawa neben den „Schlampen“ ausgerechnet die „Sozialschmarotzer“ als Erkennungsmerkmal heutiger schlimmer Talkshows ausgemacht hat — im Gegensatz zu den harmlosen Zeiten damals. Bereits in der zweiten Sendewoche lautete das Thema seiner Show: „Laßt mich in Ruhe – Ich will nicht arbeiten“. Es folgten u.a.:
- Sozialschmarotzer! Für euch zahl‘ ich nicht mehr (2.3.1998)
- Wozu arbeiten? Ich werde lieber Mutter und kassier‘ das Kindergeld (4.6.1998)
- Hausfrauen sind doch zu faul zum Arbeiten (16.6.1998)
- Laßt mich in Ruhe — ich will nicht arbeiten (8.7.1998)
- Du liegst mir auf der Tasche — such‘ dir endlich einen Job (22.10.1998)
- Wer heutzutage noch arbeitet, ist zu dumm, Sozi zu kassieren (2.11.1998)
Übrigens war Anlass des Interviews mit Pilawa ein Geschichtsbuch, das er geschrieben hat. Gegen das von ihm produzierte Fernsehquiz zum Thema, beklagt er sich, hätte die ARD viele Einwände gehabt, denn Geschichte sei für viele „ja per se etwas Trockenes, Seriöses, das muss ja wissenschaftlich untermauert und fundiert und mit Quellen belegt sein“.
Dabei muss das gar nicht sein. Man kann sie sich schon nach zehn Jahren nach Belieben zurechtklittern.
Das Jahr des Affen. Und des Pferdes!
Ein gutes neues Jahr.
Auch wenn Menschen, die in Nord- oder Ostdeutschland aufgewachsen sind, jetzt fragend auf ihren Bildschirm starren werden, aber der Affe und der Gaul, die da unten gleich singen, sind im Südwesten Kult.
Das schwäbisch sprechende Duo Äffle und Pferdle war für das Werbefernsehen des SDR, was die Mainzelmännchen für das ZDF oder Ute, Schnute, Kasimir für den WDR waren: In kurzen Zeichentrickfilmchen, die nur wenige Sekunden dauerten, traten sie mit allerlei Witzchen zwischen den Werbespots auf und machten auf diese Weise die Werbeblöcke zwar noch länger, aber auch unterhaltsamer. Sie tun das beim SWR bis heute, auch wenn die Produktion längst eingestellt wurde und viele es nicht mehr merken, weil erstens das ARD-Vorabendprogramm weitgehend uninteressant geworden ist und zweitens dank Kabel- oder Satellitenempfang und dem Rückgang terrestrischen Empfangs längst nicht mehr jeder zwingend das sieht, was der „Heimatsender“ in seinem Bundesland ausstrahlt.
Heute wird das Pferdle 50 Jahre alt (das Äffle kam erst später dazu). Hier steht die Geschichte etwas ausführlicher. Und als Ständchen (pardon: vermutlich heißt es in der Landessprache „Ständle“) singen sie sich selbst jetzt ihren größten Hit.
Das RTL-Nachtragsjournal
RTL feiert heute den 15. Geburtstag seines Nachtjournals. Das ist einigermaßen logisch, denn das RTL-Nachtjournal ging zum ersten Mal am 3. Januar 1994 auf Sendung, und seit dem 3. Januar 2009 musste RTL ja zunächst einmal wochenlang den Geburtstag des ganzes Senders feiern, da konnte man sich nun wirklich nicht um jede einzelne Sendung kümmern.
RTL sollte das um sechs Wochen verpennte Ereignis bloß nicht nutzen, um für seine enorme Aktualität zu werben.
Das Nachtjournal setzte Maßstäbe, denn vorher war kein Sender auf die Idee gekommen, dass man seine Zuschauer auch nachts noch informieren könnte, und seitdem machen es alle. Und für die ersten zehn Jahre hatte RTL noch ein anderes Alleinstellungsmerkmal: Heiner Bremer.
Was soll’s also, feiern wir eben mit.
Das Sandmännchen
1959–1989 (ARD, Dritte). Fünfminütige Sendung, in der Kindern, kurz bevor sie ins Bett müssen, noch einmal kurze Bildergeschichten gezeigt werden, die ihnen eine freundliche Puppe mitbringt: das Sandmännchen.
