Eine Marke für Charlie

Die neue Krimiserie Life als „ungewöhnlich“ zu bezeichnen, wäre übertrieben. Der Held und seine schöne Partnerin klären ganz gewöhnliche Mordfälle auf. Dieser Held ist aber ungewöhnlich, andererseits sind das Helden von Krimiserien ja mittlerweile immer.


Foto: NBC/Trae Patton

Immerhin ist Damian Lewis als Charlie Crews nicht einfach der konventionelle unkonventionelle Polizist, der eigensinnig ist und auch mal Vorschriften missachtet, wie man ihn in jeder Serie sieht. Charlie Crews saß zwölf Jahre unschuldig im Knast und hat seitdem eine bessere Menschenkenntnis, eine bessere Beobachtungsgabe und jede Menge Zen-Weisheiten verinnerlicht, mit denen er seine Mitmenschen belästigt. Unwirsch wird er nur gegenüber Verdächtigen von Zeit zu Zeit. Unentwegt isst er Äpfel oder Birnen, vergleicht sie aber nicht miteinander. Dass er nicht nur seine Dienstmarke zurückbekommt, sondern vom Streifendienst zur Kriminalpolizei befördert wird, war Teil der Vereinbarung, die ihn für die ungerechtfertigte Zeit im Gefängnis entschädigen sollte. Der andere Teil waren 50 Millionen Dollar. Nebenbei verprasst Charlie diesen Reichtum, fährt aber andererseits mit dem Linienbus zur Arbeit. Sein Finanzberater ist ebenfalls ein Ex-Knacki. Und natürlich will Charlie die Verschwörung aufklären, die ihn lebenslang in den Knast bringen sollte. Das ist neben den wöchentlich abgeschlossenen Fällen der Handlungsstrang, der sich durch die Serie ziehen wird.

Ungewöhnlich ist das alles nicht. Gut ist es trotzdem. Life ist die natürliche nächste Evolutionsstufe amerikanischer Krimiserien dieses Jahrzehnts, und Charlie Crews ist die logische Folge und Weiterentwicklung aus Gil Grissom und Robert Goren.

Und so bereichert Life ab sofort den Mittwochabend bei Vox, an dem ja noch nie eine schlechte Serie lief.

Life, mittwochs um 21.10 Uhr bei Vox.

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Michael, 11. März 2009, 06:42.

Balsambaumgewächse


Fotos: RTL2

Das deutsche Fernsehen misst mit seltsamen Maßstäben. Die hervorragende US-Politserie The West Wing zeigte es nicht, weil man eine Serie, die im Weißen Haus spielte, deutschen Zuschauern nicht vermitteln könne. Die mittelmäßige US-Politserie Welcome Mrs. President, die im Weißen Haus spielte, zeigte es.

David E. Kelleys Anwaltsserie Practice — Die Anwälte brach das deutsche Fernsehen zwar an, aber auch ab, und nie wieder ward im Free-TV von ihr gehört. Stattdessen wurde gleich David E. Kelleys Fortsetzung Boston Legal gezeigt, die Practice mit einigen (den US-Zuschauern) bekannten Charakteren weiterführte.

Die großartige Thrillerserie 24 war beim kleinen Sender RTL2 mit jeder Staffel weniger erfolgreich, da kaufte der größere Konkurrent ProSieben die Rechte und zeigte voller Stolz die sechste und gleichzeitig erste schlechte Staffel der Serie. Überraschend ohne großen Erfolg.

Ebenfalls bei ProSieben floppte die britische Kultserie Doctor Who sogar im Nachmittagsprogramm. Nach deutscher Logik sollte sich der Spin-off Torchwood über einen anderen Zeitreisenden, der ebenfalls Außerirdische bekämpft, also fürs Abendprogramm eines anderen Senders geradezu aufdrängen. Na dann. Heute geht’s los.

In der ersten Folge beißt ein sabbernder Außerirdischer mit einer hässlichen Fratze einen armen Krankenhausmitarbeiter tot, und das Blut spritzt meterweit. In der zweiten Folge wird eine junge Frau von einem sexbesessenen Alien befallen, das sich von Orgasmen ernährt, und die Männer, mit denen es Sex hatte, zerfallen zu Staub. Würde die gebührenfinanzierte ARD eine solche Trashserie produzieren, gäbe es einen großen Aufschrei anlässlich des erneuten Untergangs des Abendlandes und des weiteren Niveauabfalls, für den unser Geld verschwendet würde. Produziert sie stattdessen die gebührenfinanzierte BBC, gilt sie als Kult. In Deutschland griff RTL2 zu, und das passt ganz gut.

