Was kratzt es die Legende, wenn sie an sich kratzt?

Der Fernsehbezug kommt gleich. Erst kurz ein Kinohinweis: Wenn Sie Spaß mögen, ein Freund von Kurzweil sind und gern unterhalten werden, meiden Sie „I Am Legend“, den neuen Will-Smith-Film. Oh mein Gott, war das langweilig!

Jetzt der Fernsehbezug. Wenn Menschen um die 30 an der Kinokasse nach ihrem Personalausweis gefragt werden, weil der Film ab 16 ist, trägt die Schuld daran allein das Fernsehen! Nur weil in Serien wie Beverly Hills, 90210, Dawson’s Creek und O.C., California permanent Teenager von 30-jährigen Schauspielern gespielt werden, bekommen mittelalterliche Kassiererinnen den Eindruck, junge Menschen sähen tatsächlich so alt aus!

Parkverbot am Washington Square in New York im Herbst 2006
„Hier dürfen Sie nicht parken. Hier wird gerade ‚I Am Legend‘ gedreht. Der Film wird aber auch nicht spannender als dieses Schild.

Michael, 13. Januar 2008, 00:55.

Volles Haus

2008 (ProSieben). Dt. Sitcom.

Alltag und alte Witze mit den Bewohnern eines mehrstöckigen Hauses. Mittendrin die WG der Twens Emma (Anja Knauer), Vera (Ellen Schlootz), Dennis (Hendrik Borgmann), Mark (Tim Morten Uhlenbrock) und Tom (Toni Snetberger), einer hohler als der andere, darüber das Ehepaar Annette (Meike Schlüter) und Bernd (Michael Müller) mit den Töchtern Julia (Uta Kargel) und Mirja (Sarah Alles), und unten im Haus die Wirtsleute Holger (Matthias Komm) und Yvonne (Nina Vorbrodt) mit ihrem lästigen Stammgast Kurt (Tobias Kasimirovicz). Ebenso lästig wird Holgers Ex-Affäre Iris (Sonya Kraus), eine Flugbegleiterin, die aus rein sexuellen Gründen zu ihm zurück will.

Niveauloser Blödsinn, der kein noch so plattes Klischee auslässt und auf der spektakulär gefloppten österreichischen Serie Mitten im 8ten beruht. Er lief sonntags um 17.30 Uhr. Es war ungewöhnlich für ProSieben, noch vor dem Start der Serie gleich 30 Folgen bestellt zu haben. Dass die Serie dann trotzdem nach nur vier Folgen abgesetzt wurde, war wiederum völlig normal.

Neues aus Maden-Maden (1)

Zietlow: Zweiter Tag im Dschungel, und wir haben bereits zwei Notfälle zu vermelden. Bata Illic hat es beim Eintreten ins Camp erwischt, und Barbara Herzsprung diese Nacht beim Austreten.

Zietlow: Wir schalten zu Stars, denen zwar viel ähnlich sieht, nur sie sich selbst nicht besonders. — Oh, das wäre jetzt ein guter Satz für Katja Burkard gewesen.

Bach: Ich liebe es ja, wenn Ross und Bata miteinander sprechen.
Zietlow: Miteinander sprechen, ist vielleicht der falsche Ausdruck.
Bach: Ich meine, Ross ist Engländer, Bata war mal Englischlehrer, warum quälen die sich so mit Deutsch?
Zietlow: Und vor allem: uns?

Zietlow: Zehn Sterne kann Lisa bei der Dschungelprüfung maximal gewinnen, aber das ist ja kein Problem: Mit Sternen kennt Lisa sich ja aus — Sie wollte mal Superstar werden.
Bach: Und Teen-Star und Popstar und Star-Search-Star… — Oh, das war wieder ein Satz für Katja Burkard.
Zietlow: Also eine absolute Überqualifizierung, sozusagen. — Star-Search-Star, gibt’s doch gar nicht.
Bach: Aber Katja Burkard.

