Nutzloses Fernsehwissen (1)

Bisher weitgehend unbekannt war, dass Die Biene Maja aus Kostengründen in der Originalkulisse von Dalli Dalli gedreht wurde.

Weitere kuriose TV-Beobachtungen stehen in diesem neuen Büchlein aus den Fernsehlexikon-Schreibstuben:

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Michael, 19. September 2008, 12:07.

Nonstop Nonsens

1975–1980 (ARD). Erfolgreiche Slapstick-Comedy-Show von und mit Dieter Hallervorden, Regie: Heinz Liesendahl.

Jede Folge hatte eine Rahmenhandlung mit Hallervorden in der Hauptrolle, der Tücken des Alltags zu überwinden hat (Rendezvous, Hochzeit, Urlaub, Umzug, Preisausschreiben) oder verschiedene Jobs durchprobiert (Torwart, Taxifahrer, Polizist, Kellner). Hallervordens Spielpartner waren vor allem Kurt Schmidtchen, Rotraud Schindler und Gerhard Wollner. Die Rahmenhandlung wurde meist in vier Teile zerstückelt und von abgeschlossenen Sketchen unterbrochen, die im Wesentlichen daraus bestanden, dass Hallervorden mit Hut, schriller Stimme, schrägen Grimassen und absurden Anliegen Kurt Schmidtchen in den Wahnsinn trieb, sei es als Opernzuschauer, der nicht den blassesten Schimmer vom Geschehen hat, oder als Kunde einer Zoohandlung, der unbedingt ein Zirpelschwein kaufen will. Am Anfang und Ende moderierte Hallervorden in einem Studio vor Live-Publikum. Immer am Ende der Sendung, noch nach dem Abspann, führten die Darsteller den „gespielten Witz“ vor. Interessant war die Kameraeinstellung, während Hallervorden den Witz ansagte: Während der Abspann über den Bildschirm lief, stand er vor dem Publikum, das im Bild war, während er selbst nur von hinten gezeigt wurde. Berühmt wurde der Witz mit der Flasche Pommes Frites aus Folge 3 („Palim palim!“).

1975 und 1976 lief jeweils nur eine Folge. Die Hauptfigur der Rahmenhandlung hieß damals noch Herr Slap (angelehnt an Slapstick). Als regelmäßige Serie startete Nonstop Nonsens erst 1977, und jetzt wurde Hallervorden zu Didi. Drei Staffeln mit je sechs Folgen liefen jeweils monatlich dienstags in der Primetime. Jede Folge dauerte 45 Minuten, was mutig war, da die Frequenz von Hallervordens Didi-Stimme schon nach zehn Minuten Kopfschmerzen verursachte. Weitere Klassiker wurden u.a. der Sketch mit Didi auf einer belebten Kreuzung, der den gesamten Verkehr aufhält, weil er alle Autofahrer befragt, wie doch gleich die Titelmelodie aus „Doktor Schiwago“ ging („Schneuf-schneuf-di-schneuf…“), sowie der Sketch mit Didi als Butler, der seinem Herrn mitteilt, die Kuh Elsa sei gestorben, und erst allmählich und beiläufig damit rausrückt, dass dies die Folge eines Scheunenbrands war, ausgelöst durch den Funkenflug des abgebrannten Landsitzes, der durch den Sturz seines Sohnes entfacht wurde, der sich dabei beide Arme brach und den Kerzenleuchter fallen ließ, nur weil er es ein wenig nett machen wollte zur Beerdigung der Ehefrau.

Im Februar 1980 folgte eine Spezialausgabe mit dem Titel „Nonsens nach Noten“, die Didis beste Lieder beinhaltete, durch eigene Stummfilmszenen untermauert, darunter „Larry Stiletti vom Syndikat“, „Doof bleibt doof, da helfen keine Pillen“ und „Freibier (Gratis saufen kostet nix)“. Im April 1980 gab es noch ein weiteres Best-of. Über die Jahrzehnte folgten mehrere Reinkarnationen des gleichen Materials. 1993 schnitt die ARD aus der alten Serie 20 halbstündige Folgen zusammen, vier Zusammenschnitte wurden als Mixed Pickles gesendet. Zwei Jahre später wurde noch einmal neu gemischt und das bisherige Material auf 24 Folgen verteilt, die jetzt weitere fünf Minuten kürzer waren und im Vorabendprogramm gezeigt wurden.

