Bis der Arzt nicht mehr kommt
Viel Mühe hat RTL sich in den letzten Jahren gegeben, die Erfolgsserie Dr. House durch Unzuverlässigkeit kaputtzusenden. So beständig der Termin am Dienstag um 21.15 Uhr war, so willkürlich waren die Episoden, die dort gezeigt wurden. Dramaturgie, Handlungsstränge oder Staffelenden völlig ignorierend, setzte RTL immer wieder phasenweise Wiederholungen ein, gern auch in den Monaten mit der höchsten Fernsehnutzung des Jahres, deren Handlungsstränge dann auch wieder mittendrin abgebrochen wurden, wenn die Laune zufällig gerade nach neuen Folgen war. Grob ein Drittel der Zuschauer wurde auf diese Weise vergrault.
Allmählich berappeln sich die Quoten seit ein paar Wochen wieder, weil es sich unter den Fans langsam herumgesprochen haben mag, dass nach vier Monaten Altware endlich wieder neue Folgen im Programm waren. Gestern erreichte Dr. House einen Jahresbestwert und zum ersten Mal seit Monaten wieder mehr als fünf Millionen Zuschauer.
So was muss natürlich verhindert werden. RTL reagiert deshalb umgehend und zeigt nur noch nächste Woche eine neue Folge, bevor nach sechs Folgen die sechste Staffel auch schon wieder abgebrochen wird. Die nächsten Monate überbrücken stattdessen antike Doppelfolgen von CSI: Miami.
Gegenüber dem US-Branchenmagazin Variety gab RTL sogar zu, dass die Ausstrahlungspolitik zu Verwirrung und Desinteresse geführt haben mag – einen Grund sie zu ändern, sieht man aber offenbar nicht.
Eine völlig andere Politik verfolgt RTL bei seiner Erfolgsserie Doctor’s Diary, die aber zum gleichen Ergebnis führen könnte: Zwei Sommer lang zeigte RTL jeweils sage und schreibe acht Folgen und bislang keine Wiederholungen. Dass nach der Pause von genau einem Jahr tatsächlich viele Fans zur zweiten Staffel zurückkehrten, scheint RTL Mut zu machen, deren Geduld weiter auf die Probe zu stellen. Die zweite Staffel endete mit einem Cliffhanger, und bis zur dritten Staffel dauert es mal eben doppelt so lang wie bisher.
Vergangene Woche verkündete RTL stolz den Drehstart zur neuen Staffel, machte aber wenige Zeilen später klar, dass dieses Jahr nicht mehr mit einer Ausstrahlung zu rechnen sei. Eine spielfilmlange und sechs 45-minütige Folgen werden produziert. Drehen und Schneiden dauert so lange nicht. Der umständliche Teil muss der sein, wenn das fertige Produkt irgendwie in die Sendestraße von RTL gelangen muss. Bei der Serie Der Lehrer hat das zweieinhalb Jahre gedauert. Bei der letzten Staffel von Mein Leben & ich auch. Da erinnerte sich kaum noch jemand daran. Die Dreharbeiten zum Film „C.I.S. – Chaoten im Sondereinsatz“, der am Sonntag gezeigt wird, endeten vor zehn Monaten. Insofern liegt Doctor’s Diary sogar noch im mittleren Bereich.
Natürlich ist nicht davon auszugehen, dass Fernsehsender die Quoten ihrer Serien mutwillig in den Keller treiben. Aber dann ist nur noch Unvermögen eine Erklärung. Und dann wäre es auch hilfreich, sich nicht immer nur Sendungskonzepte in den USA abzuschauen, sondern auch Arbeitsweisen und Tempo. Die Serien, die dort ab September gezeigt werden, beginnen mit den Dreharbeiten in der Regel im Juli.