Willemsens Woche

1994–1998 (ZDF). Late-Night-Talkshow mit Roger Willemsen.

Nach einigen Jahren als hochgelobter, aber kaum gesehener Interviewer in 0137 und „Willemsen. der Talk.“ auf Premiere engagierte das ZDF den promovierten Germanisten für den Versuch einer intelligenten Gesprächssendung. Zu den Gästen gehörten Gerhard Schröder, Sting, Yoko Ono, Billy Joel, Jeanne Moreau, Isabelle Huppert, David Copperfield, Isabelle Allende, Jassir Arafat und Joan Baez.

In der ersten Ausgabe interviewte er Madonna und fragte sie u. a., ob sie gut küssen könne — was gleich einen Eindruck von seinem zwischen Intellektualität und Flirt changierenden Gesprächsstil vermittelte. Willemsen wagte anspruchsvolle Interviews, etwa mit Daniel Goldhagen über die Deutschen als „Hitlers willige Vollstrecker“, und lud den psychisch kranken australischen Pianisten David Helfgott ein, Fragmente aus Rachmaninovs 3. Klavierkonzert vorzutragen.

Sondersendungen mit nur einem einzigen Interviewgast gab es mit Isabella Rosselini, Michail Gorbatschow und Peter Ustinov. Er sprach mit seinen Gästen vor Publikum an einer Art Küchentisch, anfangs, je nach Thema, auch in einer Couchecke. Zwischen den Gesprächen spielte der an der Glasknochenkrankheit leidende Jazz-Pianist Michel Petrucciani.

Willemsens Woche polarisierte Zuschauer und Kritiker: Die einen lobten die sonst im Fernsehen fast völlig abwesende Intelligenz der Unterhaltung, andere waren von der Eitelkeit des Gastgebers genervt. Die Quoten waren nur selten gut, fielen aber ins Bodenlose, als das ZDF die Sendung Anfang 1997 vom späten Freitag- auf den noch späteren Donnerstagabend verlegte. Im September des gleichen Jahres machte der Sender den Schritt rückgängig und erklärte, Willemsen von der Quotenvorgabe zu befreien: „Ich bin kein Entertainer mehr, sondern Subkultur“, kommentierte der. Kein Jahr später war dennoch Schluss; im Juni 1998 lief noch ein Best-of.

Willemsen war innerhalb des ZDF auch wegen seiner häufigen Kritik am Medium Fernsehen umstritten. Nachdem er die Doktorarbeit von Bundeskanzler Helmut Kohl als „Leistungsverweigerung“ verspottet hatte, bekam er ebenso Ärger wie nach einem Interview mit der Mutter der RAF-Terroristin Birgit Hogefeld. Schon bald durfte Willemsen keine aktiven deutschen Politiker mehr in die Sendung einladen.

Einmal ließ Willemsen eine Quotennackte durchs Bild laufen. Er erklärte: „Die Leute schalten dann nicht mehr weg, sondern warten, weil sie sich fragen, ob die nochmal wiederkommt.“ David Hasselhoff stellte er all die Fragen, die der sich vorher verbeten hatte. Daraufhin simulierte der einen Defekt seines Ohrknopfes und verließ das Studio. Helmut Markwort konfrontierte Willemsen 1995 mit einem Fehler nach dem anderen aus dessen Zeitschrift „Focus“. Die Abmoderation lautete: „Fakten, Fakten, Fakten. Das war unser Geschenk für zwei Jahre ‚Focus‘. Herr Markwort, vielen Dank fürs Hiersein.“ Es gab eine Rüge vom Fernsehrat dafür.

Wenn die Putzfrau zweimal klingelt

1994 (RTL 2). Comedy-Talkshow mit Hella von Sinnen im Spätprogramm am Sonntagabend.

Von Sinnen ist einerseits Gastgeberin, die mit Prominenten einigermaßen ernsthaft spricht, andererseits die Putzfrau Schmitz, die bei ihnen zu Hause oder im Büro Schränke, Schubladen und Papierkörbe durchwühlt. Zwölf Folgen liefen, dann wollte RTL 2 die Reihe nicht fortsetzen, angeblich weil Hella dem Sender nicht schrill genug war.

Schlagabtausch

1993 (Vox). Live-Talkshow mit Hanjo Seißler und zwei Gästen.

Gleich in der ersten Sendung am ersten Sendetag von Vox kam es zum Eklat: CSU-Politiker Erich Riedl, der wie SPD-Mann Freimut Duve von Seißler provoziert wurde, verließ unter Protest das Studio. Trotz des insofern vielversprechenden Starts wurde die knapp einstündige Sendung, die um 22.10 Uhr lief, nur zwei Monate später wegen schlechter Quoten eingestellt. Seißler hatte vorher mit Georgia Tornow die SFB-Talkshow Berlin Mitte im Dritten Programm moderiert.