So lachte ich über eure Mutter

How I Met Your Mother ist ja ganz nett, aber nicht das Highlight, das ihr versprochen habt. Im Übrigen dachte ich, die Zeit der künstlichen Lachereinspielungen in Comedys sei vorbei.Sammy
(Dies ist eine von mehreren ähnlichen Mails, di die wir bekommen haben, auch in den Kommentaren zur Serienstartbesprechung war Ähnliches zu lesen.)

Gib How I Met Your Mother noch ein wenig Zeit. Man gewinnt die Serie allmählich sehr lieb, wenn man sich auf sie einlässt.

Noch nie hatten wir übrigens so viele Kommentare zu einer Serie, bevor sie überhaupt in Deutschland angelaufen war. Was natürlich auch die mittelmäßigen ProSieben-Quoten erklären könnte: Wer sich ernsthaft für die Serie interessierte, hatte sie vielleicht wirklich schon gesehen. Aber das nur am Rande.

Die Zeit des künstlichen Gelächters in amerikanischen Serien ist tatsächlich vorbei. Und zwar seit Anfang der 70er-Jahre. Damals setzen sich die Hauptdarsteller von Männerwirtschaft, Tony Randall und Jack Klugman, mit ihrem Anliegen durch, auf Lacher aus der Büchse zu verzichten. Seitdem sind die Lacher echt. Die meisten Sitcoms, in denen Gelächter zu hören ist, werden tatsächlich vor Publikum auf einer großen Bühne wie ein Theaterstück gefilmt, bei dem sich auch niemand beklagt, wenn das Publikum lacht.

How I Met Your Mother bildet allerdings eine Ausnahme: Weil die Serie sehr viel ihres Humors aus den schnellen Schnitten und anderen Tricks bezieht, die Rückblicke, Einschübe und Standbilder möglich machen, kann man sie vor Publikum kaum drehen, ohne die Gags erklären zu müssen. Deshalb wird How I Met Your Mother zwar auf einer klassischen Sitcom-Bühne mit mehreren Kameras gefilmt, aber erst die jeweils fertig geschnittene Episode als Filmvorführung einem Publikum gezeigt, dessen Gelächter dann dazugemischt wird. Wenn auch auf diesem Umweg: Die Lacher sind echt.

Die 100.000 Mark Show

1993–2000 (RTL). Abendfüllende Spielshow mit Ulla Kock am Brink.

Action und Thrill sind die Hauptbestandteile dieser Show. Die Kandidaten müssen körperlich fit sein und alles geben, um in dieser Show gewinnen zu können, denn die meisten Spiele sind Aktionsspiele, die Ausdauer erfordern. Es gibt jedoch auch Frage- und Rechenrunden. Jawohl, Rechenaufgaben. Wie in der Schule. Doch wenn im Hintergrund die spannungsgeladene Musik läuft, gewinnt man den Eindruck, selbst das sei große Unterhaltung.

Aus einem ersten Schnelligkeitsspiel zu Beginn der Show gehen drei Paare hervor, die dann gegeneinander spielen. Das Siegerpaar kann im Idealfall 100.000 DM gewinnen (eine bis dahin als Gameshow-Gewinn unerreichte Summe), wenn es im Schlussspiel die Zahlenkombination für den Tresor knackt. Diese befindet sich in einem von zehn verschlossenen zylindrischen Gefäßen. Für jede richtig beantwortete Frage verschwindet mit einem Knall ein Zylinder mit einer falschen Kombination im Tisch, und unter den am Ende übrig gebliebenen Zylindern wählt das Paar einen aus und gibt die Kombination ein. Dann tickt es eine Weile, als sei der Computer 100 Jahre alt und brauche seine Zeit, und schließlich sagt eine unheimliche, monotone Computerstimme: „Der von Ihnen eingegebene Zahlencode ist …“ Pause. Pause. Pause. „… richtig.“ Oder eben falsch.

