Die lieben Verwandten

1991 (SWR). 26-tlg. dt. Sitcom von Felix Huby und Gunther Scheutle, Regie: Michael Pfleghar.

Aus schlechtem Gewissen nehmen der spießige Beamte Dr. Friedhelm Postelei (Uwe Müller) und seine Frau Irene (Daniela Ziegler) die missratene Familie von Friedhelms Schwester Lissy (Christiane Krüger) auf. Deren Ehemann Otto (Horst Jüssen) ist ein Kleinkrimineller, die Kinder Juan Carlos (Harald Kempe), Roswitha (Tina Ruland) und Manuel (Jan Kleinenbrands) kommen ganz nach den Eltern: Sie sind kleine, aggressive Scheusale, Schmarotzer und Taugenichtse. Gemeinsam nehmen sie erst die gepflegte Wohnung der Posteleis auseinander und dann ihr ganzes geordnetes Leben mit Literaturzirkel, Streichquartett und Hibiskus. Als Irene entnervt ausziehen will, bieten sie ein Geschäft an: „200 Mark, und wir entschuldigen uns wie die Weltmeister.“

Südwest 3 zeigte jede Woche vier knapp halbstündige Folgen in Erstausstrahlung. Ab Noch im gleichen Jahr lief die Serie freitags um 23 Uhr im Ersten, jede Folge war jetzt etwa drei Minuten kürzer.

Lach- und Schießgesellschaft

1957–1989 (ARD). In unregelmäßigen Abständen übertrug die ARD abends die Programme des Münchner Kabaretts Lach- und Schießgesellschaft. Die Gruppe bestand anfangs aus Dieter Hildebrandt, Hans Jürgen Diedrich, Klaus Havenstein und Ursula Herking. 1959 wurde Herking durch Ursula Noack ersetzt, 1962 kam Jürgen Scheller. 1970 schieden Havenstein und Diedrich aus, Horst Jüssen und Achim Strietzel kamen dazu. Regisseur war stets Sammy Drechsel. 1972 löste sich die Gruppe auf, 1976 wurde mit neuer Besetzung die Neue Lach- und Schießgesellschaft gegründet. Dieter Hildebrandt schrieb weiterhin die Texte. Insgesamt 19 Programme gab es von der originalen Lach- und Schießgesellschaft, alle wurden von der ARD übertragen, insgesamt waren etwa 35 Programme zu sehen. Darunter der Rückblick Schimpf vor zwölf, der als eigene Reihe mehrfach an Silvester lief.

Aus einem Reise-Special, in dem die Lach- und Schießgesellschaft mit Jürgen von Manger in der Rolle des Adolf Tegtmeier nach Tokio reiste, ging die Reihe Tegtmeiers Reisen hervor.

Die für den 13. Januar 1973 vorgesehene Ausstrahlung der Abschiedsvorstellung wurde vom BR abgelehnt, Programmdirektor Helmut Oeller glaubte die Ausstrahlung wegen „qualitativer Mängel“ nicht mit seinem „künstlerischen Gewissen vereinbaren zu können“. Sammy Drechsel dagegen sah darin eine politisch motivierte Entscheidung. Stattdessen zeigte die ARD den Komödienstadl „Die drei Dorfheiligen“.

Zurück nach vorn: „Ladykracher“ ist wieder da

Köln, Donnerstag vor zwei Wochen. Es ist ein langer Tag für Anke Engelke. Vier Folgen von Ladykracher hat sie heute aufgenommen. Nicht die Sketche natürlich, die sind längst produziert. Heute werden sie nur, eingerahmt von Ankes Live-Stand-Up-Auftritten, dem Publikum vorgeführt. Die Zuschauer im Studio sind nicht nur Kulisse für die An- und Abmoderation. Ihre Lacher bilden auch die akustische Atmosphäre unter den Filmen. Und ihre Reaktionen sind sie der erste echte Test, ob die Witze auch ankommen, ob die Show funktioniert.

