Rubi – Bezauberndes Biest

Ab 3. Mai 2009 (RTL). 115-tlg. mex. Telenovela nach Yolanda Vargas Dulché („Rubi“; 2004).

Rubi Pérez (Bárbara Mori) ist eine rücksichtsloses Mittelklasse-Mädel, das für ihren sozialen Aufstieg über Leichen geht. Sie verschmäht auch den einfachen Alejandro (Eduardo Santamarina), obwohl er sie doch wirklich liebt, und verführt stattdessen den reichen Héctor (Sebastián Rulli), der gerade Rubis beste Freundin Maribel (Jacqueline Bracamontes) heiraten wollte. Naja, und so weiter eben. Am Ende zieht das Luder doch noch ihre Lehren aus allem.

Mit dieser zweiten Seuche aus Mexiko innerhalb von nur acht Tagen kehrt RTL zum Genre der Telenovela zurück, das der Sender bereits in den 90er-Jahren reichlich bediente, ebenfalls mit Produktionen aus Mexiko wie Die wilde Rose oder Der Clan der Wölfe. Mexikanische Telenovelas unterscheiden sich von deutschen in der Regel dadurch, dass sie in Mexiko erfolgreich sind. Darüber hinaus sind sie meistens deutlich brutaler. Das ideale Programm also für den Sonntagvormittag. Genau da versteckt RTL die Serie, die zuvor schon beim Pay-TV-Sender Passion lief.

Sonja

1997–2001 (Sat.1). Werktägliche einstündige Talkshow mit Sonja Zietlow.

Zietlow stellte von ihrem Platz im Publikum aus fast so harte Fragen wie Birte Karalus, produzierte aber deutlich weniger Skandale und trotzdem, vor allem anfangs, sehr hohe Quoten. Zu den krasseren Themen gehörten „Ihr seid doch der Abschaum unserer Gesellschaft“ und „Ich werde dein Leben zerstören wie du meines“ (beide 1999). Nicht ganz untypisch für ihre Sendung war die Szene in der Sendung „Sonja hilf mir! Ich habe keine Freunde“, in der die Putzfrau Ellen auftrat, die klagte, dass sie auf offener Straße als Hure beschimpft werde. Nun natürlich nicht nur auf offener Straße, sondern auch im Fernsehen. Der Debattenbeitrag einer Bekannten namens Uschi lautete: „Du verlogenes Dreckstück, wenn du schon dein Maul aufmachst! Alles, was du erzählst, ist nur Scheiße. Der Dreck auf der Straße ist mehr wert als du.“ Weitere Äußerungen wurden vom Sender mit Pieptönen unkenntlich gemacht.

Wegen der Sendung „Hilfe, mein Kind schlägt mich“ vom 25. April 1997 verhängte die rheinland-pfälzische Landesmedienanstalt ein Bußgeld in Höhe von 100 000 DM gegen Sat.1. „In der Sendung wurde ein ca. elfjähriges Mädchen als Talkgast von der eigenen Mutter, vom Studiopublikum und auch von der Moderatorin angegriffen und sichtlich in die Enge getrieben“, hieß es in der Begründung. Ein Gutachten einer Pädagogik- und Psychologieexpertin habe ergeben, dass die Sendung Kinder und Jugendliche beeinträchtige. Die Medienwächter ermahnten die Sender daraufhin „nachdrücklich“, ihrer Pflicht zur „verantwortlichen Programmgestaltung“ nachzukommen.

Sonja füllte die Mittagslücke und ermöglichte es dem deutschen Fernsehpublikum erstmals, werktags sechs Stunden Daily Talk am Stück zu sehen, von 11.00 bis 17.00 Uhr auf RTL, Pro Sieben und Sat.1. Rund 800 Ausgaben liefen mittags um 13.00 Uhr, dann verließ Zietlow — bei gesunkenen, aber immer noch verhältnismäßig ordentlichen Quoten — Sat.1, um das Quiz Der Schwächste fliegt bei RTL zu moderieren. Ihren Talkplatz übernahm Britt.

Ricky!

1999–2000 (Sat.1). Talkshow mit dem aufgedrehten Amerikaner Ricky Harris, den man noch deutlich schlechter verstand als seine tiefsten Dialekt sprechenden Gäste.

Ricky! startete am gleichen Tag wie Oliver Geissen, was ihm aber auch kein Glück brachte. Sein revolutionäres Versprechen vor dem Start lautete: „Bei Ricky! werden Menschen wie Menschen behandelt.“ Entdeckt worden war er als Verkäufer beim Einkaufssender H.O.T., wo er Lamadecken nicht wie läppische Lamadecken behandelte, sondern wie attraktive, flauschige, unentbehrliche Wesen.