Die Show lief zunächst am Freitag, dann sonntags und schließlich als große Samstagabendshow und gehörte mit bis zu zehn Millionen Zuschauern zu den erfolgreichsten Sendungen von RTL. Vorbild war die „Staatsloterijshow / De 100.000 Gulden-Show“, die seit 1989 in den Niederlanden lief. John de Mol war der Produzent. Als Ulla Kock am Brink den Sender 1998 nach 56 Folgen verließ, übernahm Franklin Schmidt die Moderation. Um die inzwischen stark zurückgegangene Einschaltquote wieder anzuheben, wurde unter Franklin, wie er sich lediglich nannte, ein Jackpot eingeführt, d. h. gewann ein Paar die 100.000 DM nicht, gab es in der nächsten Sendung 200.000 DM zu gewinnen.

Im Herbst 2008 belebte RTL die Show mit zwei Ausgaben neu, jetzt mit Inka Bause unter dem Titel Die 100.000 Euro Show.

Tach, der TV-Tester

Nachdem nun auch Rach, der Restauranttester erfolgreich in die Primetime verlegt wurde, ist ein Ende der Coaching-Welle im Fernsehen erst recht nicht mehr abzusehen. Ein anonymer Privatsender pilotierte gerade ein weiteres Format, das uns auf dubiosen Wegen zugespielt wurde. Aus Angst vor einer Klage können wir leider kein Video zeigen, veröffentlichen aber eine Abschrift.

Tach, der TV-Tester

Tag 1

TV-Tester: „Tach, ich bin Christian Tach, ich bin TV-Tester.“

Off-Sprecher: „Christian Tach ist TV-Tester. Als Sternegucker in verschiedenen Städten Deutschlands und Europas hat er schon so manches gesehen. Seine langjährige Erfahrung zu teilen, ist sein Job. (Im Hintergrund hört man Nina Hagens „Ich glotz TV“.) Ein großer Sender ist heute das Ziel von Christian Tach. Mitarbeiter haben ihn alarmiert, aus Sorge, die Zuschauer könnten in noch größeren Mengen davonlaufen. Doch die Chefin zeigt sich uneinsichtig. (Im Hintergrund hört man Shakespeare’s Sister mit „I Don’t Care“.)

Chefin: „Uns geht’s super, wir sind immerhin Marktführer.“

TV-Tester: „Und dass ihr in den vergangenen 15 Jahren ein Drittel eurer Zuschauer verloren habt, wurmt euch nicht?“

Off-Sprecher: „Christian Tach kann sich nur wundern. (Im Hintergrund ertönt „So a Wunder“ von Nicki.) Zuerst inspiziert er die Programmplanung. Sie ist mit kleinen Täfelchen auf einer alten, schäbigen Magnetwand zusammengestellt.“

TV-Tester: „Wie sieht das denn hier aus? Das ist doch kein modernes Unternehmen!“

(Im Hintergrund läuft „In 100 Years“ von Modern Talking.)

Chefin: „Wenn man immer erst einen Rechner hochfahren müsste, um eine Sendung zu löschen, könnten wir manches gar nicht so schnell absetzen oder verschieben. Hier, guck doch mal, wie schnell sich so ein Magnettäfelchen lösen lässt.“

(Im Hintergrund hört man Kid Rocks „All Summer Long“.)

Tag 2

Off-Sprecher: „TV-Tester und Sternegucker Christian Tach hat es nicht leicht. Mitarbeiter eines großen Fernsehsenders hatten ihn alarmiert, weil sie fürchteten, die restlichen Zuschauer könnten ihnen davonlaufen. Ein unzuverlässiges Programm und eine uneinsichtige Chefin machen ihm zu schaffen. Christian Tach muss sich erst mal setzen. Er nimmt auf einer Couch Platz und lässt sich ein wenig Fernsehprogramm zeigen. Er ist entsetzt und atmet tief durch.“

TV-Tester (atmet tief durch. Im Hintergrund läuft „How Can I Fall“ von Breathe): „Das ist ja entsetzlich. Ich muss mich erst mal setzen. Hier, wie sieht das denn aus? Macht das Spaß? Mal ehrlich: Macht dir das Spaß? Das macht doch keinen Spaß!“

Off-Sprecher: „Christian Tach deutet auf einen rüde mitten in eine Szene eingeblendeten Werbeblock und eine Werbeeinblendung während einer späteren Szene, die die Stirn des Hauptdarstellers verdeckt.“

(Es ertönen die ersten Sekunden des Kuschel-Songs von Schnuffel, bevor rüde eine Werbepause ins Bild knallt.)

