Sternstunden
Ich lerne gerade Braille. Das hier heißt zum Beispiel „Micaela Schäfer“:
Ich lerne gerade Braille. Das hier heißt zum Beispiel „Micaela Schäfer“:
20.15 Uhr: Eigentlich wollte ich jetzt anfangen, mir eine Meinung über Unser Star für Baku zu bilden, merke aber aber sofort: Ha, gar nicht nötig! Das Fazit steht ja schon fest! Die neue Moderatorin, deren Namen ich bestimmt noch lernen werde, teilt mit: „Ist das schön, ist das schön!“ und „Das wird das spannendste Zuschauer-Voting aller Zeiten“. Ja dann.
20.16 Uhr: Gute Nachricht: Sie sagt, es werde kein Vorgeplänkel geben, sondern direkt mit den Live-Auftritten losgehen.
20.16 Uhr: Das Vorgeplänkel beginnt. Darin Film- und Musikauschnitte von früher.
20.43 Uhr: Erster Live-Auftritt.
Während des Vorgeplänkels hatte ich Zeit, den Namen der Moderatorin zu recherchieren: Sandra Rieß. Die hat vergangenes Jahr den Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg moderiert, sagt Wikipedia, und sie schreit stellenweise so, als sei sie immer noch dort. Sie hat es aber generell leichter als Sabine Heinrich vor zwei Jahren, weil sie nicht die schwierige Aufgabe hat, neben Matthias Opdenhövel eine gute Figur machen zu müssen, sondern nur neben Steven Gätjen. Andererseits habe ich vergangene Woche zum ersten Mal Schlag den Raab auf der Wii gespielt, wo Steven Gätjen noch einschläfernder moderiert als normalerweise. Dagegen sprüht er heute vor Energie.
Die Schlagersängerin Alina von der Gruppe Frida Gold trägt eine Hose. Das muss das erste Mal sein. Die Show ist also für Überraschungen gut. Sie bildet zusammen mit Stefan Raab und Thomas D die Jury. In der Summe haben die drei eine Frisur.
20.49 Uhr: Die Live-Tabelle, die unentwegt zeigt, wer gerade auf welchem Platz der Zuschauerabstimmung liegt, ist eine großartige Idee und eine wirkliche Neuheit. Kandidatin Katja schießt während ihres Auftritts vom letzten auf den ersten Platz. Von allen Teilnehmern hat sie bisher am besten gesungen. Gut, es hat nach mehr als einer halben Stunde auch sonst noch niemand gesungen. Mal sehen, ob jetzt immer der, der gerade singt, vorn liegt.
20.54 Uhr: Nein, nicht. Jan sang “Closer To The Edge” von 30 Seconds To Mars. Ziemlich schlimm, aber im Gegensatz zu einem Konzert von 30 Seconds To Mars wenigstens keine Arbeitsverweigerung. Thomas D bricht mit dem Vorvorjahreskonzept der Dauerschmeichelei und ist zwar nett, aber ehrlich.
21.00 Uhr: Kandidatin Leonie singt Amy Winehouse, klingt aber wie Lena. Hatten wir schon. War gut. Ist aber vorbei.
21.04 Uhr und noch keine Werbeunterbrechung. Weiß Brainpool, dass heute ProSieben und nicht die ARD überträgt?
21.06 Uhr: Ja.
21.17 Uhr: Zwischengeplänkel im orangen Green Room. Habe gerade erfahren, dass die Sendung bis kurz vor 23 Uhr geht. Plangemäß. Puh, das ist lang. Vielleicht sollte man weniger plänkeln. Noch ein bisschen länger, und der Vorentscheid ist noch nicht zu Ende, wenn der Eurovision Song Contest anfängt.
21.24 Uhr: Gätjen ist offenbar Privatfernsehen-Off-Sprecher konditioniert und fasst wie in Dokusoaps noch einmal zusammen, was die Juroren gesagt haben, 30 Sekunden nachdem sie es geagt haben.
21.27 Uhr: Kandidat Kai macht aus Ushers „More“ eine Gitarrenballade, was den hochgradig stumpfsinnigen Text besser zur Geltung bringt.