Eine Folge haben sie komplett umgeworfen, nachdem sich in der Aufzeichnung vor Publikum zeigte, dass der Aufbau nicht stimmt. Nervös sitzen sie nun da oder tigern hinter der Bühne herum, die Autoren, Regisseure, der Sat.1-Redakteur, schauen auf die Monitore und lauschen den Reaktionen. Reagieren erleichtert auf große Lacher. Interpretieren die Stille: Kann ein Zeichen sein, wie aufmerksam die Zuschauer zugehört haben. Kann bedeuten, dass eine Pointe nur im Fernsehen funktioniert. Oder gar nicht.

In die Spannung mischt sich so etwas wie Stolz. Eine Begeisterung für Charly Hübner, der neu im Team ist und an der Seite von Anke Engelke brilliert. Eine Zufriedenheit mit dem gemeinsamen Werk. Und bei aller Unsicherheit doch das Gefühl, es geschafft zu haben.


Frau Weber vom Arbeitsamt hat Mühe, Herrn Tarzan (Matthias Matschke) wieder in Arbeit zu bringen. Foto: Sat.1

Man könnte natürlich sagen, dass Anke Engelke nach den mehr oder weniger gescheiterten Experimenten Anke Late Night und Ladyland mit dem bewährten Format Ladykracher nun wieder auf Nummer sicher geht. Aber so einfach ist es nicht. Ladykracher musste sich weiterentwickeln, um wieder so gut zu sein wie damals. Und das ist gelungen.

Wie früher zielen die Sketche von Ladykracher nicht auf eine billige Pointe am Ende, sondern genießen und zelebrieren den Wahnwitz von beinahe alltäglichen Situationen. Sie gehen dabei mehr als früher an Grenzen, stoßen vergnügt mit einer Fußspitze an mögliche Tabus, sind ein bisschen härter und kompromissloser.

Ein Höhepunkt ist eine Serie von Geschichten aus der Kantine, in der Engelke als Gerne-mitreden-Wollerin die kleinen Katastrophengeschichten der Kollegen als Aufforderung missversteht, große Katastrophengeschichten zu erzählen: Wie den Unfall, als diese Frau unter die Straßenbahn geriet und dann noch viele Stationen mitgeschleift wurde, immer mit dem Gesicht über den Schotter… Und der Witz steckt zum größten Teil nicht in dem langen Monolog, sondern im stummen Entsetzen ihrer Tischnachbarn, herausragend gespielt von Friederike Kempter, Charlie Hübner und dem wunderbaren Matthias Matschke. Christoph-Maria Herbst wird in der neuen Staffel nur in einem Gastauftritt zu sehen sein — aber er fehlt gar nicht, so gut ist das Ensemble.

Der „Fun-Freitag“ hat ab heute wieder einen Sinn: Ladykracher, die vierte Staffel, freitags, 22.15 Uhr auf Sat.1.

[Disclosure: Anke Engelke und weitere Mitarbeiter von Ladykracher haben für das BILDblog, an dem ich beteiligt bin, einen Werbespot gedreht.]

Stefan, 7. November 2008, 13:58.

South Park enthüllt: Die Wahrheit über Obama und McCain

Es ist eher nicht die lustigste South-Park-Folge, aber bestimmt die reaktionsschnellste: Nur einen Tag nach der Wahl zeigte Comedy Central gestern in den USA, wie sich die Wahl von Barack Obama zum amerikanischen Präsidenten auf das Leben der Bewohner von South Park, Colorado, auswirkt …

… präsentierte die wahre Sarah Palin und enthüllte die gewaltige Verschwörung hinter dem scheinbaren Wahlkampf der Kandidaten. Die komplette Folge „About last night…“ ist auch kostenlos online.

Stefan, 6. November 2008, 21:32.