TV-Tester: „Diese Schnitte! Das ist doch nicht sauber! Spaß kann das doch keinen machen. Sag mal ehrlich.“

Off-Sprecher: „Vor allem unsaubere Schnitte und unsensible Werbeeinblendungen stören den TV-Tester. (Im Hintergrund singt Bryan Adams „Cuts Like A Knife“.) Doch noch etwas stößt Christian Tach übel auf: Er vermisst die Höhepunkte. Er vermisst etwas, das das Programm auszeichnet.“

TV-Tester: „Und überhaupt: Wo sind denn die Höhepunkte, wo ist denn das, was euch auszeichnet?“

Chefin: „Wir haben hier diese hochwertige, intelligente Serie aus den USA, die tausend Preise gewonnen hat.“

TV-Tester: „Das kann ja keiner wissen. Wann kommt die denn?“

Chefin: „Freitags nach Mitternacht zwischen Die 10 besten Tittenwitze und einer Extra-Spezial-Sonderwiederholung über Madenbefall in südossetischen Restaurants.“

(Im Hintergrund hört man „Hide & Seek“ von Sasha.)

TV-Tester: „Wisst ihr, was ihr braucht? Ihr braucht einen kompetenten Berater. Ich telefonier mal rum und guck mal, was ich da machen kann.“

Tag 3

Off-Sprecher: „TV-Tester und Sternegucker Christian Tach verzwifelt an einem unzuverlässigen Privatsender mit uneinsichtiger Chefin. Doch heute kommt er mit guten Nachrichten.“

TV-Tester: „Gute Nachrichten. Ich hab mal rumtelefoniert und jemanden gefunden, der euch helfen kann.“

(Im Hintergrund hört man „Help!“ von den Beatles, bis es vom Eagles-Hit „New Kid In Town“ überlagert wird.)

(Ein 17-jähriger betritt den Saal.)

TV-Tester: „Das ist der Jonas-Rasmus. Der hat schon mal Alarm für Cobra 11 gesehen. Eine ganze Staffel auf DVD, ohne vorher abzubrechen. Der kennt sich also mit Geduld und Qualität aus. Den schenk ich euch, damit er euer Programm mal aufmöbeln kann.“

(Im Hintergrund hört man die Titelmusik von Tutti Frutti„.)

Off-Sprecher: „Keine leichte Aufgabe für Jonas-Rasmus. Zwar hat er schon mal Alarm für Cobra 11 gesehen, doch es klemmt an allen Ecken und Enden. Zu allem Überfluss zeigt sich die Chefin uneinsichtig.

Tag 4

Off-Sprecher: „TV-Tester Christian Tach hat den Experten Jonas-Rasmus ins Spiel gebracht, um einem unbeholfenen Fernsehsender zurück auf die Beine zu helfen, der ohne ihn aufgeschmissen war. Jonas-Rasmus, ein erfahrener Medienberater, hat sich mächtig ins Zeug gelegt und auf Anhieb 45 neue Qualitätsserien ins Programm gehoben. Doch die Chefin zeigt sich uneinsichtig.“

(Im Hintergrund läuft ein Musikstück, das ich in meinem ganzen Leben noch nie gehört habe.)

Jonas-Rasmus: „Ich hab‘ jetzt mal diese 45 neuen Qualitätsprogramme für heute Abend eingeplant. Das sollte uns die Zuschauer zurückholen. Dafür hab‘ ich mich mächtig ins Zeug gelegt!“

Chefin: „Ich bin mir ja nicht sicher, ob die alle in unser Programmprofil passen… Am Ende mögen unsere Zuschauer das nicht. Wollen wir nicht sicherheitshalber heute Abend 15 Folgen von CSI wiederholen?“

TV-Tester: „Jetzt sei mal nicht so pessimistisch und feige. Was ist denn das für eine Einstellung? Morgen früh wirst du überrascht sein!“