21.28 Uhr: Oh, jetzt rockt er.
21.29 Uhr: Zuschauer, die aus Gewohnheit eingeschaltet haben, um The Voice of Germany zu sehen, fragen sich bestimmt längst, warum die männlichen Kandidaten keine Hüte tragen. Immerhin trägt Kai eine Mütze.
21.35 Uhr: Shelly singt „Valerie“. Die Kandidatenabstimmung über Künstler gewinnt damit heute Abend Amy Winehouse. Die Zuschauerabstimmung über die Kandidaten führt anschließend Shelly an.
21.46 Uhr: Thomas D bleibt ehrlich und ist kreativ, rappt eine spontane Absage an Kandidat Salih.
21.47 Uhr: Gätjen bezeichnet den Spontanrap als „Gesangseinlage“. Egal, er sitzt ja nicht in der Jury.
21.49 Uhr: Frau von heute zeigt Gesicht. Bei Sandra Rieß klemmen die Haare jetzt hinter dem Ohr, die zu Beginn der Show noch Teile ihres Gesichts verdeckt hatten. Warum schreibe ich das? Weil wieder Werbung kommt. Ich hab sonst nix.
22.08 Uhr: Kandidatin Céline Huber singt eine dieser Klavierballaden, die Sängerinnen immer mögen, weil man so schön um die Töne herumsingen kann, und die Juroren meistens verzücken, beim Eurovision Song Contest aber nie eine Chance hätten. Man kann sich die Windmaschine aber schon vorstellen.
22.16 Uhr: Bewerberin Jil Rock bräuchte zumindest keinen Künstlernamen, macht aber aus dem Hit „Moves Like Jagger“ von Maroon 5, in dem Christina Aguilera einen kurzen Gastauftritt hat, eine etwas zu zähe Christina-Aguilera-Nummer. Wenn Kaugummi singen könnte, würde es so klingen.
22.24 Uhr: Der letzte Bewerber, der zu Beginn das „Sympathie-Voting“ gewonnen hatte, also in Führung lag, bevor auch nur
irgendjemand gesungen hatte, singt „After Tonight“ von Justin Nozuka. Ein sensationeller Song, der hier genauso gut klingt wie im Original. Kann nicht weiterschreiben, muss anrufen.
22.26 Uhr: Roman rückt vom neunten auf Platz 1 vor. Entweder hat meine Stimme viel Gewicht, oder andere sehen das ähnlich wie ich. Das Publikum tobt, die Jury weint vor Glück.
22.30 Uhr: Ich habe so ein 2010-Déjà-vu. In der ersten Sendung von Unser Star für Oslo trat Lena als letzte auf, und sofort verbreitete sich das Gefühl, wir hätten die Siegerin schon gefunden.
22.32 Uhr: Ach, dieser Roman war schon mal unter den ersten 20 bei Deutschland sucht den Superstar? Merkwürdig, man bringt DSDS gar nicht mit Gesangstalenten in Verbindung.
22.36 Uhr: Diese Live-Tabelle macht es wirklich extrem spannend: Zwischen dem Erstplatzierten und dem Sechsten, also dem ersten, der rausfliegt, liegen im Moment nur 0,8 Prozentpunkte. Zwischen Platz 4, 5 und 6 ist sogar Gleichstand (jedenfalls bis zur ersten Nachkommastelle). Puh. Schlussphase.
22.40 Uhr: Die Produzenten der Show (also Raab und Brainpool) machen tatsächlich alles richtig: Sogar während des letzten Werbeblocks bleibt die Blitztabelle mit dem aktuellen Abstimmungstand im Bild.
22.46 Uhr: Ha! Erwischt! Die Zahlen in der Einblendung sind plötzlich auf volle Prozentpunkte gerundet. Und die ersten Sechs haben gerade alle jeweils 14,0 Prozent. Da will sich wohl jemand die Möglichkeit offenhalten, die Verkündung des Ergebnisses gleich doch noch wie üblich spannend in die Länge zu ziehen.