Bei einer Aufzeichnung von Ricky! im Herbst 1999 wurde eine Freiwillige mit einem glühenden Eisen „gebrandet“ — sie brach zusammen und musste ärztlich behandelt werden. Die Aufzeichnung wurde abgebrochen und die Sendung nie gezeigt, doch der Fall brachte Sat.1 riesige Schlagzeilen („Bild“ titelte: „Folter-TV“) und eine Ermahnung der Landesmedienanstalten ein: „Es kann nicht sein, dass alles, wofür sich ein Mensch finden lässt, um es vor der Kamera zu tun oder zu ertragen, auch zum Gegenstand von Sendungen werden muss.“ Die verantwortliche Redakteurin wurde abgemahnt und versetzt.

Ricky! lief werktags um 14.00 Uhr.

Die Streetworker

2003–2004 (Pro Sieben). Dt. Pseudo-Doku-Soap über die Arbeit des Sozialpädagogen Til Schumann und seines Teams, das sich um Problemkinder kümmert. Die Fälle sind nachgestellt, nein, erfunden – jedenfalls, gelinde gesagt, unwahrscheinlich.

Schon Monate vorher waren die Streetworker immer wieder in der Sendung Die Jugendberaterin mit längeren Einspielfilmen aufgetaucht, nach deren Absetzung bekamen sie ihre eigene halbe Stunde werktags um 15.30 Uhr.

Die Jugendberaterin

2002–2003 (Pro Sieben). Einstündige Pseudo-Beratungsshow mit der Diplom-Sozialpädagogin Margit Tetz, die pro Sendung in zwei bis drei Fällen Jugendlichen konkrete Lebenshilfe bietet. Eine Schweigepflicht gilt hier nicht, da die Probleme von Laiendarstellern vorgetragen werden.

Tetz war jahrelang Mitglied des „Dr. Sommer“-Beratungsteams der Jugendzeitschrift „Bravo“ und als solche auch regelmäßig in deren Fernsehableger Bravo TV aufgetreten. Ihre eigene Show dümpelte in den Quoten vor sich hin, der vergleichsweise lange Atem des Senders reichte für genau ein Jahr, während dessen die Fälle immer konstruierter und extremer wurden. Dann verschwand Frau Tetz in eine „kreative Pause“, und Die Streetworker nahmen ihren Platz ein, eine Doku-Soap über die Arbeit von Sozialpädagogen (natürlich auch anhand erfundener und nachgestellter Fälle), die schon seit Monaten immer wieder bei der Jugendberaterin als längere Einspielfilme aufgetaucht waren.

Zwei bei Kallwass


Foto: Sat.1

Seit 2001 (Sat.1). Wenn zwei sich streiten, freut sich Sat.1: Jeden Werktag um 14.00 Uhr treten zwei echte Menschen mit einem Konflikt auf, und die Psychologin Angelika Kallwass löst das Problem — oder trifft zumindest eine Entscheidung.

Das Konzept kam nicht sonderlich gut an, während direkt im Anschluss zwei Richtershows großen Erfolg hatten. Ab Ende des Jahres 2001 wurde es deshalb geändert: Statt echter gab es nun von Schauspielern nachgestellte Problemfälle, die nun wesentlich weniger überzeugend, dafür aber viel abwegiger und dramatischer waren. Die Quoten stiegen, die Show wurde doch noch ein Erfolg. Glückwunsch.

Richter Alexander Hold

Seit 2001 (Sat.1). Einstündige Gerichtsshow mit dem Richter Alexander Hold.


Foto: Sat.1

Dass die Zeit der Daily Talks vorbei war, bewies spätestens diese neue Sendung. Es war die dritte Streitshow, die Sat.1 jeden Nachmittag am Stück zeigte, werktags um 16.00 Uhr direkt nach Zwei bei Kallwass und Richterin Barbara Salesch. Hold erzielte auf Anhieb gute Quoten und schlug auch die kurz zuvor gestartete zeitgleiche RTL-Konkurrenz Das Jugendgericht. Wie bei all diesen Formaten waren der Richter und die Staatsanwälte und Verteidiger echt, die Fälle fiktiv und die Betroffenen schlechte Schauspieler. Ingo Lenßen, der häufig die Rolle des Anwalts übernahm, bekam später seine eigene Serie Lenßen und Partner.

Wie seine Kollegin Salesch richtete auch Hold im Sommer 2002 zweimal zur besten Sendezeit. Beide Richter erreichten auch im Abendprogramm akzeptable Marktanteile.

Nicole — Entscheidung am Nachmittag

1999–2001 (Pro Sieben). Tägliche Nachmittags-Talkshow um 16.00 Uhr mit Nicole Noevers und unprominenten Gästen, die sich in der Öffentlichkeit über Privates stritten.