Off-Sprecher: „Christian Tach ermutigt die Chefin, nicht so mutlos zu sein und nicht immer nur schwarz zu sehen. Er ist zuversichtlich. (Im Hintergrund hört man „Won’t Get Fooled Again“ von The Who.) Die 45 neuen Serien werden tatsächlich gesendet. Eine lange Nacht beginnt, das bange Warten auf die Einschaltquote.“

Tag 5

Off-Sprecher: „Nach einer schweren Woche hat TV-Tester Christian Tach mit Unterstützung des Medienmoguls Jonas-Rasmus einem kränkelnden Sender zurück auf die Beine geholfen. (Im Hintergrund singt Rod Stewart „Hot Legs“.)
Die Quoten sind da. Keine der 45 Sendungen hatte weniger als 18 Millionen Zuschauer, der Marktanteil in der werberelevanten Zielgruppe betrug im Schnitt 103,6 Prozent. Christian Tach hat seine Aufgabe getan. Er kündigt an, in ein paar Wochen unangekündigt wiederzukommen.“

TV-Tester: „Ich komme in ein paar Wochen unangekündigt wieder, und dann wollen wir doch mal sehen, wie der Laden läuft.

(Im Hintergrund hört man Eric Carmens „All By Myself“.)

Drei Wochen später

Off-Sprecher: „Christian Tach traut seinen Augen nicht. 43 der 45 ins Programm gehobenen Qualitätsserien sind schon wieder abgesetzt und zwei an die ARD verkauft. Die Marktanteile sind wieder gesunken.“

TV-Tester: „Ja, Kinners. Mehr kann ich auch nicht machen. Wer nicht will, der hat schon. Schon der große Kant hat einmal gesagt: Wenn du…“

(Ohrenbetäubender Sponsorenhinweis und Abspann.)

Michael, 15. September 2008, 14:54.

Frontal

1993–2000 (ZDF). Wöchentliches Politmagazin mit Bodo H. Hauser und Ulrich Kienzle und der klassischen Mischung aus investigativem Journalismus, vermeintlichen oder echten Skandalen, Analysen, Interviews, Kommentaren und Glossen.

Frontal stellte einen Einschnitt in der Geschichte der politischen Fernsehmagazine dar. Das ZDF erklärte die abfällig „Richtungsmagazine“ genannten Magazine mit festen politischen Standpunkten für nicht mehr zeitgemäß. Anstatt sie durch ein unberechenbares Magazin zu ersetzen, zementierte der Sender das Proporzdenken in einer einzigen Sendung und verriet damit den Grundsatz, für den kritische Journalisten jahrelang gekämpft hatten: Dass das Gesamtprogramm ausgewogen sein sollte, es aber nicht jede einzelne Sendung sein müsse. Kienzle sagte einen Beitrag an, der den Linken gefallen dürfte, dann präsentierte Hauser einen, der im Sinne der Konservativen war. Das Spiel setzte sich am Reißwolf fort, in den sie abwechselnd abstruse Meldungen der Woche schoben, und in Dialogen der beiden, die von professionellen Gagschreibern verfasst wurden und immer auf dem Witz beruhten: Ich bin links, du bist rechts, wir hassen uns (und umgekehrt). In diesen Rollen erlangten Hauser und Kienzle breite Bekanntheit und spielten sie auch bei Gastauftritten in anderen Sendungen, in dem Ableger Hauser & Kienzle und die Meinungsmacher und in Büchern zur Sendung weiter, die Bestseller wurden. Der Schlussdialog zum Ende der Sendung begann stets mit „Noch Fragen Kienzle?“ – „Ja, Hauser!“.

Das ZDF vermarktete die beiden u.a. in Programmtrailern und Cartoons von Rolf Kutschera konsequent als witzige Kultfiguren. Nach sieben Jahren wurde die Sendung eingestellt – angeblich, weil Kienzle das Rentenalter erreicht hatte. In der letzten Sendung gab es außer weiteren Witzen von den Journalistendarstellern und über sie Rückblicke der einzelnen Frontal-Reporter, mit denen sie sich anscheinend bei neuen Arbeitgebern vorstellen wollten. Einer sagte: „Im Libanon habe ich entführte Kinder aufgespürt, im Kosovo mit der UCK unter Sperrfeuer im Schützengraben gelegen. Also, in den sieben Jahren Frontal habe ich die ganz heißen Themen angefasst: Russenmafia, Kinderpornografie und Waffenhandel.“ Ein anderer: „Frontal, das waren ganz außergewöhnliche Erfolge, ich zeigte genau, was sich in den letzten Minuten an Bord der Birgen Air abspielte – vor allen anderen!“ „Spiegel“-Chef Stefan Aust sagte zum Abschied, man werde Kienzle & Hauser vermissen wie Pest & Cholera.

