Unfreiwilliges Sommerprogramm

Viele Landwirte leiden unter dem warmen, trockenen Wetter, weil nix wächst, wo nix regnet. Fernsehsender leiden ebenfalls unter Wärme, weil auch Einschaltquoten bei diesem Wetter eher selten zum Wachstum neigen, sobald Mensch merkt: Sieh mal, draußen ist es ja auch schön. Deshalb wird jedes Jahr im Sommer hartnäckig durchwiederholt, was die Archive hergeben.

Dass der Sommer in diesem Jahr so früh kommt, macht sich schon jetzt bemerkbar: Criminal Intent zum Beispiel fiel in dieser Woche zum ersten Mal seit Mitte des 17. Jahrhunderts unter die Marke von zwei Millionen Zuchauern, und auch die sonst so erfolgreiche Rosa Roth, die mit hohen Erwartungen in einem schicken Dreiteiler antrat, blieb eher blassrosa.

Dieser Effekt verstärkt sich noch an Wochenendtagen, wenn die Minderheit am nächsten Tag arbeiten muss und deshalb länger im Biergarten bleiben kann. Und ausgerechnet an diesem Freitag, für den Temperaturen bis 30 Grad vorhergesagt sind, starten gleich drei neue Serien im Rahmen der Freitags-Spaßpflicht im deutschen Privatfernsehen: Alles Betty, Mitten im Leben und Kinder Kinder (ausführliche Besprechungen aller Serienstarts morgen an dieser Stelle). Sicher nicht die beste Ausgangsposition, aber da ich schon oft genug über kurzfristige Programmänderungen geschimpft habe, verhalte ich mich lieber mal ganz ruhig, sonst kommt noch jemand auf eine Idee.

Michael, 26. April 2007, 13:09.

Mitten im Leben

2007 (RTL). 9-tlg. dt. Comedyserie von Andy Cremer und Michael Gebhart.

Der Lehrer Alex Krüger (Heiner Lauterbach) und die Journalistin Bea Richter (Sandra Speichert) gründen eine Patchworkfamilie. Er bringt seinen 14-jährigen Sohn Pit (Yoshij Grimm) ein, sie die Töchter Jule (Jil Funke), 15, Anna (Roxanne Borski), 13, und Lena (Xisa Lina Eich), 5. Fortan geht’s rund, und Alex kämpft an allen Fronten mit Pubertätsproblemen. Kollegen an seiner neuen Schule sind sein alter Studienfreund Olli (Guntbert Warns) und die strenge Rektorin Frau Rangold (Katrin Sass).

Gelungene Comedy, die einer bekannten Ausgangssituation viele neue Gags entlockte und sie liebevoll umsetzte. Lauterbach spielte den gestressten, aber verständnisvollen Vielfachvater sympathisch und glaubwürdig, und ebenso glaubwürdig war ausnahmsweise das Standardzitat, das Schauspieler fast immer zum Start einer neuen Serie aufsagen: „Es gibt Produktionen, die sind von A bis Z so stimmig und gelungen, dass man als Schauspieler keine Sekunde zögert sofort zuzusagen“. Es war Lauterbachs erste Hauptrolle im Privatfernsehen und seine erste in einer Comedyserie. Sie lief freitags um 21.15 Uhr und wurde nach einer Staffel eingestellt.

Kinder Kinder

Ab 27.04.2007 (RTL). Dt. Comedyserie von Chris Geletneky und Sascha Albrecht.

Alle drei Schwestern aus der Familie De Vries sind bereits Mutter oder auf dem Weg dazu. Die Älteste, Katja (Dana Golombek), ist mit dem biederen, aber untreuen FDP-Kommunalpolitiker Andreas Eumann (Heinrich Schafmeister) verheiratet und hat einen siebenjährigen frühreifen Sohn Paul (Hans-Laurin Beyerling). Die Streifenpolizistin Claudia (Judith Pinnow) und ihr Mann Robert Ziegler (Matthias Koeberlin) haben gerade Töchterchen Zoe bekommen, und Robert will noch nicht wahrhaben, dass sich sein Leben dadurch verändert hat. Die Jüngste, Jessica (Carolin Kebekus), ist mit Zwillingen schwanger, was ihrem Freund Christian Rappel (Daniel Wiemer) noch größere Übelkeit bereitet als ihr selbst. Gemeinsam meistern die drei ihre unterschiedlichen Lebensituationen mit dem angebrachten Sarkasmus und Ratschlägen füreinander. Es gibt aber noch mehr Familienzuwachs: Ihre Mutter Marion De Vries (Kathrin Ackermann) hat Papa verlassen und liebt jetzt Ulrike (Gitta Schweighöfer).

