Es ist nicht leicht, aus dem Überangebot an sog. Comedyserien im deutschen Fernsehen die wenigen guten herausfiltern. Kein Problem, dafür haben Sie ja uns, wir sagen Ihnen, wo Sie sie finden. Zum Beispiel freitags in Sat.1.
Die mehrfach ausgezeichnete Serie Pastewka geht in die dritte Runde. Und mit niemandem kann man so schön über Fernsehen reden wie mit Bastian Pastewka.
Eine Hälfte unseres Gesprächs steht unten, die andere Hälfte hören Sie in unserem Podcast. (IST DAS NICHT DER HELLE WAHNSINN? WIR HABEN JETZT EINEN PODCAST!!!)
Du machst eine dritte Staffel deiner Serie, das finde ich fantastisch. Warum tust du das, hast du noch nicht genug Preise?
Ach, Preise. Wir haben uns einfach entschieden, nach einer zweiten Staffel, die ganz schön gelaufen ist letztes Jahr, dieses Jahr eine dritte Staffel anzuschließen, mit neun neuen Folgen, und die laufen jetzt bis zum Jahresende jeden Freitag in Sat.1.
Als vor drei Jahren in den USA zum Beispiel Friends und Frasier zu Ende gingen, hat man angefangen, die Sitcom in eine Krise zu schreiben, und plötzlich war sie tatsächlich da. Kommt dieser Trend jetzt wie alle amerikanischen Trends mit einem bisschen Verspätung nach Deutschland? Ist die deutsche Sitcom in einer Krise?
Grundsätzlich kommen alle TV-Trends nach Deutschland, die Amerika vorgemacht hat, und das ist, bei dem was die Amerikaner derzeit abliefern, auch richtig so.
Ich weiß nicht, wie es der deutschen Sitcom geht, denn im Grunde warte ich immer noch auf eine deutsche Sitcom amerikanischen Stils. Nehmen wir mal Ritas Welt oder Nikola. Hier haben sich die Macher für eine Mischung aus Gag-Mustern der amerikanischen Sitcom und der deutschen Familienserie entschieden. In einer Langfassung wären sie sicher auch im ZDF erwünscht gewesen, oder ein paar Robben hätten auftauchen müssen. Ich glaube, die amerikanische Variante funktioniert noch ein bisschen anders: Über außergewöhnliche Charaktere und zugespitzte absurde Situationen.
Es gab in Deutschland meiner Ansicht nach kaum Formate, die ein Stück weiter gegangen sind. Ein Beispiel ist sicher die Comedyserie von Anke Engelke, Anke, die hinter den Kulissen einer Daily Talkshow spielte. Das fand ich einen unglaublich spannenden Ansatz. Etwas Ähnliches wird momentan bei Krügers Woche versucht. Beide Sendungen fanden nicht auf Anhieb das große Publikum, aber das liegt nicht daran, wie oft behauptet wird, dass sie hinter den Kulissen des Fernsehens spielen, und dass man dies ja nicht verstünde. Ich glaube, man hätte in beiden Fällen rein handwerklich genauer arbeiten müssen.
Auch bei meiner eigenen Serie Pastewka gab es einen langen Findungsprozess. Wir mochten die Shows Frasier, Seinfeld oder Curb Your Enthusiasm; aber mögen reicht ja nicht aus. Wir haben irgendwann gemerkt, wir sind am stärksten, wenn wir Geschichten über möglichst unterschiedliche und überraschende Charaktere erfinden. Vorneweg steht Neurosen-Pastewka, und dazu kommen Figuren, die im Grunde nicht zusammenpassen: Der Fernsehstar und eine Familie, Bastian und seine dauerkritische Nachbarin Svenja und so weiter. Daraus entsteht unglaublich viel Komik. Wir haben uns deshalb bei unserer Serie irgendwann dagegen entschieden, unser sechsköpfiges Hauptcast unbedingt in jeder Folge auftauchen zu lassen. Es gibt auch Geschichten ohne Bastians Freundin Anne oder Managerin Regine, ohne die Nichte Kim oder Vater Volker. Wir holen das Personal nur dann, wenn wir es brauchen.