22.47 Uhr: Die kleine Einblendung der Blitztabelle am linken Rand wird Ihnen offenbar präsentiert von den deutschen Augenoptikern und den Herstellern von Großbildfernsehern.
22.50 Uhr: Stefan Raab, der sich vergangenes Jahr aus der Suche nach dem Eurovision-Star verabchiedet hatte und jetzt als Dauer-Juror und Produzent dabei ist, fällt versehentlich in die Rolle des Jury-Präsidenten zurück und bedankt sich bei seinen Mitjuroren. Jurypräsident Thomas D merkt es.
23.03 Uhr: Doch nix mit sinnlos in die Länge ziehen. Bis zur letzten Abstimmungssekunde bleibt das Live-Ergebnis im Bild, inzwischen auch wieder mit Stellen nach dem Komma. Roman wird am Ende Zweiter, weil die Juroren Thomas und Stefan kurz vor Schluss ganz hektisch das Publikum beeinflussen und es anschreien, Shelly nicht rausfallen zu lassen. Shelly schiebt sich dadurch wie durch ein Wunder noch vom sechsten auf den ersten Platz, und Kai fällt raus.
Aber eins stimmte: Das war das spannendste Zuschauer-Voting aller Zeiten. Toll. Man kann dem Fernsehen wieder glauben.
Bevor das ZDF im vergangenen April sein Programm reformiert und den Donnerstagabend zu einem Sendeplatz für Spielfilme umdeklariert hat, liefen dort Bergserien wie Die Bergwacht und Der Bergdoktor. Zu unterscheiden waren sie so: Im Bergdoktor heißt die Hauptrolle Martin Gruber, und in der Bergwacht heißt der Hauptdarsteller Martin Gruber. Aber das sind ja olle Kamellen, die in der Versenkung verschwunden sind, seit donnerstags diese eben erwähnten Spielfilme zu sehen sind. Und so zeigt das ZDF ab heute… Moment: Die Bergwacht und den Bergdoktor?
Jawohl, so ist es. Und zwar in Spielfilmlänge! Ist ja ein Spielfilmsendeplatz. Erst ein paar Wochen Bergwacht, jetzt übrigens unter dem neuen Titel Die Bergretter, weil das viel spannender klingt, dann ab Ende Februar Der Bergdoktor.
Also nochmal: Das ZDF hat beschlossen, donnerstags statt Bergserien Spielfilme zu zeigen und zeigt deshalb jetzt diese Bergserien als Spielfilme. Leuchtet doch ein, oder? Wenn das kein Schritt Richtung Zukunft ist.
Im Rahmen der weiteren Programmreform und einer Informationsoffensive sollen übrigens am Samstagabend künftig Politmagazine gezeigt werden. Die Sendungen Willkommen bei Carmen Nebel und Rosa Roth werden zu diesem Zweck in Politmagazine umgewandelt. Aus dem werktäglichen Morgenprogramm soll zudem eine Nonstop-Nachrichtenstrecke werden. Dazu werden die MoMa-Tassen mit einer Information bedruckt.
Manche Dinge lassen sich offenbar doch eins zu eins vom amerikanischen aufs deutsche Fernsehen übertragen. So zum Beispiel das Anfangsinteresse an Two And A Half Men mit Ashton Kutcher. Wie schon vor dreieinhalb Monaten in den USA (und hier berichtet) holten die beiden Episoden auf ProSieben gestern Abend Zuschauerzahlen, die die Serie mit Charlie Sheen zuvor noch nie erreicht hatte. Die zweite Folge kam auf 4,81 Millionen, darunter mehr als vier Millionen in der sog. Zielgruppe, was einem Marktanteil von 32,1 Prozent entspricht.
Es zahlt sich also aus, einen Hype so schnell wie machbar mitnehmen zu wollen und so wenig Zeit wie möglich zwischen dem US-Start und der Deutschlandpremiere verstreichen zu lassen. Eine Erfahrung, die RTL niemals machen wird.