Immerhin wirkt Torchwood nicht halb so billig wie Doctor Who, ist seitens der BBC aber auch nicht für das Nachmittagsprogramm entwickelt worden, sondern für den späteren Abend. Sonst würde das Blut vielleicht weniger weit spritzen. Und immerhin nimmt sie sich und seine Gimmicks nicht so furchtbar ernst. Zum Beispiel den unsichtbaren Aufzug.

Gwen Cooper: Wie funktioniert das?
Captain Jack Harkness: Keine Ahnung. Wir wissen, dass es funktioniert, aber nicht wie. Aber wenn ich raten sollte, dann würde ich sagen dass hier mal ein dimensional-transzendenter Chamäleonschaltkreis bestanden hat, dessen Wahrnehmungsschild punktuell mit einem Raum-Zeit-Riss verschmolzen ist.

Oder die militärischen Kommandos.

Jack Harkness: Standardformation!
Gwen Cooper: Was ist die Standardformation?
Owen Harper: Ändert sich ständig.

Aber schlimmer Trash ist die Serie trotzdem.

Torchwood, mittwochs um 22.05 Uhr bei RTL2.

Michael, 11. März 2009, 06:30.

Life

2009–2010 (Vox). 32-tlg. US-Krimiserie von Rand Ravich („Life“; 2007–2009).


Foto: Vox/NBC Universal

Der Ex-Streifenpolizist Charlie Crews (Damian Lewis) ist jetzt bei der Kriminalpolizei von Los Angeles. Dazwischen saß er zwölf Jahre unschuldig im Gefängnis, wofür er sehr, sehr reich entschädigt wurde. Trotzdem arbeitet er wieder und klärt mit seiner Partnerin Dani Reese (Sarah Shahi) Mordfälle auf. Auch sie hat eine Vorgeschichte: Als Uncover-Ermittlerin war sie drogenabhängig geworden und im Entzug gelandet. Nun soll sie auf Charlie aufpassen. Oder eher ihn ausspionieren. Noch besser: rausekeln. Alles im Auftrag von Chefin Lt. Karen Davis (Robin Weigert). Tut sie aber nicht, denn die beiden werden natürlich ein gutes Team. Seit er nicht mehr im Knast ist sieht Charlie die Welt mit anderen Augen, und mit schärferen: Seine Beobachtungsgabe ist besser geworden, und er nervt seine Umgebung mit Zen-Weisheiten und dauerndem Obstessen. Seine Freizeit verbringt er mit zweierlei: Zum einen Frauen, die auf ihn abfahren, weil er reich ist und die er in seiner riesigen unmöblierten Villa empfängt, die  er sich von der Entschädigung gekauft hat, und mit der Suche nach den wirklichen Mördern von damals. Einen dreifachen Mord hatte man Charlie in die Schuhe geschoben, und nun möchte er die Verschwörung aufklären. Sein Vermögen verwaltet ein ehemaliger Wirtschaftskrimineller, den Charlie im Knast kennengelernt hat, Ted Earley (Adam Arkin), der nun in einem Zimmer über Charlies Garage wohnt. Bobby Stark (Brent Saxton) ist Charlies ehemaliger Streifenpartner und Constance Griffiths (Brooke Langton) seine Anwältin.

Zwischen den Szenen gibt es immer wieder pseudodokumentarische Interviewausschnitte, in denen sich die Beteiligten zu dem Fall von damals und über Charlie Crews äußern.

Die einstündigen Folgen liefen mittwochs um 21.10 Uhr.

Torchwood

Ab 11. März 2009 (RTL2). Brit. Sciencefictionserie von Russell T. Davies („Torchwood“; seit 2006).


Fotos: RTL2

Der Zeitreisende Jack Harkness (John Barrowman) ist im gegenwärtigen Cardiff gestrandet und leitet dort nun das geheime Institut Torchwood 3, das die Aktivitäten Außerirdischer überwacht, gegebenfalls bekämpft und in jedem Fall vor der Öffentlichkeit vertuscht. Die Ex-Polizistin Gwen Cooper (Eve Myles), der Arzt Dr. Owen Harper (Burn Gorman), die Computerspezialistin Toshiko Sato (Naoko Mori) und das Faktotum Ianto Jones (Gareth David-Lloyd) komplettieren die Abteilung. Niemand von ihnen weiß, wer dieser Jack Harkness ist, wo er herkommt, warum er da ist, und ob er überhaupt ein Mensch von der Erde ist. Für ihre Arbeit verwenden sie einigen Hightech-Schnickschnack, den sie den Aliens abgenommen haben.