In manch anderer Sitcom muss das Stammpersonal immer wie in einem Bienenstock alles gemeinsam erleben. Und daraus entstand nach meiner Ansicht oft ein geklontes Humorumfeld, das ganz weit weg von der Realität entfernt agieren muss, damit bloß jede Figur genug Raum bekommt. Eine Serie wie Hausmeister Krause dagegen finde ich in diesem Punkt wieder deutlich konsequenter, denn die entscheiden sich von vornherein für ein beklopptes Tom-Gerhardt-Asi-Proll-Umfeld, in dem die ganze Familie so spricht wie die Hauptfigur. Und sind damit ja inzwischen auch in der siebten Staffel erfolgreich.
Das ist ja die klassische Sitcom-Form mit Bühne, begrenzten Schauplätzen…
Ach, das wäre toll, wenn man das mal wieder versuchen würde. Die gute alte abgefilmte Theaterbühne! Krügers Woche geht schon so ein bisschen in die Richtung, die Schillerstraße auch, wobei dort ja frei improvisiert wurde. Ich würde mir wünschen, dass man auch mir eines Tages mal ein aufgeschnittenes Wohnzimmer vor ein Publikum schiebt, und dass man dort mit vier oder fünf ausgewählten All-Star-Comedy-Kollegen drin hocken kann und gute Geschichten performt, wöchentlich 22 Minuten!
Lukas mit Dirk Bach machte ja im Prinzip genau das.
Richtig, aber das zum Beispiel war mitunter zu amerikanisch. Lukas öffnete seinen Kühlschrank und sagte: „Hey, das Verfallsdatum auf dem chinesischen Essen ist ja in Runenschrift“! Da hört man wirklich die Schreibmaschine des amerikanischen Sitcomstils durch. Und zudem befand sich dieses chinesische Essen in typisch amerikanischen Fast-Food-Tüten, was die Familie, die Dirk Bach behauptet hat, nicht kaufen würde.
Man hätte die abgeschriebenen Witze vielleicht wenigstens auf Pizza umschreiben sollen.
Vielleicht das.
Was glaubst du, woran es liegt, dass amerikanische Drama-Serien im deutschen Fernsehen im Moment sehr erfolgreich sind, aber amerikanische Sitcoms immer noch keine Chance bekommen?
Sie sind nicht wirklich massentauglich. Der deutsche Markt richtet sich ja momentan extrem nach US-Erfolgen. So etwas wie Dr. House, was ja auch an der Grenze zwischen Drama und Komödie angesiedelt ist, ist inzwischen viel interessanter als so eine kleine Halbstundensitcom. Ich glaube aber im Gegenteil, dass die Generation, die so etwas mag, mittlerweile auf das Fernsehen gar nicht mehr angewiesen ist, sondern sich diese Serien auf DVD bestellt oder im Netz herunterlädt. Das deutsche Fernsehen braucht einfach viel zu lang, um die Folgen zu synchronisieren.
Glaubst du nicht, dass eine Mehrheit ihre Programme immer noch aus dem deutlich kostengünstigeren Fernsehen bezieht? Früher hatten wir Eine schrecklich nette Familie, die als Sitcom sehr erfolgreich war. Vielleicht würden moderne Sitcoms heute wieder zu besseren Sendezeiten als mittags oder nachts funktionieren.
Ja, ich glaube, man sollte es zumindest mal wieder versuchen. Ich hatte ein bisschen mehr erwartet von dem neuen Sender Comedy Central, die ja nun mit sehr viel Elan gestartet sind und gesagt haben: Wir machen eine Mischung aus neuen deutschen Innovationen und amerikanischen Serien. Bis auf die Synchronversionen von Extras und Little Britain habe ich da ehrlich gesagt nichts Neues gefunden. Und ich glaube, dass die Fans solcher Programme hier immer sagen werden: Mensch, das habe ich mir im Original schon angeguckt, und da war es gelungener.
Man hat auch viele Jahre geglaubt, dass man das amerikanische Drama dem deutschen Fernsehzuschauer nicht zumuten könne.
Ja, das ist richtig. Die Zeit, dass RTL nur eigenproduzierte Serien gemacht hat, scheint jetzt wirklich in weite Ferne gerückt zu sein. Mittlerweile ist ja bei den Privatsendern ein absolutes Wettrüsten um die neuesten amerikanischen Serien entstanden. Dafür musste Abschnitt 40 weichen, um auf diesem Sendeplatz donnerstags um 22.15 Uhr Bones – Die Knochenjägerin zu zeigen; eine, wie ich finde, Kinderkanal-Version von CSI, die eigentlich überhaupt keine Bewandtnis hat. Und die trotzdem drei Prozentpunkte hinter dem Komma mehr hatte, und schon wird sie als Erfolg gewertet. Abschnitt 40 hingegen, was ich als Unikat empfinde, das man mit viel Liebe und Mühe gemacht hat, drei Jahre in Folge einen Fernsehpreis bekommen hat, wird innerhalb von einer Sekunde dem Trend geopfert. Das finde ich äußerst bedauerlich.
Es ist den Zuschauern und Machern gegenüber einfach nicht fair, eine Serie, die jahrelang treue Dienste geleistet hat, die für den Sender gute Quoten geholt hat, Preise gewonnen hat, von heute auf morgen abzusetzen, ohne den Fans, den Zuschauern die Chance zu geben, sich davon zu verabschieden.
Hinter Gittern war so ein Fall. Da wird über das letzte Jahr eine Notbeatmung gemacht, anstatt zu verkünden: Kommt, wir hören jetzt auf, denn es wird nicht mehr besser, und dafür machen wir noch ein Grande Finale Furioso, was wir stark betrailern und das dann eine schöne Abschiedsquote holt. Das könnte ich verstehen.
Einer Serie, die man zehn Jahre durchgeschleift hat, sollte man doch noch zehn Wochen bis zu einem große Finale gönnen können.
Ganz genau. Ich glaube, es gibt auch so eine Art Quotenprestige unter den Sendern. Ich will mich davon auch gar nicht freimachen. Auch ich schaue bei meinen eigenen Sendungen am nächsten Morgen sehr hektisch im Videotext nach, wie sie denn angekommen sind, denn auch ich sehe diese Zahl als Garant für Erfolg. Ich kann auch immer wieder heucheln: „Jaaa, meine Serie ist gut, völlig egal, welche Quote sie hat!“ Aber so ist es nicht. Ich mache ja auch einen Deal mit dem Privatfernsehen, für das ich jetzt seit zwölf Jahren arbeite, und mache das im Grunde auch gern. Ich weiß, dass ich von diesen Zahlen sozusagen über den dritten Bildungsweg abhängig bin.
Soweit der schriftliche Teil. Und wie beim Abitur kommt jetzt der mündliche. Nix doppelt hier, im Podcast gibt’s Exklusivmaterial (doch echt, wir haben jetzt einen Podcast!):
- DVD-Wettrüsten zwischen Bastian Pastewka, Oliver Kalkofe und Oliver Welke.
- Wie Bastian Pastewka sich an Filmproduzenten ranschmeißt, um Jerry Seinfelds deutsche Stimme zu werden.
- Ausblick auf die dritte Staffel Pastewka.
- Kollegen missbrauchen Pastewka als Karrieresprungbrett.
- Kann man die Eurovisionsmelodie und die Titelmusik von Dallas wirklich gleichzeitig singen, ohne dass es völlig bescheuert klingt?
Und jetzt geht’s endlich los:
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Bastian Pastewka wurde einem kleineren Publikum als Autor des Vorworts für Das Fernsehlexikon bekannt und einem größeren durch Die Wochenshow, Ohne Worte, Pastewka in… und Pastewka.
Pastewka, neue Folgen freitags um 21.15 Uhr in Sat.1.
Die zweite Staffel ist gerade auf DVD erschienen.
Michael, 1. November 2007, 01:48.