Von Shakira-Knödeln und Ulk-Nudeln: Anke Engelke im Podcast


Fotos: Sat.1

Wenn Sie in Köln wohnen und an der Kasse eines Elektrofachgeschäftes einer Frau begegnen, die aussieht wie Anke Engelke und betont unauffällig Anke-Engelke-DVDs kauft, dann könnte es sich, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, tatsächlich um Anke Engelke handeln, die auf diese Weise Versorgungsengpässe löst. Kurz bevor Ladykracher am kommenden Freitag nach vier Jahren endlich wieder ins deutsche Fernsehen zurückkehrt, sprach Michael Reufsteck mit ihr im Morgengrauen über DVD-Käufe in der juristischen Grauzone, Ähnlichkeiten zu Hans-Joachim Kulenkampff, das Scheitern von Anke Late Night, Kassettenrekorder und Langspielplatten, nervige Journalistenklischees, die Vorbereitungen zur zweiten Weihnachtsshow mit Bastian Pastewka und mehr.

Fernsehlexikon proudly presents: Anke Engelke im dritten Fernsehlexikon.de-Podcast!

[audio:http://www.fernsehlexikon.de/wp-content/ankeengelke2.mp3]

Nachtrag: Die Weihnachtsshow wurde leider nach der Aufzeichnung des Podcasts kurzfristig abgesagt, wie auch schon unten in den Kommentaren zu lesen ist.

 
Fernsehlexikon.de-Podcast mit Bastian Pastewka, Nov. 2007
Fernsehlexikon.de-Podcast mit Peter Kloeppel, März 2008

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Stefan, 5. November 2008, 22:20.

Das Holodeck von CNN

Natürlich ist es geschichtlich nicht ganz unbedeutend, dass in der vergangenen Nacht zum ersten Mal ein Schwarzer zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde, aber das eigentlich historische Ereignis war zweifellos, dass CNN zum ersten Mal Korrespondenten in sein Wahlstudio beamen ließ. Gut, „beamen“ trifft es nicht ganz, und auch der Begriff „Hologramm“, den CNN benutzte, ist technisch gesehen nicht korrekt, denn das Abbild der Korrespondenten war im Studio nicht sichtbar, sondern entstand erst im Fernsehbild. Aber das sind Kleinigkeiten angesichts dieses revolutionären Einbruchs der Science-Fiction in unsere TV-Gegenwart:

Später wiederholte CNN den Trick mit dem Rapper will.i.am.

Die Technik ist, wie man an den unsauberen Umrissen sieht, noch nicht ausgereift, aber der Aufwand ist gigantisch. Die Korrespondenten stehen, umgeben von 35 Kameras, die sie von allen Seiten filmen, in einem Raum. Mehrere Computer errechnen aus den Bewegungen der Kameras im Studio den richtigen Blickwinkel der Aufnahmen vor Ort und überlagern die Bilder.

Das Ergebnis ist ebenso bizarr wie sinnlos. CNN-Moderator Wolf Blitzer erklärte der Korrespondentin Jessica Yellin (die sagte, sie fühle sich wie Prinzessin Leia in „Star Wars“), das sei angenehm, sich so in Ruhe unterhalten zu können — ohne die lärmenden Menschenmassen, die sonst hinter ihr stünden. Aber erstens sind lärmende Menschenmassen oder auch nur das Live-Bild eines irgendwie relevanten Gebäudes im Hintergrund in neunzig Prozent der Fälle genau der Grund, warum man überhaupt zu einem Korrespondenten vor Ort schaltet: um eine Illusion von Nähe zu einem Ereignis zu schaffen. Und zweitens hätte sich die Korrespondentin für ein ruhiges Gespräch auch einfach in ein Zimmer in der Nähe zurückziehen und vor eine ordinäre Kamera stellen können.

Aber dann hätte natürlich niemand gesagt: Boah, was die bei CNN können!

Stefan, 5. November 2008, 21:33.

Von Pferden und Äpfeln

Wenn Sie einen Apfel an die Decke werfen, fällt er wieder runter. Solche Naturgesetze kann man nicht brechen. Deshalb muss die Serie Wildfire zwangsläufig ein Erfolg werden. Wenn nämlich Vox auf dem bisherigen Sendeplatz von McLeods Töchter ab Mittwoch eine neue Mädchen-mit-Pferd-Serie zeigt, greift ein solches Naturgesetz.