Zietlow: Komm, lass uns ein bisschen Bildungsfernsehen machen: Was haben Erroll Flynn und die Kronprinzessin Marie von Dänemark gemeinsam? — Sie kommen beide aus Australien, und zwar aus Hobart in Tasamanien.
Bach: Toll. Aber bist Du sicher, dass irgendeiner unserer Zuschauer noch weiß, wer Errol Flynn ist?
Zietlow: Sie kennen ja auch noch Bata Illic.

Bach: Wir haben vor der Werbung gesehen, wie DJ Tomekk zum Franz Assisi des Camps mutiert ist. Er kann nicht nur mit Tieren reden, er versteht sogar Bata Illic.
Zietlow: Und Barbara Herzsprung schmiert sich den Nachtisch ins Gesicht. Bisher war es im Camp immer andersrum, da haben die Stars nämlich ihre Gesichtscreme immer gegessen.
Bach: Ich glaube, der Leidensdruck ist einfach noch nicht hoch genug.

Stefan, 13. Januar 2008, 00:06.

Live aus Maden-Maden

22:08. Sie sehen an der Überschrift, Damen und Herren, das wird ein fröhliches Pointenlimbo heute abend, mit der alten Der-Preis-ist-heiß-Regel: Nicht überbieten. Und wenn Sie sich für den weiteren Verlauf des Abends vielleicht jetzt schon die Information merken möchten: DJ Tomekk kann nicht schwimmen.

Frau Zietlow und Herr Bach scheinen sich schon auf eine angenehme Gehässigkeit vorgeglüht zu haben. Gleich geht’s los: Die dritte Staffel der einzigen Show im deutschen Fernsehen mit einem ironischen Titel: Ich bin ein Star — holt mich hier raus!

22:10. Ich geb’s zu: Das find ich schon lustig. Wie Dirk Bach und Sonja Zietlow mit einem braunen Schrumpelsäckchen mit zwei Augen dastehen, das der Teddybär von Ross sein soll, und Bach hält, als der geschriebene Text schon zuende ist, das Gammelteil noch einmal hoch und sagt: „Süß, ne?“ Und Zietlow antwortet, diplomatisch: „Geht so.“

22:16. DJ Tomekk hat Angst davor, jemandem auf die Fresse zu hauen. Bata Illic wünscht sich, dass sie Freunde werden. Hauptsache, Björn Hergen Schimpf hat Karlchen mitgebracht.

22:21. Ja gut, das ist jetzt alles egal. Diese Hotel-Anreisegeschichte mit Vorab-Interviews, in denen alle sagen, was für eine „Herausforderung“ das für sie ist. Muss aber wohl sein, schon weil man ja die Leute nicht kennt. Also, die „Stars“.

22:22. Frau Schaffrath geht in den Dschungel, um zu lernen, „Nein“ zu sagen. Frau Schaffrath? Clever wär es gewesen, vorher Nein zu sagen.

22:23. Bata Illic IST Franz Josef Wagner! Sieht aus wie 205 und man versteht kein Wort.

22:28. Ich mag die beiden. Also Sonja und Dirk. Die Dialoge von denen sind möglicherweise die ehrlichsten Gespräche im Privatfernsehen überhaupt. Mit soviel echter Lust an der Bosheit. Und dieser immer wieder zu spürenden Verachtung für diese Idioten da unten im Dschungel.

22:30. Das ist das, was an dieser Show so toll ist: Sie zeigen Julia Biedermann, wie sie sagt, dass sie dummes Geschwätz nicht ausstehen kann. Dann schneiden sie daran einen Endlos-Dummes-Geschwätz-Monolog von Ross. Und dann schwenken sie auf Julia, die neben ihm steht, und zeigen ihr eingefrorenes Gesicht.

22:32. Frau Edvardsson heult schon im Hotel!

22:34. Julia Biedermann ging noch nie. Julia Biedermann war immer schon eine der schlimmsten Frauen im deutschen Fernsehen. Schon als Kind. Julia Biedermann geht gar nicht. Maden für Julia Biedermann!

