Das Holodeck von CNN
Natürlich ist es geschichtlich nicht ganz unbedeutend, dass in der vergangenen Nacht zum ersten Mal ein Schwarzer zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, aber das eigentlich historische Ereignis war zweifellos, dass CNN zum ersten Mal Korrespondenten in sein Wahlstudio beamen ließ. Gut, „beamen“ trifft es nicht ganz, und auch der Begriff „Hologramm“, den CNN benutzte, ist technisch gesehen nicht korrekt, denn das Abbild der Korrespondenten war im Studio nicht sichtbar, sondern entstand erst im Fernsehbild. Aber das sind Kleinigkeiten angesichts dieses revolutionären Einbruchs der Science-Fiction in unsere TV-Gegenwart:
Später wiederholte CNN den Trick mit dem Rapper will.i.am.
Die Technik ist, wie man an den unsauberen Umrissen sieht, noch nicht ausgereift, aber der Aufwand ist gigantisch. Die Korrespondenten stehen, umgeben von 35 Kameras, die sie von allen Seiten filmen, in einem Raum. Mehrere Computer errechnen aus den Bewegungen der Kameras im Studio den richtigen Blickwinkel der Aufnahmen vor Ort und überlagern die Bilder.
Das Ergebnis ist ebenso bizarr wie sinnlos. CNN-Moderator Wolf Blitzer erklärte der Korrespondentin Jessica Yellin (die sagte, sie fühle sich wie Prinzessin Leia in „Star Wars“), das sei angenehm, sich so in Ruhe unterhalten zu können — ohne die lärmenden Menschenmassen, die sonst hinter ihr stünden. Aber erstens sind lärmende Menschenmassen oder auch nur das Live-Bild eines irgendwie relevanten Gebäudes im Hintergrund in neunzig Prozent der Fälle genau der Grund, warum man überhaupt zu einem Korrespondenten vor Ort schaltet: um eine Illusion von Nähe zu einem Ereignis zu schaffen. Und zweitens hätte sich die Korrespondentin für ein ruhiges Gespräch auch einfach in ein Zimmer in der Nähe zurückziehen und vor eine ordinäre Kamera stellen können.
Aber dann hätte natürlich niemand gesagt: Boah, was die bei CNN können!