Fotos: VOX/ABC Family/Richard Foreman

Es geht um ein Mädchen, mit dem man Pferde stehlen kann. Namentlich den Hengst Wildfire, den sie so sehr liebt, dass sie mit ihm türmt, als der Gaul von einem Fettklops ersteigert wird, der ihn an ein Schlachthaus verhökern will, obwohl ihr klar ist, dass sie dann wieder in den Knast kommt. Aber weil sie ja so eine Gute ist und vor allem so doll reiten kann, bekommt sie anschließend die Chance, auf einer Pferderanch bei einer Familie, die ausgerechnet Ritter heißt, zu arbeiten und Wildfire zum Rennpferd zu trainieren. Und weil sie auch noch hübsch ist, buhlen zwei Jungen um sie, sie wird sich nicht entscheiden können, und die klischeezickige intrigante Ex des einen hasst sie deshalb. Und so weiter.

Wildfire ist eine Mischung aus Black Beauty, Rivalen der Rennbahn und Dawson’s Creek und lief vier Staffeln lang beim sehr familienfreundlichen Disney-Sender ABC Family im US-Kabelfernsehen. Kabelfernsehproduktionen haben ein vergleichsweise kleines Budget, weshalb sich die Serie nur wenige Darsteller leisten konnte, die schon mal woanders mitgespielt hatten. Und auch der Spezialeffekt, bei dem die Hauptdarstellerin Genevieve Cortese in ihrem Fernsehdebüt auf einem unbeweglichen Untergrund in Nahaufnahme leicht kreisend hin- und herschubbern muss, damit es so aussieht, als reite sie, kann jetzt nicht sooo teuer gewesen sein.

Trotzdem ist Wildfire eine herrliche Mädchenserie, die ein paar schöne Dialoge hat. Die Autoren zumindest waren erkennbar keine Debütanten. Allerdings hatten sie vorher Star Trek: Deep Space Nine verfasst, was nicht direkt das gleiche Genre ist. Die Verfolgungsjagd in der zweiten Hälfte des spielfilmlangen Pilotfilms, der bei Vox geteilt als zwei einzelne Episoden läuft, bei der Freunde, Polizei und Reporter das Mädchen auf dem geklauten Pferd durch die die Prärie jagen, ist sogar regelrecht spannend.

Und weil so ein dürrer Lockenschönling aus einer Soap mitspielt, der wohl gerade der aktuelle Freund einer schauspielernden Tochter von Bruce Willis und Demi Moore ist, haben die anvisierten Zielgruppenmädchen ihn vielleicht schon mal in einer Fachzeitschrift gesehen und üben bereits kreischen. Trekkies können sich ja stattdessen auf Nana Visitor freuen, die die Autoren von Deep Space Nine mitgebracht haben, wo sie Major Kira spielte. Jetzt spielt sie die Pferderanchmutter.

Wenn Wildfire floppt, werde ich bald einen Apfel an die Decke werfen. Keine Chance, dass der wieder runterkommt.

Wildfire, werktags um 14.00 Uhr bei Vox.

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Michael, 4. November 2008, 16:26.

Wildfire

2008–2009 (Vox). 52-tlg. US-Mädchen-mit-Pferd-Serie von Michael Piller und Christopher Teague („Wildfire“; 2005–2008).


