Fast vorbei: Ein Last-Minute-Dschungel-Text

Für die Bild-Zeitung und mehrere TV-Magazine sind die kommenden Wochen wahrscheinlich schlimmer als das Sommerloch. Es ist das Loch nach dem Dschungelcamp. Wenn Ich bin ein Star – holt mich hier raus heute Abend zu Ende geht, was um Himmels Willen sollen die Dschungel-Begleitmagazine Spiegel TV, Extra und Markus Lanz eigentlich in den nächsten Wochen noch senden?

Dass RTL seine eigenen Magazine dazu nutzt, tagsüber für die Dschungelshow zu werben und am späten Abend von Dranbleibern zu profitieren, ist klar. Das Ausmaß, in dem sich Markus Lanz im ZDF mit dem Dschungel befasste, ist dagegen erstaunlich. In fünf der sechs Sendungen in den vergangenen beiden Wochen waren ehemalige Camp-Bewohner zu Gast, darunter mit Ross Antony, Ingrid van Bergen und Desirée Nick drei Gewinner der Dschungelkrone (die beiden anderen waren Carsten Spengemann und Sarah Dingens). Nachvollziehbar ist die Gästeauswahl aus reinem Opportunismus durchaus. Lanz‘ Sendung beginnt an den meisten Abenden, wenn das Dschungelcamp gerade endet, und mit ehemaligen Camp-Insassen lassen sich bestimmt ein paar heimatlose Zapper abgreifen. Kurios ist aber, dass Lanz auch dienstags über den Dschungel redete, wenn seine Sendung parallel zum verlängerten Dschungelcamp lief. Hat das Sinn? Sollte man nicht davon ausgehen, dass Menschen, die ein Interesse an der Dschungelshow haben, in dieser Situation eher die Dschungelshow gucken?

Die Bilanz zum Ende der siebten Staffel ist positiv. Nach Quoten war sie die zweiterfolgreichste. Nur Staffel 5 mit Jay, Indira und Sarah sowie Peer Kusmagk als König hatte noch ein paar Zuschauer mehr. Es waren die einzigen beiden Staffeln, die im Schnitt mehr als sieben Millionen Zuschauer erreichten. Der neue Moderator Daniel Hartwich machte seine Sache toll. Nur am Anfang der Staffel wirkte er noch ein bisschen unsicher und hölzern, als er die Texte aufsagen musste, die früher immer für Dirk Bach geschrieben worden waren. Dann fand er aber schnell zu sich selbst und wurde glaubwürdig in seiner Rolle. Einhergehend damit hatte ich allerdings das Gefühl, dass er mit jeder neuen Sendung zwischen seinen Sätzen lauter einatmete. Das klingt schon fast nach besorgniserregender Atemnot. Hoffentlich braucht Sonja Zietlow nicht bald schon wieder einen neuen Co-Moderator. Wäre schade. Ich habe mich schnell an das neue Duo gewöhnt.

Darüber hinaus ist es angenehm, zu beobachten, wie in der sehr guten und sehr erfolgreichen Sendung immer noch nach und nach Verbesserungen vorgenommen werden, und wenn es nur Kleinigkeiten sind. Lief vor einiger Zeit die Uhr bei den Dschungelprüfungen noch vorwärts, was für die Zuschauer gar keine Hilfe war, weil die Zeitbegrenzung jedes Mal eine andere war, läuft sie inzwischen rückwärts Richtung Null. Und die vorproduzierten Anrufaufrufe mit ebenso bemühten wie lustigen Wortspielen, die noch zu Beginn der Staffel oft zweimal innerhalb einer Stunde vor den Werbepausen gezeigt wurden, gab es in den letzten Tagen nur noch einmal, und vor der nächsten Pause stattdessen einen Live-Aufruf mit neuem Text.

Ein bisschen schade ist nur, dass sich Ich bin ein Star – holt mich hier raus fast im gleich Umfang mit der Bild-Zeitung befasst wie die Bild-Zeitung mit der Show. An fast jedem australischen Morgen werden die Schlagzeilen des vergangenen deutschen Morgens kommentiert und dabei oft vorausgesetzt, dass Deutschland wisse, wovon die Moderatoren sprechen. Ich als Teil der fast 70 Millionen Menschen zählenden Bevölkerungsmehrheit derer, die die „Bild“ nicht lesen, habe oft keine Ahnung, worum es geht und muss es mir selbst zusammenreimen. Andererseits betrachtet RTL dies vielleicht als eine Art umgekehrten Bildungsauftrag. Das Dschungelcamp wird von mehr Akademikern gesehen als jede andere RTL-Sendung. Dann kann man denen bei der Gelegenheit schließlich mal zeigen, womit sich der Bild-Leser eigentlich so beschäftigt.