Die Serie ist ein Spin-off von Doctor Who. Der Begriff „Torchwood“ bezeichnet in der Botanik die Familie der Balsambaumgewächse. Das hat mit der Serie aber rein gar nichts zu tun. Die heißt so, weil das Wort auch ein Anagramm von Doctor Who ist.

Die einstündigen Folgen laufen mittwochs um 22.05 Uhr und nach ein paar Wochen vermutlich im Nachtprogramm.

Ideen im Suff — so war es wirklich

ProSieben reanimiert heute seinen Lückenfüllklassiker Witzig ist witzig. Das symbolisiert so eine Art Totstellen, wenn man weiß, dass bei der Konkurrenz gerade Dr. House läuft, gegen den man sowieso keine Chance hat. Eine Praxis, die jahrzehntelang alle Sender befolgten, wenn Wetten, dass…? lief.

Im Buch „Zapp! Merkwürdigkeiten aus der Fernsehwelt“ steht Witzig ist witzig in der Liste der Sendungstitel, auf die man nur im betrunkenen Zustand kommen konnte. Im vergangenen Herbst erzählte uns Stefan Raab aber, wie es wirklich war, und dass er es war, der diesen Sendungstitel verbrochen habe.

Wir hatten damals, das ist viele Jahre her, als wir mit TV Total angefangen haben, eine Diskussion darüber, was denn jetzt lustig sei oder warum etwas lustig sei. Und dann habe ich gesagt: „Ist doch völlig egal! Wenn die Leute lachen, ist es lustig. Wenn’s witzig ist, ist es witzig. Dann ist die Begründung völlig egal.“ Dieser Spruch wurde uns dann von ProSieben aufgrund des Erfolges unserer Sendung zu Weihnachten in einem Rahmen präsentiert. Und der hing dann bei uns im Büro. Das war nie der Gedanke, dass das mal der Titel für eine Sendung werden sollte. Und dann kam es zu einer Sendung bei ProSieben, der Unterhaltungschef sah diesen Titel und sagte: „Das ist ein guter Titel. Den nehmen wir!“ (…) Der Unterhaltungschef ist allerdings auch nicht mehr Unterhaltungschef.

Michael, 10. März 2009, 06:56.

WipeOut — Heul nicht, lauf!

Ab 10. März 2009 (ProSieben). Spielshow mit Matthias Opdenhövel.

24 Kandidaten müssen einen harten Abenteuerparcours überwinden: Sie müssen rennen, klettern, balancieren und dabei diversen Hindernissen ausweichen, die aus Wasser, Feuer, Bällen oder künstlichen Armen bestehen. Wer scheitert, landet im Wasser oder im Schlamm. Vier Teilnehmer kommen ins Finale, wer den dortigen Parcours am schnellsten bewältigt, gewinnt 10.000 Euro. Charlotte Engelhardt ist als Reporterin dabei, Sportreporterlegende Werner Hansch kommentiert die Wettbewerbe.

Endemol produzierte die Sendung komplett in Argentinien und nutzte das gleiche Set für diverse internationale Ausgaben der Show. Nur die US-Ausgabe, auf der die anderen Versionen basieren, wurde in den USA produziert, aber ebenfalls von Endemol.

Die einstündigen Shows laufen dienstags um 20.15 Uhr.

Witzig ist witzig

Seit 2003 (ProSieben). Einstündige Comedyshow. Moderatoren und Komiker zeigen und kommentieren Pannen, Patzer und missglückte Szenen ihrer eigenen Shows sowie Ausschnitte anderer Lustigkeiten oder aus nie ausgestrahlten Pilotsendungen, und der Zuschauer stellt fest, dass „witzig“ doch nicht immer witzig ist.

2003 und 2004 liefen insgesamt sechs Sendungen zur Primetime, auf deren Wiederholungen ProSieben in den folgenden Jahren immer wieder zurückgriff, wenn irgendwo eine Sendung abgesetzt wurde oder schlicht billiges Füllmaterial gebracht wurde. Seit 2007 werden sporadisch neue Ausgaben produziert.

Scheibenwischer

1980–2008 (ARD). Kabarettreihe von und mit Dieter Hildebrandt.

Vor Studiopublikum hält Hildebrandt stotternd Monologe zum aktuellen politischen Geschehen und spielt Szenen und Sketche. Wechselnde Gastkabarettisten unterstützen ihn und dürfen auch ohne Hildebrandt auftreten. Meist zieht sich durch alle Nummern ein Oberthema als roter Faden. Als musikalische Begleitung wirkt die Jürgen-Knieper-Band mit.