Die erste Figur war eine Handpuppe von Johanna Schüppel, die nach einer Idee von Ilse Obrig entwickelt worden war. Inspiriert wurde Obrig dazu durch den Abendgruß im DFF, der damals noch ohne Sandmann auskam und seinerseits auf die DDR-Radiosendung „Abendlied“ zurückging, die wiederum von Obrig erfunden worden war. Als im DFF bekannt wurde, dass im SFB an einer Sandmann-Figur gearbeitet wurde, setzten die Mitarbeiter alles daran, schneller zu sein als die West-Kollegen. Tatsächlich kamen sie ihnen mit Unser Sandmännchen gut eine Woche zuvor und gingen schon am 22.11.1959 auf Sendung. Der West-Sandmann tauchte erstmals am 01.12.1959 auf – allerdings nicht, weil man langsamer arbeitete, sondern weil die Sendung ohnehin erst für die Vorweihnachtszeit vorgesehen war.
Das bekannteste Sandmännchen der Bundesrepublik wurde 1962 von Herbert K. Schulz entwickelt. Er war ein Greis mit Kinnbart, der auf einer Wolke lebte und die Filme mit den Worten ankündigte: „Nun liebe Kinder, gebt fein acht, ich hab’ euch etwas mitgebracht.“ Auch die Verabschiedung war immer gleich: „Auf Wiederseh’n. Und schlaft recht schön.“ Das dazugehörige von Kindern gesungene Lied ist von Kurt Drabek (Musik) und Helga Mauersberger (Text): „Kommt ein Wölkchen ahangeheflogen, schwebt herbei ganz sacht, und der Mond am Hihimmehel droben hält derweil schon Wacht. Abend will es wieder werden, alles gehet zur Ruh, und die Kinder auf der Erden machen bald die Äuhäuglein zu. Doch zuvor von fern und nah ruft’s: Das Sandmännchen ist daaaa.“
Foto: rbb
Richtig glücklich scheint man im Westen mit seinen verschiedenen Sandmännern nicht gewesen zu sein. 1966 versuchte der WDR, den Ost-Sandmann zu kaufen und entwickelte, als das DDR-Fernsehen trotz der verlockenden Devisen ablehnte, einen „Sandmann International“: Eine tanzende und singende Samson-ähnliche Figur, in der eine kleine Frau steckte. Anfang der 80er Jahre entstanden eine ganze Reihe neuer Sandmann-Figuren.
Eine der frühen und beliebtesten Serien, die das Sandmännchen mitbrachte, war „Hilde, Teddy, Puppi“, gespielt von der Augsburger Puppenkiste gemeinsam mit der ersten deutschen Fernsehansagerin Hilde Nocker. Die Puppenkiste lieferte viele hundert weitere Folgen verschiedener Serien. Langlaufende Reihen waren außerdem u.a. „Die Wawuschels“, eine grünhaarige Sippe mit Vater, Mutter, Opa, Onkel und den Kindern Wischel und Wuschel, die in einem dunklen Berg leben, den sie mit ihren Haaren beleuchten, in Eintracht mit ihrem Hausdrachen und in Zwietracht mit dem grimmigen Mamoffel und den Zazischels, und die sich von Tannenzapfenmarmelade ernähren; „Piggeldy und Frederick“, eine Legetrickserie mit einem kleinen und einem großen Schwein, in der das kleine (Piggeldy) seinen großen Bruder Frederick zu allen möglichen Alltagssituationen ausfragt und Frederick alles mit abnehmender Geduld beantwortet (der Off-Sprecher schloss jede Folge mit den Worten: „Und Piggeldy ging mit Frederick nach Hause“), sowie „Cowboy Jim“; „Trixi Löwenstark“; „Käpt’n Smoky“, „Der kleine Pirat“ und „Der Tierbabysitter“.
Das Sandmännchen lief im regionalen Vorabendprogramm ungefähr um 19.00 Uhr. Es erreichte nie die Beliebtheit seines ostdeutschen Vetters und wurde noch vor der Wende unauffällig eingestellt, weil Kinder für das kommerziell orientierte Vorabendprogramm der ARD als Zielgruppe uninteressant waren. Ohnehin hatten verschiedene ARD-Sender das Sandmännchen schon seit längerer Zeit nur noch in ihrem dritten Programm gezeigt.