22:39. PR-Berater aus der Hölle: „Das ist für mich ganz wichtig“, sagt Lisa Bund, in den Dschungel zu gehen, „damit die Leute sehen, dass ich gar nicht die Zicke bin, als die ich bei DSDS abgestempelt werde“.

22:41. Lisa Bund hat sich ein Kissen mitgebracht mit Fotos von ihren Freunden drauf, sagt sie. Nun geht sie die Bilder durch: „Das bin ich, das bin ich, das bin ich, das da bin ich…“

22:43. Bach und Zietlow: „Was designt Barbara Herzsprung?“ — „Dirndlschürzen!“ — „Es gibt Designer für Dirndlschürzen?“ — „Barbara Herzsprung!“

22:45. Ach: die, die aussieht wie Cordula Stratmann, ist die Pornotusse?!

22:46. Diese ganzen Witze auf Kosten von Ross gehen mir auf den Sack, aber schön isses schon, wenn er mit seinem englischen Akzent sagt, es sei so „schwul und stickig“ da unten.

22:49. Wenn man Frau Illic sieht, ahnt man, warum er in den Dschungel will. Cordula Stratmann Gina Wild Frau Schaffrath heult auch schon. Ross auch! Was fürn Geheule. War das früher auch schon so?

22:58. Werbepause. Und leider die Erkenntnis, dass mich die Show jetzt schon wieder so gepackt hat wie die beiden Male davor. Ein Grund ist glaube ich, dass es sonst fast keine Sendung im Fernsehen gibt, bei der man wirklich nicht weiß, was passiert. Gut, es ist vollständig egal, was passiert, aber das ist ja nicht der Punkt. Wann wird dieses alberne profilneurotische Rumgepose von Tomekk aufhören (kleiner Spoiler: HEUTE NOCH)? Wer bringt Ross zum Schweigen? Wird Lisa Bund die Zickenkönigin des Camps oder Julia Biedermann? Wer erweist sich dann doch als überraschend sympathisch, wer als unerwartet unerträglich? Es ist tatsächlich irgendwie auch ein echtes psychologisches Experiment, bei dem man zugucken darf. Und keiner, der dabei ist, kann sagen, er hätte nicht gewusst, worauf er sich einlässt, und sei ein Opfer. (Außer Lisa Bund, vielleicht, wegen der PR und so.)

23:00. Lustiger als hier oben ist es unten in den Kommentaren: „Wurde Bata Illics Frau gerade von Anke Engelke gespielt?“ — „Die Frau von Bata Ilic sieht aus wie Jabba the Hut…“

23:07. Julia Biedermann sieht jetzt schon um zehn Jahre gealtert aus. DJ Tomekk hat angeblich versucht, Wodka in seiner Wasserflasche ins Camp zu schmuggeln. Diverse Leute versuchten es mit Zigaretten. Bata Illic wollte drei verbotene „Nimm zwei“-Bonbons mitnehmen. Und Ross hat seinen abgenagten Teddykopf als Hülle für Schmuggelgut missbraucht! Wer macht denn sowas?

23:13. Als ich Björn-Hergen Schimpf das letzte Mal gesehen habe, sah der mindestens 30 Kilo dicker aus. Der hat bestimmt voll strebermäßig vorher abgenommen, um im Dschungel gut auszusehen, und nun macht er auf: „Oh Gott, ich muss hier nicht gewinnen.“ Vielleicht kann ihm Frau Herzsprung aus der Ledergesichtshaut von Bata Illic ein Ersatz-Karlchen basteln?

23:17. Ach herrjeh, am Ende der heutigen Sendung werden dann schon alle geheult haben. Lisa Bund fällt immer wieder vom Superwackelsteg ins Camp, hängt an so einem Sicherheitsseil, aber weint vor Panik. (Musik: „Hard To Be A Girl“.) Und irgendeine blöde Kandidatenkuh ruft vom sicheren Rand: „Lisa, geh mal weiter!“

23:21. Und nun Bata Illic mit Magenproblemen. Sonja: „Camp-Rentner ist eben nicht mehr so geschmeidig wie Barbara (Herzsprung)“.