Läuft freitags um 21.45 Uhr.

Alles Lisa

Seit Lisa Plenske wieder da ist, haben sich die Einschaltquoten von Verliebt in Berlin erkennbar erholt. Das dürfte Sat.1 Hoffnung geben für den Serienstart von Alles Betty am Freitag, der amerikanischen Version derselben Serie, auf der auch Verliebt in Berlin basiert. (Ausführliche Besprechung dann an dieser Stelle.)

Wenn allerdings die US-Version mit dem bescheuerten deutschen Titel ebenfalls einigermaßen beim Publikum ankommt, ist zu befürchten, dass Sat.1 demnächst auch noch die bereits existenten Adaptionen der Serie aus Indien, Israel, Russland, der Türkei, Mexiko, den Niederlanden und Spanien sowie das Original aus Kolumbien zeigen wird und derweil hofft, dass bald noch ein paar weitere Länder liefern können.

Michael, 24. April 2007, 15:43.

Dr. House und Mr. Fish

„Der Spiegel“ zitiert den britischen Schauspieler Hugh Laurie, der in der amerikanischen Serie Dr. House den amerikanischen Arzt Dr. House spielt, heute dazu, dass er als Einziger im Ensemble seinen Akzent verstellen muss:

Es ist, als ob alle mit einem Tennisschläger spielten — und du hast einen Fisch in der Hand.

Ein Zimmer weiter in unserer Antworten-Rubrik geht es heute übrigens um andere unsympathische Fernsehcharaktere, die trotzdem zu Stars wurden.

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Michael, 24. April 2007, 10:00.

Die Vorfahren des Dr. House

Ich liebe Dr. House. Auch weil er so anders ist als alle anderen Fernsehhelden. Aber hat es eigentlich vorher schon jemals eine erfolgreiche Serie gegeben, in deren Mittelpunkt eine echter Unsympath stand? Sabine

Du meinst außer allen Serien mit Robert Atzorn? Klar, aber selten. Die gängige Meinung ist, dass die Hauptfigur einer Serie liebenswert sein müsse, weil sich ihr sonst kein Zuschauer freiwillig zuwende. Doch es gibt berühmte Gegenbeispiele, allen voran Ekel Alfred in Ein Herz und eine Seele, über den sich halb Deutschland in den 70er-Jahren das Maul zerriss, weil er sich über halb Deutschland das Maul zerriss (und zwar über die SPD-wählende Hälfte). Die Serie Motzki versuchte ein ähnliches Prinzip später noch einmal.

In den USA gab es außerdem den Krimi Mike Hammer mit einem brutalen Schläger als Hauptfigur, der Erfolg war aber ziemlich begrenzt.

Doch sogar Dr. House selbst hat einen sehr konkreten Vorfahr, um nicht zu sagen ein Vorbild: Becker.  Die erfolgreiche Sitcom mit Ted Danson wurde Anfang 2004 nach sechs Staffeln beendet, also genau zehn Monate bevor Dr. House erstmals auf Sendung ging. Becker war Arzt mit eigener Praxis in der Bronx, der das Leben und alle Menschen hasste und den ganzen Tag schlecht gelaunt die negativen Seiten des Alltags herausstellte. Es war eine grandiose Serie, die von Sat.1 im Nachtprogramm versteckt und bisher noch nicht einmal komplett ausgestrahlt wurde. Doch immerhin haben wir jetzt mit Dr. House einen würdigen – und sogar enorm erfolgreichen – Erben.

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Der Hit zur Strandzeitlupe

Ich suche ein bestimmtes Lied, vielleicht kannst du mir weiterhelfen. Und zwar die Titelmelodie von der US-Serie Baywatch, sprich die Melodie, die im Vorspann immer lief wenn Hasselhoff und Co. vorgestellt wurden. Habe bei amazon.de geschaut, da gibts ne CD. Die CD wird aber aus den USA geliefert und da fallen zusätzliche Zollgebühren an. Ist mir zu teuer und zu heikel. Weißt du eine Möglichkeit wie man an das Lied rankommt??? Es heißt, glaube ich, „I’m always here“ oder „I believe“ (der Sänger singt immer was von „I’ll be ready…..I’ll be there“). Vielleicht kannst du mir ja weiterhelfen. Das wäre toll.Nina