Der 7. Sinn
1966–2005 (ARD); seit 2005 (WDR). Dreiminütige Ratgebersendung mit Tipps zum Verhalten im Straßenverkehr.
In Kooperation mit der Deutschen Verkehrswacht warnte Der 7. Sinn vor Risiken auf der Straße oder dem, was er dafür hielt, z. B. Frauen. Die könnten nämlich beispielsweise „Distanzen schlechter einschätzen als Männer“. Weitere Originalzitate aus den 70er-Jahren: „Es gibt falsche Verhaltensweisen, die besonders häufig bei Frauen beobachtet werden. Zum Beispiel Nichtbeachten der Vorfahrt.“ – „Frauen fahren meist vorsichtiger als Männer, weil ihnen die Übung fehlt. Sie behindern dann den fließenden Verkehr.“ – „Viele Frauen scheuen das Anlegen des Sicherheitsgurts, weil sie Angst um ihren Busen haben. Diese Sorge ist unnötig, sagen Mediziner, wenn der Gurt richtig sitzt.“
Darüber hinaus wurden Themen behandelt, die auch im theoretischen Fahrprüfungsbogen eine Rolle spielten. Es ging um richtiges Abbiegeverhalten, vorausschauendes Fahren bei der Gefahr von Wildwechsel, Vorsicht bei schlechter Witterung und darum, dass es bei total vereisten Scheiben nicht ausreicht, ein Guckloch ins Eis zu hauchen. Vor allem aber wurde gezeigt, wie Unfälle verhindert werden können, oder genauer: wie Unfälle aussehen, wenn sie nicht verhindert werden. Zur Produktion der kurzen erklärenden Einspielfilme wurden allein in den ersten 30 Jahren mehr als 1000 Autos zu Schrott gefahren. Dazu wurden Altautos benutzt, die aber neu lackiert waren. 1973 kostete das 100 DM pro Wagen.
Off-Sprecher der Hinweise war Egon Hoegen, dessen Stimme auch den Internationalen Frühschoppen eingeleitet hatte. Das Konzept stammte von Alfred Noell auf Initiative von Günter Wind, dem damaligen Präsidenten der Deutschen Verkehrswacht. Die markante dramatische Titelmusik zur gezeichneten Verkehrsampel stammt von Kenny Clarke und France Boland und ihrer Bigband.
Der 7. Sinn musste seinen Sendeplatz mehrfach räumen und umziehen, lief aber fast immer im Abendprogramm. Er startete am Freitag um 21.45 Uhr direkt nach dem Krimi, um für das wichtige Thema hohe Zuschauerzahlen zu erreichen, gab ein kurzes Gastspiel am Montag, erlebte 1978 einen dramatischen Quoteneinbruch am Freitag um 17.50 Uhr und zog schließlich für sehr lange Zeit auf den Donnerstag, wo er mal um 20.15 Uhr direkt nach der Tagesschau, mal um 21.00 Uhr direkt vor der Show gezeigt wurde. Im November 1994 wurde 18.05 Uhr am Sonntag die neue Heimat. Als die ARD im März 2005 ihren frühen Sonntagabend umbaute, um dort den Bericht aus Berlin unterzubringen, war für den 7. Sinn kein Platz mehr. Er wurde nun nur noch in den Dritten Programmen ausgestrahlt. Eine Einstellung sei nicht geplant, hieß es bei der ARD, die Sendung sei „nicht wegzudenken“. Allerdings war ihr plötzliches Fehlen anscheinend auch niemandem aufgefallen …
Die Beiträge wurden in etliche andere Länder verkauft, anfangs auch kostenlos als Entwicklungshilfe afrikanischen Staaten zur Verfügung gestellt.
Die Produktionsfirma Cine Relations von Alfred Noell produzierte auch fast alle anderen Verkehrssendungen im deutschen Fernsehen wie Verkehrsarena oder So läuft’s richtig.
