Bundesversammlung wählt sich einen Wulff
Es hätte alles viel schlimmer kommen können. Es hätte zum Beispiel im dritten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl zu einem Patt zwischen Christian Wulff und Joachim Gauck kommen können, und dann hätte weitergewählt werden müssen, bis endlich jemand gewonnen hat. Dann hätte es wahrscheinlich nicht nur einen Rekord für die längste Bundesversammlung aller Zeiten gegeben, sondern auch schon wieder für das längste Wimbledon-Match.
Aber es war Ulrich Deppendorf, der die Bundesversammlung indirekt zur Ordnung rief, indem er in dem, was sonst das ARD-Vorabendprogramm ist, bei den Zuschauern um Verständnis für die Programmänderung bat und androhte, jetzt weiterzusenden, bis jemand gewählt sei.
Christian Wulff ist es gewohnt, drei Anläufe zu brauchen. Vor seiner Wahl ins Amt des Ministerpräsidenten von Niedersachsen 2003 war er schon zweimal Kandidat gewesen, hatte aber beide Male gegen Gerhard Schröder verloren. Diesmal lagen wenigstens keine neun Jahre dazwischen, sondern nur neun Stunden. Und das Porträt über ihn, in dem zu sehen war, wie er vorvergangene Woche beim Niedersachsentag seinen 51. Geburtstag feierte und wie er in seiner Jugend gegen Helmut Kohl aufbegehrte, war heute auch schon dreimal gezeigt worden. Irgendwas muss man halt senden, wenn man eine brutto neunstündige Sondersendung über ein aktuelles Ereignis füllen muss, bei dem netto aber sieben Stunden lang nichts passiert.
Den zahlreichen Fans beim Public Viewing vor dem Reichstag scheint die lange Dauer nichts ausgemacht zu haben. Aber wir wissen ja: Verlängerung ist gut für die Quote. Und dass derjenige zum Präsident gewählt wird, den das Volk lieber nicht gehabt hätte, hat in Deutschland ohnehin eine lange Tradition. Als Roman Herzog Präsident wurde, war eigentlich Johannes Rau der Favorit der Deutschen, und bei Horst Köhlers erster Wahl hätten sie sich mehr über Gesine Schwan gefreut.
Als Fazit bleibt: Zwei fähige Männer könnten mehr, als sie dürfen. Joachim Gauck hatte seine eigene Fernsehshow schon. (Und Christian Wulff ja eigentlich auch. Erinnern Sie sich? Vor einem Monat riss er auf ProSieben und der ARD die Moderation der Live-Übertragung von der Ankunft Lena Meyer-Landruts in Hannover an sich, als die eigentlichen Moderatoren Heinrich und Opdenhövel ins Schwafeln gerieten.)
Aber Norbert Lammert braucht endlich seine eigene Comedyshow. Nachdem Wulffs Wahl ausgiebig beklatscht wurde, stellte Bundestagspräsident Lammert fest:
Selten hat eine so kurze Amtszeit einen so großen Jubel ausgelöst.