Ich geh dann mal lippenstiften

Ich habe nie verstanden, was an Sex And The City lustig gewesen sein soll, finde Grey’s Anatomy langweilig, aber Desperate Housewives und Doctor’s Diary kurzweilig und witzig, und Gilmore Girls ist für mich eine der schönsten Serien, die je gedreht wurden. Man kann also nicht sagen, dass ich Frauenserien pauschal ablehne. Als ich der neuen Serie Lipstick Jungle nichts abgewinnen konnte, weil sie mir zu problembeladen, zu spaßfrei und zu uninteressant war und mir dagegen sogar Sex And The City kurzweilig vorkam, weil deren Episoden wenigstens nur halb so lang waren, suchte ich den Fehler aber dennoch zunächst bei mir. Deshalb habe ich sicherheitshalber eine Frau gezwungen, sich die erste Episode ebenfalls anzusehen. Hier ist ihr Urteil:

Langweilig.
   

Aha. Vielen Dank. Die wenigen Fans der in den USA bereits abgesetzten Serie behaupten ja, die Serie würde ab der zweiten Folge wesentlich interessanter. Um mich bis dahin bei der Stange zu halten, hätte die erste Episode leider viel besser sein müssen.

Lipstick Jungle nach dem Lippenstift-Dschungelbuch von Candace Bushnell ergänzt ab heute um 21.15 Uhr den ProSieben-Frauenmittwoch. Vorher beginnen noch die neuen Folgen von Desperate Housewives.

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Michael, 16. September 2009, 10:32.

Lipstick Jungle

Ab 16. September 2009 (ProSieben). 20-tlg. US-Freundinnenserie nach dem Roman von Candace Bushnell („Lipstick Jungle“; 2008–2009).

Drei erfolgreiche New Yorker Karrierefrauen jonglieren Beruf und Privatleben und treffen sich in schicken Bars, um über Sex zu reden: Die Filmproduzentin Wendy Healy (Brooke Shields), die Chefredakteurin der Zeitschrift „Bonfire“, Nico Reilly (Kim Raver), und die Modedesignerin Victory Ford (Lindsay Price). Victory bandelt mit dem exzentrischen Milliardär Joe Bennett (Andrew McCarthy) an, die verheiratete Nico mit dem wesentlich jüngeren Fotografen Kirby Atwood (Robert Buckley), und Wendy ist im Nebenjob Mutter einer großen Familie und mittelglücklich mit Shane (Paul Blackthorne) verheiratet.

Candace Bushnell, Autorin der Romanvorlage und Produzentin der Serie, lieferte auch die Vorlage für Sex And The City, und das merkt man auch. ProSieben zeigt die einstündigen Folgen mittwochs um 21.15 Uhr.

Zweieinhalb Männer für Charlie

Es muss ungefähr der Moment gewesen sein, in dem klar denkende Menschen aufgegeben hatten, der wiederkehrenden Behauptung, die Sitcom sei tot, zu widersprechen, als sich zweieinhalb Männer anschickten, das Gegenteil zu beweisen.


Foto: ProSieben

Two And A Half Men mit Charlie Sheen und Jon Cryer ist nicht die einzige verbliebene Sitcom, die noch Erfolg hat, es ist nur die, die den meisten hat, und das trifft mittlerweile auf die USA genauso wie auf Deutschland zu. Das ist nicht selbstverständlich. Oft wurden in Deutschland Sitcoms zum Kult, die in ihrer Heimat zwar solide liefen, aber gar nicht zu den großen Überfliegern gehörten, z.B. Die Nanny oder King Of Queens, während die ganz großen US-Erfolge wie Seinfeld oder Frasier hierzulande ein Schattendasein fristeten.

Unter dem Titel Mein cooler Onkel Charlie startete Two And A Half Men vor vier Jahren auf ProSieben ebenfalls verhalten und entwickelte sich erst allmählich zum Erfolg. Ob das damit zu tun hat, dass ab der zweiten Staffel auch bei uns der Originaltitel verwendet wurde, lassen wir mal dahingestellt. Die Quoten am Samstagnachmittag stiegen, aber es musste erst Kabel 1 kommen und die Serie als Dauerschleife mit Doppelfolgen ins werktägliche Nachmittagsprogramm aufnehmen, bevor ProSieben merkte, welche Perle sie da im Programm haben.

Ab heute ist Two And Half Men im Hauptabendprogramm zu sehen, jeweils dienstags ab 21.15 Uhr zeigt ProSieben zwei neue Folgen, immer nach den Simpsons. Dass die Serie auch zur Primetime ein solch großer Erfolg wird wie nachmittags, ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, denn ProSieben hat sich für den Sendeplatz entschieden, auf dem gleichzeitig bei RTL Dr. House läuft. Aber so miserabel wie der ganze eigenproduzierte Schrott der jüngeren Vergangenheit kann es eigentlich gar nicht laufen.