Der alte Mann kommt übers Meer
Da ist der Urlaub zu Ende, man steigt aus dem Flugzeug, und dann das: Heinz Reincke ist tot, Leo Kirch ist tot, und Thomas Gottschalk wechselt zur ARD.
Die Reintegrierung Thomas Gottschalks in den deutschen Alltag wird Auswirkungen auf den Inhalt seiner Sendung haben. So wird er in Zukunft weniger Anekdoten zu erzählen haben, mit welchen seiner Hollywoodstar-Nachbarn in Malibu er gegrillt, wen er beim Einkaufen getroffen und wen umarmt hat. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum seine neue ARD-Show zweieinhalb Stunden kürzer sein wird als seine jetzige ZDF-Show.
Gehen wir’s durch:
- Kein Studiopublikum, heißt kein langes nickendes und dankendes Rumstehen mit ausgebreiteten Armen. Zwei Minuten Zeit gespart.
- Keine Musikacts. 17 Minuten.
- Keine Wetten. Elf Minuten.
- Keine Bewerbung der neuen Rosamunde-Pilcher-Filme. Zwei Minuten.
Wenn die Sendung dann immer noch zu lang ist, muss Gottschalk seine Entweder-Oder-Fragen an seine Gäste auf drei Minuten pro Frage begrenzen, und notfalls kann auch noch die Zeit, die die Gäste für ihre Antwort zur Verfügung haben, von kaum auf keine gestrafft werden.
Interessanter als der Inhalt von Gottschalks neuer Show ist – abgesehen von, sagen wir… allem anderen – der künftige Ablauf des ARD-Programms vor der Tagesschau. Gottschalk soll viermal pro Woche eine halbe Stunde lang „vor der Tagesschau“ auf Sendung gehen. Nehmen wir mal an, dass damit nicht die 15-Uhr-Ausgabe gemeint ist, und nehmen wir an, „vor der Tagesschau“ heißt „an die Tagesschau grenzend“. Dann fragt man sich, wo die neuen regional gefärbten Schmunzelkrimis, die das Erste seit einiger Zeit ankündigt und dreht, noch ihren Platz finden sollen. DWDL hat der ARD bereits eine Beteuerung abgerungen, an den geplanten Serien festhalten zu wollen. Der Plan, damit auch Zuschauer erreichen zu wollen, scheint dagegen nicht mehr so wichtig zu sein. Denn wenn Gottschalks halbe Stunde spätestens um 19.30 Uhr beginnen soll, müssen die regional gefärbten Schmunzelkrimis deutlich vor 19.00 Uhr beginnen. Zu dieser Zeit guckt der öffentlich-rechtlich geneigte Zuschauer aber bereits die regional betitelten SOKO-Krimis. Eine Chance haben die ARD-Serien nur, wenn sie sich nicht mit den ZDF-Serien überschneiden. Dem Vor-Gottschalk-Plan gemäß wäre das noch aufgegangen. Aber hey, wenn Rapunzel sein gülden Haar zur ARD herablässt, wer denkt dann noch an morgen?
In den vergangenen Jahren war das ARD-Vorabendprogramm eine Mischung aus Versuchslabor und Trümmerfeld. Weitgehend ideen- und konzeptlos warfen die Programmplaner alle erdenklichen Formate an die Wand, in der Hoffnung, dass irgendwann mal eins haften bleiben würde. Mit den neuen Krimiserien hatte die ARD endlich ein durchdachtes und auf mehr als ein paar Wochen angelegtes Konzept für das von Werbung durchsetzte Vorabendprogramm, das durchaus ein paar jüngere Zuschauer anziehen soll. Stattdessen wird dieses Vorabendprogramm in Zukunft von einem 61-jährigen Mann geprägt, der gern von früher erzählt. Einem Mann, der mit Wetten, dass…? zwar eine der erfolgreichsten Sendungen der TV-Geschichte präsentiert hat, daneben aber seit dem Ende von Na sowas 1987 nie wieder eine Reihe etablieren konnte, die entweder ein langfristiger Erfolg gewesen oder wenigstens besonders positiv in Erinnerung geblieben wäre.
Mensch, da kann ja eigentlich nichts schief gehen.