Gelegentlich wurde Hauser von Maybrit Illner vertreten. Er hatte zuvor ein zeitkritsches Magazin gleichen Namens auf 3sat moderiert (1991–1993) und die Frontal-Vorgängersendung Studio 1 geleitet.

Frontal lief in 45 Minuten Länge dienstags um 21.00 Uhr, Nachfolgesendung wurde Frontal 21. Die Titelmusik stammt aus „The Ride To Agadir“ von Mike Batt.

Kennzeichen D

1971–2001 (ZDF). „Deutsches aus Ost und West“. 45-minütiges deutsch-deutsches Politmagazin.

Anders als die Vorgängersendung drüben berichtete Kennzeichen D nicht nur über aktuelle Ereignisse und Beunruhigendes aus der DDR, sondern auch aus der Bundesrepublik. Ziel war, Interesse für das jeweils andere Deutschland zu wecken und ein realistisches Bild vom Leben auf der anderen Seite der innerdeutschen Grenze zu vermitteln. Die Sendung sollte laut Senderrichtlinien ferner „vor allem auch der Wiedervereinigung in Frieden und Freiheit“ dienen, was aber eine eher irreführende Formulierung war. Die Sendung kam passend zur neuen Entspannungspolitik unter Bundeskanzler Willy Brandt, die sie – im krassen Gegensatz zum ZDF-Magazin – unterstützte. Im Geiste dieser Politik berichtete Kennzeichen D weniger revanchistisch über die DDR und besonders kritisch über die Missstände im eigenen System. „Nachbarn kann nur kritisieren, wer selbstkritisch bei sich anfängt“, formulierte der Gründer des Magazins Hanns Werner Schwarze. Kennzeichen D schaffte es, von Politikern sowohl im Osten als auch im Westen angefeindet zu werden. DDR-Staatschef Erich Honecker nannte die Sendung „Pflichtlektüre für jeden DDR-Bürger: Damit man weiß, was der Klassenfeind denkt.“ Wilfried Scharnagel, der mächtige CSU-Vertreter im ZDF-Fernsehrat sagte 2000: „Ich bewundere die mit aller Konsequenz durchgehaltene politische Einseitigkeit des Magazins, das politisch links orientierte Zuschauer noch nie enttäuscht hat.“

1987 kam eine Ausgabe von Kennzeichen D als erste Westsendung live aus Ost-Berlin: Als Honecker in Bonn zu Besuch war, sendete Kennzeichen D aus dem Palast der Republik. Auch nach der Wiedervereinigung im Jahr 1990 wurde die Reihe fortgesetzt mit dem Anspruch, gerade jetzt das gegenseitige Interesse für die Belange in Ost und West zu wecken und ein Anwalt der „Neuen Länder“ zu sein. Im Laufe der Zeit wurde Kennzeichen D jedoch mehr und mehr zu einem linksliberalen Politmagazin, das im Vergleich zu anderen politischen Magazinen kein besonderes eigenes Profil hatte.

Schlagzeilen machte die Sendung unter anderem mit der erfolgreichen Suche nach dem untergetauchten Nazi-Verbrecher Kurt Lischka und dem Besuch des ausgebürgerten Wolf Biermann am Sterbebett Robert Havemanns in Ost-Berlin. Besonders eindrücklich war nach der Wende eine Kennzeichen-D-Reportage 1992 aus dem Vietnamesen-Wohnheim in Rostock-Lichtenhagen, als es von rechtsradikalen Jugendlichen angegriffen wurde.