Michael, 15. September 2009, 13:23.

In Memoriam Patrick Swayze

Um die Frage zu beantworten, was Patrick Swayze eigentlich vor seinen Kinoerfolgen Dirty Dancing und Ghost – Nachricht von Sam gemacht hat, muss nur ein bisschen überlegen. Natürlich Fernsehen: Fackeln im Sturm. Ach ja, und Fäuste, Gangs und heiße Öfen. Aber wenn Sie sich daran nicht mehr erinnern, ist das normal und wahrscheinlich auch besser so.

Schwieriger ist die Frage, was Swayze seitdem tat, obwohl da durchaus diverse Film- und auch wieder Fernsehproduktionen waren. Zuletzt spielte Swayze Anfang 2009 die Hauptrolle in der Serie The Beast. Er war dort als FBI-Agent Charles Barker zu sehen, der undercover ermittelt und unkonventionelle Methoden anwendet, um Verbrecher ihrer gerechten Strafe zuzuführen. Das klingt erst mal sehr konventionell, wurde von der Kritik aber viel gelobt, die vor allem Swayzes schauspielerische Leistung als beste seines Lebens heraushob.

Im Alter von 57 Jahren erlag Patrick Swayze einem Krebsleiden.

Michael, 15. September 2009, 07:51.

Fackeln im Sturm

1987 (ZDF); 1995 (Sat.1). 15-tlg. US-Familiensaga nach den Romanen von John Jakes (“North And South”; 1985; “North And South, Book II”; 1986; “North And South, Book III”; 1995).

Orry Main (Patrick Swayze) stammt aus einer aristokratischen Südstaatenfamilie, George Hazard (James Read) aus dem frühkapitalistischen Norden. 20 Jahre vor Ausbruch des Amerikanischen Bürgerkrieges freunden sie sich an, und auch zwischen ihren Familien beginnt eine lange Freundschaft, die Jahrzehnte überdauert, obwohl sie durch die Nord-Süd-Meinungsverschiedenheiten oft belastet wird. So sind George und seine Schwester Virgilia (Kirstie Alley) gegen die Sklaverei in den Südstaaten. Zu ihrer Familie gehören die Mutter Maude (Inga Swenson), der ältere Bruder Stanley (Jonathan Frakes), dessen Frau Isabel (Mary Crosby) und der jüngere Bruder Billy (John Stockwell, ab Folge 7: Parker Stevenson). Orrys Verwandte sind seine Mutter Clarissa (Jean Simmons), seine böse Schwester Ashton (Terri Garber), deren Mann James Huntoon (Jim Metzler), Orrys jüngere und gute Schwester Brett (Genie Francis) und Cousin Charles (Lewis Smith). Orry ist in die vornehme Madeline (Lesley-Anne Down) verliebt, die aber mit Justin LaMotte (David Carradine) verheiratet ist. George heiratet Constance (Wendy Kilbourne), die Tochter des Colonel Patrick Flynn (Robert Mitchum). Virgilia verhilft dem schwarzen Sklaven Grady (George Stanford Brown) zur Flucht und heiratet ihn. Als er getötet wird, kommt Virgilia als unliebsame Zeugin ins Irrenhaus. Billy und Brett Main heiraten. Als der Bürgerkrieg ausbricht, kämpfen Orrys und Georges Familien auf verschiedenen Seiten, doch die Freundschaft hält. LaMotte entführt Madeline, Orry spürt ihn auf, tötet ihn und heiratet Madeline. Ashton beginnt eine Beziehung mit dem kriminellen Elkanah Bent (Philip Casnoff). Madeline erfährt von Ashton, dass sie das Kind einer schwarzen Prostituierten ist und flüchtet. Unterwegs bringt sie einen Sohn zur Welt. Orry kann sie und seinen Sohn jedoch finden.

Jede Folge hatte Spielfilmlänge. Die Serie war in Deutschland wie auf der ganzen Welt ein enormer Quotenerfolg. Sie bestand ursprünglich aus 12 Folgen, die im ZDF liefen. Acht Jahre später entstanden drei neue Folgen, die nach dem Bürgerkrieg spielten. Darin tötet Elkanah Bent Orry und Constance, wird jedoch aufgespürt und ebenfalls getötet. George und Madeline verlieben sich ineinander. Diese Folgen waren in Sat.1 zu sehen.