Ebenfalls ungeklärt ist, wie diszipliniert sich Gottschalk in einer täglichen Live-Sendung an die vorgegebene Sendelänge halten kann, oder ob bald zwar die Tagesthemen an vier von sieben Tagen endlich eine einheitliche Startzeit haben werden, dafür aber die Tagesschau nicht mehr.
Der Fahnder
1985–2005 (ARD). 203-tlg. dt. Krimiserie.
Ein unkonventioneller Polizist ermittelt im Ruhrgebiet. Fahnder Faber (Klaus Wennemann) ist Drauf- und Alleingänger, ein Grübler, jemand, der auch mal die Geduld verliert. Er hat mit dem korrekten Max Kühn (Hans‑Jürgen Schatz) sein eigenes Gegenteil als Partner. Viele der Fälle finden ihren Ursprung im „Treff“ von Fabers Freundin Susanne (Barbara Freier), der zunächst eine Imbissbude und später eine Kneipe ist. Irgendwer dealt dann dort mit irgendwem schmutzige Geschäfte. Fabers Methoden entsprechen nicht den gängigen der Polizei, was Fabers Chef Rick (Dietrich Mattausch) zur Verzweiflung treibt. Zum Team gehört noch der uniformierte Beamte Otto Schatzschneider (Dieter Pfaff), der im Innendienst arbeitet. Ihren Arbeitsplatz nennen sie „Aquarium“.
Ende Dezember 1993 trifft Faber die schwere Entscheidung, dass das Privatleben Vorrang hat. Susanne zieht mit ihrem Baby nach Irland, Faber begleitet sie. Gleichzeitig kündigt auch Max. Neuer Fahnder wird im Januar 1994 Thomas Becker (Jörg Schüttauf). Auch er hat unkonventionelle Methoden, die Rick zur Verzweiflung treiben. Seine Freundin ist erst Yvonne Meinecke (Nicola Tiggeler), dann Conny Seitz (Susann Uplegger). Den „Treff“ betreibt jetzt Ottos Freundin Elli (Rita Russek). Otto selbst wird in den zivilen Dienst befördert und Beckers Partner. Zu ihnen stößt noch Gregor Solomon, genannt Solo (Jophie Ries), der verdeckt ermittelt.
Das Team bleibt bis Frühsommer 1997, ab Januar des Folgejahres hat Rick eine komplett neue Mannschaft unter sich. Fahnder Martin Riemann (Michael Lesch) bringt seinen Partner Kalle Mischewski (Thomas Balou Martin) gleich mit, bekommt aber im März mit Thomas Wells (Martin Lindow) schon wieder einen neuen. Ebenfalls im „Aquarium“ arbeitet Konstantin Bröcker (Sascha Posch), ein junger Kollege im uniformierten Dienst. Riemann ist mit der Gerichtsmedizinerin Dr. Katharina Winkler (Astrid M. Fünderich) befreundet. Der entschlossene Tom Wells wird nach Riemanns Tod im Januar 2001 selbst der neue Fahnder, sein neuer Kollege der ruhige und damit wieder gegensätzliche Guido Kroppeck (Andreas Windhuis). Das Team komplettieren weiterhin Bröcker, Dr. Winkler und Rick.
Der Fahnder lief im Vorabendprogramm und blieb trotz mehrfachen Ausstiegs der Hauptdarsteller eine der erfolgreichsten ARD-Serien. Wennemann spielte den Fahnder in 91 Folgen; sein Faber hatte keinen Vornamen. Schüttauf spielte den Fahnder 60‑mal, Lesch 26‑mal. Er stieg Ende 2000 aus, weil er an Krebs erkrankt war, den er später überwand. Lindow, der bereits in 19 Lesch-Folgen dabei war, übernahm die Titelrolle zunächst 13-mal. 13 weitere Folgen mit ihm wurden Anfang 2001 gedreht und für Jahre ins Archiv verbannt, weil der Seriensendeplatz am Vorabend abgeschafft wurde. Sie wurden erst im Sommer 2005 gezeigt, jetzt zur Primetime montags um 20.15 Uhr. Einziger Darsteller, der von Anfang bis Ende dazugehörte, war Dietrich Mattausch als Rick. Dessen Vorname spielte zwar auch keine große Rolle, er hatte aber immerhin einen: Norbert. Schauplatz der Serie war eine fiktive und zunächst nicht genannte Großstadt, der man später den Namen Gleixen gab. Gedreht wurde anfangs im Raum München, ab Folge 152 (Einstieg Leschs) im Raum Köln.
