Hölle gefroren

Ein bisschen merkwürdig ist es schon, dass die erste prominente Sendung zur ARD-Themenwoche mit dem Titel „Essen ist Leben“ ein Tatort war, in dem ziemlich schnell jemand nach der Nahrungsaufnahme tot war. Aber das ist jetzt nicht der Punkt.

Der Punkt ist, dass dieser Tatort um eine Molkerei, bei der ein Energydrink mit deutlich mehr Farbstoff als erlaubt die Firma verließ, zeigte, was passieren muss, damit aus Reinhold Beckmann ein engagierter Journalist wird, der hart und kritisch nachfragt: Jemand muss ihm die Sätze einfach in ein Drehbuch schreiben!

Vielleicht ist Scripted Reality ja doch eine Idee, die die ARD verfolgen sollte.


Esther Schweins als Molkereichefin und Reinhold Beckmann als Reinhold Beckmann im Tatort.
Screenshot: ARD

Michael, 24. Oktober 2010, 21:50.

Möblierter Raum und Zeit

Ich fühle mich geehrt. Das Möbelhaus, in dem ich zuletzt vor zwölf Jahren eine Couch kaufte und in dem ich seitdem „Stammkunde“ bin und tolle „VIP-Rabatte“ genießen könnte, hat mich für heute zum Midnight-Shopping eingeladen.

Eine schöne Sache. Shoppen um Mitternacht. Und es gibt auch noch tolle Mitternachts-Rabatte!

Nur eins noch: Wie lange genau geht dieses Midnight-Shopping eigentlich?

Ah ja, natürlich. Darauf hätte man kommen können.

Wurde wahrscheinlich von denselben Leuten festgelegt, die dafür sorgen, dass bei RTL Punkt 12 immer um 11.59 Uhr beginnt und 10 vor 11 um 0.35 Uhr.

Michael, 23. Oktober 2010, 13:52.

Der bessere Fernsehpreis

Der Deutsche Comedypreis hat auch in diesem Jahr wieder mehr Zuschauer interessiert als der Deutsche Fernsehpreis. Beim Gesamtpublikum war der Vorsprung knapp, bei jüngeren Menschen gewaltig.

Dass der Eindruck existiert, der Deutsche Comedypreis werde im Vergleich zum Fernsehpreis weniger ernst genommen, kann zum einen daran liegen, dass die Juroren nicht damit aufhören können, Cindy aus Marzahn auszuzeichnen, aber auch daran, dass man in Deutschland Preisverleihungen im Allgemeinen für eine ernste Sache hält und man besser nicht nur darüber, sondern auch im deren Rahmen keine Witze macht. So ist zu erklären, warum die Verleihung des Deutschen Fernsehpreises (mit Ausnahme von 2009) immer so langweilig ist.

Offenbar kommt es Zuschauern gar nicht darauf an, Zeuge der Ehrung großer Leistungen zu werden, sondern eine unterhaltsame Sendung zu sehen (und schalten deshalb eher den Comedypreis als den Fernsehpreis ein), während es den Veranstaltern des Fernsehpreises kein bisschen darauf ankommt, Unterhaltungswert zu erzeugen, sondern ausschließlich darauf, sich auf einer Bühne selbst zu preisen und oft genug zu betonen, wie unglaublich wichtig das alles ist.

Das unterscheidet ihn von der amerikanischen Emmy-Verleihung, und deshalb ist es unfair,  den deutschen mit dem amerikanischen Fernsehpreis immer wieder zu vergleichen. Die Amerikaner wollen schlicht eine gute kurzweilige Sendung auf die Beine stellen, in deren Rahmen eben ein paar Preise verliehen werden. In der Regel moderiert deshalb ein Komiker, und die Laudationes werden zum großen Teil von Schauspielern gehalten, die dafür bekannt sind, lustig zu sein.

Insofern ist das deutsche Gegenstück zu den Emmys eigentlich der Deutsche Comedypreis. Zwar ist es klar, dass bei einer fast dreistündigen Veranstaltung nicht jede Laudatio gleich lustig sein und nicht durchgehend eines jeden Humor getroffen werden kann, doch im Grunde geht es auch hier um einen unterhaltsamen Abend, in dessen Rahmen Preise verliehen werden.

Sechseinhalb Millionen Menschen, die gerade noch den Münster-Tatort gesehen hatten, schalteten vor einer Woche zum Deutschen Fernsehpreis ab. Von den gerade noch mehr als zehn Millionen blieben im Schnitt weniger als vier Millionen Zuschauer übrig. Wenig andere Sendungen im Deutschen Fernsehen haben eine so hohe Abschaltquote; kaum jemand versagt so sehr darin, sich ein starkes Vorprogramm zu Nutze zu machen.