Gründer Hanns Werner Schwarze, der damalige Leiter des ZDF-Studios Berlin, war zugleich der erste Moderator (1971–1982). Nach ihm wurde die Sendung geleitet von Joachim Jauer (1982–1984; 1990–1995), Dirk Sager (1984–1990) und Olaf Buhl (1995–2001). Zu den Moderatoren gehörten u.a. auch Lea Rosh, Ernst Elitz, Gustav Trampe und Ralf Zimmermann von Siefart.

Die Sendung, bis 1984 donnerstags um 21.20 Uhr, dann immer mittwochs um 20.15 Uhr, wanderte nach mehreren Jahren der deutschen Einheit ins spätere Abendprogramm und wurde gut zehn Jahre nach der Wiedervereinigung endgültig beendet. Trotz erheblicher Proteste aus der Redaktion und von prominenten Fürsprechern bis hin zu Bundestagspräsident Wolfgang Thierse („Nun verschwindet ein Sendeplatz für Ostdeutschland ersatzlos“) ging es in Frontal 21 auf.

Studio 1

1988–1993 (ZDF). „Spuren, Fakten, Hintergründe“. 45-minütiges Politmagazin mit Bodo H. Hauser.

Studio 1 war die Nachfolgesendung des ZDF-Magazins. Es war politisch ähnlich berechenbar konservativ wie sein Vorgänger, allerdings ohne den heiligen Zorn Gerhard Löwenthals. Das Magazin lief vierzehntägig mittwochs um 21.00 Uhr, im Wechsel mit Kennzeichen D. Damit blieb das ZDF seinem System treu, einem vermeintlich „linken“ Politmagazin ein vermeintlich „rechtes“ Politmagazin entgegenzusetzen. Erst mit der Nachfolgesendung Frontal wurde das Eins-Rechts-Eins-Links-Schema in eine einzige Sendung integriert.

Hauser beendete jede Sendung mit dem Satz: „So haben wir die Dinge gesehen.“

Frontal 21

Seit 2001 (ZDF). 45-minütiges Magazin.

Anfangs moderierten Theo Koll und Redaktionsleiter Claus Richter im Wechsel, später nur noch Koll. Im März 2009 übernahm Hilke Petersen. Die „21″ im Namen steht für das Jahrhundert und die Anfangszeit, das „Frontal“ erinnert an das Vorgängermagazin Frontal, mit dem die Sendung außer dem Sendeplatz am Dienstag um 21 Uhr und der recht guten Quote aber wenig gemein hatte. In Frontal 21 ist außerdem das Magazin Kennzeichen D aufgegangen.

Neben dem klassischen Spektrum von zeitkritischen Berichten aus dem In- und Ausland enthielt Frontal 21 ab 2002 die regelmäßige satirische Rubrik „Toll!“

Hauser & Kienzle und die Meinungsmacher

1997 (ZDF). Monatliches Magazin mit Bodo H. Hauser und Ulrich Kienzle, in dem jeweils drei Kommentatorenpaare zu aktuellen Themen mit pointierten Stellungnahmen gegeneinander antreten. Ihre Köpfe werden dazu in einem virtuellen Studio auf antike Säulen projiziert. Regelmäßige Rubrik ist der „Hofbericht“, eine Glosse über Polit-Ereignisse in Bonn.

Mit grenzenlosem Schnickschnack versuchte das ZDF, den Dauerstreit zwischen Hauser und Kienzle aus Frontal zu potenzieren. Die beiden verulkten sich als Deoroller (Hauser) und Saddam (Kienzle) und rappten und sangen zusammen bzw. gegeneinander. In der ersten Sendung traten unter anderem Uwe Zimmer („Abendzeitung“) und Peter Boenisch („Bild“) zur Frage an, ob Kohl 1998 noch einmal als Kanzlerkandidat antreten soll, Hanjo Seißler und Marcel Reich-Ranicki (oder genauer: ihre digital ausgeschnittenen Köpfe) stellten ihre Standpunkte zu der wichtigen Frage in den Raum, ob man Texte von Hand oder mit dem Computer schreiben soll. Der Versuch, Hauser & Kienzle ein Leben jenseits von Frontal zu ermöglichen, scheiterte. Nach elf Ausgaben räumten sie mitsamt den Köpfen der Meinungsmacher ihren Sendeplatz am Mittwoch um 22.15 Uhr wieder.

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