Plan D
Unser Star für Baku – ein Guckprotokoll
20.15 Uhr: Eigentlich wollte ich jetzt anfangen, mir eine Meinung über Unser Star für Baku zu bilden, merke aber aber sofort: Ha, gar nicht nötig! Das Fazit steht ja schon fest! Die neue Moderatorin, deren Namen ich bestimmt noch lernen werde, teilt mit: „Ist das schön, ist das schön!“ und „Das wird das spannendste Zuschauer-Voting aller Zeiten“. Ja dann.
20.16 Uhr: Gute Nachricht: Sie sagt, es werde kein Vorgeplänkel geben, sondern direkt mit den Live-Auftritten losgehen.
20.16 Uhr: Das Vorgeplänkel beginnt. Darin Film- und Musikauschnitte von früher.
20.43 Uhr: Erster Live-Auftritt.
Während des Vorgeplänkels hatte ich Zeit, den Namen der Moderatorin zu recherchieren: Sandra Rieß. Die hat vergangenes Jahr den Starkbieranstich auf dem Münchner Nockherberg moderiert, sagt Wikipedia, und sie schreit stellenweise so, als sei sie immer noch dort. Sie hat es aber generell leichter als Sabine Heinrich vor zwei Jahren, weil sie nicht die schwierige Aufgabe hat, neben Matthias Opdenhövel eine gute Figur machen zu müssen, sondern nur neben Steven Gätjen. Andererseits habe ich vergangene Woche zum ersten Mal Schlag den Raab auf der Wii gespielt, wo Steven Gätjen noch einschläfernder moderiert als normalerweise. Dagegen sprüht er heute vor Energie.
Die Schlagersängerin Alina von der Gruppe Frida Gold trägt eine Hose. Das muss das erste Mal sein. Die Show ist also für Überraschungen gut. Sie bildet zusammen mit Stefan Raab und Thomas D die Jury. In der Summe haben die drei eine Frisur.
20.49 Uhr: Die Live-Tabelle, die unentwegt zeigt, wer gerade auf welchem Platz der Zuschauerabstimmung liegt, ist eine großartige Idee und eine wirkliche Neuheit. Kandidatin Katja schießt während ihres Auftritts vom letzten auf den ersten Platz. Von allen Teilnehmern hat sie bisher am besten gesungen. Gut, es hat nach mehr als einer halben Stunde auch sonst noch niemand gesungen. Mal sehen, ob jetzt immer der, der gerade singt, vorn liegt.
20.54 Uhr: Nein, nicht. Jan sang “Closer To The Edge” von 30 Seconds To Mars. Ziemlich schlimm, aber im Gegensatz zu einem Konzert von 30 Seconds To Mars wenigstens keine Arbeitsverweigerung. Thomas D bricht mit dem Vorvorjahreskonzept der Dauerschmeichelei und ist zwar nett, aber ehrlich.
21.00 Uhr: Kandidatin Leonie singt Amy Winehouse, klingt aber wie Lena. Hatten wir schon. War gut. Ist aber vorbei.
21.04 Uhr und noch keine Werbeunterbrechung. Weiß Brainpool, dass heute ProSieben und nicht die ARD überträgt?
21.06 Uhr: Ja.
21.17 Uhr: Zwischengeplänkel im orangen Green Room. Habe gerade erfahren, dass die Sendung bis kurz vor 23 Uhr geht. Plangemäß. Puh, das ist lang. Vielleicht sollte man weniger plänkeln. Noch ein bisschen länger, und der Vorentscheid ist noch nicht zu Ende, wenn der Eurovision Song Contest anfängt.
21.24 Uhr: Gätjen ist offenbar Privatfernsehen-Off-Sprecher konditioniert und fasst wie in Dokusoaps noch einmal zusammen, was die Juroren gesagt haben, 30 Sekunden nachdem sie es geagt haben.
21.27 Uhr: Kandidat Kai macht aus Ushers „More“ eine Gitarrenballade, was den hochgradig stumpfsinnigen Text besser zur Geltung bringt.
21.28 Uhr: Oh, jetzt rockt er.
21.29 Uhr: Zuschauer, die aus Gewohnheit eingeschaltet haben, um The Voice of Germany zu sehen, fragen sich bestimmt längst, warum die männlichen Kandidaten keine Hüte tragen. Immerhin trägt Kai eine Mütze.
21.35 Uhr: Shelly singt „Valerie“. Die Kandidatenabstimmung über Künstler gewinnt damit heute Abend Amy Winehouse. Die Zuschauerabstimmung über die Kandidaten führt anschließend Shelly an.