Wenn der Fernsehpreis nächstes Jahr wieder ohne eine gute Vorlage antreten muss, könnte es also wieder deutlich düsterer aussehen. Denn es ist bemerkenswert, wie eine Sendung, deren einziger Zweck es ist, gutes Fernsehen zu ehren, konsequent so schlechtes Fernsehen sein kann.

Die Lösung wäre, den Deutschen Fernsehpreis in seiner bisherigen Form abzuschaffen und den Deutschen Comedypreis zum Gesamt-Fernsehpreis umzuwandeln. Man müsste nur ein paar Preiskategorien austauschen und das Spektrum der Laudatoren geringfügig erweitern, Dieter Nuhr unbedingt als Moderator behalten und auch sonst alles beim Alten belassen. So einfach wäre das. Schon hätte man eine Sendung, die vielleicht nicht nur ihren Machern, sondern auch dem Publikum gefiele. (Falls das nämlich nicht das Ziel des Abends ist: Es wird ja niemand gezwungen, die Verleihung im Fernsehen zu zeigen!) Und wem dann die nötige Schwere der Veranstaltung fehlt, der kann ja zu Hause bleiben. Dann würden auch weniger eitle Fernsehschaffende, die es schon als Riesenerfolg werten, wenn sie mit ihrer Arbeit mal sieben Millionen Zuschauer erreichen, sich darüber empören, wenn wieder die Protagonisten eines Fernsehereignisses, das locker vier Mal so viele Menschen anzieht, den Fernseh-Ehrenpreis bekommen, wie 2010 die Fußball-Nationalmannschaft für ihre WM-Spiele.

Michael, 16. Oktober 2010, 16:22.

Rede zur Lage des Fernsehens

„Es war ein unglaubliches Fernsehjahr! Neue Konzepte, neue Ideen, neue Gesichter… Wahnsinn! – Nein, warten Sie, das war die Moderation von 1994.“

Moderator Dieter Nuhr beim Deutschen Comedypreis 2010.

Michael, 15. Oktober 2010, 23:03.

Anna und der König von Siam

1983 (ZDF). 13-tlg. biografische US-Serie („Anna And The King“; 1972).

Siam im 19. Jh.: Die Lehrerin Anna Owens (Samantha Eggar) wird vom König von Siam (Yul Brynner) engagiert, um seine Kinder zu erziehen, die ihm seine Haremsfrauen geboren haben. Also zieht Anna mit ihrem Sohn Louis (Eric Shea) nach Bangkok und arbeitet für den König, den Kronprinzen Chula (Bvrian Tochi), Lady Thiang (Lisa Lu), eine der Frauen des Königs, und Kralahome (Keye Luke), die Assistentin des Königs. Zwischen Anna und dem König bahnt sich eine Beziehung an.

Wie zwei Spielfilme gleichen Inhalts basierte die Serie auf den tatsächlichen Erlebnissen der Anna Leonowens im Siam des 19. Jh., dem heutigen Thailand.

Die Folgen waren jeweils 25 Minuten lang und liefen samstagnachmittags.

Breaking Mad

Für ein paar Jahre war es sehr gut, dass es das Privatfernsehen gab, weil den Zuschauern die meisten amerikanischen Serien sonst vorenthalten worden wären. Heute hat sich die Situation gedreht, und aus dem gleichen Grund ist es heute gut, dass es das öffentlich-rechtliche Fernsehen gibt.

Natürlich zeigen auch die Privaten weiterhin viele US-Serien — es sei denn, sie spielen nicht an Tatorten oder in Krankenhäusern. Experimente wagt schon lange kein großer Privatsender mehr, gezeigt werden nur noch die Serien, die schon seit Jahren gezeigt werden, oder Serien, die so sind wie die, die schon seit Jahren gezeigt werden. Die neue Vox-Serie Leverage über eine Gruppe moderner Robin Hoods, die korrupte Geschäftsmänner und reiche Betrüger bestehlen und offenbar gern „Ocean’s Five“ wären, fällt zwar sogar noch halbwegs aus dem Rahmen, aber große Augen vor Überraschung oder Faszination wird dabei niemand machen.