Der Song heißt tatsächlich „I’m Always Here“ und wurde von Jim Jamison gesungen. Es war schon der zweite Titelsong von Baywatch, nachdem in der ersten Staffel „Save Me“ von Peter Cetera verwendet worden war.
Jim Jamison war Mitte der 80er-Jahre der Sänger der Band Survivor (noch nicht bei deren Hit „Eye Of The Tiger“, aber bei „Burning Heart“) und versuchte 1999 noch einmal, daraus und aus Baywatch Profit zu schlagen, indem er den Song als „Jimi Jamison’s SURVIVOR“ noch einmal als Single und auf seinem Album veröffentlichte. Diese Version unterscheidet sich marginal von der in der Serie verwendeten, ist aber zumindest günstiger heute noch erhältlich.
Die Original-Serienversion wurde nie als Single veröffentlicht, sondern erschien nur auf dem von Dir genannten Album.
Vor gut einem Jahr erschien außerdem eine neue Danceversion des Titels unter dem Interpretennamen Sunblock und dem Titel „I’ll Be Ready“, die in Top-10-Hit in England wurde.

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Becker

2001–2004 (Sat.1). 107-tlg. US-Sitcom von Dave Hackel („Becker“; 1998–2004).

Der Arzt Dr. John Becker (Ted Danson) ist ein ewiger Nörgler und Miesmacher, der nie lacht, schnell wütend wird und immer nur das Negative in Dingen sieht. Er freut sich nur dann, wenn er anderen anhand praktischer Beispiele beweisen kann, dass die Welt tatsächlich schlecht ist. Unter ihm leiden Margaret Wyborn (Hattie Winston), die Krankenschwester in Beckers Praxis, und Sprechstundenhilfe Linda (Shawnee Smith), außerdem Reggie Kostas (Terry Farrell), die Besitzerin von Beckers Stammlokal, der blinde Stammgast Jake Malinak (Alex Désert) und die Nervensäge Bob Benito (Saverio Guerra).

Insgeheim ist Becker jedoch ein guter Mensch, der alles für seine Patienten tut, doch das würde er sich niemals anmerken lassen. Er ist zweimal geschieden, denn ebenso wenig wie andere Menschen mit ihm hält er es mit ihnen aus („Man muss sich so viele unnütze Dinge merken: die Namen ihrer Eltern, die Farbe ihrer Augen, was sie beruflich macht …“). Irgendwie knistert es aber zwischen ihm und Reggie. Reggie gesteht sich und ihm am Ende der vierten Staffel ihre Liebe ein und verlässt Hals über Kopf die Stadt, denn Becker ist inzwischen mit seiner neuen Nachbarin Chris Conner (Nancy Travis) zusammen, die nun auch das Lokal übernimmt. Widerwillig lässt sich Becker auf eine Beziehung ein und stellt die nötigen Regeln auf: „Bitte mich niemals, dich zum Flughafen zu fahren. Dafür sind Taxis da. Verlange nie, dass ich dir eine Tür aufhalten soll. Du hast zwei Arme. Benutze sie.“

Beckers köstlich-komische Schimpftiraden liefen werktags nach Mitternacht. Die fünfte Staffel der eigentlich 129-teiligen Serie übersprang Sat.1 und sendete nach der vierten gleich die sechste. Wenige Wochen zuvor hatte Sat.1 bereits die vorletzte Staffel von Frasier übersprungen und stattdessen gleich die letzte gezeigt. Das hatte sich also offensichtlich bewährt.

Mike Hammer

1987–1990 (Sat.1). 49‑tlg. US‑Actionserie von Larry Brody, nach den Romanen von Mickey Spillane („Mickey Spillane’s Mike Hammer“; 1984–1985; „The New Mike Hammer“; 1986–1987).

Privatdetektiv Mike Hammer (Stacy Keach) und seine beste Freundin Betsy – es handelt sich dabei um eine Kaliber-45‑Pistole – raufen, prügeln und schießen um sich, graben sexy Frauen an, und irgendwie lösen sich dabei verzwickte Kriminalfälle. Velda (Lindsay Bloom) ist Hammers sexy Sekretärin und trägt tief ausgeschnittene Kleider. Seine Informanten sind Ozzie „Die Antwort“ (Danny Goldman), sein Kontaktmann auf der Straße sowie sein Kumpel, der Polizist Pat Chambers (Don Stroud). Lawrence D. Barrington (Kent Williams) ist der Staatsanwalt und Jenny (Lee Benton) die sexy Bedienung in Hammers Stammlokal, die übrigens tief ausgeschnittene Kleider trägt. Regelmäßig begegnet Hammer auf der Straße der mysteriösen sexy Frau, die er nur „Das Gesicht“ (Donna Denton) nennt (von der überraschenderweise auch nicht mehr zu sehen ist), ohne zu wissen, was es mit ihr auf sich hat. Erst am Ende der Serie erfährt er, dass sie seine Ermittlungen verfolgt, um darüber Romane zu schreiben. Pah! Das hat Mickey Spillane doch längst getan.