21.46 Uhr: Thomas D bleibt ehrlich und ist kreativ, rappt eine spontane Absage an Kandidat Salih.
21.47 Uhr: Gätjen bezeichnet den Spontanrap als „Gesangseinlage“. Egal, er sitzt ja nicht in der Jury.
21.49 Uhr: Frau von heute zeigt Gesicht. Bei Sandra Rieß klemmen die Haare jetzt hinter dem Ohr, die zu Beginn der Show noch Teile ihres Gesichts verdeckt hatten. Warum schreibe ich das? Weil wieder Werbung kommt. Ich hab sonst nix.
22.08 Uhr: Kandidatin Céline Huber singt eine dieser Klavierballaden, die Sängerinnen immer mögen, weil man so schön um die Töne herumsingen kann, und die Juroren meistens verzücken, beim Eurovision Song Contest aber nie eine Chance hätten. Man kann sich die Windmaschine aber schon vorstellen.
22.16 Uhr: Bewerberin Jil Rock bräuchte zumindest keinen Künstlernamen, macht aber aus dem Hit „Moves Like Jagger“ von Maroon 5, in dem Christina Aguilera einen kurzen Gastauftritt hat, eine etwas zu zähe Christina-Aguilera-Nummer. Wenn Kaugummi singen könnte, würde es so klingen.
22.24 Uhr: Der letzte Bewerber, der zu Beginn das „Sympathie-Voting“ gewonnen hatte, also in Führung lag, bevor auch nur
irgendjemand gesungen hatte, singt „After Tonight“ von Justin Nozuka. Ein sensationeller Song, der hier genauso gut klingt wie im Original. Kann nicht weiterschreiben, muss anrufen.
22.26 Uhr: Roman rückt vom neunten auf Platz 1 vor. Entweder hat meine Stimme viel Gewicht, oder andere sehen das ähnlich wie ich. Das Publikum tobt, die Jury weint vor Glück.
22.30 Uhr: Ich habe so ein 2010-Déjà-vu. In der ersten Sendung von Unser Star für Oslo trat Lena als letzte auf, und sofort verbreitete sich das Gefühl, wir hätten die Siegerin schon gefunden.
22.32 Uhr: Ach, dieser Roman war schon mal unter den ersten 20 bei Deutschland sucht den Superstar? Merkwürdig, man bringt DSDS gar nicht mit Gesangstalenten in Verbindung.
22.36 Uhr: Diese Live-Tabelle macht es wirklich extrem spannend: Zwischen dem Erstplatzierten und dem Sechsten, also dem ersten, der rausfliegt, liegen im Moment nur 0,8 Prozentpunkte. Zwischen Platz 4, 5 und 6 ist sogar Gleichstand (jedenfalls bis zur ersten Nachkommastelle). Puh. Schlussphase.
22.40 Uhr: Die Produzenten der Show (also Raab und Brainpool) machen tatsächlich alles richtig: Sogar während des letzten Werbeblocks bleibt die Blitztabelle mit dem aktuellen Abstimmungstand im Bild.
22.46 Uhr: Ha! Erwischt! Die Zahlen in der Einblendung sind plötzlich auf volle Prozentpunkte gerundet. Und die ersten Sechs haben gerade alle jeweils 14,0 Prozent. Da will sich wohl jemand die Möglichkeit offenhalten, die Verkündung des Ergebnisses gleich doch noch wie üblich spannend in die Länge zu ziehen.
22.47 Uhr: Die kleine Einblendung der Blitztabelle am linken Rand wird Ihnen offenbar präsentiert von den deutschen Augenoptikern und den Herstellern von Großbildfernsehern.
22.50 Uhr: Stefan Raab, der sich vergangenes Jahr aus der Suche nach dem Eurovision-Star verabchiedet hatte und jetzt als Dauer-Juror und Produzent dabei ist, fällt versehentlich in die Rolle des Jury-Präsidenten zurück und bedankt sich bei seinen Mitjuroren. Jurypräsident Thomas D merkt es.
23.03 Uhr: Doch nix mit sinnlos in die Länge ziehen. Bis zur letzten Abstimmungssekunde bleibt das Live-Ergebnis im Bild, inzwischen auch wieder mit Stellen nach dem Komma. Roman wird am Ende Zweiter, weil die Juroren Thomas und Stefan kurz vor Schluss ganz hektisch das Publikum beeinflussen und es anschreien, Shelly nicht rausfallen zu lassen. Shelly schiebt sich dadurch wie durch ein Wunder noch vom sechsten auf den ersten Platz, und Kai fällt raus.
Aber eins stimmte: Das war das spannendste Zuschauer-Voting aller Zeiten. Toll. Man kann dem Fernsehen wieder glauben.