Die Perlen, die neuen Serien, die von Fans und Kritikern schnell zum Kult erklärt und mit Preisen überhäuft wurden, sind inzwischen wieder im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen. Bei zdfneo beginnt heute Mad Men, eine Serie, die in den frühen 1960er-Jahren bei einer New Yorker Werbeagentur spielt. Die großen Werbeagenturen haben ihren Sitz in New York auch heute noch in der Madison Avenue, und daher leitet sich der Name der Serie über die Männer von der Madison ab, kurz: Mad Men.

Die Serie braucht eine Weile, bis sie in Gang kommt, und wer nur die ersten beiden Episoden sieht, hat es beim Versuch, ihre Handlung zu beschreiben, nicht leicht, weil eigentlich keine erkennbar ist. Rauchende Männer denken sich Werbeslogans aus, trinken, graben die neue Sekretärin an und schlafen mit anderen Frauen als der eigenen. Hauptsache, es wird bei jeder Gelegenheit geraucht, sogar bei der gynäkologischen Untersuchung, um zu zeigen: Hey, dies sind die 60er! Erst später erkundet die Serie die geheimnisvollen Hintergründe ihrer Hauptfigur Don Draper (Jon Hamm) tiefer und wird zu dem, was ihr in drei aufeinanderfolgenden Jahren den Emmy als beste Dramaserie eingebracht hat.

Sofort packend ist Breaking Bad, was ab Samstag bei arte zu sehen ist. Ein 50-jähriger Chemielehrer ändert nach der Diagnose Lungenkrebs sein Leben. Er hört nicht etwa auf zu rauchen. Denn er hat nie geraucht. Er fängt an, Crystal Meth herzustellen, und dank seiner Chemiekenntnisse fabriziert er das geilste und reinste Zeug, das auf dem Markt ist. Um einen erfahrenen Partner für den Vertrieb zu haben, tut er sich mit einem drogensüchtigen Volltrottel zusammen, der früher mal in seine Klasse ging.

Die Serie ist keine Comedyserie wie Weeds. Sie ist ein Drama über die Abgründe eines Menschen und der Gesellschaft. Walter White (Bryan Cranston) will mit den Einnahmen seine Behandlung bezahlen, für die seine Krankenversicherung nicht aufkommt. Und sie zeigt schonungslos, wie schnell und wie tief man in ein kriminelles Milieu voller Gewalt abrutschen kann, wenn man erst mal angefangen hat. Cranston, der vorher den Vater der Prollfamilie aus Malcolm mittendrin spielte, verkörpert den todkranken Chemielehrer, der zwischen Verzweiflung und Entschlossenheit schwankt, so grandios, dass er drei Jahre hintereinander den Emmy als bester Drama-Darsteller erhielt.

Beide Serien zusammen gewannen insgesamt 19 Emmys in den drei Jahren, die sie jetzt jeweils auf Sendung sind, und erhielten 65 Emmy-Nominierungen. Das ist schon ziemlich viel in so kurzer Zeit.

Kurz ist natürlich relativ. Für Fans, die seit dem US-Start auf eine deutsche Ausstrahlung im Free-TV warten, sind drei Jahre ein eher langer Zeitraum. Im Privatfernsehen, für das schon die Ausstrahlung von Desperate Housewives als experimentell durchgeht, wären solche Serien heute nicht mehr denkbar.

Jetzt kommen die Serien ins deutsche Free-TV, und man kann natürlich argumentieren: Wenn sie bei arte oder ZDFneo kommen, könnten sie auch genauso gut gar nicht kommen. Wer soll sie da finden? Beide Sender spielen auf dem deutschen Fernsehmarkt kaum eine Rolle. Die Antwort ist: Fans. Dass sie keine massentaugliche Ware für den Allerweltszuschauer produzieren, wussten die Macher beider Serien von Anfang an. Deshalb laufen beide Serien in den USA beim Kabelsender AMC, der bis vor kurzem davon lebte, Schwarzweißfilme zu wiederholen (AMC steht für American Movie Classics) und nichts zu verlieren hatte. Bis heute gibt es bei AMC nur zwei eigenproduzierte Serien: Mad Men und Breaking Bad. Vorher spielte der Sender im amerikanischen Fernsehen kaum eine Rolle. Warum sollten die kleinen deutschen Sender nicht auch von ihrem Mut profitieren?

Leverage, mittwochs um 22.15, Vox.
Mad Men, mittwochs um 22.30 Uhr, zdfneo.
Breaking Bad, samstags um 22.00 Uhr, arte.

Michael, 6. Oktober 2010, 13:01.

Breaking Bad

Ab 9. Oktober 2010 (arte). US-Gesellschaftsserie von Vince Gilligan („Breaking Bad“; seit 2008).