23:28. Die Zeiten, in denen Ich bin ein Star… die Show mit den kürzesten Werbeblöcken überhaupt war, weil es den Unternehmen angeblich zu fies war, sind anscheinend vorbei.

23:31. Herr Schimpf gibt sich wenig Mühe, seine Enttäuschung zu verbergen: „Ist das schon das Camp?“

23:32. DJ Tomekks Ansage im Camp: Dass das mal klar ist, alle sollen morgens um 7 aufstehen und „salutieren“. „Das machen die Frauen bei mir auch.“ Michaela Schaffrath: „Wovon träumst Du nachts?“

23:38. Hach, das ist auch immer wieder schön, wenn alle einzeln und doch gemeinsam den Gipfel der Heuchelei erklimmen. Beim Vorschlagen, wer die erste fiese Prüfung machen soll, so Sätze wie: „Ich glaube, das ist der beste Weg für Ross, seine Ängste zu überwinden.“

23:43. Tomekk hat sich das wirklich verdient, diese Dschungelprüfung. Ist das nicht schön? Die ersten 90 Minuten erarbeitet es sich ein „Star“ ganz alleine die Schadenfreude, die man dann empfindet, wenn man ihn zwischen Krabbelgetier unter Wasser leiden sieht. Das ist bestimmt gesund — kathartisch, oder wie man das nennt.

23:54. Und mit einem Rutsch ist die ganze coole „Ich besorg Euch das Abendessen, Mädels“-Nummer vom Ober-DJ dahin: Aale sind nicht seins. Aale sind definitiv nicht seins. Die Prüfung bricht er vorher ab, mit der Hälfte der möglichen Sterne, die ins Abendessen umgewandelt werden. „Mit Fischen komm ich nicht zurecht“, sagt er, „ganz besonders, wenn es Baby-Krokodile sind.“

23:57. Ross vermisst seine Eltern, seine Famile. Fühlt sich dreckig. Heult. Die müssen sich doch noch ein Steigerungspotential für die nächsten Wochen lassen!

0:01. Die Dschungelprüfung für morgen hat RTL in der Pressemitteilung so angekündigt: „Hier wird aus Gläsern allerlei Getier gekostet, aber nicht gegessen. Wer es also schafft, z.B. eine Hand voll lebender Maden 30 Sekunden im Mund zu behalten, erhält zwei Sterne.“ Und die arme Lisa muss ran. Weil sie ihren ganzen Fans gesagt hat, sie sollen für sie anrufen, sagt sie. Genau.

0:03. Gina Wild erzählt Lisa Bund, sie soll sich keine Sorgen machen, weil Regenwürmer eigentlich nach nichts schmecken. Und Ross sitzt neben ihr und sieht aus, als kotzt er gleich.

0:07. Hach, ja, ich werde mir das jetzt wieder jeden Abend angucken. Vermutlich schön auf dem Festplattenrekorder, um die langweiligen Teile vorzuspulen. Aber so kondensiert von zwei Stunden ist das eine gepflegte Stunde gute Fernsehunterhaltung. Und das ganze Gerede vom Trash-Fernsehen ist eh Unfug: Musikauswahl, Schnitt, Moderationen, all das ist so professionell und gleichzeitig liebevoll gemacht. Und, Hand aufs Herz: An welchem Ort würden wir die Leute, die da im Dschungel sitzen und zu unserem Vergnügen und mit der Hoffnung auf den großen PR-Effekt leiden, lieber sehen?

Nur die Tiere müssen einem natürlich wieder leid tun.

0:10. Aber zum Livebloggen eignet sich das nur so mittel — die boshafte Kritik des Geschehens an sich steckt schon in der Sendung selbst; da kann man als Kritiker kaum noch was nachlegen und draufpacken. Aber in den Kommentaren schien ja Stimmung zu sein, das les ist jetzt noch mal in Ruhe durch. Schönen Abend noch und bis bald!