Bleiben nur noch zwei Fragen: Als RTL immer und immer wieder die Rückansicht von Klaus Baumgarts Gemächt zeigte, war es den Machern zu plump, oder kamen sie etwa nicht auf die Idee, dessen eigenen Hit „Klingeling, hier kommt der Eiermann“ einzuspielen?

Und zweitens: Wer wird denn nun Dschungelkönig? Olivia, die als Einzige in keinerlei Hinsicht jemals ihre Maske fallen ließ? Oder Joey, der den Mund ebenso oft offen hatte wie Olivia, nur dabei weniger sagte? Oder Claudelle, von der es eigentlich nach dem ersten Abwahltag schon eine Überraschung war, dass sie noch dabei war, die danach aber an Bildschirmpräsenz gewann? Zum Glück ist die Antwort ja völlig egal.

Michael, 26. Januar 2013, 18:45.

Sherlock: New York

Wenn es in dem Rhythmus weitergeht, hat in sechs Jahren jeder große Sender seinen eigenen Sherlock Holmes. Und wenn der freizügige Umgang mit der Vorlage sich ebenfalls fortsetzt, ist Watson dann ein Formwandler vom Planeten Dukrtzghöwol.

Die neue Sat.1-Serie Elementary (ab heute donnerstags um 21.15 Uhr) versetzt Sherlock Holmes nicht nur in die Gegenwart des 21. Jahrhunderts, sondern zudem nach New York und gibt ihm Dr. Watson zur Seite, genauer: Frau Dr. Watson.

Der Ansatz dieser Neuauflage des US-Senders CBS orientiert sich erkennbar mindestens ebenso stark an der großartigen BBC-Serie Sherlock wie an der literarischen Vorlage von Arthur Conan Doyle. Deshalb muss sie sich den Vergleich gefallen lassen, ihn aber auch nicht scheuen.

Holmes ist weiterhin Brite, nur eben strafversetzt, ist weiterhin ein Arschloch und ist natürlich weiterhin der geniale Kopf, der der Polizei und allen anderen weit voraus ist und deshalb Kriminalfälle aufklärt. Schon aus Langeweile. Und das ist oft lustig und spannend. Wie in der BBC-Version hat Holmes sein Drogenproblem übrigens im Griff.

Elementary kann zwar nicht ganz mit Sherlock mithalten, aber das hat schon mit der unterschiedlichen Zielsetzung zu tun. Während die Briten ganz gern Kunst schaffen und ihre Produkte rar machen, ist die Absicht der Amerikaner stets, erfolgreiche Massenware zu produzieren. Deshalb gibt es dort nicht alle zwei Jahre drei neue Folgen, sondern jedes Jahr 24. Schon deshalb und zur Erreichung des größtmöglichen Publikums folgen die eigentlichen Kriminalfälle als Kern der Handlung stets einem berechenbaren Muster. Ein US-Kritiker nannte es „die CBSierung von Sherlock Holmes“. CBS hat fast sein gesamtes Programm mit ebenso gleichförmigen wie erfolgreichen Krimiserien zugepflastert, darunter CSI, Criminal Minds und The Mentalist, und in dieses Format musste eben auch der neue Holmes passen. Unter diesen Umständen ist die Serie erstaunlich gut gelungen.

Wenn sich die CBSierung der Serie fortsetzt, haben wir allerdings nach Sherlock in New York bald wirklich auch noch Elementary: Miami und Elementary:Vegas.

Michael, 10. Januar 2013, 00:44.

Elementary

Ab 10. Januar 2013 (Sat.1). US-Krimiserie von Robert Doherty nach den Büchern von Sir Arthur Conan Doyle („Elementary“; seit 2012).

Sherlock Holmes (Jonny Lee Miller) ist nach New York gezogen, nachdem er aus dem Drogenentzugsklinik an dem Tag abgehauen ist, an dem er entlassen werden sollte. An seiner Seite: Frau Dr. Joan Watson (Lucy Liu), die eigentlich nur dafür sorgen sollte, dass er clean bleibt. Deshalb wohnt sie auch bei ihm. Statt Scotland Yard berät Holmes nun Captain Thomas Gregson (Aidan Quinn) und Detective Marcus Bell (Jon Michael Hill) die New Yorker Polizei – sprich: Er erledigt deren Arbeit und klärt Kriminalfälle auf. Er beobachtet besser und schlussfolgert schneller als alle anderen und tritt dabei wesentlich zielsicherer seinen Mitmenschen ständig auf den Schlips.

Wie schon die BBC-Serie Sherlock versetzt auch Elementary die Figur des Holmes in die Gegenwart und zudem nach New York und unterzieht zusätzlich Watson einer Geschlechtsumwandlung. Sat.1 zeigt die einstündigen Folgen donnerstags um 21.15 Uhr.



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