Regisseur der ersten 32 Ausgaben war Sammy Drechsel, nach dessen Tod im Januar 1986 übernahm seine langjährige Assistentin Catherine Miville. Wie schon in Hildebrandts früherer Sendung Notizen aus der Provinz gab es auch bei Scheibenwischer immer wieder Beschwerden von Politikern wegen vermeintlich allzu kritischer Inhalte, die auch innerhalb der ARD Unmut auslösten. Gleich die erste Sendung nutzte das Team, um gründlich mit dem alten Arbeitgeber ZDF abzurechnen, Titel: „Ausgewogenheit in den Rundfunkanstalten“.

Die Proteste fanden ihren Höhepunkt, als die Sendung vom 22. Mai 1986 überall in Deutschland, nur nicht in Bayern zu sehen war. Schon 1982 hatte der Bayerische Rundfunk eine Sendung über den umstrittenen Rhein-Main-Donau-Kanal heftig kritisiert. Diesmal war das Thema die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, und der BR beschloss nach Durchsicht des Manuskripts, seinen Zuschauern die Sendung wegen „nicht gemeinschaftsverträglicher“ Elemente vorzuenthalten und sich aus dem ARD-Programm auszuklinken. Das führte natürlich zu einem weit größeren Interesse am Inhalt der Sendung als normalerweise. Am nächsten Tag lief der boykottierte Scheibenwischer in vielen Kinos, wenig später erschien das Manuskript als Taschenbuch.

Die Sendung war im Gegensatz zu Notizen aus der Provinz live, was ihr die Möglichkeit gab, sehr aktuell zu sein. Die Reihe lief zwischen vier- und achtmal im Jahr und war Opfer eines fröhlichen Sendeplatzschiebens der ARD. Gestartet und beendet am Donnerstag, lief sie zwischendurch an etlichen anderen Tagen, meist kurz vor 22.00 Uhr, und war unterschiedlich lang, mal 30, mal 60, meist 45 Minuten. Ab Januar 2000 war Bruno Jonas, bisher häufiger Gastkabarettist in der Sendung, als ständiger Partner Hildebrandts dabei, später stießen noch Mathias Richling und Georg Schramm zum ständigen Team. Häufige Gäste waren auch Lisa Fitz, Richard Rogler, Werner Schneyder, Renate Küster, Lore Lorentz, Konstantin Wecker, Gerhard Polt, Henning Venske, Hanns Dieter Hüsch und Gisela Schneeberger.

Scheibenwischer wurde die langlebigste Kabarett- oder Comedysendung im Fernsehen. Hildebrandts anfängliche Einschätzung „Ich mache, was ich will, und sicher wird die Sendung deshalb irgendwann einmal abgesetzt“, entpuppte sich als Irrtum. Er bestritt 144 Ausgaben, die letzte reguläre am 15. Mai 2003 — ein großes abendfüllendes Live-Finale zur Primetime am 2. Oktober 2003.

Ab Januar 2004 wurde die Reihe mit Jonas, Richling, Schramm und Gästen fortgesetzt, jetzt zehnmal im Jahr donnerstags um 23.00 Uhr, 30 Minuten lang. Schramm verließ das Ensemble im Mai 2006 im Streit: Er hatte sich mehr Vielfalt und Schärfe gewünscht. Zusammen mit Urban Priol gründete er im ZDF die Satiresendung Neues aus der Anstalt. Für Schramm wurde Richard Rogler neues Mitglied im festen Team, der sich aber Anfang 2008 wieder verabschiedete. Am Ende desselben Jahres ging auch Jonas.

Richling sollte den Scheibenwischer nun als künstlerischer Leiter alleine weiterführen. Nachdem er angekündigt hatte, die Sendung auch gegenüber Comedians öffnen zu wollen, untersagte Dieter Hildebrandt die weitere Verwendung des Namens Scheibenwischer. Richlings Show wurde daraufhin kurzfristig in Satire Gipfel umbenannt.

Die Reihe bekam den Grimme-Preis mit Silber 1983, den mit Gold 1986 und den Telestar 1987.

Notizen aus der Provinz

1973–1979 (ZDF). Halbstündige politische Satirereihe von und mit Dieter Hildebrandt. Die Sendung parodierte Politmagazine, der Kabarettist Hildebrandt moderierte in einem entsprechenden Stil am Schreibtisch Beiträge an. Die Reihe lief sehr erfolgreich einmal im Monat am Sonntag um 21.00 Uhr.