Stefan, 11. Januar 2008, 22:09.

Dschungel statt Duschgel

Bata Illic, Björn-Hergen Schimpf, DJ Tomekk, Frau Herzsprung, Julia Biedermann, Eike Immel, Michaela Schaffrath, jemand, noch jemand und sogar noch jemand ziehen heute in den „Dschungel“. Jawohl, es ist soweit: RTL startet die dritte Staffel von Ich bin raus – macht mich wieder zum Star! Und mit ein bisschen Glück schwingen im Dschungel Tarzan und Jane vorbei und Sat.1 kann sich seine nächste Castingshow gleich sparen.

Programmhinweis:
Ich bin ein Blog — lies mich hier live!
Heute, hier, live ab 22.15 Uhr.

Michael, 11. Januar 2008, 07:22.

The Next Uri Geller

Seit 2008 (ProSieben). „Unglaubliche Phänomene live“. Talentshow mit Stefan Gödde.

Zehn Magiere, Hellseher, Gedankenleser, Mentalkünstler, Medien, Illusionisten etc. bemühen sich um die „Nachfolge“ von Uri Geller, dem bekannten Löffelverbieger. Das Prozedere folgt dem der klassichen Castingshow: Nacheinander führen alle vor, was sie können: Sie halten ihren Puls an, sprechen mit dem Jenseits und benutzen Formuliereungen wie „mentale Sendekräfte“. Eine Jury, die in diesem Fall allein aus Uri Geller besteht, beurteilt, und am Ende der Sendung entscheidet das Fernsehpublikum per Telefonabstimmung, wer in die nächste Runde kommt. Wer die wenigsten Stimmen erhält, fliegt raus. Einem Kandidaten kann Uri Geller vorab bereits Immunität gewähren und ihn so in jedem Fall in die nächste Sendung befördern. Der Gesamtsieger erhält den zweifelhaften Titel „The Next Uri Geller“ und 100.000 Euro. Zwischendurch führt Uri Geller auch ein paar Kunststückchen vor.

Sieger der ersten Staffel wurde Vincent Raven, der in einem albernen Umhang und in unverständlichem Gebrabbel mit seinem Raben Corax sprach und so Kontakt zum Jenseits aufnahm, was er durch inhaltsleere Allgemeinplätze bewies. Von allen Teilnehmern wirkte er am ehesten wie ein Scharlatan und hatte deshalb den Titel „The Next Uri Geller“ wohl am ehesten verdient. Der Zweitplatzierte Farid erhielt ein Jahr später seine eigene Show Street Magic mit Farid. Zur gleichen Zeit zeigte ProSieben eine neue Staffel von The Next Uri Geller, die nun aber floppte.

Die abendfüllenden Shows laufen dienstags um 20.15 Uhr.

Biegen und Brechen

Uri Geller versuchte sich an einem neuen Experiment. Zwischen den Auftritten seiner Gedanken lesenden, Puls anhaltenden und mit Raben sprechenden potenziellen Nachfolger in der neuen Talentshow The Next Uri Geller forderte er die Zuschauer zu Hause auf, kaputte Elektrogeräte vor dem Fernseher zu platzieren. Er würde sie reparieren, indem er auf Hebräisch bis drei zählt. Ein Zuschauer schrieb anschließend eine E-Mail ins Studio, sein DVD-Player funktioniere endlich wieder. Dieser Mensch hatte es gut, denn er konnte sich für den Rest des Abends statt dieser Sendung einen guten Film ansehen.