Dirty Dancing

1989 (DFF2). 13-tlg. US-Liebesserie (“Dirty Dancing”; 1988–1989).

Der Tanzlehrer Johnny Castle (Patrick Cassidy) war Nachwuchskoordinator in Kellerman’s Sommer Camp, bis Besitzer Max Kellerman (McLean Stevenseon) seiner Tochter Frances, genannt Baby (Melora Hardin), diesen Job gab. Baby und Johnny verlieben sich, und Johnny bringt Baby „Dirty Dancing“ bei. Seine eigentliche Tanzpartnerin ist Penny (Constance Marie). Robin (Mandy Ingber) ist Babys Cousine.

Die Serie basierte zwar auf dem gleichnamigen Erfolgsfilm mit Patrick Swayze und Jennifer Grey, verdrehte aber ein paar Konstellationen. So war Baby im Film mit ihren Eltern im Sommerurlaub bei Kellermans, in der Serie waren die Eltern geschieden und ihr Vater selbst der Besitzer. Filmschwester Robin war hier ihre Cousine. Aus dem Film war kein Schauspieler dabei. Ab Dezember 1989 zeigte auch RTL die halbstündigen Folgen am Samstagnachmittag.

Carmen Sandiego

Wenn man von dem TV-Dreikampf im Ersten zwischen Guido Westerwelle, Jürgen Trittin und Oskar Lafontaine, bei dem weniger Moderatoren als Diskussionsteilnehmer anwesend waren und das man deshalb viel eher als das Duell am Vortag überhaupt als Diskussion bezeichnen konnte, nur den verhallten Ton gehört hat, dürfte sich die Frage nicht gestellt haben, von wo die Sendung eigentlich übertragen wurde: Natürlich aus einer Kirche.


Wenn man ihn aber gesehen hat, stellte man sich je nach Kameraeinstellung mehrfach die Frage: Wo sind die eigentlich?

Michael, 15. September 2009, 07:18.

Vier gegen Sieben

Das wird heute ein Fernsehabend für Nostalgiker, denn es wird sein wie damals, als es nur wenige Programme gab und man beim Schalten durch die Programme schnell am Ende angelangt war. Gleich vier Sender zeigen heute dasselbe Programm. Damit mehrere Sender Einheitsprogramm zeigen, muss normalerweise erst ein Popstar sterben oder ein ausländischer König heiraten, aber heute reicht es, dass zwei farblose Politiker, die weder sich noch den Wählern etwas zu sagen haben, sich bereit erklärt haben, 90 Minuten lang im gleichen Studio anwesend zu sein, um dort inhaltliche Aussagen zu vermeiden. Und ebenfalls wie früher, zum Beispiel bei Dalli Dalli, gibt es mehr Schiedsrichter, die die Einhaltung der Spielregeln überwachen, als Teilnehmer. Vier Moderatoren, die Fragen stellen, stehen nur zwei Gesprächspartnern gegenüber, die keine Antworten geben.

Die ernsthafte Alternative läuft auf ProSieben, wo es in der Erstausstrahlung des Simpsons-Films um Umweltverschmutzung geht. Das ist vielleicht nicht so lustig wie das TV-Duell, verspricht aber mehr gesellschaftliche Relevanz. Und irgendwie sind ja auch Die Simpsons Fernsehen wie früher. Als die ersten Simpsons-Sketche in den USA gezeigt wurden, war Dalli Dalli erst ein halbes Jahr nicht mehr auf Sendung.

UPDATE am Tag danach:

mono~ wünscht sich unten in den Kommentaren eine Nachbetrachtung des Duells, und eigentlich wollte ich auch schon früher eine schreiben, aber dann habe ich mich doch zu sehr gelangweilt. Aber ich gebe gern noch meinen Senf zur unten kritisierten Leistung der Moderatoren.

Nein, die Moderatoren waren wirklich nicht so toll, aber das war auch nicht zu erwarten bei einem Format, das nicht aus journalistischen Gründen so gewählt wurde, sondern allein deshalb, weil kein Sender bereit war zurückzustecken und vorab einzusehen, dass die Sendung besser würde, wenn maximal so viele Moderatoren wie Diskussionsteilnehmer anwesend wären. RTL wollte unbedingt auch mal den ARD-Zuschauern zeigen, wie toll ihr Kloeppel ist, und Sat.1 wollte unbedingt allen zeigen, dass es auch einen Journalisten hat.

Eine Diskussion zwischen Merkel und Steinmeier konnte schon dadurch nicht zustande kommen, dass eine Interaktion der beiden von der Fragezeit der Moderatoren abgegangen wäre, und das war niemand bereit zuzulassen. Schade um die vertane Chance.