Das ZDF hatte offenbar ein eher harmloses, lustiges Magazin erwartet und kündigte Notizen aus der Provinz als „amüsanten Reflex auf Zeiterscheinungen“ an, doch Hildebrandt wurde zunehmend schärfer. Immer wieder protestierten vor allem konservative Politiker gegen die satirisch-kritischen Inhalte, z. B. 1978 der medienpolitische Sprecher der CDU, Christian Schwarz-Schilling, der sich in einem Brief an den Intendanten beschwerte, Hildebrandt habe ihn in „übler, journalistisch unqualifizierter Weise“ diffamiert, als er einen von Schwarz-Schilling nachträglich gestrichenen Satz aus einem heute-journal-Interview verwendete. 1975 setzte das ZDF eine Ausgabe zum Thema Abtreibung ab, 1977 eine über Terrorismus. Im Jahr dazwischen wurde Hildebrandt für die Reihe mit dem Grimme-Preis mit Bronze geehrt.

Ab Januar 1978 gab es beim ZDF eine Dienstanweisung, dass dokumentarisches Material, das die Notizen immer wieder in die neu gedrehten Beiträge eingebaut hatten, nicht mehr für solche Zwecke verwendet werden dürfe — dadurch verlor die Sendung an Schärfe. Ein Jahr später verlor sie den Schreibtisch. Hildebrandt hatte eine neue Studiodekoration und die Sendung nicht mehr den Zusatz „Magazin“ sondern „Satirische Randbemerkungen“, weil man, so Hildebrandt, beim ZDF der Meinung sei, „dass Schreibtisch und Magazincharakter das Publikum verleiten könnten, die Sendung ernst zu nehmen“.

Für das Wahljahr 1980 verordnete ZDF-Programmdirektor Dieter Stolte Hildebrandt und seiner Reihe nach 66 Folgen eine „Denkpause“ — vermutlich auch, um sich bei den Politikern beliebt zu machen: Stolte musste schließlich von  Politikern zum Intendanten gewählt werden. Die Pause endete nie, Hildebrandt wechselte zur ARD, wo er ein halbes Jahr später mit Scheibenwischer auf Sendung ging.

Kir Royal

1986 (ARD). „Aus dem Leben eines Klatschreporters“. 6-tlg. dt. Satireserie von Helmut Dietl und Patrick Süskind.

Baby Schimmerlos (Franz Xaver Kroetz) ist Klatschkolumnist bei der „Münchner Allgemeinen Tageszeitung“, kurz MATZ, und gemeinsam mit dem Fotografen Herbie Fried (Dieter Hildebrandt) immer auf der Suche nach Geschichten, Gerüchten und Skandalen in der Münchner Bussi-Schickeria. Er bestimmt, wer in und out ist, entsprechend schmeicheln sich die Möchtegernprominenten regelmäßig bei ihm ein. Die Frauen in Babys Leben sind seine Freundin Mona (Senta Berger), die sich vernachlässigt fühlt und nicht immer nur das Anhängsel sein möchte, Sekretärin Edda Pfaff (Billie Zöckler), seine Mutter (Erni Singerl), die sich um seine Wohnung und die Wäsche kümmert, und Verlegerin Friederike von Unruh (Ruth Maria Kubitschek). Und eigentlich wartet der mächtige, aber etwas einfältige Baby nur darauf, dass er endlich den Boulevard hinter sich lassen kann und ganz groß rauskommt.

Die einstündigen Folgen liefen zur Primetime. Vorbild für die Figur des Baby Schimmerlos war der bekannte Klatschreporter der Münchner Boulevardzeitung „tz“, Michael Graeter. Die originalgetreue Karikatur der Schickimicki-Gesellschaft machte die Serie zu einem der größten Erfolge des Jahres. Aber wie schon bei seiner anderen Erfolgsserie Monaco Franze – Der ewige Stenz sah Autor und Regisseur Dietl keinen Anlass zu einer Fortsetzung.

Die Musik war von Konstantin Wecker, in jeder Folge trat ein neuer Gaststar auf, darunter Mario Adorf. Und natürlich war es im richtigen Fernsehleben so wie in der Serie: Wer dabei sein durfte, war etwas. Wer etwas sein wollte, musste mitspielen dürfen.

Die Serie erhielt den Adolf-Grimme-Preis mit Gold 1987 und 1988. Sie ist auf DVD erhältlich.

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