Die Spillane-Hammer-Krimis waren bereits 1957 als Fernsehserie verfilmt worden (mit Darren McGavin in der Titelrolle) und wurden es 1997 noch einmal (wieder mit Keach). Nie konnten sich die amerikanischen Zuschauer dauerhaft mit dem unsympathischen, äußert brutalen Kettenraucher Hammer anfreunden. In Deutschland lief nur diese mittlere Version, ihrem Inhalt gemäß im Spätprogramm, wurde dafür aber seit der Erstausstrahlung fast immer auf irgendeinem Privatsender gerade wiederholt.

Ab Januar 1985 wurde die Serie in den USA für mehr als eineinhalb Jahre unterbrochen, bevor sie mit einer neuen Staffel fortgesetzt wurde. Das ist ungewöhnlich. Aber es war ja auch ungewöhnlich, dass Stacy Keach wegen Kokainbesitzes in England im Gefängnis saß.

Motzki

1993 (ARD). 13‑tlg. dt. Satire von Wolfgang Menge.

Der ehemalige Fahrschullehrer Friedhelm Motzki (Jürgen Holtz) ist Frührentner und gerade Witwer geworden. Er lebt in kleinbürgerlichen Verhältnissen im Wedding, im Westteil Berlins (in der Linsenstraße!), und die Folgen der deutschen Einheit gehen ihm gewaltig gegen den Strich, weil alles von Ossis überschwemmt wird. Vor allem darüber motzt und nörgelt er, aber auch über alles andere. Nur der türkische Gemüsehändler Gülüsan Ükzknürz (Albert Kitzl), der versucht, deutscher als die Deutschen zu sein, mag ihn. Um den Nachlass von Motzkis verstorbener Frau zu regeln, zieht Schwägerin Edith Rosenthal (Jutta Hoffmann) bei Motzki ein. Sie kommt aus dem Osten und ist deshalb natürlich eine prima Zielscheibe. Für acht Mark Stundenlohn darf die ehemalige Erzieherin im Kindergarten der Stasi seinen Haushalt führen und seine Sprüche ertragen.

Für Motzki ist der Tag der deutschen Einheit ein „Katastrophentag“ und das Gerede von den blühenden Landschaften im Osten „Idiotengeschwätz“. Über ostdeutsche Autofahrer sagt er: „Für die Zonendödels sind Autos Nahkampfwaffen“, über ostdeutsche Mode: „Das waren doch gefärbte Zuckersäcke aus Kuba“ und über die Probleme der Ostdeutschen: „Ihr seid jetzt schon fast drei Jahre Deutsche, wie lang soll das noch dauern, bis ihr alles kapiert habt?“

Wolfgang Menge schuf mit Motzki einen würdigen Nachfolger für seine Figur des Ekel Alfred aus Ein Herz und eine Seele und löste eine ähnliche Empörung wie damals aus: Die Serie spalte das gerade zusammenwachsende deutsche Volk noch mehr und sei einfach niveaulos, so der Vorwurf. „Motzki ein Kotzki – oder?“, fragte die „Bild“-Zeitung.

Die Aufregung kam für Menge nicht überraschend: Sogar der koproduzierende WDR hatte im Vorfeld versucht, aus dem bitterbösen cholerischen Kleinbürger eine überzeichnete Witzfigur zu machen. Bei Sätzen wie Motzkis Kommentar zu den Maueropfern („Habt euch doch nicht so – die paar, die bei der Flucht draufgegangen sind, die bringt ihr doch heute an einem Tag mit euren Autos um!“) war der kollektive Aufschrei programmiert. Wobei nicht ganz klar war, wer sich mehr angegriffen fühlen sollte: Die Ossis als Zielscheibe von Motzkis Spott oder die Wessis, die als cholerische Motzkis dargestellt wurden. Ein Bürger aus Bayern stellte beim Hamburger Verwaltungsgericht vergeblich Antrag auf eine einstweilige Anordnung, die Ausstrahlung zu verbieten, weil sie die ostdeutsche Bevölkerung verhöhne. Zur auch von Politikern geforderten Absetzung kam es nicht, jedoch blieb es trotz beachtlicher Quoten von sechs bis zehn Millionen Zuschauern bei einer Staffel. Der MDR antwortete auf Motzki mit der Serie Die Trotzkis. Albert Kitz, Darsteller des türkischen Gemüsehändlers, ist übrigens gebürtiger Rumäne.

Die 25‑Minuten-Folgen liefen dienstags um 21.05 Uhr.

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