Michael, 13. September 2009, 19:17.

Schlag dich auf die Seite vom Raab

Wow. Ich glaube, so wenig wie heute bei Schlag den Raab haben sich Fernsehzuschauer noch nie über den Gewinn eines Kandidaten gefreut.

Teilnehmer Hans-Martin, der keine Freunde, sondern eine halbe Million gewinnen wollte, trat von Beginn an mit einer solchen, nennen wir es, Selbstsicherheit auf, dass weder Moderator Mattias Opdenhövel noch Stefan Raab, und nicht einmal Kommentator Frank Buschmann ihre Abneigung verbergen konnten. Von den Zuschauern ganz zu schweigen, denn das taten auch sie oft genug. Raab wurde bejubelt wie noch nie, und Punktgewinne des Kandidaten wurden teilweise mit einer derartigen Stille quittiert, dass ich mich zwischendurch fragte, ob überhaupt durchgehend Publikum anwesend ist. Die Buh-Rufe beantworteten die Frage dann aber recht schnell.

Wenn die Sympathie, die den Kontrahenten von Stefan Raab normalerweise zuteil wird, in den Jackpot wandert, wird Raab in der nächsten Sendung eine sehr aufgebrachte Meute gegen sich haben.

Michael, 13. September 2009, 01:28.

Antwort A

Die Premiere habe ich verpasst. Da ging es mir wie den meisten. Die erste Ausgabe von Wer wird Millionär? vor zehn Jahren war noch weit davon entfernt, ein großer Erfolg zu sein. Zur zweiten Sendung gleich am nächsten Abend schalteten sogar noch weniger Menschen ein, doch zu diesen gehörte ich jetzt. Und es ging mir offenbar wie den anderen: Ich war gefesselt und wollte die Show unbedingt wieder sehen. Wieder war ich nicht allein. An den nächsten beiden Abenden stieg die Zuschauerzahl kontinuierlich an, und am vierten Abend konnte man von einem echten Erfolg sprechen: Sieben Millionen waren inzwischen zusammengekommen. Hätte die erste Staffel nicht nur vier Sendungen umfasst, wäre die Zahl vielleicht noch weiter gestiegen. Diese Überlegung bewog RTL dazu, fünf Monate später gleich zehn Ausgaben innerhalb von zwei Wochen zu senden, und es funktionierte: Bis zum Staffelfinale stieg die Zuschauerzahl diesmal auf unglaubliche 12 Millionen. Doch dann war wieder für vier Monate Pause.

Noch zweimal verfuhr RTL nach diesem ungewöhnlichen Ausstrahlungsprinzip, und fortan musste sich die Zahl nicht erst auf 12 Millionen steigern, sondern blieb von Anfang an so ungewöhnlich hoch. Wer wird Millionär? war zu einem Ereignis geworden, das selten eintrat, dann aber eine Weile anhielt.

Nicht nur der Senderhythmus, auch der Inhalt der Show war revolutionär, obwohl da doch auf den ersten Blick nur ein Moderator saß und einem Kandidaten Fragen stellte, wie früher in Omas Fernsehen. Darüber hinaus schien es auch noch viel einfacher zu sein, hier Geld zu gewinnen. Auf jede Frage wurden vier Antwortmöglichkeiten vorgegeben, man konnte also notfalls raten. Dann hatte man auch noch drei Joker zur Verfügung, man durfte zum Beispiel jemanden anrufen und einfach fragen. Es gab nicht einmal eine zeitliche Beschränkung. Bei jeder Frage konnten die Kandidaten so lange herumdenken, drucksen, grübeln und umentscheiden wie sie wollten. Es ging noch weiter: Wie in vielen anderen Gameshows konnte man auch hier irgendwann mit dem bis dahin gewonnenen Geld aussteigen, aber bei WWM konnte man sogar noch aufhören, wenn man die nächste Frage schon gehört hatte! Sprich: Wenn man die Antwort nicht wusste, konnte man einfach aufhören und die Kohle mitnehmen. Das hatte es noch nie gegeben! Darüber hinaus gab es noch diese Sicherheitsstufen bei den Beträgen 1.000 und 32.000 Mark, die man, wenn einmal erreicht, sogar behalten durfte, wenn man eine falsche Antwort gab. In dieser Show konnte man eigentlich gar nicht verlieren.