Foto: VOX/ABC Family/Richard Foreman

Die 18-jährige Kris Furillo (Genevieve Cortese) kommt nach ihrer Zeit im Jugendknast zur Raintree Pferderanch, einer alten Familienranch, die von Jean Ritter (Nana Visitor) und ihrem Vater Henry (Dennis Weaver) geführt wird. Kris liebt Pferde über alles, vor allem ihr Lieblingspferd Wildfire, das sie so gut wie niemand sonst reiten kann. Sie hat es vor dem Schlachthaus bewahrt und will es nun zum erfolgreichen Rennpferd machen. Jeans jüngerer Sohn Todd (Andrew Hoeft) interessiert sich ebenfalls sehr für Rennpferde, sein älterer Bruder Matt (Micah Alberti) eher für Kris. Er und sein bester Freund Junior Davis (Ryan Sypek) buhlen um sie, was die reiche Zicke Danielle Davis (Nicole Tubiola) je nachdem findet: Im Fall von Matt findet sie es doof, denn sie ist seine Ex und hätte ihn gern zurück, und im Fall ihres Bruders Junior findet sie es deshalb spitze und hat ihn sogar dazu angestiftet. Der Pferdetrainer Pablo Betart (Greg Serano) ist Jeans rechte Hand auf der Ranch und von Beginn an Kris‘ Förderer.

Klassische Teenie-Soap mit allen bekannten Elementen, wenig Überraschungen, aber dafür Pferden. Die einstündigen Folgen liefen werktags um 14.00 Uhr.

Gala

1991–1992 (ARD). Comedy-Variety-Show mit Harald Schmidt. Mit vielen prominenten Gästen zieht Schmidt jeweils ein Thema durch den Kakao. Ständige Gäste sind die Jacob Sisters, die zu allem was zu singen haben.

Die Show lief in unregelmäßigen Abständen insgesamt viermal samstags gleich nach dem ernsten Wort zum Sonntag. Das konnte ja niemand begreifen. Schon die erste Sendung, die unter dem Motto „Weihnachten mit Harald Schmidt“ stand, verursachte ein enormes Missverständnis. Darin wurde eine Benefizveranstaltung persifliert und zur Unterstützung der „Russlandhilfe“ aufgerufen. Bei Radio Bremen gingen noch am selben Abend tatsächliche Spenden in Höhe von 200 000 DM ein. (Und ein paar Monate später ein Grimme-Preis mit Bronze.) Es folgten noch „Heiraten mit Harald Schmidt“, die Fernseh-Preis-Parodie „Der goldene Roland“ und „Hauptstadtfeier mit Harald Schmidt“.

Nutzloses Fernsehwissen (3)

Gestern jährte sich zum 70. Mal der Tag, an dem eine Hörspielfassung von Orson Welles „Krieg der Welten“ Millionen Radiohörer in Panik versetzte, weil sie an eine echte Invasion vom Mars glaubten. (Deutschlandradio Kultur bringt dazu morgen ein einstündiges Feature.)

Das Fernsehen kann sowas natürlich auch:

6 Verwechslungen von Fiktion und Realität

1. Das Millionenspiel (ARD, 18. Oktober 1970):
In der Gameshow Das Millionenspiel des Senders TETV gewinnt ein Kandidat eine Million Mark, wenn er es schafft, eine Woche lang einer Bande von Auftragskillern zu entkommen und zum Schluss auch noch den Weg durch die „Todesschlange“ im Studio überlebt, ohne erschossen zu werden. Das Science-Fiction-Szenario, das Wolfgang Menge und Tom Toelle mit Dieter Thomas Heck als Moderator und sogar fiktiven Werbeeinblendungen umsetzten, wirkte auf einige Zuschauer offenbar nicht nur realistisch, sondern sogar attraktiv. Hunderte Menschen bewarben sich als Kandidaten.

2. Smog (ARD, 15. April 1973):
Wolfgang Menge und Wolfgang Petersen inszenierten 1973 eine fiktive, aber mögliche Umweltkatastrophe im Ruhrgebiet ebenso drastisch wie realistisch. Unter anderem waren Szenen im Stil von Nachrichtensendungen zu sehen. Das wirkte so echt, dass einige Zuschauer das ganze Szenario für wahr hielten und hysterisch reagierten. Eigentlich sollte vor allem die luftverschmutzende Industrie in Panik geraten. Tatsächlich hatten Politiker versucht, die Ausstrahlung zu verhindern – unter anderem mit der Begründung, sie sei ein „schwerer Rückschlag“ für die „Attraktivierung des Ruhrreviers“.