„Ich habe fast ein Jahrzehnt damit zugebracht, deine Blechdosen mühelos und auf magische Weise in pures Gold zu verwandeln“, sprach Charlie Sheen vor etwa einem Jahr in die Richtung seines damaligen Chefs Chuck Lorre, Produzent von Two And A Half Men, und meinte damit, dass Lorres lausige Drehbücher keinen Anteil am Erfolg der Serie hatten, sondern allein sein Schauspiel.
Chuck Lorre kommentierte das Zitat Monate später wortlos am Ende der ersten Folge von Two And A Half Men mit Ashton Kutcher, indem er als traditionelles Schlussbild diesmal nicht seine Gedanken in Textform einblendete, sondern nur das Bild von drei Blechbüchsen.
Es war damals nur eine von vielen ähnlichen und gehässigeren Äußerungen eines offenbar wahnsinnig gewordenen Charlie Sheen, der auch seine daraus resultierende Entlassung nur als einen Vorwand sah, die Dreharbeiten einzustellen, weil Chuck Lorre in Wirklichkeit schlicht die Ideen ausgegangen seien.
Es dauerte danach noch eine Weile, bis man als Zuschauer die letzten Episoden zu sehen bekam, in denen Charlie Sheen noch die Hauptrolle spielte. ProSieben zeigte sie bis Mitte Dezember. Und als ich sie dann sah, fragte ich mich schließlich: Hat die öffentliche Wahrnehmung Charlie Sheen zumindest in Teilen Unrecht getan? War sein geistiger Zustand doch noch klarer als es schien? Denn diese letzten Episoden bargen tatsächlich wenige Hinweise darauf, dass die Autoren noch Lust oder Ideen hatten. Da wurden nur noch Witze aneinandergereiht und Ideen angerissen, aber keine wirkliche Handlung mehr erzählt, und schon gar keine zu Ende geführt. Jake, der mit seinem ebenso dämlichen Kumpel Vollidioten-Videos fürs Internet dreht und damit groß rauskommen will? Gut, als Idee in Ordnung, aber wo war die Schlusspointe? Wie endete die Geschichte? Sie endete gar nicht, irgendwann war einfach die Episode zu Ende, und das war’s. Alan, der sich mit einem Schneeballsystem immer mehr Geld bei der eigenen Familie lieh? Und? Wo war der Moment, in dem alles zusammenbrach, der zwangsläufige Höhepunkt einer solchen Geschichte? Nix. Es hörte einfach auf. Höhepunkte gab es nicht mehr. Kein Ziel. Nur noch Wegstrecke.
Insofern werden Chuck Lorre und seine Autoren dankbar gewesen sein, durch den Wechsel des Hauptdarstellers zumindest neue Impulse bekommen zu haben und die Möglichkeit, endlich mal ganz neue Geschichten zu erfinden. Das gelingt ihnen bei der Einführung von Ashton Kutcher als Internet-Milliardär Walden Schmidt auch ganz gut, und dankenswerterweise widerstanden sie der Versuchung, einen Charlie-Abklatsch zu erfinden und dieselben Geschichten weiterhin zu schreiben. Walden Schmidt ist ein naiver Neureicher mit kindlichem Gemüt, der seiner Ex-Frau nachweint, und Alan ist plötzlich der, der mit Rat und Unterstützung erwachsen zur Seite steht — bevor er sich als Dankeschön ein Wohnrecht in Charlies altem Haus erschleicht, das jetzt Walden besitzt und bewohnt.
Jake hat auch einen Handlungsstrang. Der geht so: Er kommt rein, setzt sich hin und furzt. Riesenlacher.
Das gibt die Marschrichtung für den weiteren Verlauf dieser neuen Staffel vor, die ProSieben ab heute zeigt. Die Konstellation ist eine geringfügig andere, und ein paar neue Charaktere sind dabei. Das Thema der meisten Episoden bleibt Sex, und das Niveau der meisten Witze bleibt unten. Aber wer das bis jetzt nicht als störend empfand, wird die Serie auch weiterhin mögen. In den USA sehen in der aktuellen Staffel mehr Menschen zu als in den letzten Jahren mit Charlie Sheen.