Eine Folge in der Regie von Dominik Graf, in der ein Polizist als eine Art vorbeugenden Selbstschutz einen Kriminellen zusammenschlägt, lief nur im WDR. Die anderen Anstalten hielten sie nicht für zeigbar.
Der Fahnder erhielt mehrere Auszeichnungen, darunter den Grimme-Preis mit Bronze 1989, außerdem den italienischen Fernsehpreis „Telegato“ für „Faber l’investigatore“.
Der Geist und Mrs. Muir
1970–1973 (ARD). 43‑tlg. US‑Sitcom nach dem Roman von R. A. Dick („The Ghost And Mrs. Muir“; 1968–1970).
Die Witwe Carolyn Muir (Hope Lange) zieht mit ihren acht und neun Jahre alten Kindern Jonathan (Harlen Carraher) und Candy (Kellie Flanagan) und dem Hund Scruffy in ein Haus, das im 19. Jahrhundert Kapitän Daniel Gregg (Edward Mulhare) gehörte. Der ist zwar tot, spukt aber jetzt als Geist in seinem Haus herum. Gern steht er auf dem Speicher hinter einem großen Steuerrad und tut so, als befände er sich noch immer auf der Kommandobrücke eines seiner Schiffe – vor allem bei Gewitter. Anfangs lehnt er Carolyn ab und will sie vertreiben, wie er es mit allen getan hat, die bisher versucht haben, in das Haus einzuziehen. Mrs. Muir lässt sich von dem verrückten Geist jedoch nicht einschüchtern. Also findet er sich mit ihr ab und beschützt sie fortan sogar, wo er kann. Martha Grant (Reta Shaw) ist die Haushälterin der Muirs, Claymore Gregg (Charles Nelson Reilly) der Neffe des toten Kapitäns, der großen Respekt vor dem Geist seines Onkels hat.
Das Buch von Josephine Leslie, das sie unter dem Pseudonym R. A. Dick geschrieben hatte, war bereits 1947 mit Gene Tierney und Rex Harrison fürs Kino verfilmt worden. Dass diese Serie überhaupt eine Fangemeinde gewann, muss Zufall gewesen sein. Die ARD machte es den Zuschauern extrem schwer, sich daran zu erinnern, wann man sie sehen konnte. Sie lief zunächst unregelmäßig, meist mittwochs um 17.30 Uhr, manchmal aber auch samstags oder sonntags, und der Abstand zwischen zwei Folgen betrug manchmal sechs Wochen, manchmal auch nur drei Tage. Im Sommer 1971 hatte die Serie für drei Monate einen regelmäßigen wöchentlichen Sendeplatz am Sonntagnachmittag, und danach kehrte sie zum ursprünglichen „Rhythmus“ zurück. Jede Folge war 25 Minuten lang.
Der große Preis
1974–1993 (ZDF). „Ein heiteres Spiel für gescheite Leute“. Wissensquiz mit Wim Thoelke, das zu einem der größten Erfolge im deutschen Fernsehen und einem Dauerbrenner wurde.
Drei Kandidaten müssen in drei Spielrunden ihr Allgemein- und Fachwissen unter Beweis stellen. In der ersten Runde spielt jeder Kandidat allein und beantwortet Fragen zu einem selbstgewählten Fachgebiet, mit dem er sich bei der Sendung beworben hat. Eine Frage bestimmt er vorab als so genannte Masterfrage, für deren Beantwortung ein erhöhter Geldbetrag ausbezahlt wird.
