Brigitte Nielsen will nicht mehr die dicksten Kartoffeln haben
Bevor sie nach Deutschland geflogen ist, um sich von einem Arzt in Darmstadt 20 Jahre jünger operieren zu lassen, hat sich Brigitte Nielsen sicherheitshalber noch mit Jackie Stallone getroffen, der Mutter ihres Ex-Mannes Sylvester. Die soll so etwas sein wie das Orakel von Hollywood, weiß RTL, und wollte ihr mit der Tarot-Kunst verraten, ob das eine gute Idee ist mit der Operiererei.
Nun ist es, ohne Frage, eine gute Idee, sich mit Mutter Stallone zu treffen, bevor man überlegt, sich das Gesicht liften zu lassen. Etwas abwegig ist es nur, ihr dabei in die Karten zu schauen und nicht ins Gesicht. Jackie Stallones Gesicht sieht ungefähr so aus, als hätten die Knautschpuppenmacher von Spitting Image versucht, ein Werk von Picasso zu animieren. Oder anders gesagt: In der Szene, in der sie ausgerechnet vor einer Gummipuppe von Frankenstein sitzt, muss man schon genau die Augen zusammenzukneifen, um beide auseinanderhalten zu können.
Das hätte also eine lustige Sendung werden können: Die vierteilige RTL-Doku-Soap Aus alt mach neu, die zeigt, wie Brigitte Nielsen sich Fett absaugen, unters Gesicht spritzen, die Zähne machen und den Busen verkleinern lässt. Wir erfahren zum Beispiel, dass ihr junger Ehemann ihre Brüste „seine Kartoffeln“ nennt. Und der Arzt, Dr. Gerhard Sattler, erzählt mit der vermutlich nicht einmal bösartig gemeinten Direktheit des Mediziners nach einem ersten gründlichen Blick in die Krater von Frau Nielsens Gesichtslandschaft: „Auf jeden Fall ist sie vorgealtert, und auf jeden Fall deutlich vorgealtert, wenn sie 44 sein soll.“ (Das muss man nämlich wissen, wenn man hört, dass sie nach der Operation 20 Jahre jünger aussehen will: dass Mitte 40 dabei nicht der Ausgangszustand, sondern das Ziel ist.)
Die Sendung ist dann aber doch nicht lustig, sondern nur lang geworden. Damit der Stoff für rund insgesamt rund viereinhalb Stunden Fernsehen reicht, musste RTL ihn strecken — und gegen die integrierten Kurzfilme „Frau Nielsen kauft sich in einem deutschen Kaufhaus einen Pyjama“ oder „Frau Nielsen trifft ihren unbekannten Zimmernachbarn im Krankenhaus, der auch irgendetwas hat machen lassen und ihr irgendetwas schenkt“ wirken selbst die Rocky-Filme wie kurzweilige Meisterwerke der Spannung.
Es ist kein Aufreger, kein Spektakel irgendeiner Art geworden, sondern nur ein weiteres Produkt vom Fließband der unendlich einfältigen RTL-Produktionen. Martina Taubert, die legendäre Mitarbeiterin, die es immer wieder schafft, die Reichen und Schönen dazu zu bewegen, Geheimnisse von sich preiszugeben, von denen sie selbst nicht wussten, dass sie sie hatten, und die auch Brigitte Nielsen dazu gebracht hat, sich von RTL beim Operieren zugucken lassen, ist zwar eine Art Promi-Flüsterin. Sie kann nur keine Filme machen. Aus Alt mach neu hat keine Idee, keine Struktur, keine Haltung, keinen Witz. Was ein bösartiges, entlarvendes, witziges oder auch schockierendes Stück Fernsehen hätte werden können, schnippelt nur planlos Szenen aneinander und lässt sie von der unerträglichen RTL-Stimme totreden.
Das hat manchmal nette Momente unfreiwilliger Komik: Wenn der Sprecher angesichts des Vorher-Anblicks des Ex-Models sagt: „Mit diesen Implatanten und dieser Körperform kann man heute kein Geld mehr verdienen“ — als würde Frau Nielsen nicht gerade mit dieser von RTL bezahlten Dokumentation beweisen, wie man es doch macht. Oder wenn der Film in einem Rückblick auf das Lotterleben von Brigitte Nielsen auch ihre (nach allem, was man weiß, erfolgreiche) Teilnahme an einer Entziehungskur im Fernsehen zeigt und hinzufügt: „Auch kein Ruhmesblatt. All das will die 44-Jährige jetzt hinter sich lassen“ — und die Ironie dieses Satzes gerade in dieser exhibitionistischen Dokumentation nicht bemerkt.
Was am Ende außer Langeweile bleibt, ist ein bisschen Mitleid mit dieser Frau, der man überdeutlich anmerkt, wie aufgesetzt ihre lauten Sprüche und ihre gute Laune sind. (Und dabei weiß sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal, dass ihr Jack Russel „Joker“ während der Dreharbeiten stirbt; bei einer Operation, in der ihm sein einziger Hoden wegoperieren werden sollte.)
„Das schreibt mit Sicherheit Fernsehgeschichte“, hat der Arzt vor der Operation (an Frau Nielsen, nicht dem Hund) gesagt. Vermutlich kann man grundsätzlich ausschließen, dass eine Sendung, die das vorab schon von sich behauptet, es auch tut.
Und überhaupt: Als ob irgendetwas, das der Schönheitschirurg in seinem Krankenhaus mit Brigitte Nielsen macht, auch nur halb so blutig und brutal sein könnte wie das, was Joan Rivers in ihrer Show mit ihr anstellte: