1993 (ARD). 13‑tlg. dt. Satire von Wolfgang Menge.
Der ehemalige Fahrschullehrer Friedhelm Motzki (Jürgen Holtz) ist Frührentner und gerade Witwer geworden. Er lebt in kleinbürgerlichen Verhältnissen im Wedding, im Westteil Berlins (in der Linsenstraße!), und die Folgen der deutschen Einheit gehen ihm gewaltig gegen den Strich, weil alles von Ossis überschwemmt wird. Vor allem darüber motzt und nörgelt er, aber auch über alles andere. Nur der türkische Gemüsehändler Gülüsan Ükzknürz (Albert Kitzl), der versucht, deutscher als die Deutschen zu sein, mag ihn. Um den Nachlass von Motzkis verstorbener Frau zu regeln, zieht Schwägerin Edith Rosenthal (Jutta Hoffmann) bei Motzki ein. Sie kommt aus dem Osten und ist deshalb natürlich eine prima Zielscheibe. Für acht Mark Stundenlohn darf die ehemalige Erzieherin im Kindergarten der Stasi seinen Haushalt führen und seine Sprüche ertragen.
Für Motzki ist der Tag der deutschen Einheit ein „Katastrophentag“ und das Gerede von den blühenden Landschaften im Osten „Idiotengeschwätz“. Über ostdeutsche Autofahrer sagt er: „Für die Zonendödels sind Autos Nahkampfwaffen“, über ostdeutsche Mode: „Das waren doch gefärbte Zuckersäcke aus Kuba“ und über die Probleme der Ostdeutschen: „Ihr seid jetzt schon fast drei Jahre Deutsche, wie lang soll das noch dauern, bis ihr alles kapiert habt?“
Wolfgang Menge schuf mit Motzki einen würdigen Nachfolger für seine Figur des Ekel Alfred aus Ein Herz und eine Seele und löste eine ähnliche Empörung wie damals aus: Die Serie spalte das gerade zusammenwachsende deutsche Volk noch mehr und sei einfach niveaulos, so der Vorwurf. „Motzki ein Kotzki – oder?“, fragte die „Bild“-Zeitung.
Die Aufregung kam für Menge nicht überraschend: Sogar der koproduzierende WDR hatte im Vorfeld versucht, aus dem bitterbösen cholerischen Kleinbürger eine überzeichnete Witzfigur zu machen. Bei Sätzen wie Motzkis Kommentar zu den Maueropfern („Habt euch doch nicht so – die paar, die bei der Flucht draufgegangen sind, die bringt ihr doch heute an einem Tag mit euren Autos um!“) war der kollektive Aufschrei programmiert. Wobei nicht ganz klar war, wer sich mehr angegriffen fühlen sollte: Die Ossis als Zielscheibe von Motzkis Spott oder die Wessis, die als cholerische Motzkis dargestellt wurden. Ein Bürger aus Bayern stellte beim Hamburger Verwaltungsgericht vergeblich Antrag auf eine einstweilige Anordnung, die Ausstrahlung zu verbieten, weil sie die ostdeutsche Bevölkerung verhöhne. Zur auch von Politikern geforderten Absetzung kam es nicht, jedoch blieb es trotz beachtlicher Quoten von sechs bis zehn Millionen Zuschauern bei einer Staffel. Der MDR antwortete auf Motzki mit der Serie Die Trotzkis. Albert Kitz, Darsteller des türkischen Gemüsehändlers, ist übrigens gebürtiger Rumäne.
Die 25‑Minuten-Folgen liefen dienstags um 21.05 Uhr.