Ab der zweiten Runde sitzen die Kandidaten bis zum Ende der Sendung in futuristisch anmutenden Kapseln, die von einer Schweizer Hubschrauberfirma hergestellt wurden. Sie spielen nun gegeneinander und beantworten Fragen zum Allgemeinwissen. Diese verbergen sich hinter Feldern mit Buchstaben oder Zahlen an einer Ratewand, die schon 1974 „Multivisionswand“ genannt wurde. Meistens gibt es zu den Fragen eine kurze filmische oder akustische Zuspielung. Wer eine Frage richtig beantwortet hat, wählt das nächste Feld an der Wand. Antworten darf, wer sich dann per Knopfdruck schneller zu Wort meldet. Außerdem verbergen sich hinter der Wand noch „Glücksfragen“, die 500 DM wert sind, und Joker, für die es ohne Gegenleistung 100 DM gibt. Wer ein Feld wählt, hinter dem sich eine „Risiko“-Frage verbirgt, darf diese auf jeden Fall beantworten – die anderen Kandidaten können sich nicht melden. Bei diesen Fragen bestimmt der Kandidat die Gewinnsumme selbst, indem er von seinem bisher erspielten Geld einen Teil oder alles setzt.
In der Finalrunde spielt wieder jeder Kandidat allein in seinem Fachgebiet – nun mit Kopfhörer in der geschlossenen Kapsel, damit niemand vorsagen kann. Nur wer die dreiteilige Frage komplett beantwortet, verdoppelt seinen Gewinn, andernfalls verliert er alles bis auf die erspielte Summe aus der ersten Runde. Der Champion ist beim nächsten Mal wieder dabei.
Die Aufteilung auf der Multivisionswand veränderte sich im Lauf der Jahre. Lange Zeit gab es sechs Themenspalten mit Feldern von 20 bis 100 DM und entsprechendem Schwierigkeitsgrad. Vorübergehend war eine Spalte als „Aktuell“-Spalte mit Buchstaben statt mit Geldbeträgen beschriftet. Später verbargen sich die Fragen hinter Buchstaben, das Thema war vorher nicht zu erkennen, und jede Antwort war 100 DM wert. Dauerhaft war das Feld mit dem Fragezeichen auf der Wand. Es durfte erst als letztes gewählt werden, weil sich ihm ein Show-Act anschloss, der die zweite Runde beendete.
Für jedes Fachgebiet war während der gesamten Sendung ein Experte anwesend, der im Zweifelsfall vor allem in der dritten Runde entschied, ob die gegebene Antwort richtig oder falsch war. Die Regeln waren streng, nie wurde bei einer falschen Antwort ein Auge zugedrückt. Die zuerst gegebene Antwort war verbindlich; selbst wenn sich der Kandidat sofort danach korrigierte, galt das nicht mehr. Über den korrekten Ablauf wachte außer den Experten und nicht weniger als vier Assistentinnen ständig ein Notar als „Oberschiedsrichter“, bis 1984 Eberhard Gläser, danach Nils Clemm. Einmal antwortete ein Kandidat auf eine Frage: „Da muss ich raten, Goethe oder Schiller. Ich sag‘ mal Schiller.“ Thoelke: „Das tut mir leid, Goethe wäre richtig gewesen …“ Oberschiedsrichter Klemm: „Das tut mir gar nicht leid. Die zuerst gegebene Antwort gilt, und die war Goethe …“
Der Große Preis war die Sendung zur ZDF-Fernsehlotterie Aktion Sorgenkind. Wenn Kandidaten am Ende ihr Geld verloren, floss es ihr zu. Die Ziehung der Gewinnzahl für die Lose der Fernsehlotterie wurde immer einige Tage vorher aufgezeichnet und in der Sendung eingespielt. Während der Sendung wurden aus einer Lostrommel die Gewinner der höchsten Preise gezogen und verlesen, meist mit Unterstützung eines prominenten Gasts. Thoelkes Assistentin Beate Hopf verlas mehrfach während der Sendung neu gezogene Gewinner. Ihre Nachfolgerin wurde nach 14 Jahren die deutlich frechere Karoline Reinhardt. Als Glücksbringer trat in den ersten Jahren Walter Spahrbier in immer anderen historischen Postuniformen auf, der diese Rolle bereits in den Sendungen von Peter Frankenfeld und bei Drei mal neun übernommen hatte.