Gegen den Strich

1993 (Vox). Kurzlebige Talkshow mit Dagobert Lindlau.

Sie wollte das „Forum für die andere Meinung“ werden, anstatt wiederzukäuen, was alle anderen schon sagen. Gegen den Strich verschwand aber (zusammen mit Schlagabtausch) schnell wieder, weil das neu gestartete „Ereignisfernsehen“ Vox sich höhere Quoten erhofft hatte. Es war nach Veranda der zweite Misserfolg für Lindlau in kurzer Zeit.

Die wenigen Folgen liefen montags um 22.10 Uhr.

Veranda

1991 (ARD). „Gäste bei Dagobert Lindlau“. Einstündige Talkshow mit Dagobert Lindlau, damals Chefreporter des Bayerischen Rundfunks, der seinen Gästen mit wenig Charme, aber intelligent und hartnäckig auf den Zahn fühlte. Damit war die Reihe das genaue Gegenteil der Plauderrunde Heut’ abend, deren Nachfolgerin sie wurde, allerdings auch was Erfolg und Langlebigkeit angeht: Sie brachte es nur auf 27 Ausgaben und wurde vom wieder kuscheligen und erfolgreichen Boulevard Bio beerbt. Lindlaus nächster Talkshow-Versuch Gegen den Strich war noch kurzlebiger.

Die Show lief wöchentlich mittwochs um 23.00 Uhr.

Stippvisite

1989–1990 (RTL). 40-minütige Talkshow mit Rainer Holbe am sehr späten Abend.

RTL setzte die Sendung sofort ab, nachdem der „Stern“ veröffentlicht hatte, dass Holbe in einem Buch esoterisch verbrämte antisemitische Thesen verbreitete, darunter die, dass Hans Rosenthal an Krebs gestorben sei, um „für sein Volk“ (die Juden) zu leiden.

Stechers Show Talk

1997 (RTL). Late-Night-Talkshow mit Alexander-Klaus Stecher.

Prominente Gäste werden interviewt; in einer Straßenumfrage sagen Menschen, was sie von ihnen halten, und in einem „Promigramm“ fragt das vorher befragte Studiopublikum, was es immer schon einmal wissen wollte. Für jede Antwort bekommt der Prominente Geld für einen guten Zweck. Gäste der ersten Sendungen waren Lothar Matthäus und Rainhard Fendrich.

Stecher war die männliche Antwort auf Verona Feldbusch, nur nicht ganz so textsicher und intellektuell. Er moderierte später beim kostenpflichtigen Schlagersender Goldstar-TV.

Getalkt wurde sonntags nach Mitternacht.

So ein Zoff!

1987 (ZDF). Dreiviertelstündige Spiel- und Talkshow mit Günther Jauch und Gästen, die sich übereinander geärgert haben.

Diese fetzen sich erst in einem sechsminütigen Rededuell, danach treten sie bei einem Computerspiel gegeneinander an. Auf diese Weise duellierten sich z. B. Raucher und Nichtraucher sowie Ufo-Gläubige und Skeptiker. Es ging aber auch um Themen wie Uli Steins Rauswurf aus der Nationalmannschaft.

Die erste Sendung lief noch unter dem Titel Mensch ärgere Dich nicht, worüber sich aber die Produzenten des gleichnamigen Brettspiels nachhaltig ärgerten. Sechs Ausgaben liefen alle paar Wochen mittwochs um 19.30 Uhr.

701 – Die Show

1997 (ZDF). Nachmittagsshow mit Stefanie Ludwig und Markus Brock.

Wer, bitte, kommt auf die Idee, eine neue Show nach der zentralen Rufnummer des Senders zu benennen? 0 61 31/70-1 ist die vom ZDF, deshalb „Sieben-null-eins“. Die „Mischung aus Show, Spiel, Infotainment, Quiz, Action und vielen Serviceangeboten“, live „von der umgebauten und mit einem neuen Wetterschutz versehenen Freispielfläche des Fernsehgartengeländes“, wurde verständlicherweise kein Erfolg, obwohl man doch bei der Premiere auf Nummer Sicher ging und Roberto Blanco einlud. Gemeinsam mit der Talkshow Schattenspringer bildete 701 einen kurzlebigen Versuch des ZDF, sein Nachmittagsprogramm aufzupeppen.

Schattenspringer

1997 (ZDF). Werktägliche Talkshow mit Stefan Schulze-Hausmann.

Prominente und Nichtprominente berichten live von schicksalhaften Fügungen, Krisen oder bemerkenswerten Begegnungen, die sie zu einem Wendepunkt in ihrem Leben veranlasst haben. Schattenspringer war eine Hälfte des neuen erfolglosen „Erlebnisnachmittags“ namens „Happy Hours“. Die andere Hälfte hieß 701 – die Show.

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