Und trotzdem war sie spannend wie lange nichts. Das lag zum einen an Günther Jauch, dessen unlesbare Gesichtsverrenkungen Titelthema fast aller wichtigen Zeitschriften wurden. Zum anderen an der fehlenden Zeitbeschränkung. Dadurch kam zwar kaum Tempo auf, aber der Nervenkitzel stieg weiter, je länger man Zeit hatte, an der eigentlich vermuteten Antwort doch noch zu zweifeln. Und an risikobereiten Zockern, die eben nicht die Chance nutzten, die Antwort zu verweigern, sondern auf gut Glück rieten und Gefahr liefen, das Geld doch noch zu verlieren. Man konnte mit den einzelnen Kandidaten mitfiebern, denn weil nicht mehrere gegeneinander, sondern immer einer allein spielte, hatte man die Gelegenheit, sie besser kennenzulernen und mit ihnen oder gegen sie zu sympathisieren – und zwar datumsübergreifend. Die Sendung hatte nämlich keinen echten Schluss. Wenn die Zeit um war, wurde mit dem Kandidaten eben beim nächsten Mal weitergespielt. Die Gewinnsumme von einer Million war natürlich auch höher als alles bisher. Millionär konnte man vorher im Fernsehen nicht so einfach werden.

Warum schreibe ich das alles hier auf, obwohl doch jeder weiß, wie diese Sendung funktioniert? Genau deshalb, denn es sagt viel über das Phänomen aus. Jeder kennt diese Sendung, sie ist in der Gesellschaft angekommen wie sonst nur Wetten, dass…? oder die Tagesschau. Vor zehn Jahren war das alles neu und bemerkenswert. Aber schon damals gab es ungefähr tausend Fernsehprogramme, und niemand hätte erwartet, dass im neuen Jahrtausend jemals wieder eine Fernsehsendung auch nur annähernd den Stellenwert von Wetten, dass…? oder der Tagesschau erlangen könnte.

Es war ein Risiko, nach gut einem Jahr der Show ihren staffelweisen Ereignischarakter zu nehmen und ihr einen regelmäßigen Sendeplatz zu geben. Würde der Erfolg anhalten, wenn WWM zur Normalität würde? Und es war regelrecht Wahnsinn, die Sendung nicht nur jede Woche, sondern jede Woche dreimal zur Primetime zu zeigen. Wollte RTL die Show um jeden Preis totreiten? Dem US-Sender ABC ist genau das passiert, als er zur gleichen Zeit die Schlagzahl sogar auf vier pro Woche festlegte. 16 Monate später wurde die Show dort aus dem Abendprogramm genommen, weil sich Amerika bereits sattgesehen hatte.

Vielleicht trug dieser geringe wöchentliche Unterschied dazu bei, vielleicht auch die größere Geduld der Deutschen, dass hierzulande der Erfolg länger anhielt. Noch eher lag auch das an Günther Jauch. Der US-Star Regis Philbin ist ein guter Moderator, aber er reicht nicht an Jauch heran, der das Quiz abwechslungsreich, ausdrucksstark, meinungsfreudig und witzig moderierte, also eben genau nicht so, wie sonst Gameshows moderiert wurden, die mehrmals pro Woche liefen.

Damals war RTL übrigens noch ein kommerzieller Sender und zeigte Werbung. Die erste WWM-Jubiläumssendung heute Abend lief länger ohne Unterbrechung als die regulären Ausgaben überhaupt dauern. Sonst hat sich aber nichts an dem oben Geschilderten geändert. Die Zuschauerzahlen konnten sich natürlich nicht dauerhaft bei 12 Millionen halten, einen gewissen Verschleiß gibt es immer. Aber sie hielten sich viel länger als erwartet so hoch, und sie fielen dann viel langsamer als befürchtet ab. Heute ist noch gut die Hälfte übrig, was immer noch genug ist, um in den Quotentabellen in der Regel oben zu stehen, und was im Schnitt immer noch mehr Menschen sind als damals bei der Premiere.

Auch ich gehöre zu denen, die heute nur noch selten zusehen, weil andere Dinge und Sendungen in den Vordergrund getreten sind. Wer wird Millionär? ist nicht mehr das Phänomen, das es einst war und von dem sich Dutzende Quizshows „inspirieren“ ließen, von denen heute allein noch Das Quiz mit Jörg Pilawa übrig ist. Aber WWM gehört noch immer zum Besten, was im Deutschen Fernsehen läuft – und ist trotzdem Normalität geworden.

Die Jubiläumssendung habe ich gesehen und Spaß daran gehabt. Jauchs Umgang mit den Kandidaten war wieder famos, die Fragen in den oberen Kategorien waren interessant und in den unteren amüsant. Es ist gut zu wissen, dass diese Sendung da ist, wenn mir danach ist.

Die Tageschau würde auch niemand absetzen.

Michael, 11. September 2009, 22:59.
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