Zum beliebtesten Element der Sendung wurde der Dialog Wim Thoelkes mit den Zeichentrickfiguren Wum und Wendelin. Thoelke stand vor einer Blue Box und führte hölzern einen Dialog mit dem Hund Wum, der bereits in Thoelkes Sendung Drei mal neun mit von der Partie war, und dem Elefanten Wendelin. Sie stammten beide aus der Feder von Loriot, der ihnen auch die Stimme lieh. Ab 1983 sprach Jörg Knör auf Loriots Bitte die Figuren, zu denen sich manchmal auch der – ebenfalls gezeichnete – blaue Klaus mit seiner Untertasse gesellte. Es ging um alles Mögliche, aber am Ende des Gesprächs immer um den Einzahlungstermin für die Aktion Sorgenkind. Der Abschlusssatz „Stichtag: Samstag in acht Tagen“ wurde zum geflügelten Wort. Wum und Wendelin als Maskottchen des Großen Preises und der Fernsehlotterie leiteten auch den Beginn jeder Sendung ein und kündigten den Moderator mit einem von Wum gebrüllten „Thoooooooeeeeeeelke!“ an.
Im Showblock bot Thoelke vor allem jungen, unbekannten Künstlern ein Forum, die oft mit klassischer Musik auftraten. Dauergast war der Kabarettist Wolfgang Gruner, der als Berliner Taxifahrer Fritze Flink aktuelle Ereignisse kommentierte, an die sich eine Frage für die Kandidaten anschloss.
Die ersten Alterserscheinungen tauchten bereits nach weniger als sechs Jahren auf: Die Wand fiel aus. Der Vorfall war im Fernsehen aber nicht zu sehen, weil die Sendung aufgezeichnet wurde. Erst ab der 150. Ausgabe am 12. Februar 1987 war Der Große Preis eine Live-Sendung. Über 18 Jahre lang moderierte Wim Thoelke das Quiz. Er war kompetent, souverän, akribisch vorbereitet (die Fachfragen in der ersten Runde stellte er auswendig) und humorfrei. Er wurde oft als langweilig gescholten, war aber dennoch einer der großen Sympathieträger des deutschen Fernsehens. Nur im April 1991 war er einmal krank und musste sich von Wolfgang Lippert vertreten lassen.
Sendeplatz der 80 Minuten langen Quizshow war fast immer donnerstags um 19.30 Uhr, erst in den letzten Jahren rückte sie auf 20.00 Uhr.
Am 10. Dezember 1992 moderierte Wim Thoelke den Großen Preis zum 220. und letzten Mal. Mit angeblich rückläufigen Zuschauerzahlen habe diese Entscheidung nichts zu tun, ließ Thoelke kurz zuvor in den „Stuttgarter Nachrichten“ wissen, während die „Süddeutsche Zeitung“ ihn eine Woche später mit den Worten zitierte, das Fernsehen, wie es heute ist, sei nicht mehr sein Fall. Hinterher rechnete er in einem Buch wüst mit dem ZDF ab und warf u. a. namentlich nicht genannten Redakteuren Korruption vor.
Das ZDF verpflichtete den sechs Jahre älteren Hans-Joachim Kulenkampff als neuen Moderator und verlegte die Sendung auf den großen Samstagabendtermin um 20.15 Uhr, was vielversprechend begann: Kuli nahm in seiner Premiere sich selbst wegen seines Alters und des neuen Sendeplatzes auf den Arm, humpelte am Stock auf die Bühne und faselte: „Wo ist Wetten, dass …?„. Dennoch moderierte er nur sechs Sendungen, sanken doch im Lauf dieses halben Jahres die Einschaltquoten rapide. Vom ursprünglichen Quizcharakter war durch Kulis lange Monologe viel verloren gegangen. So übernahm im Sommer 1993 Carolin Reiber. Allerdings konnte auch sie die Show nicht mehr retten, die nach nur weiteren sechs Sendungen endgültig eingestellt wurde. Missglückter Nachfolger wurde die Goldmillion. Acht Jahre später beschloss das ZDF nach einer Reihe von Flops am Donnerstagabend, dass diese Absetzung doch nicht so endgültig war, und legte Der Große Preis neu auf.
Das Format beruhte auf dem italienischen „Riscia Tutto“ und dem Schweizer „Wer gwünnt“, hatte aber auch Ähnlichkeiten mit dem US-Format „Jeopardy!“, das seit 1964 auf Sendung war und Deutschland erst mit einigen Jahrzehnten Verspätung erreichte.