Vielleicht lässt sich die Tatsache, dass auch die neue Staffel von Der Bachelor schon wieder floppt, damit erklären, wie der Sendetitel im RTL-Teletext abgekürzt ist.
Um noch einmal auf eine Frage zurückzukommen, die das amerikanische Magazin „Entertainment Weekly“ vor sieben Jahren gestellt hat, als Friends, Frasier und Sex And The City zu Ende gingen:
Sind Sitcoms tot?
Antwort: Nein. Sie lagen nur kurz auf der Intensivstation. Für Langzeitbeobachter des Fernsehens dürfte das keine Überraschung gewesen sein. Jedes Genre hatte seine Glanzzeiten und seine stillen Phasen, und bisher ist noch fast jedes Genre immer wieder aus der Versenkung zurückgekehrt.
Das Quiz war lange kein Thema im Fernsehen, bis Wer wird Millionär? kam. Krimis galten als altbacken, bis CSI kam. Und auch die Sitcom war in den frühen 80er-Jahren schon einmal für tot erklärt worden, bis die Bill Cosby Show kam. All diese Serien lösten jeweils die Trendwende für ein ganzes Genre aus.
Die neue Trendwende wurde im Herbst 2009 durch den Erfolg des inzwischen mehrmaligen Emmy-Gewinners Modern Family ins Rollen ausgelöst. Gut zwei Jahre später ist die Sitcom wieder voll da. Zu den erfolgreichsten Sendungen des US-Fernsehens gehören wieder so viele halbstündige Comedys wie seit den Zeiten von Friends und Frasier nicht mehr. Und weil Comedyserien gerade so gut laufen, gibt es davon auch wieder wesentlich mehr als in den vergangenen Jahren. Auch die meisten deutschen Sender mit Ausnahme der Öffentlich-Rechtlichen und RTL haben das gemerkt und profitieren davon. Two And A Half Men, The Big Bang Theory und How I Met Your Mother sind auch bei uns erfolgreich, Mike & Molly, The Middle oder 2 Broke Girls hätten das Potenzial ebenfalls.
ProSieben zeigt ab heute eine der neuen Serien vom gerade erst vergangenen Herbst: New Girl mit Zooey Deschanel als junge Frau, die in eine Männer-WG zieht. Der Sender setzt offenbar große Stücke darauf und hat einen ungewöhnlich prominenten Sendeplatz für einen Neustart ausgewählt (sprich: nicht am Nachmittag): Die „Vorpremiere“ läuft heute nach The Voice Of Germany, fester Sendeplatz soll dann immer mittwochs um 21.15 Uhr nach Desperate Housewives sein. Beim US-Sender Fox startete die Serie mit hervorragenden Quoten, wodurch deutlich wird, wie sehr das US-Publikum nach all den Jahren voller Mord und Forensik wieder Lust auf Lachen hat. Denn die Serie selbst ist nicht mehr als Durchschnitt, aber Comedys sind eben im Trend. Stilistisch erinnert New Girl mit schnellen Schnitten und witzigen Flashbacks an andere moderne Serien wie Modern Family und How I Met Your Mother, es müsste halt nur noch genauso lustig werden.
Foto: ProSieben
Interessant ist übrigens auch, welche Sitcom derzeit die erfolgreichste von allen ist, und zwar in den USA wie auch bei uns. Das ist nämlich mit Two And A Half Men eine Serie, die nicht nur ganz altmodisch auf Rückblenden, Einschübe und schnelle Schnittmöglichkeiten verzichtet und weiterhin auf einer Bühne vor Publikum gedreht wird, sondern die 2004, als die Sitcom als solche für tot erklärt wurde, auch schon auf Sendung war.
Zum Wichtigsten für Ganoven gehört es, über ein Verbrechen Gras wachsen zu lassen. So hat es auch RTL mit Der Bachelor gemacht, jener sturzlangweiligen achtwöchigen Kuppelshow, deren erste Staffel inzwischen so lange her ist, dass RTL sie nachträglich zum Erfolg erklärt.