3. Private Live Show (ARD, 8. April 1995):
Mit Dolly Buster als Assistentin moderierte Burkhard Driest am späten Samstagabend in der ARD eine Sendung, die angekündigt war als „moderne Show, bei der verkrustete Zweierstrukturen aufgebrochen werden können“: Ein Kandidatenpaar sollte mit allen Mitteln des (privaten) Fernsehens dazu gebracht werden, seine Beziehungsprobleme offenzulegen. Am Ende eskalierte die Situation so sehr, dass ein Gast den Moderator mit einem Messer angriff. Zuschauer, die die Satire nicht als solche erkannt hatten, riefen die Polizei; beim Saarländischen Rundfunk sollen sich über 100000 Anrufer über die Sendung beschwert haben. Ein Sprecher äußerte sich „betroffen“ darüber, wie viele Leute die Täuschung für echt genommen hätten. Sie müssten sich fragen, „wie leichtgläubig sie dem Medium Fernsehen gegenüber geworden sind“.

4. Belgische Staatsteilung (RTBF, Belgien, 13. Dezember 2006):
Zur besten Sendezeit unterbrach das öffentlich-rechtliche belgische Fernsehen sein Programm und ließ einen Sprecher melden: „Das flämische Parlament hat die Unabhängigkeit Flanderns beschlossen. Belgien ist geteilt.“ Es folgten scheinbare Live-Reportagen vom Königsplatz und aus dem Land; erst nach einer halben Stunde wurde die Zeile „»Es handelt sich um Fiktion“ eingeblendet. Die Aufregung im Land war grenzenlos. Der Programmdirektor erklärte hinterher: „Wir wollten eine Diskussion über die Zukunft unseres Landes anstoßen, wollten zeigen, welche Konsequenzen eine solche Teilung auf das Leben der Bürger haben könnte.“ Nicht zuletzt stieß er aber eine Diskussion über die Grenzen dessen an, was Medien tun dürfen, und sah sich mit Rücktrittsforderungen aus der Politik konfrontiert.

5. Die große Spendershow (BNN, Niederlande, 1. Juni 2007):
Drei Dialyse-Patienten spielten in einer großen Show um die Spenderniere der schönen, aber todkranken Lisa. Schon die Ankündigung der von Endemol produzierten Sendung hatte internationale Proteste von Politikern und Ärzten und sogar Demonstrationen ausgelöst. Erst am Ende der Show gab die Spenderin sich als Schauspielerin zu erkennen, und der Moderator erklärte, man habe mit dem Spektakel nur darauf aufmerksam machen wollen, dass viel zu wenig Menschen bereit seien, nach ihrem Tod als Organspender zur Verfügung zu stehen. 1,2 Millionen Menschen sorgten für die zweithöchste
Einschaltquote in der Geschichte des niederländischen Fernsehens; angeblich haben sich 12000 während der Sendung gemeldet und angekündigt, sich in die Spenderkartei aufnehmen zu lassen. Die Dialyse-Patienten waren übrigens echt.

6. Gala (ARD, 21. Dezember 1991):
Unter dem Titel „Weihnachten mit Harald Schmidt“ persiflierte der Moderator eine jahreszeiten-typische Fernseh-Benefiz-Veranstaltung und rief unter anderem zu Spenden für Russland auf. Unter der — zum Spaß — angegebenen zentralen Telefonnummer von Radio Bremen meldeten sich noch in derselben Nacht zahlreiche Zuschauer, die die Satire nicht verstanden hatten, und boten Sachspenden und insgesamt 200.000 Mark.Der Sender versprach daraufhin, damit tatsächlich zu helfen.

Aus Zapp!, dem gerade erschienen neuen Buch der bewährten Autoren des Fernsehlexikons.

Stefan, 31. Oktober 2008, 13:28.
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