Doch The Next Uri Geller hatte alles, was große Abendunterhaltung vor dreißig Jahren hatte: Ein riesiges Saalpublikum, Bürgermeister in der ersten Reihe, den Hinweis an die lieben Kinder, die Experimente bitte nicht zu Hause nachzumachen, die Einblendung, dass sich die nachfolgenden Sendungen um einige Minuten verschieben, und Uri Geller. Zwei Dinge waren anders als vor dreißig Jahren: Es gab kein Saalorchester, das die Musik in der Show live spielte, es hätte sonst vermutlich Erschwerniszuschlag verlangt, denn wie die meisten heutigen Shows war auch diese komplett mit spannungsgeladener Musik unterlegt. Aber im Gegensatz zu den meisten heutigen Shows war sie stellenweise tatsächlich spannend. Welcher Trick es auch war, durch den der Karatekämpfer wusste, auf welche von fünf Papierzylindern er mit verbundenen Augen, der bloßen Hand und voller Wucht einschlagen konnte, ohne sich selbst das Messer in die Hand zu rammen, das sich unter einem der fünf Zylinder verbarg, es war aufregend anzusehen. Und das wäre es sogar gewesen, wenn ProSieben auf die Geschmacklosigkeit verzichtet hätte, mehrmals darauf hinzuweisen, dass das gleiche Experiment jüngst in Israel gescheitert sei und das entsprechende blutige Video wiederholt zu zeigen.

Ein Mann, den Uri Geller unentwegt Stefan nannte und bei dem es sich der Sage nach um Stefan Gödde handelt, moderierte die Show souveräner als man es von ProSieben-Showmoderatoren gewohnt ist, sollte aber offenbar anonym bleiben. Weder im Vorspann, noch im Abspann, noch per Einblendung zwischendurch gab es einen einzigen Hinweis darauf, wer dieser Moderator ist. Vielleicht nahm ProSieben an, nicht nur auf der Bühne, sondern auch im Publikum säßen Gedankenleser.

Einige der Gedankenleser und Telepathen waren recht beeindruckend. Der prominente Gast Jürgen Vogel ließ sich mit einer Feder berühren, aber die unberührte Sonja Kraus spürte die Berührung. Ein Mann hielt für eine halbe Minute seinen eigenen Puls an. Ein Medium beschrieb mit verbundenen Augen Gegenstände, die ihr Partner im Publikum einsammelte. Und dann war der noch der Rabenvater, der in einer wenig geläufigen Sprache auf einen Raben einredete und vorgab, mit dem Jenseits sprechen zu können. Seine Auskünfte von dort waren so ungefähr wie das, was man sonst auf Kanal Telemedial oder anderen Astrokanälen hört. Als er Jürgen Vogel vorhersagte, er werde seine verstorbenen Angehörigen „in einem schönen Lichtkegel“ wiedersehen, klang das allerdings eher nach Home Shopping Europe, wo man den schönen Lichtkegel bestimmt sofort hätte bestellen können. Er faselte seinen Wischiwaschikram, redete sich um jede konkrete Aussage herum und bewies mit der Ansprache von Sonja Kraus als „Anja“, dass er nicht nur zum Jenseits, sondern auch zum Diesseits keinen echten Kontakt zu haben schien. Ausgerechnet er kam in die nächste Runde, der von allen Teilnehmern am ehesten wie ein Scharlatan wirkte. Aber vermutlich hat er aus genau diesem Grund den Titel „The Next Uri Geller“ am ehesten verdient.

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Michael, 9. Januar 2008, 13:23.

Streikende nehmen sich Golden Globes zur Brust

In diesem Jahr wird es keine festliche Gala zur Golden-Globe-Verleihung geben. Die Gewerkschaft der Schauspieler solidarisiert sich mit den streikenden Drehbuchautoren, und weil sich ohne Stars schlecht feiern lässt, findet statt einer festlichen Gala eine einstündige Pressekonferenz statt, in deren Verlauf die Gewinner bekannt gegeben werden sollen. Soweit die Fakten, jetzt ein Potpourri der Google-News-Ergebnisse von heute zu diesem Thema:

FAZ online: „Golden Globes: Pressekonferenz statt Fernsehgala“

NZZ online: „Golden-Globes-Show fällt ins Wasser“

Berliner Morgenpost: „Golden Globes ohne Stars?“

Bild online: „Beyoncé hatte die schönsten Golden Globes“

Hinter letztgenanntem Link findet man einen Bericht über die Globes-Verleihung 2007, in dem es hauptsächlich um Brüste geht.