(Screenshot aus Staffel 1)
„Bis zu 5,23 Millionenen Zuschauer verfolgten im Herbst 2003 die erste Staffel von Der Bachelor„, jubelt RTL und geht davon aus, dass sich erstens niemand fragt, warum es dann öffentlich-rechtliche acht Jahre gedauert hat, bis eine zweite Staffel folgte, und sich zweitens niemand die Mühe macht herauszufinden, dass damals in Wirklichkeit nur drei der acht Episoden überhaupt die Vier-Millionen-Grenze im Schnitt geknackt haben, die Fünf-Millionen-Grenze aber gar keine.
Die Tat von damals ist offenbar verjährt. Deshalb wird ab heute die Frage neu gestellt: „An wen wird der Bachelor sein Herz verlieren?“
An wen die Zuschauer ihr Hirn verlieren werden, ist schon vorher klar.
Willkommen im neuen Jahr, und ein gutes solches!
Wieder ein Jahr, in dem das deutsche Fernsehen vermutlich die gleichen Sendungen wie vergangenes Jahr zeigen wird, nur öfter. Weil es zu den innovativsten Programmideen der jüngeren Zeit gehört, nicht mehr zwei, sondern drei oder mehr Folgen derselben Serie hintereinander zu zeigen. Dabei ist es ja nicht so, als sei kein Nachschub da. Er wird den deutschen Zuschauern lediglich verwehrt.
Hier sind drei Programme, die die Sender ihren Zuschauern dieses Jahr nicht länger vorenthalten sollten.
Der erfolgreichste US-Comedy-Neustart der vergangenen Jahre. Nach nur zwei Jahren schon zweimal als beste Comedyserie mit dem Emmy ausgezeichnet und mit der Seltenheit gesegnet, sowohl von Kritikern als auch vom Publikum geliebt zu werden. Zwei frühere Autoren von Frasier haben sich die Serie über mehrere Zweige einer „modernen“ Familie ausgedacht: Der alternde homophobe Patriarch Jay, der in zweiter Ehe mit einer sexy Kolumbianerin verheiratet ist, die etwas jünger ist als seine Tochter und einen Sohn mit in die Ehe gebracht hat; Jays schwuler Sohn Mitchell, der mit seinem Partner ein asiatisches Baby adoptiert hat; und Jays Tochter Claire, ein Kontrollfreak, deren Mann Phil für die drei Kinder den supercoolen Kumpelvater zu geben versucht und dabei meistens peinlich scheitert, während er hofft, selbst endlich von Jay als Schwiegersohn akzeptiert zu werden. Im angesagten Pseudo-Doku-Stil sprechen die Protagonisten immer wieder ihre Kommentare direkt in die Kamera und konterkarieren damit oft herrlich das in den eigentlichen Szenen Gezeigte.
Den Familienpartriarchen Jay spielt der heute 65-jährige Ed O’Neill, der dazu verflucht war, sein Leben lang Al Bundy bleiben zu müssen, dann aber zur allgemeinen Überraschung plötzlich die Hauptrolle einer Serie übernahm, die nun Ansehen und Erfolg genießt – und tatsächlich enorm witzig ist.
Leider verfügt in Deutschland RTL über die Senderechte, der Marktführer in Menschenverachtung, aber eben auch die Nr.1 in Sitcom-Inkompetenz. RTL zeigt zwar Bühnenprogeramme deutscher Komiker, darüber hinaus gibt es bei diesem Sender aber keine Comedy, und offenbar erwartet sie auch längst niemand mehr. Zuletzt unterbrach RTL die Erfolgsstrategie, seinen Zuschauern gelungene amerkanische Comedyserien vorzuenthalten, 2008 kurz für ein paar Folgen von My Name Is Earl im Spätprogramm, bevor die Serie schnell wieder rausflog. Seitdem kauft RTL nur noch Erfolgscomedys, zeigt sie aber nicht mehr.
Immerhin 60 Folgen liegen von Modern Family bereits vor. Nach gängiger Privatsenderpraxis würde das schon reichen, um die üblichen drei Folgen täglich zu zeigen. Man müsste erst nach knapp einem Monat wieder von vorn anfangen.
