1987–1996 (ARD). 107-tlg. dt. Familienserie von Ulrich del Mestre.
In der Praxis von Dr. Peter Brockmann (Günter Pfitzmann) am Bülowbogen in Berlin-Schöneberg stapeln sich die Patienten im Wartezimmer, und da der Herr Doktor es selten beim Schreiben eines Rezeptes bewenden lässt und die meist aus der Arbeiterschicht stammende, bunt gemischte Schar von Kranken sich auch mit persönlichen Problemen an ihren Arzt wendet, wird die Warteliste nie kürzer. Die resolute, aber nur scheinbar taffe Sprechstundenhilfe Gabi Köhler (Anita Kupsch) versucht, das Chaos in Grenzen zu halten und wenigstens hin und wieder selbst einen privaten Termin bei Brockmann zu bekommen.
Ihr zur Seite stehen die Schwestern Irene (Gesine Cukrowski) und Erika (Johanna König). Der Obdachlose „Gleisdreieck“ (Klaus Schwarzkopf) schleppt immer wieder Hilfsbedürftige an, ist aber mit seinen guten Verbindungen auf der Straße auch häufig eine Hilfe für den Doktor und seine Patienten. Brockmann ist mit Lore (Johanna von Koczian) verheiratet, die er mit Iris Pauli (Mona Seefried) betrügt. Die Ehe wird geschieden, Lore geht nach Amerika, wo sie schließlich an Krebs stirbt. Brockmann beginnt, erst zögernd, eine lange Beziehung zur Apothekerin Dr. Pia Michaelis (Cornelia Froboess), die einen erwachsenen Sohn Nico (Holger Handtke) hat, doch kurz vor der geplanten Hochzeit trennen sich die beiden.
Brockmanns Tochter Kathrin (Mareike Carrière) ist ebenfalls Ärztin und zieht mit in die Praxis ihres Vaters; sie ist eine Weile mit Pias Bruder Carlos (Wolf Roth) liiert. Nachdem er sich von ihr trennt, fährt sie mit ihrem Wagen gegen einen Baum und sitzt danach im Rollstuhl.
Eine ganz andere Welt als am Bülowbogen trifft Brockmann, wenn er die Familie seiner ehemaligen Frau Lore besucht. Seine schlichten Patienten sind ihm unendlich lieber als die feine Familie Maerker, die die meiste Zeit damit beschäftigt ist, um Macht und die richtige Strategie beim familieneigenen Chemieunternehmen zu kämpfen, und dafür immer wieder die Zustimmung Brockmanns braucht, der die Anteile von seiner Frau geerbt hat.
Matriarchin ist Anna Maerker (Carola Höhn). Ihre Tochter Gisela (Eleonore Weisgerber) ist mit Bernd Saalbach (Dieter Thomas Heck) verheiratet, einem Ehrgeizling, der immer glaubt, zu kurz zu kommen. Nachdem sich Gisela endlich von ihm getrennt hat und er sich auch beruflich völlig verrannt hat, nimmt er sich das Leben. Die beiden haben eine Tochter Annelie (Julia Biedermann).
Giselas Bruder Georg Maerker (Bruno Dietrich) ist mit Rebecca (Vera Müller) verheiratet. In der Firma arbeitet er mit der intriganten Nadja Bredow (Isa Jank) zusammen, die ein Verhältnis mit Richard Solms (Jürgen Thormann) hat, einem Jugendfreund Brockmanns. Solms’ Ehe mit Birgit (Almut Eggert) zerbricht schließlich. Katrin kümmert sich um seinen Adoptivsohn Wolfgang, genannt Wolf (Peter Wilczynski), und dessen Tochter und ist nicht glücklich, als deren Mutter Bettina (Beate Maes) nach zwei Jahren wieder auftaucht.
Nach dem Todesfall eines langjährigen Patienten beschließt Brockmann, endlich der Frau, mit der er die meiste Zeit verbracht hat und die er doch nie als Frau wahrgenommen hat, einen Heiratsantrag zu machen: seiner loyalen Sprechstundenhilfe Gabi. Aus Erfahrung klug geworden, stellt sie die Bedingung, dass er die Praxis aufgeben muss. Brockmann stimmt zu und übergibt sie Dr. Peter Sommerfeld (Rainer Hunold), mit dem er kurz zuvor schon einen Selbstmordkandidaten gerettet hat. Sein Kollege praktiziert nun unter dem Titel Dr. Sommerfeld – Neues vom Bülowbogen weiter.
Praxis Bülowbogen war der Liebling Kreuzberg unter den Arztserien. Rund um Brockmanns Praxis war Westberlin so, wie Westberlin sich immer selbst gern gesehen hat: mit Herz und Schnauze, großstädtisch tolerant, aber mit einer fast dörflichen Nähe zu den Nachbarn im eigenen Kiez. Die „Berliner Zeitung“ schrieb, dass Dr. Brockmann „zwangsläufig ganzheitlich diagnostizieren musste, weil er die ganze Familie und die Nachbarschaft parallel mit behandelte“. Pfitzmann selbst hatte sich die Figur gewünscht, weil er gerne einmal einen Serienarzt spielen wollte. Mit den folkloristischen Geschichten wurde er zu einem Wahrzeichen (West-)Berlins.
Die Serie lebte von ihrer Warmherzigkeit und ihrer Freude an schrulligen Nebenfiguren und Typen aus einfachsten Milieus. Im Gegensatz dazu waren die Maerkers draußen am Wannsee furchtbare Gewächse der materialistischen 80er Jahre, mit der Familie Saalbach (Eleonore Weisgerber! Dieter Thomas Heck! Julia Biedermann!) als abschreckendstem Beispiel.
Ein großer Teil der 107 Folgen bestand aus den immer gleichen Versatzstücken: Brockmann, der eine Frau versetzt, weil er dann doch noch nach Dienstschluss bei einer Patientin vorbeischaut. Gabi, die ihre fortwährenden Verletzungen hinter beißendem Sarkasmus versteckt. Die Praxis, in der das Wartezimmer überquillt und nicht mal alle Patienten einen Sitzplatz finden. Brockmann, der draußen bei den Maerkers in alten Klamotten Unkraut jätet, was doch in den Augen der Verwandtschaft seiner Frau so was von gar nicht standesgemäß ist …
Eine echte „Praxis am Bülowbogen“ eröffnete erst 1999 in der Bülowstraße – der Arzt, der sich hier niederließ, versuchte durch das zusätzliche „am“ in der Mitte des Namens eventuelle Klagen der ARD zu vermeiden.
Die markante Titelmusik, mutmaßlich eine der langsamsten der Welt, ist von Jürgen Knieper. Nach einer Pilotfolge am Dienstag um 20.15 Uhr liefen die einstündigen Folgen über Jahre erfolgreich mittwochs im regionalen Vorabendprogramm.