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Jochen, 8. Januar 2008, 11:38.

Öde an die Freude

„Sie befinden sich auf einer nicht digitalisierten Straße“, sagt das Navi, und damit ist klar, dass die Serie Mord mit Aussicht in der tiefsten Provinz spielt. Denn manchmal werden Wünsche ziemlich schnell erhört. Erst am Freitag rief ich zum Erhalt der Kleinstadtidyllserie als Genre auf, und schon heute ist es von allen Sendern ausgerechnet die ARD, die folgsam ist.

Eine Großstadtkommissarin wird in ein Eifelkaff versetzt. Hengasch. Voller Stolz erklären die Bewohner die Herkunft des Namens. „Wenn man die Gegend von oben betrachtet, sieht sie aus wie ein Hängearsch“. Ein Kaff, in dem die Großstadtkommissarin unterfordert zu sein droht. Hier geschehen keine Morde. Nur Selbstmorde.

Lediglich zwei unaufgeklärte Kriminalfälle gab es in den vergangenen vier Jahrzehnten. Sich an die noch einmal zu wagen, wäre Quatsch, die Dorfbewohner wissen eh alles besser. Das wäre wie Eulen nach Hengasch tragen. Die immer wieder im Baum auftauchende Eule als Leitmotiv übernimmt die Rolle, die der Elch in Ausgerechnet Alaska und der Waschbär in Men In Trees spielte: Das Symbol der Abgeschiedenheit, der Hängearsch der Welt.

Auf dem Land ist vieles anders.

„Der war wohl bei der Gilla, seiner Cousine.“
„Aber die Gilla ist doch seine Frau.“
„Sie wissen doch, wie das auf dem Dorf ist.“

Werden wir morgen eine Kollektivdemonstration der Aleviten mit den Eifelbewohnern erleben?

Bemerkenswert ist Folgendes: Sat.1 passiert es, dass aus formal ereignisreicher Handlung eine stinklangweilige Sendung wird, aber der ARD gelingt es, aus dem Thema Langeweile äußerst unterhaltsame 45 Minuten zu produzieren, was nur zum Teil daran liegt, dass der Schauspieler Bjarne Mädel aus seiner anderen Serie Stromberg ein bisschen peinliche Stille mitgebracht hat. Und das ist die Überraschung: Nach den ambitionierten, aber dennoch öden Familienkrimiversuchen Ein Fall für Nadja und Elvis und der Kommissar ist Mord mit Aussicht tatsächlich sehr kurzweilig. Da war man schon versucht, die ARD-Ankündigung, die erfolgreichste der drei Serien würde fortgesetzt, im Geiste umzuwandeln in: „Die am wenigsten peinliche werden wir vielleicht erst nächstes Halbjahr absetzen“, und dann kommt als dritter der drei Versuche eine inspirierte, originelle, witzige und schön gespielte Serie daher. Hoffentlich kommt sie noch öfter.

Mord mit Aussicht, montags um 20.15 Uhr im Ersten.

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Michael, 7. Januar 2008, 22:41.

Der Fischerstreit vom Bodensee

Ich habe den Tatort gestern nicht gesehen. Eigentlich also beste Voraussetzungen, sich darüber aufzuregen. So geht das doch, oder?

Drehen wir stattdessen an unserem Glücksrad, um festzustellen, welche Bevölkerungsgruppe sich diese Woche vom Tatort ungerecht porträtiert fühlt …. und das Los fällt auf….

Berufsfischer!

Glückwunsch. Die Aleviten wären stolz auf euch.

Wenn ich mal sehr viel Zeit habe, erkläre ich der Welt mal den Begriff „Fiktion“. Bis dahin frage ich mich, warum eigentlich nie die vielen Münchener Millionäre vor ihren Villen protestiert haben, als sie jede Woche bei Derrick und Der Alte als Mörder porträtiert wurden.

Michael, 7. Januar 2008, 17:52.
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