Eigentlich wollte ich über die Nominierten für den Deutschen Fernsehpreis, die heute Abend bekanntgegeben wurden, traditionell schweigen, weil man eine Preisverleihung nicht ernst nehmen kann, die jedes Jahr neue Kategorien erfindet und innerhalb der Kategorien Äpfel mit Lokomotiven vergleicht. Aber was soll’s, denn es gibt auch Lichtblicke: Für die „Beste Comedy“ ist TV-Helden nominiert, eine innovative, witzige Mischung aus intelligenter Satire und Erregung öffentlichen Ärgernisses, die RTL Anfang des Jahres versehentlich ins Programm genommen hatte, bevor der Sender zum gewohnten Niveau zurückkehrte. Die Helden treten in ihrer Kategorie gegen die vielversprechende heute-show des ZDF an und gegen Horst Schlämmer als solchen. Exemplarisch wird seine Pressekonferenz vom 4. August angeführt. Zwei Comedyshows und eine Pressekonferenz müssen sich also messen. Ein Einzelereignis einer Kunstfigur, das zufällig im Fernsehen übertragen wurde, mit zwei geschriebenen und produzierten Show-Reihen. Dazu braucht man schon einen ordentlichen Knick in der Messlatte.
Aber wir sprechen schließlich von dem Preis, mit dem Oliver Welke 2001 als „Beste Sportsendung“ ausgezeichnet wurde. Doch, doch: Den Preis in einer Sendungkategorie erhielt damals explizit eine einzelne Person. Hach, früher war alles genauso!
Ähnlich unlogisch geht es in der Kategorie „Beste Unterhaltungssendung/Moderation“ zu, und damit meine ich nicht einmal, dass Willkommen bei Mario Barth nominiert ist, sondern dass Schlag den Raab als Gesamtwerk nominiert ist, also wohl die durchschnittliche Leistung über die Dauer einer ganzen Fernsehsaison beurteilt wird, als Gegner aber die Einzelausgabe von Wetten, dass…? vom 13. Dezember 20o8 hat. Kann bitte mal jemand Struktur in diesen Sauhaufen bringen? Entweder werden ganze Staffeln nominiert oder einzelne Beispielsendungen, aber doch bitte nicht heute Hü und in anderthalb Sekunden Trullala! Mal ganz abgesehen davon, dass schon der Sammelname der Kategorie völlig außer Acht lässt, dass durchaus gute Sendungen von schlechten Moderatoren präsentiert werden und ebenso gute Moderatoren in schlechten Sendungen festsitzen könnten.
Wären die Juroren des Deutschen Fernsehpreises für politische Meinungsumfragen zuständig, würde die Sonntagsfrage im Politbarometer vermutlich den Bundesdurchschnitt für die CDU dem SPD-Ergebnis unter Schnauzbartträgern in Köln-Nippes gegenüberstellen, und abgefragt würde vermutlich nicht nur die Beliebtheit von Parteien, sondern auch von Mähdreschern.
Schließlich schlage ich noch eine Umbenennung einer anderen Kategorie vor. Als „Beste Serie“ sind neben der BR-Serie Franzi allen Ernstes die altertümliche Klischeeserie Der Lehrer und die tumbe Kuttenklopperei Lasko — Die Faust Gottes nominiert, beide RTL. Da die deutschen Privatsender, die in den Unterhaltungs-, Comedy- und Serienkategorien gewöhnlich reichlich nominiert werden, damit sie überhaupt was gewinnen, so gut wie aufgehört haben, eigene Serien zu zeigen, standen die Juroren offensichtlich bei der Frage, was man nominieren könnte, vor einem Problem. Angemessen wäre deshalb eine Umbenennung der Kategorie von „Beste Serie“ in „Ausgestrahlte Serie“.
Dass man am Deutschen Fernsehpreis am Vorabend der Bundestagswahl dennoch Spaß haben kann, liegt allein an Sat.1, das von Beginn an als einziger Sender verstanden hat, dass diese Veranstaltung nur dann auch für Zuschauer reizvoll sein kann, wenn die Selbstbeweihräucherung der Fernsehschaffenden nicht auch noch von Moderatoren begleitet wird, wie sie RTL, ARD und ZDF seit zehn Jahren ins Rennen schicken, die immer wieder betonen, wie unglaublich wichtig das alles ist, sondern von Unterhaltern unterbrochen wird, die aus der langatmigen Gala noch ein paar Lacher rausholen können. 2001 moderierte Hape Kerkeling, 2005 Hugo Egon Balder, jeweils an der Seite von Anke Engelke. Diesmal verkleiden sich Anke Engelke und Bastian Pastewka als volkstümelndes Moderationsehepaar Wolfgang und Anneliese und werden hoffentlich retten, was zu retten ist. Vielleicht werden sie dafür nächstes Jahr wieder für einen Deutschen Fernsehpreis nominiert, zum Beispiel in der Kategorie „Bester Galaabend/Schraubstock“, zusammen mit der zweiten Halbzeit eines DFB-Pokalspiels und einem Klavier.
Michael, 2. September 2009, 23:08.