Der Chemielehrer Walter White (Bryan Cranston) ist gerade 50 geworden und erfährt, dass er Lungenkrebs hat – obwohl er nie geraucht hat. Schlecht krankenversichert, benötigt er neue Einnahmequellen, um die Behandlung bezahlen zu können. Zusammen mit seinem ehemaligen Schüler Jesse Pinkman (Aaron Paul), einem unterbelichteten Junkie, beginnt er mit der Herstellung und dem Verkauf von lupenreinem Crystal Meth. Die nötigen Kenntnisse hat er als Chemielehrer ja. Dabei stürzt er rasch in ein kriminelles Milieu ab, in dem Drogenhandel noch das harmloseste Verbrechen wäre. Vor seiner Frau Skyler (Anna Gunn) und seinem behinderten Sohn Walter junior (RJ Mitte) verheimlicht Walter seine Nebenexistenz, vor allem aber vor seinem Schwager Hank Schrader (Dean Norris), der ist nämlich Drogenfahnder bei der Polizei.

Hervorragende, erschütternde Serie mit drastischen Bildern, die mit etlichen skurrilen Momenten gespickt ist, etwa wenn der Junkie Jesse seinen Ex-Lehrer in den dunkelsten Momenten zwar übel beschimpft und die brutalsten Dinger mit ihm dreht, ihn aber weiterhin ständig respektvoll „Mr. White“ nennt. Bryan Cranston brilliert als todkranker Verzweiflungstäter und wurde für seine Leistung dreimal hintereinander mit dem Emmy als bester Hauptdarsteller in einer Dramaserie geehrt.

arte zeigt samstags ab 22.00 Uhr jeweils zwei 50-minütige Folgen. Zuvorgekommen war der Pay-TV-Sender AXN.

Mad Men

Ab 6. Oktober 2010 (zdfneo). US-Gesellschaftsserie von Matthew Weiner („Mad Men“; seit 2007).

In den frühen 1960er-Jahren bemühen sich die rauchenden Männer in einer Werbeagentur an der New Yorker Madison Avenue um gute Slogans, große Werbeetats und schöne Frauen. Don Draper (Jon Hamm) ist der Kreativdirektor der Agentur Sterling Cooper, Peggy Olson (Elisabeth Moss) seine junge Sekretärin, hinter der alle her sind. Dons Boss ist Seniorpartner Roger Sterling jr. (John Slattery), der Don wohlgesonnen ist, auch wenn er selten den Eindruck hat, dass Don etwas arbeitet. Pete Campbell (Vincent Kartheiser) ist ein junger Nachwuchswerber, der sich als Drapers Konkurrent sieht, und Joan Holloway (Christina Hendricks) ist die Chefsekretärin. Don ist mit Betty (January Jones) verheiratet und hat drei Kinder. Mit wem er schläft, ist davon unabhängig.

Mad Men verschaffte dem vorher kleinen amerikanischen Kabelsender AMC zum ersten Mal große Aufmerksamkeit und zahlreiche Preise. Die Serie wurde in drei Jahren hintereinander mit dem Emmy als beste Dramaserie ausgezeichnet. In Deutschland zeigt der kleine Digitalsender zdfneo die 45-minütigen Episoden mittwochs um 22.30 Uhr. Zuvorgekommen war bereits der Pay-TV-Sender FOX.

Leverage

Ab 6. Oktober 2010 (Vox). US-Ganovenserie von John Rogers und Chris Downey, Regie: Dean Devlin („Leverage“; seit 2008).

Ein Team von ehemaligen Verbrechern übt sich als moderne Rächer, nimmt korrupte Geschäftsleute und ungerechte Großkonzerne aus und verhilft deren Opfern auf unbürokratischem Weg abseits des Gesetzes zu Entschädigung und Genugtuung. Kopf des Teams und der Einzige ohne kriminelle Vergangenenheit ist Nate Ford (Timothy Hutton), der früher für eine große Versicherung gearbeitet hat, die dann aber für den Tod seines Sohnes verantwortlich war, weil sie sich geweigert hat, für die teure Behandlung aufzukommen. Mit ihm arbeiten die Schauspielerin und Trickdiebin Sophie Deveraux (Gina Bellman), der Hacker Alec Hardison (Aldis Hodge), der Experte für Waffen und Wiederbeschaffung Eliot Spencer (Christian Kane) und die gewiefte Diebin Parker (Beth Riesgraf).

Moderne Robin-Hood-Variante, gemischt mit Elementen aus Ocean’s 11 bis 13. Die einstündigen Folgen laufen mittwochs um 22.15 Uhr.



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