…
Streng genommen wurde diese Reihe den Zuschauern nicht komplett vorenthalten. Sie lief donnerstags nach Mitternacht bei Tele 5, aber das ist ja fast das Gleiche.
Die TV-Satire von und mit Philipp Walulis ist eine Mischung aus Kalkofes Mattscheibe, Switch Reloaded und stefan-niggemeier.de und parodiert das Fernsehen nicht nur, sondern entlarvt es auch, zeigt, wo der Zuschauer gezielt getäuscht wird, zum Beispiel in Doku-Soaps, Reality-Shows und natürlich bei Anrufgewinnspielen und Astro TV. Die Clips aus der Sendung und auch die kompletten vier Folgen vom Dezember (mehr gibt’s erst mal nicht) sind bei YouTube zu sehen, wo diese Zwei-Minuten-Zusammenfassung eines typischen Tatorts schon rund eine Viertelmillion Mal aufgerufen wurde. Für das Tele-5-Nachtprogramm wäre das eine Traumquote.
Schon deshalb wäre Tele 5 gut beraten, nicht nur eine zweite Staffel dieser vom Münchner Aus- und Fortbildungskanal afk tv produzierten Reihe zu bestellen, sondern sie auch zu einer prominenteren Sendezeit zu zeigen. Und vielleicht sogar zum Äußersten zu gehen und sie vorab zu bewerben, statt sie wie Anfang Dezember mit nur wenigen Stunden Vorlauf kurzfristig ins Programm plumpsen zu lassen.
Oder noch besser: Die ARD gibt Philipp Walulis eine Chance und eine eigene Sendung. In ihren eigenen Reihen hat sie ihn schon, denn er arbeitet auch für die Sendung DASDING.tv, die im wenig gesehenen SWR Fernsehen zu wenig genutzten Sendezeiten kommt. Daraus stammt dieser grandiose Film über die neuen Features von Facebook.
Leider aber haben die Verantwortlichen der ARD ja meistens keine Zeit, ihre eigenen dritten Programme zu sichten, weil sie viel zu beschäftigt damit sind, das Privatfernsehen nach abwerbbarem Personal zu durchforsten.
…
Die am wenigsten innovative Reihe in dieser kurzen Liste, aber trotzdem sehenswert. Es ist eine Anwaltsserie von David E. Kelley, die aber ganz anders ist als David E. Kelleys frühere Anwaltsserien Practice – Die Anwälte, Ally McBeal und Boston Legal: Sie spielt nicht in Boston. Das ist dann aber schon alles.
Dem Ensemble steht Kathy Bates als schlecht gelaunte, resolute Anwältin vor, die ihre Kanzlei in einem Schuhgeschäft betreibt (hallo, Ed?), und es gibt die übliche Mischung aus total verrückten Fällen, überdrehten und egozentrischen Charakteren und am Ende wie immer die unvermeidliche David-E.-Kelley-typische emotionale Predigt im Gerichtssaal, in der der Autor kurz vernachlässigt, dass es eigentlich nur um einen Taschendiebstahl oder eine Wiedereinstellungsklage geht und durch seine Hauptfigur seine Sicht der aktuellen amerikanischen Politik darlegt und wie man das Land retten könnte. Das nervt zwar ein bisschen und ist hinlänglich bekannt, aber irgendwie gelingt es Kelley doch immer wieder, Überraschungen, gute Gags und originelle Handlungsstränge einzubauen.
Harry’s Law läuft in den USA seit Januar 2011 und wird spätetestens dieses Jahr im Mai wegen schwacher Quoten abgesetzt, aber über diese kurze Dauer trägt die Serie allemal. Sie würde gut zu Vox passen, auch wenn sie vermutlich selbst dort erst nach 23 Uhr laufen würde.
Eine Lösung sind wir noch schuldig, aber eigentlich stand die Lösung ja schon in der Überschrift.
Erneuten Dank fürs Mitraten und weiter frohes Fest!