Die „Entscheidung“, durch die sich Nicole von den damals elf anderen täglichen Talkshows unterschied, sah so aus, dass z. B. der Vater sich noch in der Sendung festlegen sollte, ob er seine Tochter noch einmal wiedersehen wollte oder nicht. Oft steckte die Entscheidung auch schon im Sendungstitel: „Ungewollt schwanger. Soll ich das Kind bekommen?“

Als „Konfliktlösung“ bezeichnete Pro Sieben das Drängen zur schnellen Entscheidung. Wo andere Talkshows mit Krawall versuchten, Quote zu machen, setzte Nicole auf Emotionalität. In den ersten Sendungen wurde vermutlich mehr geheult als in allen Talksendungen der vorangegangenen Monate zusammen. Eine Mutter stellte fest, dass ihre Kinder öffentlich erzählten, dass sie intrigant sei; eine Tochter berichtete, dass ihr Vater auch nach sechs Jahren keine Lust habe, einen Streit zu vergessen und sie und das Enkelkind zu sehen. Auch nach dem Auftritt blieb häufig die Kamera dabei und verfolgte, wie emotional es hinter der Bühne weiterging. Eine Pro-Sieben-Sprecherin rechtfertigte das Format mit dem Satz, notfalls „besorgen wir den Gästen einen Therapieplatz“.

Nicole hatte zunächst Erfolg, doch als im Herbst 2001 sowohl RTL als auch Sat.1 zeitgleich Gerichtsshows dagegensetzten (Das Jugendgericht und Richter Alexander Hold), bröckelten die Quoten erheblich. Das Konzept wurde daraufhin geändert: Jetzt traten keine echten Talkgäste mehr auf, Laiendarsteller trugen in der Rolle von Talkgästen den umso heftigeren Streit aus. Nun wurde z. B. verhandelt, ob ein Mann ein junges Mädchen sexuell belästigt habe, und die Moderatorin wedelte mit der Unterhose des vermeintlichen Opfers samt Spermaspuren und kündigte das Ergebnis eines DNA-Tests für nach der Werbung an. Es half alles nichts, die Show starb ein paar Wochen später den Quotentod.

Sabrina

1999–2000 (RTL). Werktägliche Vormittagstalkshow mit Sabrina Staubitz.

Allein bei RTL war dies die fünfte tägliche Talkshow. Anders als die anderen sollte die von Ilona Christen produzierte Sendung „Lösungsansätze“ bieten und weniger krawallig sein. Tatsächlich waren die Unterschiede marginal.

Die Folge mit dem Thema „Sabrina: Ich gehe in den Puff — na und?“ rief die Jugendschützer der Landesmedienanstalten auf den Plan: Die Gäste hätten Prostitution verharmlost und unkritisch als lukrative Möglichkeit des Geldverdienens dargestellt, diskriminierende Verhaltensmuster gegenüber Frauen seien propagiert worden. Die Sendung verstieße damit gegen die Jugendschutzbestimmungen. Am 1. Februar 2000 lautete das Thema: „Du Waschlappen, Du hast ja nichts zu melden“. Acht Monate später ging es Sabrina ähnlich.

Birte Karalus

1998–2000 (RTL). Einstündige Daily-Talkshow mit Birte Karalus.

Birte Karalus, produziert von Hans Meisers Firma crea-tv, war die mit Abstand härteste Talkshow ihrer Zeit. Schon nach der ersten Woche stellte die zuständige Landesmedienanstalt fest, dass die „freiwilligen Verhaltensgrundsätze“, die die Privatsender für Talks gerade erst beschlossen hatten, nicht eingehalten wurden. Die Redaktion versprach, in Zukunft „weniger Alkoholiker“ in die Sendung zu nehmen und keine Kinder unter 16 Jahren. In einer Sendung hatte ein 15-jähriger Junge neben seinem leiblichen und seinem Pflegevater gesessen, während die beiden sich fast schlugen. Ein Highlight (oder Tiefpunkt) in der kurzen, aber skandalträchtigen Geschichte war eine Sendung mit dem 14-jährigen Serienstraftäter „Mehmet“, der aus München in die Türkei ausgewiesen worden war — der Fall hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Trotz der Behauptung, keine Gäste unter 16 einzuladen, schaltete man „Mehmet“ aus der Türkei zu. Karalus moderierte ihn mit den Worten an: „Ist er der hoffnungslose Kriminelle? Oder der arme Junge, der zwischen den Mühlen von Polizei und Justiz zermahlen wurde? Am besten fragen wir ihn selbst.“

Typische Themen waren „Furchtbar! Und so was wie ihr hat Kinder!“, „Igitt, du gehst zu Huren“, „Ganz ehrlich, diese Schläge hast du dir verdient“ und „Du Schlampe, du lässt dich ja von jedem Typen schwängern“.

Seit Karalus täglich talkte, sendete RTL jeden Nachmittag vier Stunden Talk am Stück. Sie war die Erste, die zwei Jahre später nach 404 Sendungen bröckelnden Quoten zum Opfer fiel. Karalus selbst schien darüber ähnlich erleichtert zu sein wie viele andere. „Nie wieder würde ich eine Nachmittags-Talkshow machen“, sagte sie zwei Jahre später der „Bild“-Zeitung. „Es gab Augenblicke, da stand ich im Studio und habe mich geschämt. Sinnloser Krawalltalk! Da zog sich mir der Magen zusammen.“

Die Show lief werktags um 14.00 Uhr.

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